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(1)577 Aus Firdussi's religiös-romantischem Epos „Jussuf und Suleicha"

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Aus Firdussi's religiös-romantischem Epos

„Jussuf und Suleicha".

Von Schlechta-Wssehrd.

Firdussi's zweites episches Werk „Jussuf und Suleicha" war be¬

kanntlich vom Schicksal weit weniger begünstigt als dessen erstes,

das „Schahnameh". Denn, während dieses, schon bei Lebzeiten des

Dichters, im Orient hohen Ruhms genoss und, dank der Ausgabe

Mohl's und namentlich den meisterhaften Uebertragungen Schack's,

auch im Abendlande seit lange gelesen und geschätzt wird, blieb

ersteres nicht nur Jahrhunderte lang in der Heimath des Autors

selbst verschollen, sondem ist auch noch heutzutage in Europa

kaum dem Namen nach bekannt. Ja, sogar seine Echtheit als

Firdussi's Produkt, wurde, wenigstens im Orient, vielfach bezweifelt,

und erst ganz neuerlich gelang es Herm Professor Hermann Ethe

aus London, diese Zweifel in unbestreitbarer Weise zu widerlegen >).

Gleichzeitig stellte derselbe Gelehrte die Veröffentlichung des Textes

in Aussicht. Ueber den eigenthchen Charakter des Gedichtes selbst

aber verlautete bisher nicbts, daher einige Worte in dieser Richtung nicht überflüssig erscheinen. Wie schon aus dem Titel ersichtlich, behandelt dasselbe die Legende vom „egyptischen Josef", also jenen

Stoff, welcher, nach Renans geistreicher Bemerkimg, nicht nur „der

älteste der Romane, sondem auch der einzige Roman ist, welcher nicht veraltet". Doch gebübrt dem Werk Firdussi's eigentlich die Bezeich¬

nung „religiös-romantisch", da es nicht nur die romantischen Stellen im Lebenslaufe seines Helden, Josef, der ja übrigens, wie bekannt,

den Mohammedanern auch als Profet gilt , in poetischer Weise

hervorhebt, sondern gleichzeitig aucb den Monotheismus, beziehungs¬

weise den Islam, verherrlicht. Mit der Erwerbung des Erstgeburts-

rechtes (der Profetenschaft) durcb Jacob beginnend, schliesst es

mit dem Tode Josefs äb und folgt im Gange der Begebenheiten,

1) H. Eth^. ..Firdausi's Yüsuf und Zaliciiä" in den ,,Acten" des letzten Wiener-Orientalisten-Congresses.

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578 Schlechta-Wssehrd, Atis Firdussi's „Jussuf und Suleicha".

wie begreiflich, zunächst dem Koran (Sure Josef), zugleich jedoch

auch den rabbinischen Traditionen, indem die verschiedenen Bei¬

träge , durch welche die jüdischen Schriftgelebrten den biblischen

Grundstoff erweiterten uud ausschmückten, von Firdussi in die Er¬

zählung eingewoben werden. Von der Verehnmg für seinen Helden,

seiner eigenen Phantasie und der, dem Orientalen angeborenen Vor¬

liebe für das Wunderbare hingerissen , geht der Perser übrigens

noch weit über das Maass der semitischen Legende und Tradition

hinaus, lässt Josef, statt Pharaos, König von Egypten werden, die

Egypter zum Glauben an den alleinigen Gott bekehren, zahlreiche

Mirakel wirken und dergleichen mehr. Doch hegt, vom poetischen

Standpunkt aus betrachtet , kein Grund vor , dem Autor diese

Licenzen zu verübeln, da ja seine Erfindungsgabe und Originalität,

sein Scharfsinn und namenthch seine wohltbuende Gemüthswärme,

der Natur der Sache entsprechend, gerade in diesen , nicht ent¬

lehnten, sondem selbsterdachten „Ausschreitrmgen" am glän¬

zendsten hervortreten. Interessant und für die Geistesrichtung und

liberalere Denkart desselben ist auch das Bemühen , mit welcbem

er, wo es nur immer angeht, dem allzustarren, mohammedanischen

Fatalismus entgegentritt, indem er die schweren Prüfungen und

Leiden Jacobs und Josefs mehr als natürliche Consequenz der eigenen

Fehler und Schwächen der Betheihgten, denn als Wirkung .urewiger

Schicksalsbeschlüsse" hinzustellen trachtet. Da ich seit Jahren an einer Verdeutschung „Jussuf und Suleicba's" arbeite und dieselbe, faUs Clotho mir hiezu Zeit gönnt, auch zu veröffentlichen beabsich¬

tige, glaube ich mich auf obige Andeutungen beschränken zu soUen

und füge nur noch einige Uebersetzungsproben ') bei, welche hin¬

reichen dürften, von der Darstellungsweise des Verfassers einen all¬

gemeinen Begrifif zu geben.

Jacob freit um Rachel und verdingt sich bei Laban.

Von Labans Töchtem Lia hiess die Eine ;

Cjrpressenschlank nnd gleich dem Vollmondscheine, Hold war sie, ja vielleicbt die schönste Frau '■') Die je gewandelt unterm Himmelsblau.

Die Zweite, welcher gleichfalls Niemand glich.

Die zweite Tochter nannte Rachel sich;

Em Engel — sagt man — habe schon dem Kinde

1) Zur Uebertragung benutzte icb die iu der K. lv. Wiener-Hof bibliotliek belindliehe Handschrift und die im J. 1299 moham. Zeitrechnung in Teheran er¬

schienene Lithographie. Einige andere Uebersetzungsproben worden in den er¬

wähnten „Acten" des Wiener-Orieutalisten-Congrosses abgedruckt erscheinen.

2l Ilem Schönheitssinne des Persers widerstrobto es otleubar, Lia wie es iu der Hibel der Kall, „triefäugig" erscheinen zu lassen. Auch mochte es ihm, vou seinem Standpunkte aus, knum eingeleuchtet haben, wesshalb Gott gerade seinem Lieblinge, dem Erzvater, eine ..triefäugige" Gattin auserkoren haben sollte.

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Schlechta - WmieJird, Aus Firdussi's „Jussuf und Suleieha". 579

Deu eignen Reiz verehrt als Angebinde;

Ein helles Etw^as lag auf ihren Wangen, Davor erblich der Morgensonne Prangen,

Und Wuchs und Gang und Schmelz der Haut und Parben

An Gedern mahnten sie und Lihengarben.

Kein Schleier barg den Reiz der süssen Maid

Und zwanglos sah sie Jacob jederzeit;

Doch war's ihm lange völlig einerlei

Ob sie ein Knabe oder Mädchen sei

Und fübllos blieb sein Auge an ihr hangen.

Denn seine Brust bewegte kein Verlangen.

Da, plötzlich, gab der Herr der Welt ihm ein,

Auf einer Gattin Wahl bedacht zu sein,

Uud, sieh da, jäh entflammt, mit Leib und Geist

Ihr eigen ist er ; seine Zunge preist

Nur sie; in Sehnsuchtsgluthen sich verzehrt er

Und straks vom Ohm zum Weibe sie begehrt er.

Doch so sprach Laban: „Der Befehl ist dein!

Vou Herzen geme wird dicb Rachel frei'n

Und, so wie sie vor Andern dich erkor.

So zieh auch ich als Schwiegersohn dich vor;

Nur, Theurer, musst du früher dich verpflichten.

Mir sieben Jahre Dienste zu verrichten.

Gefällt dir's so, vertrau ich deiner Huth

Mein Weidevieh, mein ganzes Hab und Gut,

Die Schafe und Kamele und nicht minder

Die Rosse und die Eseleins und Rinder;

Vom Nachwuchs aber sei, als Hirtenlohn,

Dein jedes zehnte Stück, und, wahrlicb, Sohn,

Da jedes Schaf zwei Male lammt im Jahr,

Ist, mein ich, das Geschäft ganz annehmbar!

