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2 Technik der Papierherstellung

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Academic year: 2022

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Then I began to notice that while the thumb print was obvious, there were other, less obvious marks or indicators of human interaction with the sheet, small inconsistencies in the midst of well executed uniformity, the impression of the felt, an irregular edge, the stroke of the glazier’s stone, I began to see that these other, less obvious indicators…were also registering in my mind as many touches of the hand, as testimony to the long, long journey from a hemp or flax plant to a finished sheet of paper.80

Die Spur eines Daumens, der Abdruck des Filzes, der Strich des Glättsteins, aber auch das Haar eines Papiermachers oder die Spur eines Wassertropfens, die umgeknickte Ecke und der Glanz des Leims, sie alle liegen im Papier, zum großen Teil im Verborge- nen.81 Die Aussagekraft dieser Spuren ist für eine Technikgeschichte82 der mittelalter- lichen und frühneuzeitlichen Papierherstellung nicht zu unterschätzen, auch wenn sie dafür erst fruchtbar gemacht werden müssen. Die zentrale Frage lautet: Welche Herstellungsspuren lassen sich in historischen Papieren entdecken und was können sie über den Herstellungsprozess in technikgeschichtlicher Perspektive verraten? Zur Beantwortung werden zum einen bereits durchgeführte Materialstudien am Papier auf ihre Analysemethoden und Interpretationsangebote überprüft. Zum anderen soll die zu Rate gezogene historische ‚Fachliteratur‘ zur Papierherstellung vorgestellt werden.

Anschließend erfolgt eine detaillierte Darstellung von Herstellungsspuren im Papier und ihren möglichen Deutungen anhand der Chronologie des Herstellungsprozesses.

2.1 Herstellungsspuren im Papier

Der Beginn von Materialforschungen für papierhistorische Zwecke ist mit den mi - kros kopischen Untersuchungen Julius von Wiesners Ende des 19. Jahrhunderts anzu- setzen.83 Abgesehen von der Restaurierungswissenschaft, deren Arbeitsgrundlage die Untersuchung des Materialzustands ist, ist eine Vermehrung von Materialanalysen jedoch erst seit den 1980er-Jahren zu beobachten. Dies hängt vermutlich zum großen Teil mit der Zunahme technischer Verfahrensweisen zusammen, die eine zerstö- rungsfreie Untersuchung historischer Papiere ermöglichen, beruht möglicherweise

80 Barrett 1989, 25.

81 Für mögliche Herstellungsspuren im Papier sensibilisierte unter anderem Peter Tschudin im Jahr 1996, vgl. P. Tschudin 1996a, 30–32.

82 Unter Technik soll mit Ákoš Paulinyi die „Gesamtheit aller Artefakte (künstlicher Gegenstände) und Verfahren sowie aller Handlungen, mit denen der Mensch zum Erreichen eines Zweckes diese Artefakte vorausdenkend entwirft, herstellt und anwendet“ verstanden werden, Paulinyi 1989, 15. Zur Technikgeschichte vgl. Wengenroth 2017.

83 Vgl. Wiesner 1887.

© 2018 Sandra Schultz, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110583717-002.

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aber auch auf einer Reintegration der Dinge in die geschichtswissenschaftliche For- schungspraxis.84

Im Folgenden sollen erstens die Materialstudien und zweitens die daraus ent- standenen Beschreibungsformulare vorgestellt werden, die technik- und kultur- historische Deutungsangebote bieten. Im Anschluss werden drittens die Methoden der Papieranalyse zusammengefasst. Dabei wird keine Vollständigkeit angestrebt, vielmehr werden gezielt diejenigen Studien aufgegriffen, die beispielhaft für ein bestimmtes Verfahren stehen und für die vorliegende Untersuchung als Ideengeber und als Vorbild maßgeblich waren. Da der Fokus auf den Verfahrensweisen sowie auf der Analyse der Herstellungsspuren und weniger auf den Ergebnissen liegt, werden auch Untersuchungen zu arabischen Papieren einbezogen. Weitere instruktive mate- rialanalytische Studien finden sich in den entsprechenden Kapiteln zu den einzelnen Herstellungsschritten.

2.1.1 Materialanalytische Studien historischer Papiere

Die Reihenfolge der hier vorgestellten Studien orientiert sich an der Vorgehensweise und den Methoden der Papierforscher. Während die ersten drei materialanalytischen Untersuchungen mit vergleichsweise einfacher Ausrüstung vor allem die äußeren Merkmale von Papieren – Siebstruktur, Faserverteilung, Dicke, Oberfläche – betrach- ten, legen die nächsten zwei Studien ihren Fokus auf die chemische Zusammenset- zung von Papierproben, die nur durch destruktive Versuche oder mit komplexen technischen Apparaturen zu ermitteln ist. Eine dritte Gruppe an materialanalytischen Studien wählt eine experimentelle Herangehensweise und stellt den Herstellungs- prozess historischer Papiere nach. Abschließend wird eine erste Probebohrung an Archivmaterial aus dem südwestdeutschen Raum vorgestellt, die im Vorfeld dieser Arbeit entstand.

Als ein Pionier der zerstörungsfreien Papieranalyse an einem Archivbestand kann der Papiertechnologe Ernst Kirchner gelten. Er veröffentlichte im Jahr 1893 eine Studie zu Papieren des 14. Jahrhunderts aus dem Stadtarchiv Frankfurt am Main mit dem vorrangigen Ziel, Alter und Herkunft der Papiere zu bestimmen.85 Neben der Analyse von Wasserzeichen, der sein Hauptaugenmerk galt, führt er weitere Merk- male im Papier auf, die einer Betrachtung wert seien: die Siebstruktur, die Faserlänge und -verteilung, die Reinheit des Faserstoffs, der Farbton, die Leimung, die Oberflä- chenbeschaffenheit sowie die haptischen Eigenschaften.86 Er weist damit den Weg

84 Vgl. Keupp/Schmitz-Esser 2012, bes. 9–11.

85 Vgl. Kirchner 1893.

86 Vgl. Kirchner 1893, 15 f. Als Erweiterung der Untersuchung schlägt er mit der mikroskopischen Faseranalyse und chemischen Tests zur Bestimmung der Leimungsart zudem destruktive Methoden vor, die jedoch nur im Labor durchgeführt werden können.

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zu einer umfassenden Betrachtung historischer Papiere mit einfachen Mitteln, auch wenn sich die Ergebnisse seiner Studie hauptsächlich auf die Zuordnung von Wasser- zeichen beziehen.

Der Einsatz von non-destruktiven Verfahrensweisen zur Beantwortung technik- und kulturhistorischer Fragestellungen, die über die Datierung und Herkunftsbe- stimmung von Papieren hinausgehen, demonstrieren zwei Studien, die rund hundert Jahre später entstanden. Zu Beginn der 1990er-Jahre unternahm der englische His- toriker Richard L. Hills den Versuch, die Verbesserungen in der frühen italienischen Papierherstellung aus den Papieren selbst zu lesen.87 Dazu verglich er die materiellen Eigenschaften italienischer und spanischer Papiere des 13. und 14. Jahrhunderts mit- einander.88 Waren die italienischen Papiere anfangs den nach arabischer Methode hergestellten Papieren noch sehr ähnlich – dick, schwer, aus geringfügig gemahlener, langfaseriger Pulpe und mit Getreidestärke gestrichen89 –, so lasse sich im Verlauf des 14.  Jahrhunderts eine stetige Qualitätssteigerung erkennen.90 So interpretiert Hills die zunehmende Konturenschärfe der Wasserzeichen als eine Verbesserung der Stampfwerke. Ein weniger kraftvolles Stampfwerk könne die Lumpen nur unzurei- chend zerkleinern, sodass die Fasern vergleichsweise lang bleiben und sich daher nicht bündig um das Wasserzeichen legen können. Eine sorgfältige Aufbereitung der Pulpe hingegen führe zu kürzeren, besser fibrillierten Fasern und damit zu einem deutlich erkennbaren Wasserzeichen. Ein kraftvolleres Stampfwerk könne zudem die Dauer des Lumpenfaulens reduzieren, da der Rohstoff auch mit einem geringen Ver- rottungsgrad gut zu zerkleinern sei.91 Aus diesem Grund sei das spätere italienische Papier trotz der kurzen Fasern stark und stabil. Die Ripplinien wurden, so Hills, im Laufe des 14. Jahrhunderts immer feiner, was auf eine Verbesserung der Drahtziehe- rei hindeute.92 Mit dieser Veränderung sei auch eine Optimierung der Leimung ein- hergegangen: Auf den früheren italienischen Papieren lassen sich an der Oberfläche Streifen erkennen, die bei den späteren vollkommen fehlen. Nach Hills deutet dies darauf hin, dass der Leim zunächst durch Bürsten aufgetragen, diese Technik jedoch schließlich durch das Eintauchen der Blätter in den Leim verdrängt wurde.93 Hills schreibt folglich anhand der materiellen Beschaffenheit der untersuchten Papiere die Geschichte der technischen Entwicklung in der europäischen Papiermacherei: Von der Faserstruktur schließt er auf die Rohstoffaufbereitung, von den Ripplinien auf die Verfeinerung der Drahtherstellung und von Bürstenspuren auf die Technik des

87 Vgl. Hills 1992.

88 Vgl. Hills 1992, 83.

89 Vgl. Hills 1992, 77.

90 Vgl. Hills 1992, 83.

91 Vgl. Hills 1992, 84.

92 Vgl. Hills 1992, 89, 91. Vgl. auch Kapitel 2.3.3.1, S. 106–108.

93 Vgl. Hills 1992, 94.

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Leimens. Nachzuvollziehen sind seine Beobachtungen leider nicht, da er keine kon- kreten Hinweise auf die Menge und die Art der von ihm untersuchten Papiere gibt.

