80
Zu Koran 2, 261.
Von Anfragt Mflller.
Jjie Legende, welche Koran 2, 261 erzählt ist, zeigt folgende
Hauptzüge. Ein Gottesmaim kommt an einer zerstörten Stadt vor¬
bei und fragt : Wie mag Gott diese zum Leben erwecken ? Da lässt
ihn Gott hundert Jahre todt sein; als er wieder erwacht, meint
er höchstens einen Tag geruht zu haben, Gott aber belehrt ihn,
dass er hundert Jahre geruht habe; trotzdem werde er seine Speise
und seinen Trank ebenso wunderbar unverändert finden, wie durch
ein Wunder Gott jetzt die todten Gebeine wieder mit Pleisch be¬
kleiden werde. Maracci, dem Geiger zustimmt, findet in dem
Gottesmaune den nach dem zerstörten Jerusalem reitenden Nehemia
(Neh. 2, 12 ff.), und das hat insofem etwas für sich, als manche
Ausleger hier den Esra nennen, „der ja so oft mit Nehemia ver¬
wechselt wird"; die Wiederbelebung der Gebeine möchte Hir Seh¬
feld (Beiträge z. Erklär, des Kor. S. 82) aus Ez. 37 herleiten.
Beides ist sehr wohl möghch; unerklärt bleibt aber die Haupt¬
sache, das Wunder, dass jemand nach hundert verschlafenen Jahren
mitgebrachte Speise imverdorben findet: Hirschfeld's Heran¬
ziehung des Elias kann nicht wohl begründet erscheinen. Ich
meine , die Geschichte entstammt der Erzählung von Jeremias
Preunde, dem Kuschiten Ebedmelek, welche uns im äthiopischen
Bamch (D i 11 m a n n , Chrestom. S. 5 Z. 6 ff.) erhalten ist und nach
Praetorius' üebersetzung (Hilgenfeld's Ztschr. f. wissensch.
Theol. XV, S. 235 f) so lautet: „Abimelech aber holte Feigen
„zur Mittagszeit, da ihn Jeremias gesandt hatte, und er traf einen
„schattigen Baum und setzte sich und hess sich beschatten, um ein
„wenig zu mhen, imd er stützte sein Haupt auf den Feigenkorb
„und schhef 66 Jahre und erwachte nicht von seinem Schlummer.
„Und nach dieser Zeit stand er auf und erwachte von seinem
„Schlummer und sprach: „Wenn ich doch noch ein wenig schhefe,
„denn noch ist mir mein Haupt schwer, und ich bin durch den
„Schlaf nicht erquickt". Und er öffnete den Feigenkorb, und fand
„die Feigen frisch, und ihre Milch tröpfelte" u. s. w. Im Folgen¬
den kann man noch weitere Züge finden, welche zu dem Koran¬
verse passen ; dass die Feigen sich in „Speise und Trank" ver¬
wandelt haben, bietet natürhch keinen Anstoss. Nachzuweisen bleibt
allein der Esel, dessen Bedeutung im Zusammenhange des Verses
unklar ist : vieUeicht findet er sich noch anderswo, als bei Nehemia
— dass an unserer Stelle, wie so oft im Koran, Züge verschiedener
Legenden zusammengeflossen sind, wird man als sicher bezeichnen
dürfen.
81
Beiträge zur Lexicographie des Awesta.
Von Engen Wilhelm.
Urväz, urväd, urväkhs'.
Ueber die in der üeherschrift genannten Wörter haben zuletzt
Oeldner (Studien zum Avesta pag. 39 flf., Kuhn's Zeitschr. 27, 586,
587, 28, 409) und Bartholomae (Arische Forsch. II, 117, 118,
Bezzenh. Beitr. X, 275) gesprochen. Wir hoflfen durch die nach¬
folgenden Bemerkungen einen weiteren Beitrag zur Erklärung der
schwierigen Wortsippe zu geben.
Wortformen, welche auf urväz zuriickleiten , finden sich am
häufigsten in den Gäthäs; da aber die Gäthästellen in der Begel
der Erklärung grosse Schwierigkeiten bieten, so gehen wir zunächst
nicht von diesen aus, sondem von den Belegen im jüngeren Awestä.
Hier bietet sich zueret Ys. 10, 18 Sp. (= W. 10, 8): as'a hacaite
urväsmana, (der Haomarausch) ist verbunden mit reiner Freude
oder: er einigt sich mit As'a, dem Erfreuer, wenn man den Satz
mit Rücksicht auf das Vorhergehende concret fasst. Die alte
üebersetzung giebt aber urväsman mit dem Abstractum hur-
väkhml, d. i. Fröhlichkeit, Freude, daher auch Neriosengh durch
pramoda. Denselben Grundgedanken whrd man auch in zwei
Stellen des zelmten Yasht wieder ausgedrückt finden: Yt. 10, 34:
yatha vagm humananhö framananhasca urväzemna haomananhamna
vanäma visp6 harethe, (gieb), ,dass wir gutes Muthes und munter,
jubelnd und hochgeehrt alle Feinde überwinden mögen".
Yt. 10, 73: yö bädha ustänazastö urväzenind avaröit väcem,
„welcher mit emporgehobenen Händen freudig die Worte vorbringt."
Ohne Schwierigkeit lässt sich an U7-väz auch das Wort wväsna
anschliesseu, mit welchem Vd. 8, 7; 247. 14, 6. 18, 141 (Sp.) ein
wohlriechender Stoff bezeichnet wird , den man zum Räuchern ge¬
braucht. Weniger entschieden kann man über die Gäthästellen
sprechen , doch liegt auch dort unseres Erachtens nichts vor , was
die von der Tradition gegebene Bedeutung des Wortes zweifelhaft
machen könnte.
Bd. XLU. 6