So maebst du Geld ! und, wenn du Geld gemacht.

Dann erst ein Haus zu gründen sei bedacht.

Denn nichts ist tböricbter auf dieser Welt

Als sicb beweiben ohne Gut und Geld

Und nur ein Ziel dem Jammer und dem Harme

Und immer schief gewickelt ist der Arme."

Als Jacob solches hörte, überkam

Ihn frohe Hoffnung. Eilig übernahm

Er Labans Vieh und schrieb auch gleich die Nameu

Der Hirten auf, die ihn zu grüssen kameu;

Hierauf die Heerden selber überzählte.

Aufmerksam, Stück für Stück, der Gotterwählte,

Durchforschte auch persönlich Berg und Thal,

Besah die Weidegründe allzumal

Uud wachte selbst sogar bei Tag und Nacht. —

Glückselge Heerde, welche so bewacht! —

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580 Schlechta - Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf und Suleicha".

Und siehe, wie er selbst des Oheims Gut,

Beschützte ihn des Himmels Huld und Huth;

So mächtig anwuchs seiner Thiere Schaar,

Dass ihre Menge kaum zu zäblen war;

Verdreifacht ward sie, ja vervierfacht bald

Durch Jacobs segenspendende Gewalt

Und, als nun gar vorbei die sieben Jahre, Stieg ihre Zahl in's Unberechenbare.

Jacob heirathet Lia statt Rachels, beklagt sich bei

Laban und hält abermals um Rachel an.

Als nun der Jahre siebentes dahin.

Zog Jacob heim und brachte den Gewinn,

Den Nachwuchs an Gethier, dem Oheim dar.

Da staunte dieser, imd es ward ihm klar

Dass Jener die Profetenschaft erhalten.

Denn nur Profeten können so verwalten.

Dann übergab er, so wie er's verschrieben,

Von allem Vieh, das in den Jahren sieben

Geworfen ward, gleichviel ob Rind, ob Schaf,

Kamel, Ross, Grauthier, wie sich's eben traf.

In Jacobs Hände jedes zehnte Stück, —

Denn ihm allein entstammte ja das Glück; —

Und fünfzig tausend Thiere aUer Arten

Betrug die Zahl des Zehntels, des ersparten.

Und nun versagte Laban auch nicht länger

Der Tochter Hand dem reichgewordnen Dränger,

Erschloss der Grossmuth Pforten für die Gäste

Und rüstete zum frohen Hochzeitsfeste.

Doch heimlich und von Jacob ungeseh'n, Hiess er die Dienerin zu Lia geh'n.

Mit schweren Stoffen, golddurchwirkt und seiden,

Wie's Bräuten ziemt, die liebliche bekleiden

Und sie mit Salben würzen und mit Wässern,

Wie's nimmer gab der feineren und bessem.

Obgleich sie äussern Schmuckes leicht entbehrte.

Weil die Natur ihr Schmucks genug bescherte.

Als nun vorbei die Hochzeitsfesthchkeit,

Da führte man ins Brautgemach die Maid,

Wo sie verblieb bis Dunkelkeit die Plügel

Allmählig senkte über Thal imd Hügel

Und Jacob auch, der reine Bräutigam,

Der edle Eidam, in die Zelle kam.

0 keusches Sträuben, seliger Verein!

0 wie erquickte sich die Seele sein

Und schwelgte in der langentbehrten Lust,

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Schlechta-Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf und Suleicha". 581

Im Herzen Rachels Bild, an Lias Brust!

Nur sah er ihre süssen Züge nicht.

Denn weder Ampelstrahl, noch Kerzenlicht —

So wollt es Brauch und Sitte jener Zeiten —

Beschien des Liebesgartens Heimlichkeiten.

Erst, als die Sonne leuchtend kam zurück.

Warf Jacob einen sehnsuchtsheissen Blick

Zur Seite, nach dem Antlitz seiner Prau, Damit er Rachel, die geliebte, schau'.

Doch, weh, nur Lia sah er, Lias Wangen,

Nur Lias, und nicht Rachels, Pormen prangen.

Wohl nahm er freudig ihre Schönheit wahr.

Der Glieder Schmelz und Duft, das reiche Haar

Und all die andern Reize ohne Zahl,

Die heller glänzten als des Lichtes Strahl;

AUein, verwundert, frug er sich im StUlen,

Wie's nur vereinbar mit des Höchsten Willen,

Dass ihm, statt Rachels, die er doch begehrt,

Der Obeim, Lia als Gemahl beschert.

Und. ungesäumt, beschloss er, ihn zu fragen.

Wie sich das Sonderbare zugetragen.

Doch, eh' er ging, umarmte er zuvor

Noch hundert Mal die junge Gattin, schwor

Von neuem tausendfache Treu der Schönen

Und pries und lobte sie in allen Tönen,

Damit ihr Herz nicht ahne, was ihn drücke.

Mit gleicher Innigkeit ihn fortbeglücke.

Hierauf zu Laban trat der Tochtermann,

Belobte erst auch ihn und sprach sodann :

,0 Herr und Ohm ! dich anzuschauen bloss

Dünkt mich, fürwahr, ein neidenswerthes Loos,

Denn Gutes nur, ja Gutes immerfort

Erwies mir deine Huld in That und Wort;

Doch trug sich etwas zu was mir nicht klar.

Und, mir's zu deuten, höre was es war:

Ein Röslein bot mir deine Hand, die eine.

Und eine Blüthe vom Orangenhaine Die andre, beide frisch und düftereich.

Wie niemals Jemand pflückte deren gleicb.

Mich aber zog es nach der Rose hin,

Heiss, wie es Fürsten zieht nach Landgewinn!

Da schloss icb auf die Lippen und begehrte, Von dir die Rose, die so schwer entbehrte.

Du aber sagtest mir die Rose zu

Und meinem Herzen gabst du Glück und Ruh;

Zugleich jedoch entzogst du mir die Freude,

Dass ich mich, Tags, an ihrem Anblick weide

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(6)

Schlechta-Wusehrd, Aus Firdussi's „Jussuf uud Suleicha".

Und sprachst: „Verziehe bis das Dunkel kam",

Daher ich. Nachts, die Blrune von dir nahm.

Und nur bei Nacht sie an den Busen drückte

An ihres Dufts Genüssen mich erquickte.

Allein, o Wunder, als die Nacht entschwand.

War's nicht die Rose, die ich bei mir fand.

Und — schwer getäuscht empfand ich's im Gemüthe

Was ich besass, war die Orangenblütbe !

Ja, so geschah's ! Darum erkläre, sprich

Und mit der Wahrheit Wasser säubre dich

Vom Schmutze des Betrugs. Weshalb versprachst

Du Rachel mir, und gingst dann ab und brachst

Dein Wort und gabst mir Lia zum Gemahl,

Die nie in Frage kam bei meiner Wahl?

Gewiss, nicht grundlos hast du so gethan ;

Doch, was bewog dich so zu thun? Sag an."

,0 Hort der BUligkeit und Religion",

Versetzte schmunzelnd, Laban, „theurer Sohn,

Vei-zeih! doch war mein Vorgang ein gerechter;

Ist Lia doch die ältre meiner Töchter Und schafft ein kluger Vater jedenfalls

Sich doch die ältere zuerst vom Hals,

Denn, ist die jüngre erst entwischt der Klause,

Wird's auch der Aelteren bald zu eng im Hause!

So that ich nur wie Einsichtsvolle pflegen.

Und, bist du bilhg, hast du nichts dagegen."

Und wieder sagte Jacob : „In der That,

Kein weiser Vater wüsste bessern Rath,

Und, traun, seit Adam durch die Welt gewandelt.