Deutlich mehr Informationen hinsichtlich des Projektumfangs und den anvisier- ten Papiersamples bietet das ebenfalls Anfang der 1990er-Jahre ins Leben gerufene und 2001 vorläufig abgeschlossene Progetto Carta.94 Konzipiert und durchgeführt wurde dieses Projekt von einem Verbund aus in Italien und Frankreich arbeitenden Archivaren, Restauratoren und Papierforschern mit dem Ziel, die Interpretation von Schriftquellen mit der Analyse der materiellen Eigenschaften der Papiere zu kom- binieren, um auf diese Weise zu historischen Aussagen über die Papierherstellung, den Papierhandel und den Papiergebrauch zu gelangen.95 Für die „archäologische“96 Untersuchung mittelalterlicher Papiere stellte das Forscherteam ein Corpus aus venezianischen Inkunabeln zusammen, zog zum Vergleich jedoch auch italienische Handschriften aus der zweiten Hälfte des 15.  Jahrhunderts heran.97 Die Untersu- chung umfasste die Erhebung von Daten zur Siebstruktur und zum Wasserzeichen, zur Papierdicke und zum Weißgrad.98 Mittels des Abdrucks, den die Schöpfform und das Wasserzeichen im Papier hinterließen, konnte auf das verwendete Schöpfsieb zurückgeschlossen werden. Papiere, die dieselbe Siebstruktur aufweisen, stammen

94 Ein erster, ambitionierter Entwurf des Projekts wurde 1990 in der Gazette du livre médiéval veröf- fentlicht, vgl. Federici/Ornato 1990. Aufgrund von ausbleibender finanzieller Unterstützung musste das Projekt deutlich verkleinert werden, vgl. Busonero et al. 1993, 402; Ornato et al. 1999a, 175; Ornato et al. 2001, Bd. 1, 10. So konnten jedoch schon auf einer Tagung in Erice im Jahr 1992 erste Resultate vorgestellt werden, vgl. Busonero et al. 1993. Im Jahr 2001 wurde schließlich das zweibändige Werk La carta occidentale nel tardo medioevo publiziert, vgl. Ornato et al. 2001.

95 Mehrere italienische Institutionen waren an dem Progetto Carta beteiligt, unter anderem das Is- tituto centrale per la Patologia del Libro in Rom, die Biblioteca Vaticana und die Biblioteca Nazionale Marciana di Venezia, sowie eine Forschergruppe des französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS), vgl. hierzu Federici/Ornato 1990, 3. Die Projektmitarbeiter benennen als Ziel des Projekts eine „multidimensionale Geschichte des Papiers“, vgl. hierzu Ornato et al. 1999a, 172, und Ornato et al. 2001, Bd. 1, 326.

96 Die Mitarbeiter des Progetto Carta bezeichnen ihre Herangehensweise an die stoffliche Dimension des Papiers als „archäologisch“, vgl. unter anderem Federici/Ornato 1990, 3; Ornato et al. 2001, Bd. 1, 3. Die Erweiterung des Untersuchungsgegenstands über das Papier hinaus führt zu einer Archeologia del Libro, so die Metapher für Studien zu den Techniken und Materialien der Buchherstellung, vgl.

hierzu das Vorwort in der ersten Ausgabe der Zeitschrift Qvinio 1 (1999), 6. Zu den Schwierigkeiten, die sich aus diesem grundsätzlich interdisziplinär angelegten Forschungsfeld ergaben, vgl. Carlo Fe- dericis Aufsatz zum „Scheitern der Archäologie des Buchs“. Federici macht eine falsch ausgerichtete institutionelle Anbindung, nämlich die Anbindung an die Paläographie, für den Misserfolg verant- wortlich und tritt für eine stärkere Kooperation mit den Restaurierungswissenschaften ein, vgl. Fe- derici 2004.

97 Vgl. Ornato et al. 2001, Bd. 1, 11.

98 Vgl. Busonero et al. 1993, 403–405. Vgl. auch das Inhaltsverzeichnis in Ornato et al. 2001. Ur- sprünglich waren als weitere Untersuchungsparameter die Porosität, die Transparenz sowie die Fa- serzusammensetzung geplant, vgl. Federici/Ornato 1990, 5.

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mit hoher Wahrscheinlichkeit von ein und demselben Sieb und wurden somit in einer Papiermühle an einer Bütte hergestellt. Zwar ermöglicht diese Identifikation weder eine Zuordnung zu einer bestimmten Papiermühle, noch gibt sie Hinweise auf den Papiermacher. Sie verrät jedoch einiges über die Lagerung, den Ankauf und die anschließende Verwendung des Papiers in der Offizin.99 So kann die Verwendung eines heterogenen Papierbestands, der sich an der Vielzahl unterschiedlicher Was- serzeichen in einer Inkunabel zeigt, als ein zentrales Ergebnis des Progetto Carta gelten.100 Dieser Befund spiegelt die Situation der (venezianischen) Drucker wider:

Anders als in der Handschriftenproduktion benötigten diese vergleichsweise viel Papier, scheuten jedoch größtenteils davor zurück, ihr Kapital durch lange Lage- rungszeiten zu binden. Aus diesem Grund bezogen sie bei aktuellem Bedarf große Mengen an Papier, allerdings aus unterschiedlichen Quellen, da die Produktionsleis- tung einer Papiermühle oft nicht ausreichte.101 Zudem bewirkte die starke Nachfrage durch die Drucker eine Veränderung der Schöpfform.102

Dezidiert für die chemische Zusammensetzung von historischen Papieren inte- ressierte sich der amerikanische Chemiker und Papierrestaurator William J. Barrow.

Seit 1957 unternahm er mehrere Studien mit dem Ziel, den Ursachen für die sehr gute Haltbarkeit und Beständigkeit alter Papiere auf die Spur zu kommen und damit einen Weg zu finden, schlecht erhaltene Papiere zu konservieren. Nach seinem Tod im Jahr 1967 führte das von ihm ausgebildete Team des W. J. Barrow Research Laboratory die chemischen und physikalischen Testreihen an insgesamt 1.470 zwischen 1507 und 1949 erschienenen Büchern fort. Die Ergebnisse wurden 1974 gesammelt veröffent- licht.103 Untersucht wurden (1) die Flexibilität, (2) die Reißfestigkeit, (3) der Gehalt an Aluminiumkaliumsulfat (Alaun), Harz und Holzschliff, (4) der Gehalt an alkalischen Metallcarbonaten wie zum Beispiel Calciumcarbonat sowie (5) der pH-Wert. Zudem wurde eine mikroskopische Faseranalyse durchgeführt.104 Die Resultate zeigen einen deutlichen Trend: Je jünger das untersuchte Papier ist, desto weniger widersteht es dem Falt- und Reißtest, desto höher ist sein Alaungehalt und desto niedriger sein Gehalt an Metallcarbonaten. Der erhöhte Alaungehalt, dem keine alkalische Substanz in Form von Carbonaten als Puffer entgegengesetzt wird, macht das Papier „sauer“.105

99 Vgl. Busonero et al. 1993, 415.

100 Ähnliche Resultate erbrachten auch Untersuchungen an Archivmaterial: Anhand der heteroge- nen Zusammensetzung der mittelalterlichen Kontenbücher der Stadt Luxemburg konnte Evamarie Bange die Organisation der Schreibstube und deren Versorgung mit Beschreibstoffen rekonstruieren, vgl. Bange 2009; Bange 2015; zur Verwendung von Papieren mit unterschiedlichen Wasserzeichen in einer städtischen Kanzlei vgl. auch van Huis 2015, 201.

101 Vgl. Busonero et al. 1993, 414, 426 f.

102 Vgl. Busonero et al. 1993, 439–441. Vgl. auch Kapitel 2.3.3.1, S. 106.

103 Barrow Research Laboratory 1974.

104  Vgl. Barrow Research Laboratory 1974, 9 f.

105 Vgl. Barrow Research Laboratory 1974, 16 f.

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Dies lässt sich an einem niedrigen pH-Wert ablesen. Die im Papier enthaltene Säure wiederum zerstört mit der Zeit die säureempfindlichen Verbindungen zwischen den Cellulosemolekülen und spaltet diese in kleinere Moleküleinheiten auf.106 Dadurch verliert das Papier an Flexibilität und Reißfestigkeit. Der niedrige pH-Wert der jünge- ren Papiere steht demnach in Korrelation mit den anderen Testergebnissen.

Technikgeschichtlich erklären lassen sich diese Ergebnisse durch die im 17. Jahr- hundert zunehmende Verwendung von Alaun in der Papiermacherei – sowohl in der Pulpe als auch als Zusatz im Glutinleim.107 Zeitgleich wurde zunehmend auf die Beigabe von Kalk bei der Lumpenfaulung verzichtet.108 Eine Zuspitzung des Problems wurde durch die Erfindung des Holzschliffs und die Verwendung von Alaun-Harz- Leim verursacht: Beide Verfahren erhöhen den Säuregehalt des Papiers, sodass die meisten zwischen 1850 und 1970 produzierten Papiere – und damit Bücher und Archi- valien – über kurz oder lang buchstäblich zu zerfallen drohen.109 Dieses Problem wird heutzutage mit der Herstellung und Verwendung von säurefreiem Papier verhindert.

