• Keine Ergebnisse gefunden

Pressen und Legen

Im Dokument 2 Technik der Papierherstellung (Seite 114-149)

2.3 Arbeitsschritte der Papierherstellung

2.3.5 Pressen und Legen

Nachdem der Gautscher einen Pauscht zwischen die Wollfilze gebracht hatte, wurde das Papier in einer Presse durch starken Druck weiter entwässert. Diesen Arbeits-schritt erwähnt bereits Francesco M. Grapaldo 1496 in seinem Werk De partibus aedium.734 Bei den Pressen, die in der Handpapiermacherei Anwendung fanden, handelte es sich um Spindelpressen, wie sie auch in der Weinherstellung und im Buchdruck eingesetzt wurden.735 Eine der frühesten technisch korrekten Abbildun-gen einer Papierpresse ist unter den um 1600 angefertigten BauzeichnunAbbildun-gen Hein-rich Schickhardts für die Mömpelgarder Papiermühle zu finden.736 Eine Papierpresse bestand aus zwei fest auf dem Boden stehenden oder im Boden verankerten Balken, die unten mit einem hölzernen Boden versehen waren. Am oberen Ende waren die bis zu 3 Meter hohen Stützen ebenfalls durch ein Brett verbunden. Hier war in einer Aus-sparung die sogenannte Gewindemutter eingearbeitet. Sie führte das Gewinde. Lange Zeit war die Spindel noch aus Holz gefertigt, ab dem 18. Jahrhundert wurden daneben Spindelmuttern und Spindeln aus Metall eingesetzt.737 An ihrem unteren Ende war die Spindel mit einem an der Seite in Fugen laufenden Brett verbunden, dass den Pressdruck gleichmäßig auf das Papier übertragen sollte. Zudem war das Gewinde mit Löchern versehen, in die der Hebebaum – auch Pressstange genannt – eingeführt werden konnte. Er diente als Hebel zum Anziehen des Gewindes. Um eine

ausrei-732 Vgl. Fiskaa 1973, 9. Da hierfür kleine Stücke aus dem Bogen geschnitten werden müssen und das Papier befeuchtet werden muss, ist diese Methode nicht zerstörungsfrei und kann daher nur in Ausnahmefällen an Archivgut angewendet werden.

733 Vgl. Fiskaa 1973, 10. Gegen diese Vorgehensweise wendet sich Theodor Gerardy, vgl. Gerardy 1984, 62.

734 Vgl. Grapaldo 1508, 103r: ...proelo calcantur... Vgl. auch Peri 1651, 68, engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 253; Imberdis 1693/1899, 18, 47 f.; Schaden 1740/1962, 6, 9 f.; Lalande 1820, 73 f.; Goussier 1765/1966, 840–842.

735 Vgl. Alfred Schulte 1955, 35–39; P. Tschudin 2012a, 99.

736 Vgl. HStA Stuttgart, N 220 T 186 04. Vgl. auch Piccard 1953b, 6. Vgl. auch die Beschreibungen der Presse bei Becker 1740/1962, 13; Lalande 1820, 73 f., und Goussier 1765/1966, 840. Vgl. auch Boithias/

Mondin 1981, 189–199; Doizy/Fulacher 1989, 73; Bayerl 1987, 284 f.

737 Vgl. Alfred Schulte 1955, 37; Bayerl 1987, 287. Georg Christoph Keferstein beschreibt seinen Söh-nen die unterschiedlichen Arten von Pressen und erwähnt als übergreifende Kategorie zum eiSöh-nen hölzerne zum anderen eiserne Pressen, wobei letztere für das Pressen der Pauschte eingesetzt werden sollen, vgl. Keferstein 1766/1936, 22, 48. Bei Goussier ist die Spindel aus Nussbaumholz gefertigt, vgl.

Goussier 1765/1966, 840.

chende Kraftübertragung zu gewährleisten, stand neben der Presse meist eine soge-nannte Haspel (vgl. Abb. 12).738 Hierbei handelte es sich um einen senkrecht stehen-den Balken, der durch waagerecht angebrachte Hebelgriffe gedreht werstehen-den konnte.