Hat Niemand klüglicher als du gehandelt;

Auch bleib ich, trotzdem, dankbar dir ergeben

Und stets bereit, dich lobend zu erheben ;

Warst du mir hilfreich doch in jeder Weise

Und wiesest mir des Glückssterns belle Kreise, Denn mittellos, verlassen und verwaist

War ich, da ich aus Kanaan hergereist;

Und nun — dir, Edler, dank ich es allein —

Ist Geld und Gut in Hüll und Fülle mein ;

So weit drei Pfeile fliegen deckt die Erde Mein Lager, unzählbar ist meine Heerde,

Nicht minder zahlreich meiner Diener Menge

Und meiner Hirten Schwann ein Heergedränge :

Dir dank ich was ich bin und habe, dir,

Näcbst Gott, jedwede Gunst und Gabe dir.

Ja, selbst die Tocbter gabst du mir zuletzt.

Hast deiner Huld die Krone aufgesetzt, Und alles Liebe was mir je begegnet,

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(7)

Schlechta-Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Durch die, o Herr, ward ich damit gesegnet!

Und doch — noch Eines fehlt mir. Eins aUein,

Und, bist du redlich, wird auch dieses mein.

Erklärtest du mir doch, wohl hundert Mal,

Dass Rachel mir erkoren zum G-emahl,

Gabst mir hierauf dein feierliches Wort, Ja, gabst es wiederholt und immerfort.

Und dennoch hast du schnöde jetzt gebrochen.

Was du so oft gesagt, gelobt, versprochen!

Schon ist die Sonne mein ! Soll ich verzichten.

Den Mond ihr zu vereinigen?! Mit nichten!

Und, da die Aeltere bereits die meine.

Warum nicht auch die Jüngere, die Kleine,

Zumal sie ohnedem mir zugesagt Und selber auch so innig mir behagt?!

Darum, sei ehrhch, gieb mir aucb die Zweite,

Und zweifach Glück und Ehre mir bereite!"

Jacobs Schuld.

Ein schlichtes Hausthier war's — wie sonderbar! —

Das schuld an Jacobs ganzem Elend war,

So nämlich: Dieser hatte eiue Kuh

Im Stalle und ihr junges Kalb dazu.

Da, eines Abends, da sein Magen grollte

Und sich an feinerm Braten laben woUte,

Ging er, getrieben von gemeiner Gier,

Hinaus und schlachtete das kleine Thier.

Die Kuh stand nebenbei. Ein grauser Schmerz

Durchzuckte ihr zerrissnes Mutterherz

Und, wenn auch stumm, im tiefsten Grund der Seele

Empfand sie, schaudernd, was fortan ihr fehle.

Empfand sie, dass ihr Liebstes sie verlassen, Und, was sie litt, nicht Worte können's fassen!

Doch unbekümmert um das Leid der Kuh

Und kalt und fühllos schaute Jacob zu.

Als, plötzhch, Gabriel, vom Herm gesandt.

In irdischer Verkleidung vor ihm stand

Und also zu ihm sprach: „Du hast gefehlt

Hast, ohne Noth, ein Mitgeschöpf gequält,

Darum zum Himmel heisse Bitten sende,

Dass er vielleicbt das Unheil von dir wende.

Denn, wiss' es, Leiden wül er dir bescheiden, Und zwar nicbt kleine, nein, gewaltge Leiden."

So sprach der Engel und entschwand dem Blick.

Tief seufzend, blieb der Patriarch zurück

Und Wochen schwanden eb' es ihm gelang.

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584 Schlechta-Wssehrd, Ans Firditssi's „Jussuf u. Suleicha".

Dass er den ersten Schrecken niederzwang;

Doch, tief bekümmert, fmg er sich auch dann:

„Was nur der Himmelsbote meinen kann'?!

Wie beisst der Kummer nur der meiner wartet

Und, das mir droht, das Leid, wie ist's geartet ?!

WiUkommen sei es, wie sich's immer nenne ;

Nur dass mich nichts von meinem Josef trenne.

Denn jede Qual und jede Bitterkeit

Und Pein zu tragen bin ich gem bereit;

Nur, ihn entbehren ! — dieses herbste Leiden

Nicbt tragen könnt' ich's in den Welten beiden!"

Josef sündigt durcb Eitelkeit.

(Josef war von den Brüdem in die Cisterne geworfen, während

des Falls aber von Gabriel aufgefangen und unverletzt auf dem

Gmnde des Brunnens niedergelassen worden. Auch hatte ihn der

Engel mit einem himmlischen Gewände bekleidet, mit paradiesischer

Kost gelabt und ihm übei dies, auf Gottes Befehl, seine künftige

Grösse prophezeit.)

Als Josef nun, so seltsam wunderbar Des Bruderhasses tödtlicher Gefahr

Entronnen und durch Gottes Arm gerettet.

Auf der Cisterne Grunde weich gebettet

Sieb wiederfand und aus des Engels Munde

Empfangen die verheissungsvolie Kunde,

Erschien er holder, holder hundert Mal

Als früher, holder als der Sonne Strahl

ünd Glanz des Vollmonds. Ja, kein Staubgeboruei- Seit Adam war an Reizen auserkorner!

Da aber — also meldet ein Bericht —

Da aber, als sein Peenangesicht

Sich in des Brunnenwassers ') Spiegel malte ünd, hell wie Taglicht, daraus wiederstrahlte.

Geschah's, dass sich der Kindische vergass.

Und, von der eignen Schönheit Uebermaass

Geblendet, sprach er, selbstbewusst, bei sich:

„Wie schuf der Himmel doch so herrhch mich!

Wahrhaftig, wäre ich ein Sclavenkind

Und zu verkaufen, wie es Sclaven sind.

Wahrhaftig eine volle Ladung Goldes

Genügte kaum als Preis für solch' ein holdes!"

So sprach er, prahlend, mit gehobner Brust,

Zwar ohne Absicht, ja fast unbewusst,

11 Nni'li ilor Bibel wnr die (listonio bekaimtlicb trocken.

(9)

Schlechta-Wssekrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha". 585

Allein den Mächtigen im Himmel oben

Verdross diess tbörichte Sichselberloben,

Der eitle Stolz auf nichtgen Erdentand —

Allein, was Weiteres hieraus entstand

Und unserm Helden Schlimmes widerfahren.

Bald, doch erst später, wird sich's offenbaren.

Jacobs Klage.

Nun, Leser, Herz und Obr mir freundhch stimm

Und, was mit Jacob sich begab, vernimm:

Nachdem die bösen Zehn ') den Unschuldsvollen *)

Hinabgeschleudert in den dunklen StoUen,

Begaben sie ins Lager sich zurück ;

Hier, aus den Heerden, fingen sie ein Stück, Erschlugen's, und mit dessen Blute tränkten

Sie das Gewand des Bruders, des versenkten.

Dann, mit zerrissnen Kleidern, Staub und Erde

Im Haar, und Angst in Mienen und Geberde,

Nach Hause eUten sie, wo Jacob schon

Sehnsüchtgen Bhcks erwartete den Sohn.

Sich nähernd, kreischten sie und scblugen sich

Auf Kopf und Bmst so wüd und jämmerlich,

Dass sich des Vaters Herz zusammenzog

Und, bhtzgleich rasch, die Ahnung ihn durchflog.

In Unheilsnetzen sei sein Kind gefangen.

Ja, etwa gar auf ewig hingegangen.

»Sagt an," rief er sie bebend an, ,sagt an.

Welch bösen Anschlag das Geschick ersann;

Wo ist mein Herzblatt, wo mein Augenstem?

Er fehlt! Wesshalb? und warum bheb er fern?

Wo ist mein Seelentrost? ich seh ihn nicht;

Wie, oder schlug ihn Gottes Strafgericht?

So sprecht doch, sprecht! Schon rüttelt mich Entsetzeu

Und meiner Fassung Schleier reisst in Petzen."

Als jene Zehn dies hörten, stöhnten sie

Noch schmerzhcher, und, stotternd, sagten sie :

,Von Josef bringen wir dir frohe Kunde,

Denn aUen Jammers ist er los zur Stunde!