Zu Beginn von Barrows Forschungen in den 1930er-Jahren war zwar bereits bekannt, dass ein niedriger pH-Wert für die Zersetzung von Papier verantwortlich ist. Verfah- ren zur Herstellung von säurefreiem Papier sowie zur konservatorischen Entsäuerung historischer Papiere waren hingegen noch nicht erprobt. Barrow selbst entwickelte in seinem Labor zum einen ein Verfahren zur Neutralisierung der im Papier enthaltenen Säure durch das Eintauchen des Papiers in eine Lösung aus Calciumhydroxid und eine Lösung aus Calciumbicarbonat.110 Zum anderen war er Befürworter der inzwi- schen äußerst umstrittenen Methode der Laminierung mit Celluloseacetat, die in der Restaurierungswissenschaft für mehrere Jahrzehnte Stand der Technik war.111 Proble-

106 Vgl. die auch für Laien auf dem Gebiet der Chemie verständliche Darstellung bei K. Roth 2006, 56.107 In den Jahren von 1600 bis 1609 enthielten gut 80 Prozent der getesteten Papiere keinen Alaun, während sich das Verhältnis in der nächsten Dekade von 1610 bis 1619 umkehrte und nun nur 20 Pro- zent des Papiersamples ohne Alaunzusatz waren, vgl. Barrow Research Laboratory 1974, 16.

108 So enthielten noch 24 Prozent der untersuchten Papiere des 16. Jahrhunderts Calciumcarbonat, aber nur noch 7 Prozent der Papiere aus dem 17. Jahrhundert, vgl. Barrow Research Laboratory 1974, 16 f.

109 Vgl. Barrow Research Laboratory 1974, 23–25; vgl. auch K. Roth 2006, 54; Zeisler/Hamm/Gött- sching 1991, 1–4, 9–13. Gegen die ‚Vorhersage‘ Barrows wendete sich 2001 der US-amerikanische Schriftsteller Nicolson Baker in seiner Streitschrift Double Fold. Er kritisiert darin den Knicktest, den Barrow an historischen Büchern zur Überprüfung ihrer Beständigkeit angewendet hat, als ungeeig- net, da Bücher bei der regulären Benutzung geblättert, selten jedoch geknickt würden. In seinen Kon- sequenzen für Bibliotheksbestände seien dieser Test und die daraus generierten Fehlschlüsse verhee- rend, vgl. Baker 2001, 141–161; in deutscher Übersetzung Baker 2005, 187–213. Ein Jahr später reagierte der Archivar Richard J. Cox auf Bakers Kritik, indem er ihm mangelndes Verständnis für die Arbeit und Aufgaben von Bibliotheken und Archiven bescheinigte, vgl. Cox 2002, bes. 31–72.

110 Vgl. Barrow 1942, 151 f.

111 Vgl. Barrow 1942, 152; Gallo 1953, 4; Church 2005, 152 f., 160.

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matisch waren aber nicht nur die von Barrow befürworteten konservatorischen Maß- nahmen, sondern auch die von ihm und seinem Team angewendeten Methoden der Papieranalyse, da sie destruktiv waren.

Glücklicherweise ist man seit einigen Jahrzehnten in der Lage, Materialanalysen mit non-destruktiven Methoden durchzuführen. Gewissermaßen in die Fußstapfen von William Barrow trat in den 1980er-Jahren der Papiermacher und -forscher Timothy Barrett. Wie Barrow interessierte sich Barrett für die Frage, warum Papiere aus dem 15. Jahrhundert ihre Schönheit, Flexibilität und Festigkeit bewahrt haben – ganz im Gegensatz zu Papieren späterer Jahrhunderte. Allerdings zielte er mit seinen Unter- suchungen nicht nur auf konservatorisch-restaurative Verfahrensweisen. Es ging ihm ebenso darum, durch Beobachtungen am Material die alten Handwerkstechniken der Handpapiermacherei zu rekonstruieren. Zwischen 1984 und 1987 unternahm Timothy Barrett eine Studie, in der er 135 historische Papiere aus dem 15. bis 18. Jahrhundert untersuchte.112 Die eine Hälfte dieser Papiere war in einem sehr guten, die andere Hälfte in einem schlechten Zustand. Getestet wurden die im Papier verbliebenen Metalle,113 der pH-Wert,114 die Faserlänge,115 der Gelatinegehalt116 sowie die Bestän- digkeit des Papiers.117 Die erzielten Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die gut erhaltenen Papiere enthalten mehr Calcium, Magnesium und Zink, haben einen höheren pH-Wert sowie einen höheren Gelatinegehalt, während die schlecht erhaltenen Papiere mehr Sulfur, Kalium, Aluminium und Eisen enthalten, einen niedrigeren pH-Wert besitzen sowie eine geringere Menge an Gelatine aufweisen.118 Unterteilt man die untersuchten Papiere nach Jahrhunderten, dann kommt man zu

112 Vgl. Barrett 1989.

113 Für die Analyse der Metallspuren wurden das Verfahren der proton-induzierten Röntgenemissi- on (PIXE) sowie die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF) angewandt. Bei beiden Verfahren werden die Atome im Papier durch Protonen- bzw. Röntgenstrahlung angeregt. Dies führt dazu, dass Elektronen aus der inneren Schale des Atoms herausgelöst werden. Um stabil zu bleiben, fällt der Energielevel dieser Elektronen. Dabei wird Energie frei, die in Form von Fluoreszenzstrahlung messbar ist. Da jedes Element eine spezifische Fluoreszenzstrahlung abgibt, kann auf diese Weise bestimmt werden, welche Metalle sich im Papier befinden. Diese Verfahren lassen nur Aussagen über Elemente zu, nicht jedoch über chemische Verbindungen, vgl. Barrett 1989, 32.

114 Die Messung des pH-Werts gelang ohne die Entnahme einer Probe durch eine Oberflächenmes- sung. Hierfür wurde auf die Oberfläche des Papiers ein Wassertropfen aufgebracht. Eine pH-Elektro- de, die in diesen Wassertropfen gehalten wurde, ermittelte den pH-Wert, vgl. Barrett 1989, 39.

115 Die Analyse der Faserlänge wurde mittels der Kajaani-Maschine durchgeführt. Hierzu ist aller- dings eine Faserprobe nötig, die dem Papier entnommen und in die Maschine eingespeist wird. Das Verfahren ist somit nicht zerstörungsfrei, vgl. Barrett 1989, 40.

116 Waren Barrett zu Beginn der Studie noch keine non-destruktiven Analyseverfahren zur Bestim- mung des Gelatinegehalts bekannt, so konnte er im Laufe der Untersuchung zwei ihm neue Appara- turen einsetzen: zum einen den Chromato Scanner, der mittels ultraviolettem Licht protein-basierte Anstrich- und Füllmittel ermittelt, zum anderen ein Spektralphotometer, vgl. Barrett 1989, 4.

117 Vgl. Barrett 1989, 49–53.

118 Vgl. Barrett 1989, 33, 39, 48, 106 f.

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dem Ergebnis, dass sowohl der pH-Wert als auch die Faserlänge mit der Zeit abneh- men.119 Die Ergebnisse seiner Materialanalyse nutzte Barrett für die Nachbildung von Papieren nach historischer Vorlage: Er verwendete die gewonnenen Erkenntnisse, um Papiere nach unterschiedlichen Methoden herzustellen und sie in ihrer Qualität zum einen direkt nach der Fertigstellung, zum anderen nach einer künstlichen Alterung zu vergleichen. Die Gegenüberstellung eines mit Glutinleim geleimten Papiers und eines ungeleimten Papiers ergab, dass das geleimte Papier eine größere Verfärbung aufwies und insgesamt weniger kräftig wirkte. Interessanterweise drehte sich dieses Verhältnis nach der künstlichen Alterung um: Hier war das geleimte Papier stärker und kräftiger als das ebenfalls gealterte ungeleimte Papier.120 Bestärkt durch die Ergebnisse dieser ersten Studie weitete Timothy Barrett sein Untersuchungssample aus und so konnten er und sein Team im Herbst 2010 eine weitere Studie mit 1.578 Papierproben aus dem 14.  bis 19.  Jahrhundert abschließen.121 Untersucht wurden auch hier unter anderem der Gelatine- und der Alaungehalt, die Konzentration von Eisen und Calcium, die Farbgebung des Bogens und seine Festigkeit. Die Resultate bestätigten die Ergebnisse der vorangegangenen Studie: Die Papiere des 15.  Jahr- hunderts weisen im Gegensatz zu den Papieren aus den folgenden Jahrhunderten einen höheren Gehalt an Gelatine und Calcium auf und sind zudem dicker und heller in ihrer Farbgebung.122 Zusammengefasst konstatiert Barrett, dass der tierische Leim die Papiere nicht nur tintenfest, sondern auch alterungsbeständig mache.123

Experimentellen Charakter hat die Studie von Jean-Louis Estève.124 In einer Unter- suchung zu den Charakteristika arabischer Papiere hat Estève den Herstellungspro-

119 Vgl. Barrett 1989, 39, 41, 106.

120 Vgl. Barrett 1989, 64.

121 Vgl. Barrett et al. 2012/2017.

122 Vgl. Barrett et al. 2012/2017. Vgl. auch Barrett 2013, 124f.

123 Vgl. die kulturhistorische Interpretation dieser Befunde in Kapitel 2.3.7, S. 160 f.

124 Estève 2006a. Auch andere Papierforscher haben versucht, durch experimentelle Rekonstruk- tionen Erkenntnisse über die Handpapiermacherei zu gewinnen. So hat beispielsweise Dard Hunter die Papierherstellung mit einem stoffbespannten Sieb nachempfunden, um nachzuweisen, dass die ersten Schöpfsiebe aus Textilien bestanden, vgl. Hunter 1978, 83. Walter F. Tschudin, auch W. Fritz Tschudin genannt, ist der Frage nachgegangen, ob es überhaupt – wie bis dato von der Forschung angenommen, aber nie experimentell überprüft – möglich ist, Papier aus Seide herzustellen. In sei- nen Versuchen gelang es ihm tatsächlich, Papier aus gestampften Seidenresten herzustellen, das sich zudem gut mit Pinsel und Tusche beschreiben ließ, vgl. W. Fr. Tschudin 1952. Karl Pichol versucht, die Erfindung des Papiers experimentell nachzuvollziehen. Ausgehend von der Beobachtung Julius von Wiesners, dass viele frühe chinesische Papiere in der mikroskopischen Betrachtung Reste von gewebeähnlichen Stoffen erkennen lassen, postuliert Karl Pichol, dass der erste Schritt hin zum Pa- pier das Beschreibbarmachen von Stoffstücken war. Die bereits als Schriftträger genutzte Seide sei für die ansteigende Schriftlichkeit während der Han-Dynastie bald zu teuer gewesen, sodass nach preis- werteren Beschreibstoffen gesucht wurde. Naheliegend sei es daher gewesen, andere, billigere Stoffe wie beispielsweise Hanfgewebe zu glätten und damit beschreibbar zu machen. Um diese These zu stützen, beauftragte er mehrere Testpersonen damit, verschiedene Gewebeproben wie Leinen, Baum-

