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Blut ist ein ganz besonderer Saft

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138 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2016 | www.diepta.de

I

m Zeitalter der großen mikro- biologischen Entdeckungen steht er in einer Reihe mit Louis Pasteur und Robert Koch. Letzterem diente er sogar als Assistent; wie dieser stammte er aus einer kinderreichen Familie mit zwölf Geschwistern.

Hochbegabter Stipendiat Gebo- ren 1854 in Hansdorf/Westpreußen als Sohn eines Lehrers legte er 1874 das Abitur ab. Ermöglicht wurde dies durch ein Stipendium; auch das nachfolgende Medizinstudium fi- nanzierte der Staat. Da Behring (da- mals noch ohne „von“) sich ver- pflichtet hatte, nach erfolgtem Ab- schluss als Militärarzt zu dienen, litt er währenddessen zumindest keine finanziellen Sorgen. Er promovierte über ein augenheilkundliches The- ma, erhielt danach seine Approba- tion, arbeitete in Berlin, Wohlau und Posen.

Eine Diphtherie-Epidemie weckte in dem 26-jährigen jungen Arzt den Wunsch, seine künftige Forschung der Bekämpfung von Infektions- krankheiten zu widmen. Die Erre- ger von Tuberkulose und Diphthe- rie waren bereits entdeckt; Ziel der künftigen Ärztegenerationen war es nun, diesen Krankheiten Herr zu werden.

Serum aus Schafblut Behring in- fizierte Schafe mit Diphtheriekultu- ren und stieß bald sowohl auf das Diphtherie- als auch auf das Teta- nus-Antitoxin. Der Wissenschaftler nahm an, dass die Stoffe, die Mensch und Tier zur Abwehr von Infektio- nen produzieren, artenunspezifisch sind und hoffte, aus dem Blut der infizierten Tiere ein Heilserum auch für Menschen herstellen zu können.

Behring bediente sich deshalb aus Goethes Faust: „Blut ist ein ganz be- sonderer Saft“ soll er damals gesagt haben. Bereits im Dezember 1891 konnten zwei an Diphtherie er- krankte Kinder durch das Serum ge- heilt werden; Behring wandte die passive Immunisierung an.

An Diphtherie starben bis zum Ende des 19. Jahrhunderts rund 50 000 Menschen, vor allem Kinder. 1890 entwickelte Behring zusammen mit Erich Wernicke das erste wirksame Heilserum; wenig später mit einem Assistenten Robert Kochs eines gegen Wundstarrkrampf. Die Ent- deckungen des Immunologen Paul Ehrlich in Bezug auf Anreiche- rungsmethoden, Mess- und Prüfver- fahren ermöglichten die Erprobung am Menschen; 1894 galt der Thera- pieerfolg als sicher und die Seren konnten flächendeckend eingesetzt werden.

„ Blut ist ein ganz besonderer Saft“

© Wikimedia Commons, Emil von Behring sitzend, Urheber unbekannt

Er bekam den ersten Medizin-Nobelpreis: Emil von Behring entwickelte sowohl einen Impfstoff gegen Diphtherie als auch gegen Tetanus und rettete damit zehntausenden Menschen das Leben.

PRAXIS WELCH EIN NAME

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Behring braucht Geld Jedoch – Behrings Problem waren die Finan- zen. Denn was ihm vorschwebte, war eine Antitoxinbehandlung in gro- ßem Stil; dazu mussten erhebliche Mengen des Impfstoffes produziert werden können. Dem Forscher und Mediziner ging die Idee einer eige- nen, unabhängigen Firma nicht aus dem Kopf und er hatte das Glück, dass jemand sein Potenzial erkannte.

August Laubenheimer aus dem Vor- stand des Frankfurter Farbenwerkes Hoechst finanzierte Behring eine Produktionsstätte mit zunächst 57 Pferden, aus deren Blut er die Anti- toxine gewann. 1895 zog der For- scher aus Frankfurt nach Marburg um. Den Stall für die Versuchstiere und das dazugehörige Labor kann man noch heute besichtigen – und die „Behringwerke“, die hier entstan- den, waren jahrzehntelang größter Arbeitgeber in der kleinen Univer- sitätsstadt.

Nach dem erwiesenen Nutzen sei- nes Diphtherie-Heilserums ging die Nachfrage durch die Decke. Denn bis dato war allein im Deutschen Reich jedes zweite Kind an der In- fektionskrankheit gestorben.