Doch höre, wie's geschah! Es galt 'ne Wette,

Wer von uns Zehn behendre Beine hätte ;

Da liefen wir! Doch, in des Kampfes Hast

Vergassen wir auf aUes Andre fast

Und weUten — aUerdings ein Stündchen nur —

1) Die älteren zehn BrUder Josefs.

•/) Josef l> 1 *

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586 Schlechta-Wusehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Vom Lager fem mid fem von Josefs Spur,

Den wir zurückgelassen bei der Hürde —

Wer könnt auch ahnen, was geschehen würde ?! —

Da kam ein Wolf und frass ihn! Seine Glieder

Nahm jener, seinen Geist der Schöpfer wieder.

Sieh hier sein Kleid! Als Zeugniss wirds genügen,

Dass wir dich, leider, leider, nicht betrügen."

Mit diesen Worten reichte Levis Hand

Dem unglückseigen Greise das Gewand

ünd zeigte auf das Blut, das, fremdes zwar.

Doch Menschenblute täuschend ähnlich war.

Als Jacob die Eutsetzensbothschaft hörte.

Sein Auge nach dem blutgen Eöckchen kehrte.

Da schiens als würd' er plötzlich hingerafft;

Hinschwand Besinnung, Widerstand und Kraft

ünd, wortlos, ohne Athem, kreideweiss.

Ohnmächtig, schlug zur Erde hin der Greis.

Zwei Tage lag er so und Wolken, dicht.

Verhüllten neidisch seines Geistes Licht;

ünd, als sich neu belebte seine Seele, Entstieg ein wilder Aufschrei seiner Kehle

Und Töne stiess er aus, so grell und bang,

Dass er den Teufel selbst zum Mitleid zwang.

Ja Steine selbst der Rührung sich erschlossen

Und schwere Tropfen herben Weh's vergossen.

,0 Kleid, — so rief er aus — ,du falsches Ding,

Das ausgefüllt war als es von mir ging;

So wohlgefüllt, da Abschied du genommen.

Wie wagst du's nun, so leer zurückzukommen?!

War doch, als du von dannen gingst, o Kleid,

In dir mein Knabe, meine Seligkeit, Und nun, o Kleid, da ich dich wiederfinde.

Was ist in dir ? Das Blut von meinem Kinde !

Ja, als du gingst, war Sonnenschein in dir.

Lag, jugendfrisch, ein Prühlingschein in dir;

ünd nun, und nun, da ich dicb wieder seh'.

Was bringst du heim ? Blutqualm und Todesweh !

0 böser Tausch, o ungerechtes Walten:

Durch Blut erwiedern Licht, das man erhalten !"

ünd wieder schiens als ob sein Geist entschwebte.

Und wieder schien er todt, obgleich er lebte, ünd wieder lag er lange, unbewusst.

Vom Gluthhauch „Trennungsschmerz" verkohlt die Brust.

Doch, als auch diese Ohnmacht endlich wich.

Da, sterbensmüde, sprach er so zu sich:

„Was soU mir fürder dieses Lebens Tand,

Da, was ihm Halt und Frische gab, entschwand ?!

4 1 *

(11)

Schlechta- Wssehrd, Atis Firdussfs „Jussuf u. Suleicha".

0, dass der Tod noch heute mein gedächte,

Den Prieden, der mich floh, mir wieder brächte!

Fürwahr, erschreckte Gottes Zorn mich nicht

Und, was dem Prevel folgt, das Strafgericht,

Ein Peuer, riesig wie die HöUe, schürt' ich

Und selbst darin den Untergang erkührt' ich!

Weh mir, dass im Gefilde dieser Welt

Dies junge Bäumchen ward so rasch gefällt,

Weh mir, dass diese Bose, kaum erblüht.

Vom Sturm der Zeit geknickt ward so verfrüht,

Weh mir, dass diese Mond- und Sonnenpracht

So rasch versank in dunkle Wolkennacht, Weh mir, dass diese Einzelnperle brach.

Der keine gleicht, nicht früher noch danach,

Weh mir, dass dieser Wangen Gluth erlosch.

Dies reine Herz, das mir so gut, erlosch, Weh mir, dass dieses helle Aug entschlief.

Der Mund verstummte, der mich „Vater" rief, Weh mir, dass Jener ging und ich geblieben,

AUein geblieben, ohne Lust und Lieben!

Wahrhaftig, am Verstände könnt man irren

Wie anders dieses Bäthsel sonst entwirren.

Weshalb das Kind, das frische, lebensvolle.

Hingeben imd der Greis bestehen solle;

Am Sohne wär's — so hoffte ich im Stillen —

Dereinst mich in das Leichentuch zu hüllen ;

Und nun, weh mir, bedeck' ich selbst mit Küssen

Des Sohnes Kleid, das Leichentuch des Süssen!

Auch sei dies Kleid fortan mein höchstes Gut;

Nie wieder spül' ich ab das theure Blut;

Bewahr es auf als meine liebste Habe,

Wie ja mein Liebstes war, der's trug, mein Knabe;

Hoch wie mein Leben halt' ich es und wertb,

Verlass es nicht so lang mein Leben währt,

Und, kommt die Stxmde wo sie mich begraben.

Kein Leichentuch als dieses will ich haben!

Dann, in der Hand diess Linnen blutbespritzt, Hintret' ich wo der ew'ge Bichter sitzt

Und mf ihn an: Dies Kleid, das blut'ge, hier.

Mein Knabe tmgs als unschuldvolle Zier,

Als ich zum Spiele ihn ins Preie saudte Und er, gesund und froh, sich feldwärts wandte.

Da kam, o Herr, aus deiner Wesen Schaar

Ein Wolf und nahm mir was mein Alles war;

So nimm auch du nun an dich meiner Sache ;

An jenem Wolf vollstrecke meine Bache!"

.\rj. 38

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Schlechta- Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Jacob und der Wolf.

Der Vater riefs. Erbleichend, hörten's an

Juda und Buben, Zabulon und Dan,

Issacbar, Simeon und die andem Brüder;

Past warf der Schrecken sie zur Erde nieder,

Ihr Leib erbebte und ihr Wehmf geUte,

Misstönend, aufwärts bis zum Sternenzelte,

Denn jener Wolf, den ihres Vaters Stimme

Verflucht, sie selber waren ja der grimme.

Doch Jacob spracb : „Wozu, ibr Löwengleichen, An Muth und Tapferkeit so überreicben.

Wozu dies eitle Scbmerzgeschrei, wozu,

Die überflüssge Raserei, wozu ?

Bewieset ihr zur Bechtzeit Kopf und Hera,

Erspart, zur Stunde, bheb uns dieser Schmerz !

Gab ich euch doch den Knaben zu bewachen

Und guten Batb dazu nocb, hundertfachen ;

Ihr aber folgtet nicht, o Einsichtlose.

Bis unterm Rasen ruhte diese Bose!

Was werdet ihr zur Antwort geben, sagt.

Wenn euch dereinst der höchste Ricbter fragt,

Wie's möglich war, dass Männer zehn, wie ibr.

Tollkühn wie Elephanten in der Gier,

Stark, gross und tüchtig, nicht im Stande wareu

Das zarte Kind vor Schaden zu bewahren.

Von einem schnöden Wolf es beissen liessen.

Vom wilden Thiere es zerreissen liessen V !

0 möge der barmherz'ge Herr der Welten

Die schwere Unthat nimmer euch entgelten !"

Dann aber prüfte er, von Rand zu Rand

Bethränten Blicks, das blutige Gewand

Und forschte, seufzend, wo die Spur der Ivlaueu

Des Wolfs und wo der Zähne Spur zu schauen !

Alleiu, vergebne Müh! von Klau und Zahn

Traf er am Kleide keine Spureu an.

Darob erstaunte er — und zwar mit Pug —

Ein Abnen überkam ibn von Betrug,

Und „Nochmals' — rief er Jenen zu in Hast —

Erzählt, wie sprosste jener Unheils-Ast, Das Schreckliche wie hat es sich entsponnen Und das Entsetzliche, wie hat's begonnen ?"