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zess vom Bau der Schöpfform über das Schöpfen des Blatts bis hin zum Leimen und Glätten der Bogen nachgestellt. Er versucht auf diese Weise nachzuvollziehen, inwie- fern Besonderheiten im Papier auf verschiedene Arbeitsschritte oder aber auch auf Fehler im Produktionsprozess hindeuten. Er unterteilt die untersuchten Merkmale dabei in strukturelle und zufällige Spuren. Unter den strukturellen Merkmalen fasst er den Abdruck des Schöpfsiebs, das heißt die Kett- und die Ripplinien sowie die Stege.

Einen Großteil der materiellen Besonderheiten definiert er als zufällige Merkmale.

Hierunter fallen Spuren von Wassertropfen, Deformierungen der Blattstruktur beim Trocknen, Leimklumpen und Glättspuren, die nach Estève auf Fehler oder Unacht- samkeiten im Arbeitsvorgang zurückzuführen sind. Für jedes Merkmal gibt der Autor zunächst eine Beschreibung dessen, was man als Spur im Papier sieht (description).

Anschließend folgt eine Analyse dieser Spur (analyse), die endlich zu einer möglichen Interpretation oder aber zu weiteren Hypothesen führt (interprétations, hypothèses).

Besonders fruchtbar an dem Ansatz von Jean-Louis Estève erscheint die Kombination aus praktischen Erfahrungen am Material selbst und den daraus resultierenden und zugleich weiterführenden Interpretationsangeboten.

In Kooperation mit dem Handpapiermacher Johannes Follmer wurde für die vor- liegende Arbeit bereits an einem kleinen homogenen Bestand historischer Papiere exemplarisch untersucht, welche Spuren auf welchen Herstellungsschritt verweisen und wie diese Spuren zu interpretieren sind.125 Das Sample setzte sich aus den vier erhaltenen Ravensburger Steuerbüchern des 15.  Jahrhunderts zusammen, die zwi- schen 1473 und 1499 angelegt wurden. Dieses Corpus weist die Besonderheit auf, dass Herstellungs-, Beschriftungs- und Aufbewahrungsort des Papiers in eins fallen:

Durch einen Vergleich der darin enthaltenen Ochsenkopfwasserzeichen mit der Pic- cardschen Wasserzeichenkartei konnte festgestellt werden, dass das Papier aus einer Ravensburger Papiermühle stammt.126 Auch schriftliche Zeugnisse dokumentieren, dass die städtische Kanzlei Papier von den einheimischen Produzenten bezog.127 Für die Materialanalyse wurden ausschließlich leicht handhabbare, non-destruktive Ana- lyseverfahren gewählt, die ohne komplexe technische Ausrüstung vor Ort im Archiv einsetzbar sind und sich hauptsächlich auf die menschlichen Sinne stützen. Unter- sucht wurden vor allem das Format, die Faserverteilung sowie weitere Merkmale, die sich im Durchlicht erkennen lassen, die Leimung und die Oberflächenbeschaffenheit.

wolle und Jute durch Reiben mit einem Stein zu glätten. Durch das Reiben wurde der angefeuchtete Stoff zunächst an der Oberfläche geglättet, riss aber auch an einigen Stellen. Um die entstandenen Löcher zu „stopfen“, wechselten die Probanden spontan ihre Technik: Sie schlugen nun den Stoff, der dadurch in Teilen defibrilliert wurde, sodass diese teigige Fasermasse die Lücken auffüllen konnte.

Pichol vermutet, dass das erste Papier auf diese Weise entstand, vgl. Pichol 1999. Vgl. allgemein P.

Tschudin 2012a, 5.

125 Vgl. Schultz/Follmer 2015.

126 Vgl. Schultz/Follmer 2015, 20f.

127 Vgl. Kapitel 3.3.6.2., Tab. 30. Vgl. auch Schultz/Follmer 2015, 20.

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Die Ergebnisse dieser Pilotstudie charakterisieren das Ravensburger Papier als einer- seits stabil und gut geleimt, andererseits wiesen die Bogen jedoch einige Makel wie Knoten, Wassertropfenspuren und Falten auf. Diese Befunde wurden zu der Hypo- these verdichtet, dass die von der Ravensburger Kanzlei genutzten Papiere speziell für Schreibstuben produziert wurden, die sich ein festes, gut geleimtes, aber nicht zu teures Papier wünschten.128

2.1.2 Beschreibungsprotokolle

Viele der vorgestellten Forschungsprojekte haben gemeinsam, dass sie auf eine seri- elle Untersuchung der materiellen Eigenschaften von Papier abzielen. Eine serielle Datenerhebung verlangt nach einer strukturierten, systematischen Erfassung anhand gleichbleibender Kategorien, wobei die einzelnen Datensätze miteinander vergleich- bar und gegebenenfalls quantifizierbar sein sollten. Daher arbeiten viele dieser Studien mit Beschreibungsprotokollen.129 Die Auswahl der zu erhebenden Parame- ter wird dabei von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse geleitet und strukturiert die Untersuchung daher stark vor.130

Bereits seit 1992 existiert ein von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Papierhistoriker (IPH) herausgegebenes Beschreibungsformular, die Internationale Norm für die Erfassung von Papieren mit oder ohne Wasserzeichen, kurz IPH-Norm genannt.131 Ziel dieser Norm ist eine datenbankgestützte, umfassende und standar- disierte Aufnahme von Papieren und ihren Merkmalen, die ihre Identifizierung und Datierung ermöglicht. Die Datenerfassung erfolgt dabei nach sieben Kategorien:

Neben den Angaben zum Bogen an sich werden Informationen zu Wasserzeichen, zum Sieb, zum codicologisch-bibliographischen Kontext, zu der Papiermühle sowie zum Papierhersteller abgefragt. Die letzte Kategorie bilden Angaben zu fernöstlichen

128 Vgl. Schultz/Follmer 2015, 41.

129 Waren bis vor wenigen Jahrzehnten analoge Zettelsammlungen noch die einzige Möglichkeit, Beschreibungsprotokolle anzulegen, haben sich seitdem mit der Nutzung von digitalen Datenbanken neue Möglichkeiten erschlossen, die allerdings aufgrund ihrer zeit- und know-how-intensiven Erstel- lung (noch) nicht von vielen Papierhistorikern genutzt werden. Vgl. hierzu Bustarret 2012.

130 Diese Vorstrukturierung kann sich als Hindernis erweisen, wenn durch sie aufschlussreiche Pa- rameter ausgeblendet und somit nicht erhoben werden. Gleichzeitig sind Beschreibungsprotokolle und ihre Kategorien unabdingbar für eine Untersuchung historischer Papiere, da sie oft überhaupt erst den Blick für bestimmte Phänomene schärfen und ein Vokabular zu ihrer Beschreibung an die Hand geben.

131 Im Jahr 1992 wurde die provisorische Version 1.0 veröffentlicht. 1997 folgte die um Kriterien zur Bestimmung „fernöstlicher und arabischer Papiere“ erweiterte Version 2.0. Die aktuellen Versionen 2.1. (2012, deutsch) sowie 2.1.1. (2013, englisch) finden sich unter: http://www.paperhistory.org/Stan- dards/ (Stand 22.10.2017). Die deutsche Version 2.1 mit einem illustrierten IPH-Wasserzeichen-Typen- index ist zudem publiziert in P. Tschudin 2012a, Anhang II, 275–364.

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oder arabischen Papieren ohne Wasserzeichen, die gesondert behandelt werden. Jede Abteilung bietet eine Vielzahl von erfassbaren Parametern an. Für die Beschreibung des Bogens (3.0) sind beispielsweise Felder für die Papiersorte (3.0.7), die Verwen- dungsart (3.0.8), die Maße (3.0.10 und 3.0.11) und die Farbgebung (3.0.13) vorgesehen.

Diese Parameter sind alle durch einen Buchstabencode bezeichnet, der sich zumeist aus den Anfangsbuchstaben des englischen Worts ableitet, so zum Beispiel COLO für colour.132 Da das Ziel des IPH-Standards eine Identifizierung von Papieren ist, legt er großes Augenmerk auf die Wasserzeichenmotive und ihre Zugehörigkeit zu einem Sieb und zu einer Papiermühle. Weniger wichtig erscheint hingegen die Materialität des Papierbogens. Sie dient nur der Bestimmung und Zuordnung des Blatts.

