• Keine Ergebnisse gefunden

Auskratzen, Sortieren und Verpacken

Im Dokument 2 Technik der Papierherstellung (Seite 149-152)

2.3 Arbeitsschritte der Papierherstellung

2.3.9 Auskratzen, Sortieren und Verpacken

Auf das Glätten des Papiers folgte – wie zuerst explizit im 18. Jahrhundert erwähnt – das Auskratzen der Bogen. Hierfür untersuchte der zuständige Geselle – bei Lalande und Goussier wurde diese Arbeit ebenfalls von Frauen verrichtet1017 – Bogen für Bogen auf Fremdkörper wie Haare und Faserknoten und kratzte oder schabte diese mit einem Messer ab.1018 Auf diese Weise wurden eventuelle Hindernisse für die Feder entfernt, zudem wurde das Papier optisch ansprechender. Die Gefahr beim Auskrat-zen lag in dem gleichzeitigen Abtragen der Leimschicht, sodass das Blatt an den behandelten Stellen tintendurchlässig wurde.1019 Ein zu stark abgeschabtes Papier gehörte daher nicht mehr der ersten Güteklasse an.

Nach dem Ausschaben wurden die Bogen sortiert. Papier ohne jeglichen Makel wurde auf einen Stapel getan. Die anderen Bogen gehörten bereits zum Ausschuss, allerdings wurde hier auch noch einmal zwischen verschiedenen Qualitätsstufen unterschieden. Johann Michael Becker differenziert 1740 zwischen gutem und bösem Ausschuss, wobei ersteres Blätter mit nur geringfügigen Fehlern wie Eisenflecken oder kleinen Falten bezeichne. Unter bösem Ausschuss verstehe man jedoch das Papier, das gerissen und gar nicht mehr zu gebrauchen sei. Dieses werde größten-teils wieder zu Pulpe verarbeitet.1020 Besonders detailliert beschreibt Joseph Jérôme de Lalande das Sortieren des Papiers in fünf Kategorien: (1) makelloses Papier ohne Fremdkörper und Wassertropfenspuren, (2) Papier mit kleinen Fehlern wie

Wasser-1014 Vgl. Estève 2006a, 130.

1015 Vgl. Estève 2006a, 130.

1016 Vgl. Lalande 1820, 92. Vgl. auch Asunción 2003, 85.

1017 Vgl. Lalande 1820, 93; Goussier 1765/1966, 843.

1018 Vgl. Keferstein 1766/1936, 25: Habt aufs Auskratzen Acht, daß kein Ausschuß drinnen bleibt. Vgl.

auch Becker 1740/1962, 2; Lalande 1820, 93; Goussier 1765/1966, 843.

1019 Vgl. Lalande 1820, 93.

1020 Vgl. Becker 1740/1962, 2.

tropfenspuren, das ausgekratzt wurde, (3) faltiges, fleckiges oder wolkiges Papier, (4) Bogen, die kleiner als die anderen sind und (5) zerrissenes Papier, das nicht mehr als kompletter Bogen verwendet werden kann.1021 Nach Lalande werde nur das Papier der fünften Kategorie wieder zu Faserbrei gestampft, allerdings auch erst dann, wenn es sich in keiner anderen Weise – wie zum Beispiel als Packpapier für Kleinwaren – verwenden lasse.1022

Nach dem Aussortieren wurden die Bogen in ihrer jeweiligen Güteklasse gezählt.1023 Für diese Arbeit waren die geschicktesten Arbeiterinnen zuständig, wie Lalande anmerkt.1024 Die Regensburger Mühlenordnung aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sieht das Zählen gar als Aufgabe des Meisterknechts selbst an.1025 Nach allgemeinem Usus ergaben 24 Bogen Schreibpapier respektive 25 Bogen Druck-papier ein Buch (franz. main, engl. quire).1026 Gemäß der Österreichischen Papier-macherordnung von 1754 und den Angaben Lalandes aus dem Jahr 1761 wurde jedes Buch in der Mitte gefaltet, sodass die Blätter eine Lage bildeten.1027 Während Gerhard Piccard davon ausgeht, dass der Brauch, den Bogen vor dem Verkauf vorzufalzen, erst im 17. Jahrhundert aufkam, vermutet der Kunsthistoriker und Museumskurator Albert Elen, dass Papier bereits im 15. Jahrhundert nur gefalzt verkauft wurde.1028