„Gerade so" — antworteten die Zehn —

Wie wir's bereits geschildert, ist's gescheh'n.

Beim Wettlauf, wie gesagt, verbrachten wir

Ein Stündchen, und nichts Arges dachten wir.

Denn Josef war, mit aller andem Bürde,

(13)

Selilechta- Wnndird, Ann FirduKsPn „Jimmf u. Suleicha".

Wohlauf, zurückgebheben bei der Hürde;

Da überfiel eio Wolf den Lagerort,

Ergriff das schwache Kind und tmg es fort;

Wir jagten nacb, doch Josef war verschwunden Und nur dies blutge Kleid ward aufgefunden."

Doch wieder einwarf Jacob : „Sonderbar !

Noch immer ist die Sache mir nicht klar,

Denn, hat ihn, wie ihr meint, der Wolf gepackt

Ihm Zahn und Klauen in das Fleisch gehackt.

Wie nur erklärt sich, dass der Rock des Lieben

So unversehrt als wär er neu geblieben?

Und, anderseits, war Josef etwa nackt —

leb nehm es an — als ihn der Wolf gepackt.

Und, hat ihn dieser so hinweg genommen.

Wie ist das Blut auf sein Gewand gekommen?

Weh mir! vergebens quält sicb mein Verstand,

Herauszuklügeln, wie das Kind verschwand!

Ü, dass mir jener Wolf vor Augeu käme,

Ich von ihm selber, wie's geschah vernähme !"

So ward es .lacobs scharfem Geiste klar,

üass, was die Söhne sprachen, Lüge war

Und weder Josef einen Wolf geseh'n.

Noch auch vom Wolfe Uebles ibm gescheh'n ;

Nur, was geschehen und die .\rt und Weise

Wie es geschah, blieb unbekannt dem Greise.

Zuweilen auch beschlich ibn der Verdacht, Dass Jene selbst den Brader umgebracht

Und jenes Blut, davon das Kleidchen voll,

Am Ende doch aus Josefs Adern quoll ;

üann aber wieder schien's ihm undenkbar,

Dass solche Freveltbat gelungen war,

Denn, waren Jene wirklich so verwegen —

So sprach er bei sich — an ibn Hand zu legen.

Gezögert hätte Gottes Rache nicht

Und losgebrochen wär' ein Strafgericht,

Zermalmend alle Zehn, und auf der Stelle

Sie niederschmetternd in die tiefste Hölle.

Dann wieder rief er: „Wolf, du Wütherich,

Was thatest du mit meinem Sohne, sprich;

Wo trafst du ihn und wohin trugst du ihn ?

üen zarten Kinderleib, wo schlugst du ihn?

Trotz deiner Bisse, deiner Klauen Hieben,

Wie kommt es, dass sein Kleidchen ganz gebliebeu.

Und, dass du, schonungslos, sein Fleisch zerrissest,

üoch mit dem Kleide Schonung walten liessest?

0, hättest lieber du das Fleisch des Annen

Geschont, statt dich des Kleides zu erbarmen, 38*

(14)

590 Sehlerhta- Wssehrd, Atis FVrdussi's „Junsuf u. Snleii'ha".

Und lieber, statt des jungen, hoffnungsvollen.

Mich selbst, den Lebensmüden, nehmen wollen "

Und wieder bracb er aus in Wehgeschrei,

Als ob der jüngste Tag erschienen sei,

Und wieder stürzte er zur Erde nieder,

Verwünschte sich und seine Seele wieder.

Und wälzte sich am Boden, halb von Sinnen,

Als führen Leib und Geist zugleich von hinnen.

Indessen aber hatten jene Zehn,

Als Jacob das Gewand so scbarf beseh'n.

Aus seinen Worten über Zahn und Klauen,

Davon am Kleide keine Spur zu sebauen,

Gemerkt, er ahne, dass sie falsch gesprochen, Ja etwa gar die Unthat selbst verbrochen.

Desbalb versuchten sie's in andrer Weise Und sprachen, listgen Sinnes, zu dem Greise:

„Dir zum Beweise, fangen wir im Nu

ünd, wohlgekuebelt, führen wir dir zu

Den Wolf, der Josef frass ; dann selbst entscheide.

Ob er, ob wir, wer schuld an deinem Leide !"

Und so geschah es auch. Wie Sturmesweh'n,

Enteilten in die Wüste jene Zehn,

Durchstöberten im Fluge das Revier

Und fingen einen Wolf, ein grimmes Thier;

Dann schleppten sie, mit frischem Blut bestrichen.

Vor Jacobs Thüre hin den fürchterlichen

ünd jauchzten: „Alles Unheils Grund, hier ist er.

Der unsern Bruder frass, der Hund, hier ist er!"

Betroffen sah der schwer geprüfte Mann

Das wider Recbt verklagte Raub thier an.

Das dunkle Blut, das seinen Leib bedeckte Und seiner Klauen Paar, das rothgefleckte.

Hierauf zu Ihm, der alle Wesen schuf.

Erhob er leise seinen Beterruf

Und sprach: ,0 Herr, zu deines Namens Ehre,

Die Gunst und Huld und Gnade mir gewähre

Und reden heisse dieses stumme Thier,

Auf meine Fragen Antwort geben mir,

Dass endhch meinem Geiste werde Klarheit,

Ob Jene Lüge sprechen oder Wahrheit!"

Dann zum Gefangnen trat er hin und sprach:

„Erbarmungsloses Raubthier, Wolf der Schmach,

Warum verschlangst du ihn, der meiner Seele

Labsal imd Lebenssonne war, erzähle, Ihn, der Genosse mir und Herzensruh

Und Tröster war, warum verschlangst ihn du?

Was that ich dir, dass du mein süsses Kind

(15)

Schlechta- Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Mir aus den Armen rissest so gescliwind, Und was hat Josef selber dir gethan, Dass du so ftüh ihn seiner Lebensbahn Entführtest, seinen zarten Leib zerfleischtest Und eben diesen dir zum Futter heischtest.

Den schlanken, schmächtigen, erkorst zur Speise,

Statt, um ihn, aus der Heerden dichtem Kreise

Ein Schaf zu greifen, dessen Fleisch, das fette.

Dir sicherlich weit mehr gemundet hätte?

Und — noch eins — wo geschah's? Auch dieses künde,

Dass ich vielleicbt ein Löckchen von ihm finde.

Als tbeures Pfand fürs Leben es bewahre

Und, sterbend, mir es lege auf die Bahre!"

Er riefs, und so, auf göttliches Geheiss,

Gab Antwort ihm der Wolf: „Erhabner Greis,

Profeten-Leiber waren allezeit Geheiligt mir, geheiligt und geweiht.

Und nie berührt ich, noch berühr' ich einen.

Ja, anzuschauen wag ich kaum den reinen;

So aucb dein Kind ! Nie hab' ich es erblickt.

Niemals hat seine Nähe mich erquickt,

ünd, käm ich jemals in den Weg dem Süssen,

Bei Gott, ich stürzte dienend ibm zu Füssen ;

Ja, selber deine Heerden auf der Flur

Umkreis ich, ehrfuchtsvoU, von ferne nur!

Der ich das Vieh auf deinen Weiden schone.

Wie thät ich Uebles deinem Lieblingssohne ?!"

Und wieder frug ihn Jacob : Hat vieUeicht Nicbt etwa dennoch Kunde dich erreicht.

Was meinem lieben Knaben zugestossen

Und wer ihn schlug und wo sein Blut gefiossen?!"

Doch wieder sprach der Wolf zurück: „Ach, nein.

So dichten Schleier lüftet Gott allein,

ünd, was geschehen. Er allein mags wissen;

Ich aber habe Josef nicbt zerrissen."

ünd wieder seufzte Jacob: „Wahr, sehr wahr!

Wie alles kara, Dem oben nur ist's klar!