Der Durchsetzung der IPH-Norm als Standardformular für die Beschreibung von Papieren stand bislang auf der einen Seite ihr Universalitätsanspruch und auf der anderen Seite die damit verbundene Detailunschärfe im Weg.133 Für die Unter- suchung mittelalterlicher Papiere erweist sich beispielsweise eine ganze Reihe von Feldern als unnötig, da sie sich auf Maschinenpapiere beziehen (3.0.18 bis 3.0.32).134 Wiederum macht sich dafür ein Mangel an anderen Parametern zu strukturellen und zufälligen Herstellungsspuren sowie zu Gebrauchsspuren bemerkbar.135 So fehlen Felder, in denen Spuren von Wassertropfen und Luftblasen beziehungsweise Knicke, Faltungen und Risse im Papier festgehalten werden können. Die materiellen Charak- teristika eines Bogens werden als Hilfsmittel zur Identifizierung des Herstellungsorts und zur Datierung genutzt. Hiermit lässt sich auch die Schwerpunktsetzung auf die Wasserzeichen und die Siebstruktur erklären. Weiterführende kultur- und technikhis- torische Interpretationsansätze, die nach einem Wandel in der Herstellungspraxis oder den Gebrauchskonventionen zu unterschiedlichen Zeiten fragen, stehen nicht im Fokus der IPH-Norm.

Neben den Bemühungen der IPH, einen allgemeingültigen, universell anwendba- ren Katalog zu schaffen, sind in den letzten 25 Jahren zahlreiche, stärker spezifizierte Beschreibungsformulare unmittelbar aus der praktischen Arbeit mit historischen

132 Vgl. P. Tschudin 2012a, Anhang II, 280.

133 Vgl. P. Tschudin 2012a, Anhang II, 275 f. Wie ein Teilnehmer des vom Teilprojekt A 06 des Heidel- berger SFB 933 Materiale Textkulturen veranstalteten Workshops Paper Biography im Sommer 2012 in Köln bemerkte, sei die IPH-Norm zwar für eine serielle Auswertung entworfen worden, in der Anwen- dung im Archivalltag habe sie sich jedoch aufgrund der vielen zu erhebenden Daten als ‚sperrig‘ und

‚unhandlich‘ erwiesen, vgl. C. Meyer/Schultz 2012/2017, 3. Dieser Kritik begegnet die IPH im Vorwort zur Version 2.1 der IPH-Norm zum einen mit dem Hinweis auf die angestrebte Allgemeingültigkeit, die eine Aufnahme von möglichst vielen und umfassenden Parametern notwendig mache. Zum anderen weist sie darauf hin, dass für die konkrete Untersuchung am Material auch nur einzelne, für das jewei- lige Projekt relevante Daten erhoben werden können, ohne die Vergleichbarkeit zu beeinträchtigen, vgl. P. Tschudin 2012a, Anhang II, 276.

134 Vgl. P. Tschudin 2012a, Anhang II, 281 f.

135 Vgl. hinsichtlich der Herstellungsspuren Schultz/Follmer 2015, 19, und hinsichtlich der Ge- brauchspuren Klinke/ C. Meyer 2015, 145 f.

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Papieren erwachsen. So wurden in der französischen Manuskript- und Papierfor- schung bereits seit dem Ende der 1980er-Jahre verschiedene Beschreibungsprotokolle für die materielle Analyse von historischen Papieren ausgearbeitet. Federführend waren hierbei die Mitarbeiter des Institut de recherche et d’histoire des textes (IRHT), einer in Paris angesiedelten Forschungseinheit des Centre national de la recherche sci- entifique (CNRS). Im Jahr 1989 publizierten Denis Muzerelle, Ezio Ornato und Monique Zerdoun Bat-Yehouda in der Gazette du livre médiéval ein Beschreibungsformular für Papiere mit Wasserzeichen. Neben der Aufnahme von das Schriftstück betreffenden Daten wie Aufbewahrungsort, Dokumententyp und äußere Form fokussiert dieser Fragebogen ausschließlich die Untersuchung und Dokumentation von Kett- und Ripplinien sowie von Wasserzeichen.136 Dennoch zielte die Arbeitsgruppe mit diesem Beschreibungsformular nicht auf eine Datierung der Papiere mittels Wasserzeichen, deren Primat sie für die Vernachlässigung anderer materialanalytischer Ansätze ver- antwortlich macht.137 Vielmehr sollte der Papiergebrauch in Codices und damit die Geschichte des Papiers aus codicologischer Perspektive untersucht werden.138

Parallel dazu wurde ein vorläufiges Beschreibungsformular für Papiere ohne Wasserzeichen von Marie-Thérèse Bavavéas und Geneviève Humbert entworfen und 1990 ebenfalls in der Gazette du livre médiéval veröffentlicht.139 Es konzentriert sich stark auf die Messungen der in das Papier eingeschriebenen Spuren der Schöpfform – Kett- und Ripplinien – sowie auf die nur in Papier des ‚arabischen Typs‘ vorkom- menden Zickzack-Marken. Nur zwei Einträge beziehen sich auf weitere strukturelle Merkmale des Papiers: Die Papierfarbe und die Konsistenz der Pulpe werden erho- ben.140 Auch die endgültige Fassung des Fragebogens, die Jean Irigoin 1992 auf einer Tagung in Erice vorstellte, betrachtet vor allem die strukturellen Merkmale, die das Sieb hinterlassen hat, und fügt den weiteren Merkmalen nur die Oberflächenbeschaf- fenheit hinzu.141

Paul Canart stützte sich bei der Ausarbeitung seines Beschreibungsformulars für Papiere ohne Wasserzeichen auf das Protokoll von Marie-Thérèse Bavavéas und

136 Muzerelle/Ornato/Zerdoun Bat-Yehouda 1989.

137 Die Autoren sprechen sich dezidiert dafür aus, dass historische Papiere neben der Datierung auch andere wertvolle Informationen bereithalten, vgl. Muzerelle/Ornato/Zerdoun Bat-Yehouda 1989, 16.

138 Vgl. Muzerelle/Ornato/Zerdoun Bat-Yehouda 1989, 17.

139 Auch Marie-Thérèse Bavavéas und Geneviève Humbert waren zu diesem Zeitpunkt Mitarbeiter des IRHT, vgl. Bavavéas/Humbert 1990, 30. Eine ausführliche Bibliographie mit Werken von 1950 bis 1995 zu Papieren ohne Wasserzeichen und ihrer Herstellung bietet Le Léannec-Bavavéas 1998, bes.

45–79.

140 Vgl. Bavavéas/Humbert 1990, 24–30.

141 Vgl. Irigoin 1993, 310–312. Ebenfalls einen starken Fokus auf die Siebstruktur und die Wasser- zeichen legt das Beschreibungsformular des Progetto Carta. Weitere Angaben zum Papier können le- diglich hinsichtlich seiner Dicke und seines Weißgrads gemacht werden, vgl. Ornato et al. 2001, Bd.

1, 77–84.

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Geneviève Humbert,142 nahm jedoch einige Veränderungen und Anpassungen vor, die aus drei Überlegungen entsprangen. Zum einen sei es wichtig, so Canart, den Beschreibungsbogen und die erklärenden Kommentare voneinander zu trennen, damit dieser so konzise wie möglich sei. Zudem müssten Parameter, die nur durch das Auge wahrgenommen werden können, durch Bildbeispiele präzisiert werden.

Zweitens sollten subjektive Beobachtungen zugunsten von klar messbaren Faktoren vermieden werden. An dritter Stelle steht die strikte Trennung von Analyse und Inter- pretation.143 Wie die IPH-Norm arbeitet dieses Beschreibungsprotokoll – sowie auch schon seine vorläufige Version von 1990 – mit Buchstabencodes, um die einzelnen Untersuchungsparameter zu bezeichnen.144 Ziel des Teams um Paul Canart war es, ein Beschreibungsformular zu entwickeln, mit dem sich Fragen nach der Produkti- onstechnik und der zeitlichen und räumlichen Verbreitung von westlich-arabischem Papier sowie nach seinem Einfluss auf die ersten italienischen Papiere – noch ohne Wasserzeichen – beantworten lassen. Als arabe-occidental oder auch espagnol non- filigrané bezeichnet Paul Canart die Papiere, die auf der iberischen Halbinsel nach arabischer Technik hergestellt wurden. Hierzu bezieht er sich auf Jean Irigoin, der Charakteristika für eine Differenzierung dieser Papiere von östlich-arabischen Papie- ren definiert hat. Laut Irigoin unterscheiden sich die auf der iberischen Halbinsel hergestellten Papiere ohne Wasserzeichen deutlich sowohl von den im Nahen Osten fabrizierten als auch von den frühen, wasserzeichenlosen italienischen Papieren.145 Die Anzahl der Untersuchungsparameter ist im Vergleich zum Entwurf von Bavavéas und Humbert deutlich erhöht. Dadurch wird eine detaillierte Analyse möglich. Zum Untersuchungsspektrum gehören nunmehr, neben den immer noch sehr präsen- ten Kett- und Ripplinien, die Glättspuren im Papier (19 SRL), der Weißheitsgrad (20 BLM), die Dicke (24 PAM) sowie der Opazitätsgrad (26 PAO).146 Da Canart sowohl die Kommentare zu den einzelnen Feldern als auch die Interpretation der aufgenomme- nen Daten vom Beschreibungsprotokoll scheidet, bleibt an dieser Stelle leider offen, welche (kultur-)historischen Deutungen zum Beispiel der Weißheitsgrad oder die Dicke des Papiers nahelegen.

Auf Grundlage des Beschreibungsprotokolls von 1989 entwarfen weitere Mitarbei- ter des Institut de recherche et d’histoire des textes – Caroline Bourlet, Isabelle Brett- hauer und Monique Zerdoun Bat-Yehouda – ein erweitertes Formular für ihre For-

142 Vgl. Canart et al. 1993, 335; vgl. auch die Vorlage: Bavavéas/Humbert 1990.

143 Vgl. Canart et al. 1993, 335.

144 Diese Buchstabenscodes sind vom französischen Wort für den betreffenden Parameter abgelei- tet, vgl. beispielsweise DMF für Dimensions du folio, PLI für Type de pliage und BLM für Mesure de la blancheur, vgl. Canart et al. 1993, 342.