An ihm war ein starkes Seil angebracht, welches mit der Pressstange verbunden war.

Um den Filzpauscht zu pressen, wurde er vom Gautscher und dem dritten Gesellen, dem sogenannten Leger, unter die Presse gelegt und mit weiteren Filzen und einem Gautschbrett bedeckt.739 Nach Johann Michael Beckers Angaben von 1740 konnte der Zwischenraum zwischen Papierstapel und Pressplatte mit dazwischen gelegten Holzbalken verkleinert werden, damit die Spindel nicht zu weit mit der Hand hinun-tergedreht werden musste.740 Das erste Anziehen der Spindel erfolgte manuell, für die weiteren Umdrehungen nutzte man aufgrund des hohen Kraftbedarfs die Haspel, die, um ihre eigene Achse gedreht, das an ihr angebrachte Seil aufwickelte und auf diese Weise den Hebebaum anzog. Konnte die Pressstange nicht mehr weitergedreht

738 Vgl. die Zeichnung Schickhardts, HStA Stuttgart, N 220 T 193; Piccard 1953a, 7; Schaden 1740/1962, 10. Alfred Schulte 1955, 35; Boithias/Mondin 1981, 198; Bayerl/Pichol 1986, 79; Doizy/Fulacher 1989, 73.739 …mit Accuratesse unter die Presse…, so möchte Georg Christoph Keferstein diesen Arbeitsschritt ausgeführt sehen, vgl. Keferstein 1766/1936, 51.

740 Vgl. die Preß-Klötzer bei Becker 1740/1962, 13; Alfred Schulte 1955, 35.

Abb. 12: Heinrich Schickhardt, Zeichnung einer Papierpresse mit Haspel, um 1600, Federzeichnung, 41 cm x 65 cm, Ausschnitt, HStA Stuttgart, N 220 T 193.

werden, spulte man das Seil wieder ab, steckte die Stange in das nächste Loch und begann von neuem mit dem Drehen der Haspel.741 Da bei der ersten Pressung des noch sehr feuchten Papiers viel Kraft benötigt wurde, wurden zur Betätigung der Haspel meist vier oder mehr Männer benötigt.742 Daher wurden nach der Fertigstel-lung eines Pauschts andere Gesellen oder Lehrlinge zum Bedienen der Presse hinzu-gerufen. Georg Christoph Keferstein gibt 1766 an, dass es die Aufgabe des Meisters sei, zur Presse zu pfeifen, zu klingeln oder zu klopfen.743

Das Pressen des Filzpauschts dauerte ungefähr drei bis vier Minuten.744 In dieser Zeit konnte ein Großteil des Wassers ablaufen, sodass die Bogen nun genügend Fes-tigkeit besaßen, um vom Filz abgenommen zu werden.745 Diese Aufgabe besorgte der bereits erwähnte Leger.746 Hierzu nahm er nach der Beschreibung Lalandes den Filzpauscht aus der Presse und legte ihn flach neben sich. Dann nahm entweder der Leger selbst oder sein Gehilfe, bei Lalande vireur genannt, den ersten Filz vorsichtig ab, sodass der oberste Bogen sichtbar wurde. Diesen löste daraufhin der Leger behut-sam vom darunterliegenden Filz, indem er zunächst die ihm am nächsten liegende Ecke (le bon carron) mit dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand um einige Zentimeter anhob. Anschließend fasste er diese Ecke mit der linken Hand, ließ die rechte Hand unter dem Papier bis zu hinteren rechten Ecke gleiten und nahm den Bogen mit beiden Händen vom Filz ab.747 Um Falten und Luftblasen zu vermeiden, wurde der Bogen nach dem Zeugnis mehrerer Autoren des 18. Jahrhunderts der Länge nach auf einem um 50 bis 60 Grad geneigten Brett abgelegt.748 Auf diesem Legebrett stapelte der Leger einen Bogen nach dem anderen so deckungsgleich wie möglich übereinander, bis alle Blätter aus dem Filzpauscht einen reinen Papierpauscht ergaben, der – so Giovanni Domenico Peri 1651 – wie ein Stück Seife aussehe.749 Die abgenommenen Filze wurden auf einen anderen Stoß gestapelt, sodass der Gautscher

741 Vgl. Alfred Schulte 1955, 35; Boithias/Mondin 1981, 199; Bayerl/Pichol 1986, 79.

742 Vgl. Lalande 1820, 74; Goussier 1765/1966, 841. Vgl. auch Alfred Schulte 1955, 35; Hunter 1978, 183;

Bayerl/Pichol 1986, 79.