Du aber, ura das letzte der Bedenken Als wärst du schuldig, von dir abzulenken, Sag an, was war nur deine letzte Beute, Dass Klau und Rachen dir so blutig heute?"

„Ach", sprach der Wolf: „ich bin ein armes Thier;

Aus Syriens Bergen, meinem Jagdrevier,

Aus Syriens Wäldern trieb mich bittre Qual

Nach Kanaan herab, in dieses Thal.

Ein liebes Junges batt' icb ! Es verschwand

Und nahm, so heisst's, den Weg in dieses Land;

(16)

Schlechta-Wseelird, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha'.

Seither ist jede Preude mir vergällt

Und, nach ihm forschend, irr ich durch die Welt,

Such es in jedem Busche, rufe, frage

Nach ihm in jedem Felde, jedem Hage,

Und also, auf der Jagd nach meinem Kinde,

Durchstreift ich, Herr, aucb deine Weidegründe.

Da stürzten plötzhch jene Zehn herbei.

Umringten mich mit tobendem Geschrei,

Ergriffen mich und banden mich zuletzt.

So scharf ich aucb zur Wehre mich gesetzt;

Dann aber, als ich in ihr Netz gefallen,

Dann strichen sie mir Blut auf Maul und Krallen,

Worauf sie, scheltend, vor dein Haus mich trieben.

So war's! und nun verfüge nach Belieben."

Bei diesen Worten wachte Jacobs Schmerz

Von neuem auf Der Wolke gleich, im März,

Entrollten seinen Augen dicbte Thränen,

Dem Rollen fernen Donners ghch sein Stöhnen,

Und, schluchzend, rief er: ,0 mein armes Thier,

Wie trefflich passen zu einander wir!

1st doch, was dich beschwert und ich empfinde

Dasselbe Leid: die Sehnsucht nach dem Kinde!

Durchlodert doch der Brand, der mich durchglüht.

Derselbe Sehnsuchtsbrand, auch dein Gemüth,

Und ist der Drang, der, unstät und verzagt.

Dich, armes Raubthier, durch die Länder jagt,

Derselbe Drang, der mir den Sinn veiTückt, Dieselbe Qual, die mir das Herz zerstückt!

So lass uns denn, die beiden Kinderlosen,

Vom Wölflein dich, und mich vom Knäblein kosen,

Gemeinsam klagen uud gemeinsam weinen.

Dich um dein Junges, mich um meinen Kleinen!"

Und wieder brach er aus in blutge Zäbren;

Und auch das Raubthier, von dem gleichen, schwereu

Herzleide überwältigt, schluchzte leise,

A.n bitterm Weh wetteifernd mit dem Greise.

Docb nun, als beide, der Profet, vereint

Dem wUden Gast der Plur. sicb satt geweint.

Da winkte Jener, und mit Trank und Speise

Liess er ihn stärken für die Weiterreise.

Dann aber, tiefergriffen, zum Gebete

Erhob er, weinend. Blick und Hand und flehte:

„Herr, dieses Thier lass dir empfohlen sein.

Mit seinem Jungen wieder es verein'

Und nimm der Trennung Schmerz aus seinem Herzen,

Denn, ach, kein Schmerz vergleicht sich diesen Schmeraen

(17)

Schlechta-Wsselird, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleiclia". 593

Josef wird verkauft.

Nun hört von Josef abermals die Kunde:

Drei Tage lag er auf des Brunnens Grunde,

Wo Gabriel, sein himmlischer Gefiihrte,

Den hungernden mit Eden's Früchten nährte.

Als, Tags darauf, nach Gottes weisem Rathe,

Ein KarawanenzQg dem Orte nahte.

Ein Kaufherr war's, ein wack'rer, der ihn führte.

Geachtet und geschätzt wie's ihm gebührte.

Auch Wohlstands halber männighch bekannt,

Malik geheissen, Su'ur zubenannt.

Jahraus, jahrein, der Lastkamele viele

Geleitend zwischen Syrien und dem Nile.

Dem Brunnen unfern wurde halt gemacht

ünd Mensch und Thier entledigt ihrer Fracht,

Indessen zwei von Malik Su'ur's Sclaven, —

Beschir und Buschra nannten sich die Braven —

Forteilten, wie der Herr es anbefohlen.

Aus der Cisterne Wasser herzuholen.

Mit Schläuchen und mit Eimern, Hand in Hand,

So traten sie an der Cisterne Rand,

Und Buschra liess — er war von beiden Leuten

Der ältere — den Eimer niedergleiten.

Da sprach zu Josef so der Himmelsgast:

,Heil dir! in Blüthen schiesst dein Hoffnungs-Ast !

Rasch auf, und in den Eimer dich gesetzt!

Dort oben wird dir besser sein als jetzt!"

Gleichzeitig — sagt man — hub, auf Gottes Wink,

Der Eimer selbst zu reden an und , Flink,

Nimm Platz! steig ein, dass man uns aufwärts winde"

Sprach er mit Menschenlauten zn dem Kinde.

Da setzte sich der Holde, und in Eile

Zog ihn der Knecht empor am starken Seile.

Nun aber, als er überm Brunnenrand

Auftauchte, flog ein Schimmer übers Land,

Als stiege, Morgens, überm Bergeswall Des Ostens leuchtend auf der Sonnenball,

Nur milder, milder noch, wie Mondlicbt schier.

Und, staunend, schauten Buschra und Beschir

In Josefs Wangen, wie in Spiegeln, reinen.

Die eignen Züge rückgestrahlt erscheinen.

Und weiter stets ergoss der Scbimmer sich,

Dass selbst des Tages Glanz vor ihm erblich.

Und beide Sclaven wie geblendet standen.

Aus Schrecken fast die Sinne ihnen schwanden.

Auch Josefs Brüder stutzten, als von ferne

(18)

594 Schlechte ■ Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Sie's leuchten sahen über der Cisteme,

ünd sprachen unter sich : „Was mag das sein ?!

Die Welt durchfliegt ein ungewohnter Schein

ünd wehen fühlt man eine laue Luft,

Wie Kampfer würzig und wie Moschusduft ;

Woher nnr dieser Wohlgemch und Schein'?!

SoUt' etwa Josef auferstanden sein, ünd zog ihn Gott aus dem Cistemen-Schlunde,

Weü's also aufbhtzt aus dem dunklen Grunde?!

Da ward die Rose ihrer Lust zum Dorne;

Portstürzten sie, wie toU, zum Wüstenborne

ünd stürmten in den Kreis, in wilder Hast,

Darin der kindliche Profetengast,

Im himmlischen Gewand, voll Duft und Parbe,

Da stand, nicbt ungleich einer Blumengarbe.

Verwirrt und sprachlos starrten hin die Zehn —

Und, traun, sie hatten Grund, verwirrt zu steh'n

Vor jenem Glorienschein auf Josefs Wange,

Der Strahlen warf vom Auf- zum Niedergange! —

Dann aber stürzten Alle auf ihn zn.

Umringten ihn, ergriffen ibn im Nu,

Und tobten, fluchten, wetterten, die Kecken, Als brächen los des jüngsten Tages Schrecken.

Doch Malik trat den Wüthenden entgegen

Und sprach : „Beglück' euch Gottes reichster Segen !

Was aber, sagt, verbrach der Knabe nur —

Im Antlitz trägt er hoher Zukunft Spur —

Und welchen Prevels that er sich erdreisten, Dass ihr ihn straft mit Plüchen und mit Fäusten?"

„Ein Sciave, Herr," versetzte Simeon,

„Ein Sciave ist's und eines Sclaven Sohn, Ja wohl, ein Sciave, ein im Haus geborner.

Doch ein missrathener und ein verlorner;

Denn, dreifach ist er schlecht und niederträchtig:

Triefäugigerstens, zweitens, ttuchtverdächtig

Und, drittens, diebisch! Höre nur ein Mal:

Drei Tage sind's, dass er ein Ross uns stahl

ünd dann abhanden kam als ob die Thore

Des Abgrunds ihn verschlungen wie einst Kore;

Wir suchten ihn; er aber blieb verschwunden.