145 Vgl. Canart et al. 1993, 313. Vgl. auch Irigoin 1993, 302–305.

146 Vgl. Canart et al. 1993, 342 f., und in Abgleich dazu die weniger umfangreiche Version bei Irigoin 1993, 310 f.

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schungen zu mittelalterlichen Papieren mit Wasserzeichen.147 Eingesetzt wurde das Formular bei der Analyse von Archivalien aus kirchlichen Institutionen in Paris mit dem Ziel, der Geschichte und den Mechanismen der Papierverbreitung und -nutzung auf die Spur zu kommen.148 Das Formular geht dabei von der im Archiv erhaltenen Einheit aus. Zunächst werden Informationen zum Codex aufgenommen, dann die darin enthaltenen inhaltlichen Einheiten. Erst danach wird das Doppelblatt näher betrachtet, dies mit Schwerpunkt auf dem Wasserzeichenmotiv, den Ripp- und den Kettlinien. Zudem werden die Papierfarbe und der Erhaltungszustand des Dokuments festgehalten. Faserstruktur und Oberflächenmerkmale werden hingegen nicht in die Betrachtung einbezogen und spielen auch in der Studie keine Rolle. Papierqualitäten sowie Herstellungs- und Gebrauchsspuren werden somit nicht untersucht. Allerdings führt die Analyse von Wasserzeichen und Wasserlinien zu interessanten Feststellun- gen hinsichtlich der Verwendung und Lagerung von Papier.149 Des Weiteren konnten die Forscherinnen nachweisen, dass der Gebrauch von Papier häufig mit dem Doku- mententyp zusammenhängt: So wurden in den untersuchten Pariser Institutionen im 14. Jahrhundert Lehenregister vorwiegend auf Papier, Kopialbücher jedoch auf Per- gament geschrieben.150 Das Beschreibungsprotokoll kommt ohne Buchstabenkürzel aus und besticht durch eine relativ einfache und intuitive Handhabung. So ist es bei- spielsweise möglich, die Position des Wasserzeichens auf dem ganzen und auf dem gefalteten Bogen durch Ankreuzen von Skizzen zu bestimmen.151 Hierdurch entfällt – zumindest teilweise – die nicht immer einfache Verschriftlichung der beobachteten materiellen Eigenschaften. Bemerkenswert an diesem Beschreibungsformular ist sein direkter Zuschnitt auf eine (kultur-)historische Fragestellung, nämlich die Frage nach dem Gebrauch und Einsatz von Papier in der spätmittelalterlichen Verwaltungspra- xis. Auch wenn weitere Gebrauchsspuren wie Knicke, Ritzungen und Faltungen nicht mit in die Untersuchung aufgenommen wurden, kann dieses Formular in Kombina- tion mit der darauf aufbauenden instruktiven Studie einen Weg zu neuen Interpreta- tionsansätzen weisen.152

Eben diese Interpretationsangebote sieht der bereits im vorangegangenen Kapitel erwähnte Restaurator Jean-Louis Estève im Zentrum eines jeden Beschreibungsfor- mulars. Auch wenn er nach eigener Aussage nur den Embryo eines solchen Formulars liefert, so macht er doch mit seinem Wunsch nach einem Handbuch des Papierbe-

147 Zu finden ist das dreiseitige Beschreibungsprotokoll in der Version vom 14.06.2006 in französi- schem Original und deutscher Übersetzung im Anhang von C. Meyer/Schultz 2012/2017. Für die Er- gebnisse der Studie, in der das Beschreibungsformular als zentrales Hilfsmittel eingesetzt wurde, vgl.

Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2010.

148 Vgl. Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2010, 165 f.

149 Vgl. Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2010, 165 f.

150 Vgl. Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2010, 176–179.

151 Vgl. Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2012/2017, 2. Vgl. Anhang IV.

152 Vgl. hierzu auch die Bewertung des Formulars in Klinke/C. Meyer 2015, 148.

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obachters153 deutlich, wie wichtig nicht nur die Aufnahme von Daten zu bestimm- ten Parametern, sondern dass es unabdingbar ist, auch Angebote für eine Taxierung eben dieser Daten zu unterbreiten.

Die hier vorgestellten Beschreibungsprotokolle wurden größtenteils für die Analyse von mittelalterlichen Papieren – „europäischen“ und „arabischen“ – konzi- piert.154 In den folgenden Ausführungen stehen lediglich die sogenannten „europäi- schen“ Papiere und ihre Herstellung im Mittelpunkt. Statt auf ein allgemeingültiges Beschreibungsformular abzuzielen, folgen die hier präsentierten Überlegungen dem von verschiedenen Papierforschern aufgezeigten Weg, einen exakt auf die Fragestel- lung zugeschnittenen und damit in der Praxis gut handhabbaren Beschreibungsbo- gen zu nutzen. Auf lange Sicht wäre ein „Baukastensystem“ denkbar, das Bausteine zu den verschiedenen Parametern einer materiellen Papieranalyse bietet. Diese Bausteine könnten nach Fragestellung und Erkenntnisinteresse zusammengestellt werden. Neben einfachen deskriptiven Feldern müssten – wie bereits gesagt – auch Interpretationsangebote gemacht werden. Denkbar wäre hierfür eine Software, die die Auswahl und Zusammenstellung einzelner Parameter ermöglicht. Der Bearbeiter kann nach dieser Selektion mit einem papierenen Beschreibungsformular, das auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist, ins Archiv oder in die Bibliothek gehen.

Die vorliegende Arbeit will einen kleinen Beitrag zur Erstellung eines solchen Baukastens leisten. Bereitgestellt werden soll das theoretische Rüstzeug für eine Mate- rialanalyse von Papier und ihrer technik- und kulturgeschichtlichen Auswertung. Der Fokus liegt hierbei auf den Herstellungsspuren: Anhand der einzelnen Arbeitsschritte in der Handpapiermacherei wird nachvollzogen, welche Spur auf welchen Arbeits- schritt hinweisen könnte. Um jedoch überhaupt Aussagen über die mittelalterliche und neuzeitliche Papierproduktion treffen zu können, müssen zeitgenössische Texte über die Papierherstellung einbezogen werden. Dieses theoretische Wissen wird mit

153 Schon der Titel von Estèves Beitrag spricht von einem „manuel de l’observateur de papier“, vgl.

Estève 2006a, 121, 130.

154 Aber auch für die Untersuchung moderner und zeitgenössischer Papiere werden Beschreibungs- formulare eingesetzt. Claire Bustarret, Mitarbeiter der Forschungsgruppe Anthropologie de l’écriture (iiAC/CNRS), hat mir freundlicherweise ihr Fiche d’identification codicologique zur Verfügung gestellt, welches sie unter anderem bei der Analyse der Papiere des Marquis de Condorcet einsetzte. Es handelt sich hierbei um ein zweiseitiges Blatt, das vor allem Felder zur Dokumentation der codicologischen Zusammensetzung, der Kett- und Ripplinien sowie des Wasserzeichens bietet. Die analog gesammel- ten Daten speist Claire Bustarret zudem in die Datenbank MUSE (Manuscrits, Usages des Supports, Ecriture) ein, die sie zusammen mit Serge Linkès (ITEM/CNRS) entwickelte, vgl. Bustarret 2012. Als Beispiel der Arbeiten von Claire Bustarret sei die Untersuchung der „Papiere von Balzac“ erwähnt, vgl. Bustarret 1999. Im Gegensatz zu vielen anderen Studien, die sich mit den „Papieren“ eines Schrift- stellers beschäftigen, handelt es sich um eine Materialanalyse seiner Papiere im wörtlichen und nicht im metaphorischen Sinn, vgl. zur Verwendung des Worts „Papiere“ L. Müller 2012, 132–137.

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der Expertise von Restauratoren und Handpapiermachern kombiniert, die es ermög- licht, „neu sehen zu lernen“ und das Papier mit anderen Augen zu betrachten.155

2.1.3 Methoden der Materialanalyse

2.1.3.1 Leicht anwendbare und ausrüstungsarme Analysemethoden

Viele Herstellungsspuren lassen sich unter bloßem Einsatz der menschlichen Sen- sorik entdecken. Die Anwendung der fünf Sinne auf ein zu untersuchendes Papier hält der Restaurator René Teygeler für die wichtigste, oft unterschätzte Methode der Papieranalyse.156 Der am meisten genutzte Sinn und der erste Zugang zu einem Bogen Papier ist der Sehsinn in Kombination mit variierenden Lichtquellen.157 Im Auflicht gibt er einen allgemeinen Eindruck von der Beschaffenheit des Papiers und lässt dessen Farbe erkennen. Die Oberflächenstruktur – wie der Abdruck des Filzes oder kleine Unebenheiten – wird im schräg einfallenden Licht, dem sogenannten Streif- licht, sichtbar. Hierbei ist es sinnvoll, das Auge durch eine leicht zu manipulierende Lichtquelle, beispielsweise einen Handstrahler mit besonders hellem weißem Licht, zu unterstützen.158 Für die Untersuchung der Siebstruktur benötigt man Durchlicht.