743 Keferstein 1766/1936, 52.

744 Vgl. Piccard 1953b, 6; Alfred Schulte 1955, 36.

745 Vgl. Goussier 1765/1966, 841. Vgl. auch Hunter 1978, 185. Hierbei wurden dem Papier zwischen 40 und 50 Prozent des enthaltenen Wassers entzogen, vgl. Boithias/Mondin 1981, 199; P. Tschudin 1996d, 426.

746 Vgl. Peri, 1651, 68, engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 252; Becker 1740/1962, 11; Goussier 1765/1966, 841; Lalande 1820, 74 f. Die Bezeichung Leger ist bereits für das Ende des 15. Jahrhunderts belegt, vgl.

Kapitel 3.3.1.1, S. 334.

747 Vgl. Lalande 1820, 74 f.

748 Vgl. Lalande 1820, 75; Goussier 1765/1966, 841; Desmarest 1778, 28. Dieses Lege-Brett befindet sich laut Johann Michael Becker auf dem sogenannten Lege-Stuhl, vgl. Becker 1740/1962, 12.

749 Peri 1651, 68: come un pane di sapone.

sie für den nächsten Pauscht gleich wieder verwenden konnte.750 Als weiteres Hilfs-mittel zum ‚unfallfreien‘ Ablegen des Bogens wird bei Johann Michael Becker 1740 und Georg Christian Keferstein 1766 der sogenannte Schlitten erwähnt.751 Es handelte sich hierbei um ein dünnes, mit Stoff oder Filz bezogenes Brettchen, das der Leger nach jedem Legevorgang auf dem unteren Ende der bereits abgelegten Papiere platzierte.

Den nächsten abzulegenden Bogen zog er von unten nach oben über dieses Brett, bis er in Länge und Breite vollständig mit dem darunterliegenden Bogen abschloss. Auf diese Weise versuchte man zu verhindern, dass der neue Bogen das bereits liegende Papier aufrollte oder Falten hineinbrachte.

War ein Pauscht Papier vollständig von seinen Filzen befreit, dann wurde er noch einmal gepresst, um das verbleibende Wasser zu entziehen und um die reliefartigen Siebspuren abzuschwächen.752 Dies geschah mit einer anderen, weniger starken Presse, wie Peri im 17. sowie Lalande und Goussier im 18. Jahrhundert betonen.753 Da hierfür nicht mehr so viel Kraftaufwand notwendig war wie für das Pressen des Filz-pauschts, genügte es nach Goussier, wenn ein einzelner Arbeiter die Presse bedien-te.754 Dies war meist der Leger, der zudem auch für das Anheizen sowie das Befül-len der Bütte zuständig war.755 Im Gegensatz zur ersten Pressung mit der Nasspresse finden in der sogenannten Trockenpresse mehrere Pauschte gleichzeitig Platz. Nach Lalande und Goussier warteten einige Papiermacher mit dieser Pressung, bis insge-samt acht Ries, also die Tagesleistung einer Bütte, gefertigt waren, um sie gesammelt unter die Presse zu bringen.756 Üblicherweise werde die Trockenpresse jedoch dreimal am Tag bedient.757 Die Dauer des Pressvorgangs war hierbei ausgedehnter als bei der ersten Pressung und konnte je nach Format und Qualität des Papiers variieren.758 Giovanni Domenico Peri berichtet sogar davon, dass die Pauschte über Nacht in der Presse verbleiben würden.759

750 Vgl. Lalande 1820, 75. Vgl. auch Desmarest 1788, 508, und – etwas weniger detailliert – Goussier 1765/1966, 841.

751 Vgl. Becker 1740/1962, 16; Keferstein 1766/1936, 49 f. Vgl. den Artikel Schlitten, beim Papierma-cher, in: Krünitz et al. 1827, Bd. 146, 73, die Bemerkungen unter Slice boy in Labarre 1937, 224, sowie Bayerl 1987, 271.