Bis wir ihn hier, am Brannen, aufgefunden."

Gleichzeitig raunten — in hebräscher Zunge —

Die Andem Josef zu: „Verdammter Junge,

Sprichst du nicht ebenso wie Simeon hier

Und willst uns Lügen strafen, hauen wir

1) OfTenbar eine Anspielung nur Josefs vom Weinen entzündete Augen.

(19)

Schlechta-Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf u. Suleicha".

Dich stracks mit misern blanken Schwertern nieder,

Zermalmen dir die Seele und die Glieder!'

Sie riefen's — und Entsetzen überkam

Den armen Knaben, als er sie vernahm,

Weil ihm bewusst von jenen Fürchterlichen, Dass ihre Thaten ihren Worten glichen.

So kam's, dass, als ihn Malik, liebreich frug:

,0 du, der so bescheiden scheint wie klug

Und jetzt schon — mit und ohne Febl — mir theuer.

Sag an, bist du ein Sciave oder Freier,'

Der Zittemde, aus Angst vor jenen Zehn,

Statt, kecken Muths, die Wahrheit zu gesteb'n Und oflFen sich als „Freien' zu bekennen.

Es vorzog, sich ein Sclavenkind zu nennen,

Gedämpften Tons beifügend nur, im Stillen :

„Ja, Sciave — aber nur von Gottes Willen!'

Dann aber fiel er vor den Brüdein nieder

Und rief — doch gleichfalls auf hebräisch wieder —

Sie, fiehend, an : „0 tilgt den alten Groll

Aus eurer Brast und seid erbarmungsvoll !

Folgt doch, wie lang sie immer währen mag.

Auch auf die längste Nacht zuletzt der Tag,

Und löst doch jeder Groll und Zwist hienieden, —

So heiss er tobt —■ sich endlich auf in Frieden !

Jeh aber suchte niemals mit euch Streit, Bin alles zu vergessen gern bereit.

Will Gutes euch erweisen, Gutes nur.

Will eure Heerden weiden auf der Flur,

^lich gürten mit dem Gurt der Sciaverei,

Thun was ihr heischt, ob leicht ob schwer es sei;

Nur — muss ich schon im Sclavenkittel wandern —

Lasst euch mich dienen, aber nicht den Andern !"

So jammerte der Arme! Tief ergriffen.

Vernahm ihn Juda. Helle Thränen liefen

Ihm übers Antlitz, und des Bruders Sache

Vertrat er eifrig in hebräscher Sprache.

Doch jene Harten blieben unerweicht.

Dem Hauch der Scham, des Mitleids, unerreicht;

Unmuthig an den Nägeln kauten sie

Und grimmen Blicks auf Juda schauten sie.

Als Malik ihren Wortkampf unterbrach

Und zu den Hasserfüllten also sprach :

,Kein halbwegs kluger Mensch — und zwar mit Recht

Kauft solchen dreifach lasterhaften Knecht!

Ich aber wag es, will den Jimgen nehmen.

Will euch befreien von dem Unbequemen

Und Zahlung leisten — aber nur in Stoffen,

(20)

596 Schlechta-Wssehrd, Alis Firdussi's ,, Jussuf u. Suleicha",

Wenngleich in schön'ren als ihr je getroffen.'

Doch Simeon versetzte. „Herzlich froh

Sind wir- des Handels ! Doch nicht so, nicht so —

Nein, nicht für Stoffe, nicht für Waaren, nein —

Pür baares Geld nur sei der Bursche dein!

Ja, gäbst du hundert Stücke Goldbrokat,

Wir würden sie verweigern, in der That!

Doch — zahlst du baar — und wären's nur zehn Batzen —

Wir sind's zufrieden: nimm ihn hin, den Pratzen!' Da löste Malik seiner Börse Schnur,

Doch — siehe — achtzehn Silberlinge nur

Entrollten ihr — nicht weniger, noch mehr —

Wie eifrig er auch tappte hin und her.

Und hiebei blieb es auch! Sie übergaben —

Er ihnen den Betrag — sie ihm den Knaben!

So ward um wenig schnödes Silbergeld

Verschachert jenes Paradiesesfeld,

Und, die's verschachert, freuten sich sogar Des Bettelsoldes, der ihr Antheil war.

Denn, — nicht auf dieser Waare zu gewinnen.

Nein — nur sie loszuschlagen war ihr Sinnen.

Doch nun, o sieh, auf göttlichen Befehl, Tritt abermals vor Josef Gabiiel

Und, sichtbar ihm — den Andern unsichtbar, —

Beut er des Welterschaffers Gruss ihm dar.

Der, durch den Engel, also zu ihm spricht:

,Ei, spiegle doch im Wasser dein Gesicht!

Nicht minder reizend ists in dieser Stunde Als neulich, unten, im Cisternen-Scblunde, Ja, holder noch, vielleicht, als da im Bronnen

Es dir entgegenleuchtete wie Sonnen !

Wie hat sein Anblick damals dich ergetzt !

Wie schwelgtest du in Selbstgefühl ! — Und jetzt.

Jetzt kauft man dich um achtzehn Silberlinge ! —

Hieraus entnimm den Werth der Erdendinge.'

Samum.

(Josef wird in Mahks Karawane, als Sciave, uach Egypten ge¬

führt. Während der Keise kommt er am Grabe seiner Mutter

Rachel vorüber, lässt sich , unbemerkt , vom Kamele herab , wirft

sich auf den Grabstein nieder und klagt der Entschlafenen seine

Leiden , sie laut und dringend beschwörend , auch ihn aus dem

Leben hinwegzunehmen.)

So schrie er auf in höchster Seeionpein, Doch Niemand liörte ibn als Gott allein,

(21)

Schlechta - Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf und Suleicha". 597

Nicht Mahk selber, noch die andern Reiter, Und, achtlos, zog die Karawane weiter.

Da fiel von ungefUhr der Blick des Mohren,

Den man zu Josofs Wächter auserkoren.

Auf dessen Thier, und — sieh — der Knabe fehlte! —

Flugs ritt der schwarze Knecht, der angstgequälte.

Den Weg zurück und sprengte, kreuz und quer.

Im Dunkel lange fruchtlos hin und her.

Bis ihm des Jungen eignes Wehgeschrei

Den Platz verrietb wo er zu finden sei.

Zornschnaubend, stürzte sich auf ihn der Wicht

Und hieb ibn also grimmig ins Gesicht, Dass der Misshandelte im Schmerzesdrange Sich wand und ringelte wie eine Schlange.

Da — wie ihn selber — so durchzuckte jäh

Das ganze Weltall namenloses Weh,

Ja, selbst die Engel in den sieben Sphären

Erbarmten sich und brachen aus in Zähren.

Auch Gabriel stand wieder da im Nu

Und flüsterte dem jungen Dulder zu :

,So spricht der Herr: Vertilgen, eh sie's ahne.

Will ich im Zorne diese Karawane;

Zweifache Sintfluth über sie verhäng ich.

Zugleich mit Pluth imd Plammen sie bedräng ich,

Den Wüstengrund, darauf sie wandelt, spalt ich

Und in den Abgrund schleudre Jung und Alt ich!"

Der Engel sprachs, doch Josef, voll der Güte,

Erwiederte: „Behüte, Hen", behüte!

Nicht allzustreng, du Allgerechter, richte Und nicht die Seelen dieser Schaar vernichte;

Nur durch ein Zeichen deine Macht bezeuge,

Dass sich ihr Haupt vor Deiner Grösse beuge."

So er! — und kaum war sein Gebet verhallt

Und aufgeschwebt des Engels Licbtgestalt, Als heftges Zittern Berg und Thal durchdrang

Und dumpfes Dröhnen durch die Lüfte klang;

Die Sterne wurden trüb und loschen aus.