Am besten eignet sich hierfür eine Durchlichtfolie, die auch bei eingebundenen Bogen eine Betrachtung ermöglicht, indem sie problemlos zwischen die Seiten eines Hefts oder Codex geschoben werden kann.159 Zur Erhebung der Siebdaten – maxi- male und minimale Größe des Bogens, Kettlinienabstand – benötigt man ein starres Lineal aus Stahl, das aufgrund seiner Materialstabilität auch bei Millimeterbeträgen zuverlässig ist. Mit einer Zählmaske aus schwarzem Karton, die einen 1 x 1 Zentimeter und einen 1 x 10 Zentimeter großen Ausschnitt aufweist, kann die Rippliniendichte auf einem beziehungsweise 10 Zentimetern ermittelt werden.160 Zudem eignet sich die Durchlichtansicht für die Untersuchung des Wasserzeichens, das mit unterschiedli-

155 Viele Details erschließen sich einem ungeschulten Blick kaum. In diesem Sinn kann unter dem „bewaffnete[n] Auge“, das Julius von Wiesner erwähnt, nicht nur die technische Ausrüstung mit einem Mikroskop verstanden werden, sondern ebenfalls die Bewaffnung des Auges mit neuen Seherfahrungen, vgl. Wiesner 1887, 182. Eine weitere Schwierigkeit besteht zudem darin, die Lücke zwischen häufig schwer verbalisierbarem Erfahrungswissen und theoretischen Überlegungen durch die sprachliche Darstellung zu schließen. Die Schwierigkeit, handwerkliche Arbeitsabläufe angemessen zu beschreiben, das heißt ‚Erfahrungswissen‘ in eine sprachliche, für jeden nachvollziehbare Form zu gießen, thematisiert Carlo Ginzburg, vgl. Ginzburg 1983, 91. Um ein Körpergefühl für die Arbeitsabläufe zu erlangen, plädiert Jean Irigoin dafür, selbst die Schöpfform in die Hand zu nehmen, vgl. Irigoin 1993, 297.

156 Vgl. Teygeler 2000, 190.

157 Hierbei ist der Einsatz von Mikroskopen empfehlenswert, vgl. P. Tschudin 2004, 136 f.

158 Vgl. die Empfehlung für einen Handstrahler in Klinke/C. Meyer 2015, 138, Anm. 10.

159 Vgl. Klinke/C. Meyer 2015, 138, Anm. 10.

160 Vgl. Klinke 2009, 32; Klinke/C. Meyer 2015, 138–140. Vgl. Kapitel 2.3.3.1, S. 98, 100.

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chen Methoden vom Papier „abgenommen“ werden kann.161 Das Abzeichnen oder das Abreiben des Wasserzeichens sind am einfachsten zu bewerkstelligen, werden allerdings von Bibliotheken und Archiven nicht immer gerne gesehen, da das Trans- parentpapier Kontakt mit dem historischen Papier hat und der Bleistift auf das Origi- nal durchdrückt.162 Komplexer und kostenintensiver, dafür in den Ergebnissen sehr präzise ist der Einsatz von Betaradiographie.163 Im Durchlicht lassen sich außer den Siebspuren zudem die Faserverteilung164 sowie Fehler im Papier erkennen.

Neben dem Auge ist auch das Ohr ein Instrument, das zur Papieranalyse ein- gesetzt werden kann. Der durch Schütteln des zu untersuchenden Papiers erzeugte Klang kann einem geübten Ohr etwas über die Faserart, die Faserlänge – und damit über den Mahlgrad der Fasern – sowie über die Art der Leimung verraten. Besonders bei der Faserart und der Faserlänge spielt auch die Haptik eine große Rolle. Durch das Anfassen des Papiers erfährt man etwas über seine Konsistenz, seine Schwere und Dicke: Der „Griff“ des Papiers kann ermittelt werden. Für eine exakte Bestimmung der Papierdicke steht als Hilfsmittel ein Mikrometer zur Verfügung.165 Bei einem klas- sischen Mikrometer können nur am Rand gelegene Punkte gemessen werden, da die Messschrauben nicht bis in die Blattmitte reichen.166 Es existieren jedoch auch Mikro- meter mit verlängerten Messschrauben, die eine Messung an jedem beliebigen Punkt eines nicht zu großen Bogens erlauben.167 Die menschliche Sensorik – mit ihren Hilfsmitteln – als Analyseinstrumentarium hat den Vorteil, dass sie leicht anwend- bar und in den meisten Fällen zerstörungsfrei ist. Ein kleiner Nachteil liegt in der Zuverlässigkeit ihrer Resultate, da es oft nur einem geübten Auge und einem geübten Ohr möglich ist, Färbungen und Klangfarben zu erkennen und zu interpretieren.168 Erst durch die serielle Betrachtung von Papieren erhält man ein Gefühl dafür, was die wahrgenommenen Phänomene über das Papier und seine Herstellung aussagen können.

161 Diese verschiedenen Methoden sind bereits anderweitig ausführlich dargelegt und sollen daher hier nur schlaglichtartig angesprochen werden. Vgl. Atanasiu 2007/2017, 31–35; P. Tschudin 2012a, 216–222; IPH-Norm in ebd., 289–292.

162 Eindrücklich lässt sich dies an ganz besonderen Gebrauchsspuren sehen, die Carla Meyer- Schlenkrich und Thomas Klinke im Hauptstaatsarchiv Stuttgart entdecken konnten. Es handelt sich hierbei um die Abdrücke, die Gerhard Piccard mit seinem Bleistift bei Abpausen der Ripplinien hin- terließ, vgl. Klinke/C. Meyer 2015, 168, 170, Abb. 17.

163 Vgl. Atanasiu 2007/2017, 34.

164 Vgl. P. Tschudin 2004, 138; P. Tschudin 2012a, 52.

165 Vgl. Atanasiu 2007/2017, 49 f.; Klinke/C. Meyer 2015, 142 f.

166 Vgl. Klinke/C. Meyer 2015, 142 f.

167 Vgl. Bourlet/Bretthauer/Zerdoun Bat-Yehouda 2010, 170.

168 Vgl. Teygeler 2000, 190.

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2.1.3.2 Ausrüstungsintensive Analysemethoden

Aufwendige Materialanalysen, für die eine spezielle Ausrüstung und das entspre- chende Expertenwissen benötigt werden, finden auch in der Papieruntersuchung Anwendung und erzielen zum Teil beeindruckende Ergebnisse.169

Die bekannteste dieser Methoden ist die Fasermikroskopie, bei der der Papier- probe Fasern entnommen, präpariert und anschließend unter dem Mikroskop betrach- tet werden. Die mikroskopische Faseranalyse eignet sich vor allem zum Bestimmen der Faserart, kann aber auch Informationen zum Mahlgrad geben.170 Chemische Tests dienen zur Bestimmung eines bestimmten Stoffs im Papier, beispielsweise von tierischem Leim oder von Aluminium.171 Hierfür wird ein chemisches Reagenz ent- weder mit zuvor entnommen Fasern gemischt oder direkt auf die Probe geträufelt.

Reagenzien können auch bei der mikroskopischen Faseranalyse zur Bestimmung der Faserart eingesetzt werden. Die soeben vorgestellten Analyseverfahren sind in ihren Ergebnissen zwar recht präzise, haben jedoch den Nachteil, dass sie destruktiv sind und damit nicht ohne sorgfältiges Erwägen des Nutzen-Schaden-Verhältnisses ange- wendet werden sollten.

In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt zerstörungsfreie Analyseverfah- ren entwickelt. Zur Bestimmung der Siebstruktur eines Bogens und zum direkten Abgleich mit den Siebspuren eines anderen Papiers sowie zur Sichtbarmachung von durch Schrift verdeckten Wasserzeichen haben sich digitale Verfahren der Bildbear- beitung als fruchtbar erwiesen. Sie ermöglichen beispielsweise das Ausblenden der störenden Schrift durch Bildsubtraktion oder die Betrachtung von mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Details durch Vergrößerung.172 Für die digitale Bildanalyse benötigt man vor allem eine Digitalkamera, geeignete Lichtquellen, einen PC und ein – eventuell extra für die Papieranalyse konzipiertes – Bild bear bei tungs programm.173 Eine deutlich spezialisiertere Ausrüstung erfordert die proton-induzierte Röntgen- emission (PIXE) sowie die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF).174 Mit beiden Verfahren lassen sich die in einer Stoffzusammensetzung enthaltenen Elemente bestimmen. In der Papieranalyse werden sie vor allem zu Ermittlung von Metallionen eingesetzt.

Die Neutronenaktivierung ermöglicht die Bestimmung von im Papier enthaltenen Elementen, die Gammastrahlen aussenden. Hierfür wird die Papierprobe einem Neu- tronenfluss ausgesetzt und damit radioaktiv gemacht. Die nun radioaktiven Bestand-

169 An dieser Stelle werden diese Analysemethoden nur in Auswahl vorgestellt. Zur Ergänzung vgl.

P. Tschudin 2012a, 53–56. Neun non-destruktive hochtechnisierte Analyseverfahren wurden jüngst an Papieren aus Fabriano und Camerino des 13. bis 15. Jahrhunderts erprobt, vgl. Roselli et al. 2014.

170 Vgl. Irigoin 1971, 5; P. Tschudin 2012a, 53. Vgl. Kapitel 2.3.1.2, S. 69 f.

171 Vgl. Irigoin 1971, 6; P. Tschudin 2012a, 55.

172 Vgl. hierzu ausführlicher Tsypkin 1999; Atanasiu 2007/2017, 28–57; Klinke 2009, 33–36.

173 Vgl. Atanasiu 2007/2017, 39 f.

174 Vgl. Barrett 1989, 32; Barrett et al. 2014/2017. Vgl. auch Teygeler 2000, 189 f.; Roselli et al. 2014, 254. Vgl. auch Anm. 113.

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teile der Probe zerfallen je nach Element in der spezifischen Halbwertszeit. Auf diese Weise können die im Papier vorkommenden (Spuren-)Elemente wie beispielsweise Aluminium oder Kupfer bestimmt werden.175 Mittels der ultraviolet-visible-near-infra- red (UV/VIS NIR) Spektroskopie, die sich die elektromagnetischen Wellen des ultra- violetten, des sichtbaren und nah-infraroten Lichts zunutze macht, konnten Timothy Barrett und sein Team den Gelatinegehalt historischer Papiere ermitteln.176

2.2 Texte zur Papierherstellung

Zur Interpretation der durch materialanalytische Studien gewonnenen Befunde sind Kenntnisse über den Produktionsprozess in der Handpapiermacherei unabdingbar.