20 Buch wiederum wurden zu einem Ries zusammengebunden.1029 Zehn Ries ergaben einen Ballen Papier. In einem Ries konnten unter Umständen Bücher ver-schiedener Qualitätsstufen gebündelt werden. Dieses Verfahren wird beispielsweise von Giovanni Domenico Peri 1651 beschrieben: In jedem Ries sind drei Buch minderes Papier zulässig, zwei unten und eins oben.1030 Auch Lalande erwähnt eine Mischung der ersten drei Güteklassen in einem Ries. So bestehe ein gut verkäufliches Ries aus acht Buch gutem Papier, acht Buch vom ersten Ausschuss und vier Buch vom zweiten Ausschuss.1031 Hierbei wurden, wie es auch Peri beschreibt, die schlechten Bücher nach außen gelegt, drei Bücher unten und ein Buch oben. Lalande bietet sogar eine

1021 Vgl. Lalande 1820, 93 f.

1022 Vgl. Lalande 1820, 94 f. Vgl. auch Bayerl 1987, 342 f.

1023 Vgl. Regensburger Mühlenordnung, in: Blanchet 1900, 80, 82; Lalande 1820, 94 f.; Goussier 1765/1966, 843; Keferstein 1766/1936, 25.

1024 Vgl. Lalande 1820, 94.

1025 Vgl. Regensburger Mühlenordnung, in: Blanchet 1900, 82.

1026 Die Stärke eines Buchs lässt sich für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Angaben aus der Regensburger Mühlenordnung errechnen, vgl. Kapitel 2.3.4, S. 123. Vgl. auch Labarre 1937, 78 f., 194 f.

1027 Vgl. Österreichische Papiermacherordnung, in: Bogdàn 1964, 15; Lalande 1820, 94, 96.

1028 Vgl. Piccard 1968, 19; Elen 1999, 199.

1029 Vgl. Lalande 1820, 96. Vgl. auch Labarre 1937, 197; Muzerelle 1985, 49; Perrin 2012, 172. An der Bezeichnung Ries als Größenordnung für Papier, die vom arabischen Wort rizma stammt, was Packet oder Bündel bedeutet, erkennt man sehr gut den Weg dieses Beschreibstoffs vom arabischsprachigen Raum nach Europa, vgl. Karabacek 1887, 145; Labarre 1937, 197; Rudin 1990, 21.

1030 Vgl. Peri 1651, 70, engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 254.

1031 Vgl. Lalande 1820, 96.

Erklärung für dieses Vorgehen: Auf diese Weise seien es nämlich die minderwerti-gen Papiere, die dem Druck des Bindfadens standhalten müssten. Die Gepflominderwerti-genheit, gutes mit minderem Papier zu mischen, konnten Ezio Ornato und seine Kollegen bereits für Genua zu Beginn des 16. Jahrhunderts feststellen.1032 Seitens der Kunden gab es häufig Klagen ob dieser Praktik, allerdings wurde meist ein gewisser Anteil an minderwertigem Papier akzeptiert, vor allem, wenn ein derart durchschossenes Ries preiswerter als die reinen war.1033

Vor dem Binden zu einem Ries wurden die Bücher häufig noch an den soge-nannten Büttenrändern bearbeitet. Dies konnte entweder durch Abraspeln mit einer Feile1034 oder durch Beschneiden der drei offenen Seiten geschehen.1035 Danach wurden die Bücher zu Ries gestapelt und ein weiteres Mal unter die Presse gebracht.