Mit Wust erfüllte sich die Welt und Graus;

Losbrach ein Sturm, der so gewaltig schnob,

Dass er die Bäume aus den Wurzeln hob;

Dazwischen scholl ein Brausen und ein Rollen,

Wie einst am jüngsten Tag, dem schreckenvollen.

Und Erde, Steine, Staub und Wirbelsand —

Was derlei Zeugs sich in der Wüste fand —

Aufgrifts der Samum, und im tollen Fluge

Ins Antlitz warf er's jenem Handelszuge,

In Mund und Augen wai-f er's dem Gelichter,

4 2

(22)

598 Schlechta-Wsnehrd, Au« FirdunKfii „JusKuf und Suleicha".

Auf Gottes Wink, des mächtigsten der Richter.

Da stockte plötzlich der Kamele Gang ;

Der Treiber Singsang und der Schellen Klang

Verstummte, Schauder fasste Leib und Seele,

Ein Stossgebet entrang sich jeder Kehle,

Und, schwindelnd, niederstürzten, Mensch und Heerde,

Nacb Rettung kreischend zu dem Herrn der Erde.

Allein, umsonst ! vergebens war ihr Flehen

Und toller nur begann der Sturm zu wehen.

So toll als ging die Welt aus ihren Klammem;

Fruchtlos verhallten Schreckensruf und Jammern,

Vergebens schollen Wehgeschrei und Stöhnen ;

Des Himmels Rache liess sich nicht versöhnen!

Da, plötzlich, kam es Malik Su'ur vor

Als ob ihn Gott erleuchte. Rasch empor

Sprang er und rief: „Glückauf, glückauf, ibr Leute!

Errathen hab icb, was der Sturm bedeute!

Begangen wurde, glaubt mir, eine Sünde,

Dafür der Herr uns straft mit diesem Winde,

Verübt ein Frevel — und für diesen müssen

Wir Alle nun mit Leib und Leben büssen!

Darum, wer immer solche That gethan.

Er gebe, ich beschwör ihn, selbst sich an, Dass Gott vielleicht, versöhnt durch unsre Heue, Von dieser Unbeils-Sandfluth uns befreie."

So rief er! Scbreckerstarrt, vernahm's der Mohr,

Der Hüther Josefs, fuhr in Hast empor

Und stammelte: „O Herr voll milden Sinns,

1 )er Frevler, den du meinst, ich selber bins !

Dort, jenen Burschen, den Hebräerjungen —

Im Dunkel war er heimlich abgesprungen.

Und wollte Reissaus nebmen, wie mirs schien.

Und Hob auch wirklich -- ich verfolgte ihn

Und tiabte fruchtlos lange bin und her

Und sucht' ihn in .die Kreuz und in die Quer,

Bis icb ihn endlich, hart am Strassenrand, Auf oiniTO alten Grabe liegend fand!

Sein Auge floss von Thränenlauge, trüber.

Sein Mund von Seufzern und von Klagen über;

Mich aber ärgerli^ der freche Wicht;

Da schlug ich ihm dio Fäuste ins Gesicht

Schalt ihn Betrügf^r, Lump und Galgenstrick

Und schleppte, fluchend, ilm des Wegs zurück.

Er aber wand und krümmte sich aus Scbmerz;

Dann sprach er leise Worte himmelwärts,

Und. siuiderbar nocli in diTselhen Stunde

Hviicli los der Sturm als ging' die Welt zu Gmnde."

4 2

(23)

Schlechta - Wssehrd, Aus Firdussi's „Jussuf und Suleicha". 599

Ergrimmt hört Mahk den Verwegnen an,

Zerrt ihn vor Josef hin und spricht sodanu:

„0 Josef, du, des Glaubens Scliirm und Huth,

An diesem Schwarzen kühle deine Wuth ;

Schwer hat er dich beleidigt, wie er sagt, Dich, Edlen, hart zu züchtigen gewagt;

Hier, nimm ihn, tödt ihn und besorge nicbts -

Wen kümmerte das Leben solchen Wichts V ! —

Dann aber, wenn gesättigt deine Itache,

Danu fleh den Himmel an in unsrer Sache,

Dass er vielleicht uns Schlimmeres erspare.

Schuldloses Volk vom Untergang bewahre."

Doch Josef blickt ihn lächelnd an und spricht:

,Ich bin, 0 Herr, vom Stofl'e Derer nicbt.

Die an Denjenigen, die sie betrüben.

Durch Schläge oder Tod Vergeltung üben!

Nur Liebe, Liebe heg ich im Gemüthe,

Erbarmen nur für Jedermann und Güte,

Und, was auch dieser Mohr an mir verbrochen,

lu vorhinein hatt' ich ihn freigesprochen."

Hierauf zu Diesem trat er, sanfter Weise,

Und streichelte die dunkle Haut ihm leise ;

Und da, 0 sieh, auf götthches Geheiss, Ward jener finstre Neger plötzlich weiss.

Dann betete der Fromme noch ein Mal,

Und Frieden senkte sich auf Berg und Tbal,

Beschwichtigt ruhten Luft und Sand uud Uerzuu,

Und wieder flammten auf des Tages Kerzen.

(24)

600

Eine neue UebersetzAuig des Man-yö-siu.

Von U. H. Schils.

Als das in aller Hinsicht wichtigste Monument der alt-japane- sischen Poesie muss jedenfalls das Buch hetrachtet werden, welchem

die Eingeborenen den Titel Man-yö-siu beigelegt habeu. Die

Bedeutung dieses Titels ist nicbt mit Sicherheit zu ermitteln. Will

man ihn nacb dem Sinne der chinesischen Charaktere, die denselbeu

ausdrücken , erklüren , so müsste man ihn übersetzen : »Sammlung

von zehntausend Blättern'. Die zahlreicbeu Commentare, welche

im Laufe der Zeit diesem Werke beigegeben wurden, haben diesen

Titel auch anders erläutert. Einige wollen, dass yö identisch sei

mit go Zeitalter und setzen als synonym zu diesem Worte da!

Regierung. Da nun das Wort man zehntausend bäufig

gebraucht wird um eine unbestimmte aber grosse Zahl zu bezeichnen,

so würde uach gedachter Auslegung der Titel nichts anders als

, Sammlung aus vielen Jahrhunderten ' oder , Regierungsepochen'

bedeuten. Wieder andere behaupten y ö sei identiscb nnt dem

Worte ka (Gedicht) und erkläreu demzufolge „Sammlung unzähliger

Gedichte'. Natürlich wird den, welcher mit den Eigenthümlich¬

keiten der Sinico-japanesichen Sprache und Litteratur unbekannt

ist, eine solche Interpretation nicht nur in Erstaunen setzen, son¬

dern auch als willkührlich und sehr gewagt erscbeinen. Wenu man

jedocb bedenkt, dass dieses Buch ganz mit chinesischen Buchstaben geschrieben ist, die in sehr vieleu Pällen die ihnen eigene Bedeutung

verlieren um nur mehr als blosse Lautzeicheu (Silben) zu figuriren :

berücksicbtigt man ferner, dass von der Zeit ab, wo diese Samm¬

lung geschrieben wurde, bis heute, das Japanesische wahrscheinlich

in seiner Aussprache Aenderungen erfahren hat : dann werden solche

Erklärungen japanesischer Connnentatoren mehr Wahrscheinlichkeit

annehmen. Die Sammlung selbst soll von einem gewissen Tatibana

Mor oye, der den Titel Sa-daf-shin oder Grossofficier führte

und zur Zeit der Kaiserin Kau-ken (749—759 n. Chr.) lebte,

begonnen und unter dem elften Mikado Hei-shei (806—809)

vollendet worden sein.

Wer die letzte Hand an dieses Werk gelegt , ist noch nicht

mit Zuverlässigkeit bestimmt worden. Man nennt als solcben ge¬

wöhnlich Oho-tomo-no Sukune Yak a-m oti.

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