Ohne sie fällt nicht nur die Einordnung von Spuren im Papier schwer. Auch die ver- einzelten schriftlichen Hinweise auf die Papierherstellung bleiben unverständlich, so etwa die Bemerkung eines Basler Papiermühlenbesitzer aus dem Jahr 1519, er werde sofort das versprochene Papier liefern, sobald er Gewitters halp lymen könnte. Ver- ständlich wird diese Passage erst durch das Wissen, dass bei Gewitter nur ungern geleimt wurde, da der Leim sich dann zersetzte.177

Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass das Gebot der Geheim- haltung178 eine Verschriftlichung der Handwerkstechniken behinderte. Erst im 18. Jahrhundert – mit der zunehmenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Handwerken179 – mehren sich die Abhandlungen über die Herstellung von handge- schöpftem Papier. Weniger als ein halbes Jahrhundert vor der Erfindung der Papier- maschine verfasst,180 bieten diese Abhandlungen oftmals ein sehr detailliertes Bild von der Arbeit in einer Papiermühle. Bei der Frage nach der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Papierherstellung bis 1550 ist man daher auf diese späten Quellen angewiesen, da nur auf Grundlage dieser Texte längst nicht mehr praktizierte Her- stellungstechniken erschlossen werden können.181 Auch wenn sicherlich nicht davon

175 Vgl. Irigoin 1971, 5 f.; Barrandon/Debrun/Irigoin 1974.

176 Für detailliertere Informationen vgl. Barrett et al. 2014/2017.

177 Vgl. StABS, Gerichtsarchiv D 23, 29v. Vgl. Kapitel 3.3.6.1, S. 464. Vgl. Lalande 1820, 85; Desmarest 1774, 22, 27.

178 So verbot die Signoria von Genua im Jahr 1520 die Übertragung der Kenntnis des Papiermachens ins Ausland und erneuerte dieses Verbot in den Jahren 1550, 1593 und 1615, vgl. W. Weiss 1983, 84. Vgl.

auch P. Tschudin 1994, 52; Zaar-Görgens 2004, 93.

179 Eine Auswahlbibliographie zur technologischen Literatur des 18. Jahrhunderts findet sich in Aa- gard/Bayerl/Gleitsmann 1980. Eine detaillierte und kritische Auswertung der papiertechnologischen Literatur leistete bereits Günter Bayerl in seiner 1987 erschienenen Dissertation zu den Produktions- bedingungen der vorindustriellen Papiermacherei, vgl. Bayerl 1987.

180 Zur Erfindung der Papiermaschine im Jahr 1799 durch den Papierfabrikanten Nicolas Louis Ro- bert und den Weiterentwicklungen vgl. P. Tschudin 2012a, 151–171.

181 Vgl. hierzu auch Irigoin 1993, 277.

(20)

ausgegangen werden sollte, dass sich die Art und Weise, Papier zu produzieren, von Beginn der europäischen Papiermacherei im 13. Jahrhundert bis zur Erfindung der Papiermaschine um 1800 nicht wandelte, so erscheint es dennoch vertretbar – und sogar erforderlich – jüngere Quellen zur Erforschung der mittelalterlichen Papierher- stellung heranzuziehen.182 Unerlässlich ist allerdings eine gewisse Vorsicht bei der Rückprojektion von neuzeitlichen Arbeitsmethoden auf spätmittelalterliche Verfah- rensweisen. Auch sollte im Bewusstsein bleiben, dass nur Plausibilitäten aufgezeigt werden können. Neben der großen Zeitspanne von mehr als 500 Jahren spielt auch die räumliche Ausdehnung eine Rolle: Nicht nur in der diachronen Betrachtung sind Veränderung im Produktionsprozess zu vermuten, auch regionale Unterschiede sind in einem so weit gefassten Untersuchungsraum wie Europa wahrscheinlich.183

Das Spektrum der für eine Darstellung der Papierproduktion ausgewählten Texte wurde sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch von ihrer Form her möglichst breit gewählt, ist aber keineswegs erschöpfend.184 Ein Augenmerk lag hierbei zum einen auf den wenigen mittelalterlichen Beschreibungen der Papiermacherei, wie sie Paulus Paulerinus um 1460 und Francesco M. Grapaldo im Jahr 1494 liefern. Zum anderen sollte die Streuung der Texte auf die verschiedenen Jahrhunderte möglichst groß sein, um einen repräsentativen zeitlichen Querschnitt zu erhalten. Auch wenn die Abhandlungen aus dem 18. Jahrhunderte deutlich überwiegen, konnten mit der Regensburger Mühlenordnung aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowie mit den Werken von Giovanni Domenico Peri und Jean Imberdis aus dem 17. Jahrhundert auch ältere Beschreibungen der Papierherstellung aufgenommen werden.

Einen Überblick über die wichtigsten hier betrachteten Texte bietet Tabelle 1.

Die Vorstellung der Werke folgt einem systematischen Zugriff: Die erste Kategorie umfasst die Texte, die einen enzyklopädischen Charakter aufweisen. Ihre Intention ist es, den aktuellsten Wissensstand über ihr Objekt darzulegen, es zu definieren und exakt zu beschreiben. Die zweite Kategorie versammelt die Schriften, die sich durch ihre normative Natur als (Ver-)Ordnungen bezeichnen lassen oder die sich selbst so bezeichnen. In einem dritten Abschnitt werden Fachbücher über die Papierherstel- lung betrachtet. Eine vierte Kategorie schließlich vereint zwei Werke, darunter ein Gedicht, die sich aufgrund ihrer Gestaltung keiner der drei anderen zuordnen lassen.

182 Monique Zerdoun Bat-Yehouda verfolgt eben diesen Weg: Zerdoun Bat-Yehouda 1991, 227. Ezio Ornato und seine Co-Autoren vertreten die Meinung, dass diese Rückprojektion zwar prinzipiell zu- lässig sei, jedoch in den Details an der Realität vorbeigehe, vgl. Ornato et al. 1999a, 165; Ornato et al., 2001, Bd. 1, 88f.

183 Genau an diesem Punkt setzen die Ausarbeitungen von Nicolas Desmarest an, der die franzö- sische Papierproduktion des 18. Jahrhunderts mit der holländischen vergleicht: Desmarest 1774 und Desmarest 1778.

184 Für weitere historische Texte zur traditionellen Handpapiermacherei, einschließlich Mühlen- und Maschinenbüchern, vgl. Bayerl 1987, 17–29. Zur literarischen Verarbeitung der Papierherstellung vgl. ebd., 101–132.

(21)

Tab. 1: Für die Untersuchung herangezogene historische Zeugnisse über die Papierherstellung in chronologischer Reihenfolge.185

Autor Titel Jahr Texttyp

Statut von Bologna

[in: Gasparinetti 1963, 18–24] 1389 Ordnung Paulus Paulerinus Liber viginti arcium

[Paulus Paulerinus 1997] um

1460 Enzyklopädie Francesco M. Grapaldo De partibus aedium dictionarius longe lepidissi-

mus nec minus fructuosus

[Grapaldo 1508, UB Heidelberg, C 5274 A RES]

1496 Enzyklopädie

Regensburger Mühlenordnung

[in: Blanchet 1900, 78–101] um

1580 Ordnung Giovanni Domenico

Peri Il negotiante, Bd. 3: I frutti d'Albaro

[Peri 1651; engl. Übers. in: Fahy 2003/2004, 243–259]

1651 Miscellanea

Jean Imberdis *Papyrus sive ars conficiendae papyri

[lat. Orig. u. franz. Übers.: Imberdis 1693/1899;

lat. Orig. u. dt. Nachdichtung: Imberdis 1944/45;

lat. Orig. u. engl. Nachdichtung: Imberdis 1952]

1693 Gedicht

Franz Henning Schaden *Entwurff und Beschreibung von der Papier- macherey, worinnen der Ursprung des Papierma- chens, der Fortgang, wie heutiges Tages das Papier gemachet wird, wie solches viele Mühe und Arbeit hat

[Schaden 1740/1962]

1740 Fachbuch

Johann Michael Becker *Anhang oder Alphabetischer Anzeiger derjeni- gen unterschiedlich gebräuchlichen Nahmen und Wörter, so die Papiermacher sich bedienen, und wie sie ein jegliches Ding in denen Papier-Mühlen heissen 

[Becker 1740/1962]

1740 Fachbuch/

Enzyklopädie

*Österreichische Papiermacherordnung

[in: Bogdán 1964, 9–16] 1754 Ordnung

Joseph Jérôme

Lefrançais de Lalande *Art de faire papier

[1. Aufl.: Lalande 1761; 2. Aufl.: Lalande 1820; dt.

Übers.: Lalande 1762]

1761 Fachbuch

Louis-Jacques Goussier Artikel Papeterie in der Encyclopédie

[Goussier 1765/1966] 1765 Enzyklopädie

185 Mit Asteriskus gekennzeichnete Titel finden sich auch in Bayerl 1987, 18–22, 122, 338.

Abbildung

Tab. 1: Für die Untersuchung herangezogene historische Zeugnisse über die Papierherstellung in  chronologischer Reihenfolge.185
Tab. 3: Der Unterschied zwischen gefaulten und ungefaulten Lumpen nach Desmarest 1778.
Abb. 1: Heinrich Schickhardt, Perspektivische Ansicht mit Wasserrädern, Hämmern, Bottichen,  Brunnen und Papierpresse, um 1600, Federzeichnung, 41 cm x 65 cm, HStA Stuttgart, N 220 T 193.
Abb. 2: Heinrich Schickhardt, Konstruktionsskizze eines Stampfwerks, um 1600, Federzeichnung,  Folio, HStA Stuttgart, N 220 T 186 07.
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