Im Umgang schwierig Der akade- mische Weg Emil Behrings scheint gegenüber dieser Lebensleistung fast zweitrangig: Wie alle großen Män- ner seiner Wissenschaftsgeneration verkracht er sich mit denen, die das gleiche wollen – Robert Koch, Paul Ehrlich –, denn es ist nicht leicht mit ihm auszukommen. Friedrich Althoff, Universitätsreferent eines preußischen Ministeriums, besorgt für ihn eine außerordentliche Pro- fessur in Halle, obwohl Behring sich gar nicht habilitiert hatte. Da er dort keinerlei Lehrerfolge verzeichnen kann, wird er nach Marburg „ver- setzt“, was den heftigen Widerstand der dortigen medizinischen Fakul- tät zur Folge hat. Emil Behring darf sich jetzt „Direktor des Hygieni- schen Instituts“ nennen. 1901 be- kommt Behring den Medizin-No- belpreis, ebenso den französischen

„Prix Alberto Levi“. All sein Preis-

geld steckt er in die neuen Ar- beitsräume am Marburger Schloss- berg, der Keimzelle seiner neuen Firma.

Die zwei Häuser werden allerdings schnell zu klein. Behring kauft kurz entschlossen eine alte Ziegelei am Rand der Universitätsstadt und be- ginnt zu bauen. Ein Gebäude nach dem anderen entsteht, die „Beh- ringwerke“ blühen und gedeihen, prägen bald einen ganzen Stadt- teil. Tatkräftig zur Seite steht von Behring – der 1901 vom Kaiser in den Adelsstad erhoben wurde – der Marburger Apotheker Carl Siebert, der als Teilhaber und Partner den kaufmännischen Part übernimmt.

Hochzeit und sechs Söhne Bei all der vielen Arbeit war das Privat- leben des Forschers ein wenig kurz gekommen. Doch das holte dieser nach: 1896, mit 42 Jahren, heiratete Behring die 20-jährige Else Spinola, Tochter des Verwaltungsdirektors der Berliner Charité. Sie gebar ihm sechs Söhne.

1896 ist auch das Jahr, in dem er Stadtrat in Marburg wird. Dort kümmert er sich um die Verbesse- rung der Trinkwasserversorgung und die Einrichtung eines Gesund- heitsamtes.

1907 erleidet der Wissenschaftler einen Zusammenbruch, manche Quellen sprechen von einer schwe- ren Depression. Er ist zeitweise in einem Sanatorium untergebracht und bis 1910 in ärztlicher Behand- lung.

Zahlreichen Soldaten des Ersten Weltkrieges ist von Behring mit sei- nem Tetanus-Serum Retter in der Not, zehntausenden Kindern rettet er das Leben. Er selbst erlebt das Ende des Krieges jedoch nicht mehr.

Ab 1916 zieht er sich von all sei- nen Geschäften zurück und stirbt ein Jahr später, erst 63-jährig an ei- ner Lungenentzündung.

Marburg und Behring Die Mar- burger haben ihrem prominenten Bewohner ein Mausoleum gestiftet.

Es liegt auf der „Elsenhöhe“, die ihren Namen der Ehefrau des Wis- senschaftlers zu verdanken hat, und blickt auf Behrings Ländereien. Vor dem ehemaligen Hygieneinstitut am Pilgrimstein steht eine Bronzebüste des Wissenschaftlers. Ein Gymna- sium in der Universitätsstadt trägt seinen Namen; ebenso ein Preis, der besondere wissenschaftliche Leistungen auf medizinischen und veterinärmedizinischen Gebieten honoriert. Der sogenannte „Behring- pfad“ führt den Besucher durch die Stadt. ■

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion FATIGUE-SYNDROM

Emil Adolf Behring wird am 15. März 1854 in Hansdorf (Westpreußen) geboren.

Sein Vater ist Dorfschullehrer, Emil eines von 13 Geschwistern.

Das hochbegabte Kind erhält ein Stipendium, macht Abitur und darf studieren. Von Behring wird 1901 in den Adelsstand erhoben, im gleichen Jahr erhält er den ersten Medizin- Nobelpreis für die Entwicklung des Diphtherie-Serums.

1917 stirbt der Immunologe in Marburg.

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Dezember 2016 | www.diepta.de

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