Dort verblieben sie zwölf Stunden oder länger.1036 Schließlich wurden sie mit einem Bindfaden einfach kreuzweise zusammengebunden.1037 Bereits aus der ersten Hälfte des 15.  Jahrhunderts sind sogenannte Riesaufdrucke bekannt, die direkt auf den obersten Bogen gedruckt wurden.1038 Es handelt sich dabei um mit Holzstempel und Farbe aufgebrachte Motivdrucke, die das Wasserzeichenmotiv des in dem Ries ent-haltenen Papiers wiedergaben. Auf diese Weise dienten sie als Identifizierungshilfe von Papierqualitäten.1039 Anders als in der Papiergeschichtsforschung meistens ange-nommen, wurde das Ries bis ins 18. Jahrhunderte selten in ein Umschlagpapier einge-schlagen, sodass die Bezeichnung Riesumschlagdruck für das 15. bis 17. Jahrhundert missverständlich ist.1040 Für diese Zeit ist zudem davon auszugehen, dass die Riesdru-cke noch keine Werbemaßnahme darstellten,1041 sondern die Güteklasse des Papiers, wie sie auch in dem Wasserzeichen zum Ausdruck kommt, bezeichnen sollten.1042 Neben dem Einbinden mit Faden wurde das Ries um 1600 teilweise mit Tüchern und Stroh verpackt.1043 Der Transport von Ries und Ballen konnte in Kisten oder Fässern

1032 Vgl. Ornato et al. 1999b, 186.

1033 Vgl. Ornato et al. 1999b, 187.

1034 Vgl. Schaden 1740/1962, 7; Becker 1740/1962, 14.

1035 Vgl. Lalande 1820, 96: il rogne les trois rives de la main de papier.

1036 Vgl. Lalande 1820, 96. Nach Lalande wurden die frisch gezählten Bogen vor der Bündelung zu einem Ries bereits noch einmal für zwölf bis 48 Stunden gepresst, vgl. ebd., 95.

1037 Vgl. Lalande 1820, 96; Schaden 1740/1962, 7; Becker 1740/1962, 14.; Keferstein 1766/1936, 25. Ke-ferstein betont, dass ein guter Papiermacher darauf achten solle, dass der Bindfaden ordentlich sitze, da sich manche Kaufleute an einem unordentlichen Faden stören würden.

1038 Vgl. Piccard 1968, 22 f. Vgl. für das Basler Papiergewerbe W. Fr. Tschudin 1954.

1039 Vgl. Piccard 1968, 25.

1040 Vgl. Piccard 1968, 14 f., 25.

1041 Vgl. Alfred Schulte 1936, 14. Schulte bezeichnet die Riesdrucke als neben den Bücheranzeigen älteste Werbedrucke auf Papier.

1042 Vgl. Piccard 1968, 25.

1043 So führt Heinrich Schickhardt aus, dass zum Einpacken der Ballen mit Seilen, Tuch und Stroh 30 Kreuzer berechnet werden, vgl. HStA Stuttgart, N 220 T 185 05. Vgl. hierzu auch Piccard 1968, 17.

erfolgen, wie es beispielsweise für das Jahr 1484 in dem Göttinger Kämmereiregis-ter und für das Jahr 1558 in den Stadtrechnungen von Schwäbisch Hall belegt ist.1044 Nach der Regensburger Mühlenordnung aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr hunderts wurde für die Lieferung von Papier schönes Wetter bevorzugt; dies spricht für eine eher ‚luftige‘, nicht regenfeste Verpackung der Papiere.1045 Um die Transportkosten gering zu halten, wurden die Ries gelagert, bis sich eine lohnenswerte Fuhre Papier angesammelt hatte.1046 Wie Lalande angibt, schade selbst eine längere Lagerungszeit den Papieren nicht, sie verlieren dadurch nicht an Qualität. Einzige Vorrausetzung sei, dass die Papiere gut getrocknet seien und in einem trockenen Raum aufbewahrt werden, um Stockflecken zu vermeiden.1047

1044 Vgl. Piccard 1968, 17–19.

1045 Vgl. Regensburger Mühlenordnung, in: Blanchet 1900, 86.

1046 Vgl. Regensburger Mühlenordnung, in: Blanchet 1900, 86.

1047 Vgl. Lalande 1820, 96 f.

Im Dokument 2 Technik der Papierherstellung (Seite 149-152)