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Archiv "Johann Lukas Schönlein (1793–1864): Wegbereiter der modernen Medizin" (24.01.2014)

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A 134 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 4

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24. Januar 2014

JOHANN LUKAS SCHÖNLEIN (1793–1864)

Wegbereiter der modernen Medizin

Schönlein steht am Beginn der streng empirischen Methode bei gleichzeitiger Abkehr von der spekulativen Naturforschung.

D

ie medizinisch-philosophi- sche Strömung des 19. Jahr- hunderts, anfangs noch geprägt von der romantischen Naturphilosophie französischen Vorbilds, erreicht mit der Übertragung der naturwissen- schaftlichen Methode in die Medi- zin eine neue Ära. Als Begründer dieser Schule gilt der am 30. No- vember 1793 in Bamberg geborene Johann Lukas Schönlein. Dieser zeigte früh Interesse an der Natur- kunde und widmete sich dieser auch verstärkt während seines 1811 in Landshut begonnenen Medizin- studiums. Im Herbst 1813 wechsel- te er auf die Universität Würzburg und verfasste 1816 unter dem Ein- druck der Begegnung mit dem dort lehrenden Physiologen Ignaz Döl- linger (1770–1841) seine Disserta- tion „Über die Hirnmetamorphose“.

Seine darin artikulierte Überzeu- gung, dass nur die Anschauung Wahrheit und Gültigkeit besitze, spiegelte bereits sein Bekenntnis zur streng empirischen Methode bei gleichzeitiger Abkehr von der spe- kulativen Naturforschung wider.

Im Anschluss an sein Studium absolvierte Schönlein das für die bayerische Approbation unerlässli- che Biennium practicum am Allge- meinen Krankenhaus zu Bamberg.

Ab 1817 lehrte er als Privatdozent an der Würzburger Universität, die in engem Kontakt zum örtlichen Ju- liusspital stand. Geleitet wurde das Spital von Nicolaus Anton Fried- rich (1761–1836), dessen Nachfol- ge, verbunden mit einer ordentli- chen Professur für spezifische Pa- thologie und Therapie, Schönlein 1824 antrat. Die wesentlichen Grundlagen seiner später sich durchsetzenden Methode, die „ein- zig und allein imstande“ ist, „das Chaos in der praktischen Medizin zu ordnen“, benannte er bereits in seinem 1818/19 verfassten Vorle- sungsmanuskript „Über den Keuch- husten“. Verfahren: Definition der Krankheit aufgrund unverwechsel- barer Merkmale („künstliche Cha- rakteristik“) sowie Beschreibung und Erfassung der Verlaufssympto- me und lokalen Manifestation („na- türliche Methode“) nebst Untersu- chung der historischen Entwick- lung der Krankheit („historische

Forschung“). Interpretationsmittel:

Methoden und Erkenntnisse der

„experimentirenden Physiologie“

und „vergleichende(n) Anatomie“.

Schönlein selbst praktizierte sei- ne Methode an der Würzburger Krankenstätte. Auf der Basis ein- zelner Fälle konstruierte er idealty- pische Verlaufsbeschreibungen; un- ter Einbeziehung der Sektionsbe- funde diskutierte er die pathologi- schen Ursachen und möglichen

Therapien. In seiner Klinik führte Schönlein außerdem die Methoden der Auskultation und Perkussion ein sowie die chemische und mikro- skopische Untersuchung von Blut und Exkrementen. Darüber hinaus vertrat und praktizierte er seine tria- dische Vorstellung einer modernen Klinik, die sowohl der Behandlung der Kranken, als auch der prakti- schen Ausbildung der Studenten und der Beförderung von Wissen- schaft diente.

In den politisch unruhigen Zeiten des Vormärz geriet auch die Würz- burger Universität als Nährboden revolutionären und liberalen Geis- tes verstärkt ins Visier der Regie- rung. Schönlein entkam einer Ver- haftung durch Flucht nach Zürich, wo er das klinische Lehramt an der neugegründeten Universität über- nahm. Hatte er bereits „Würzburg zum Wallfahrtsort für deutsche Aerzte gemacht“ (Virchow), so wuchs seine Popularität in den fol- genden Jahren noch mehr. Zwar be- kämpften Gegner Schönleins die neue naturwissenschaftliche Rich- tung vehement, doch blieb seine Methode, die Krankheit als Prozess

auffasst und sie zusammenhängend beschreiben und diagnostizieren lässt, Bestandteil der modernen Medizin. Im Jahr 1839 folgte Schönlein einem Ruf als Professor und Leiter der medizinischen Kli- nik an die Berliner Charité. 20 Jahre später kehrte Schönlein nach Bam- berg zurück, wo er am 23. Januar

1864 starb.

Sandra Krämer Sandra.Kraemer@studium.uni-hamburg.de

Es war der Wendepunkt zwischen alter und neuer Medicin in Deutschland gekommen;

es sollte sich entscheiden, ob die Medicin durch die Beobachtung oder durch die Speculation, ob sie naturwissenschaftlich oder philosophisch aufzubauen sei.

Rudolf Virchow in einer Gedächtnisrede auf Joh. Lucas Schönlein am ersten Jahrestag seines Todes 1839 wurde

Schönlein an die Berliner Charité berufen.

Foto: picture alliance

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