752 Vgl. Lalande 1820, 76; Boithias/Mondin 1981, 200; Doizy/Fulacher 1989, 74. Jean Imberdis be-zieht sich nicht auf das Glätten der Papierstruktur, sondern erwähnt nur das weitere Entwässern des Pauschts, vgl. Imberdis 1693/1899, 18, 48.

753 Vgl. Peri 1651, 68, engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 253; Goussier 1765/1966, 841 f.; Lalande 1820, 76.

754 Vgl. Goussier 1765/1966, 841 f. Vgl. auch Boithias/Mondin 1981, 200.

755 Vgl. Lalande 1820, 76.

756 Vgl. Lalande 1820, 76; Goussier 1765/1966, 841.

757 Vgl. Lalande 1820, 76.

758 Vgl. Piccard 1953b, 6.

759 Vgl. Peri 1651, 68, engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 253. Vgl. auch Alfred Schulte 1955, 36.

In Hinblick auf das Können des Legers sind sich viele unserer Autoren einig:

Dieser Geselle gehörte zu den erfahrensten und fähigsten Handwerkern einer Papier-mühle.760 Auch wenn die ihm anvertrauten Arbeitsschritte einfach anmuten, so gehöre, wie Keferstein 1766 bemerkte, doch großes Geschick dazu, den Bogen accurat und ohne Falten761 zu legen, sodass nach Lalande nur langjährig geübte Personen, nicht aber derbe Bauern ohne Erfahrung762 diese Aufgabe ausführen könnten. Kefer-stein führt zudem aus:

Denn wenn ich auch den besten Büttengesellen habe, und das gemachte Papier wird von den geschicktesten Gautschern zwischen die Filze gebracht; so kann es mir doch der Leger durch seine Unachtsamkeit sehr leicht verderben.763

Bereits in der Regensburger Mühlenordnung aus dem 16.  Jahrhundert wird davor gewarnt, den Bogen mit spitzen Fingern aufzunehmen, da das Papier davon Blasen werfe und man außerdem Fingerabdrücke in das Papier bringe.764 Auch abgerissene Ecken zählen zu den Missgeschicken beim Legen. Hier mag zwar ein unachtsamer Gautscher durch Überdehnung des Papiers bereits Vorarbeit geleistet haben, zu einem Makel wurde diese fragile Stelle jedoch erst in den Händen des Legers, der beim Greifen des Bogens die fragliche Ecke abriss. Erkennbar sind derartige Abriss-stellen an aus dem Papier herausragenden Fasern und der unregelmäßigen, ‚ausge-franst‘ wirkenden Form der Risslinie, die daraufhin deuten, dass das fehlende Stück im nassen Zustand herausgerissen worden sein muss.

Generell ist davon auszugehen, dass das Legen eine leichte Deformation in der Siebstruktur bewirkte, da durch das Hochheben des Bogens eine recht hohe Zugkraft auf das noch feuchte Blatt einwirkte.765 Auch Falten im Bogen gehören zu den Lege-fehlern.766 Sie können leicht beim Ablegen des Bogens auf den Stapel der anderen Papiere entstehen, indem entweder der abzulegende Bogen selbst Falten schlägt oder indem dieser das darunterliegende Blatt faltet oder aufrollt. Liegen die Blätter nicht exakt übereinander, so könne es nach Lalande passieren, dass beim späteren Aufneh-men des oberen Blatts eine Ecke des darunterliegenden Bogens so sehr strapaziert werde, dass sie schließlich abreiße.767

760 Vgl. Keferstein 1766/1936, 21; Lalande 1820, 75; Desmarest 1778, 28.

761 Keferstein 1766/1936, 26.

762 Lalande 1820, 75: …des paysans grossiers et sans habitude.

763 Keferstein 1766/1936, 21.

764 Vgl. Regensburger Mühlenordnung, in: Blanchet 1900, 82. Vgl. auch Asunción 2003, 85.

765 Vgl. Estève 2006a, 128 f. Estève geht davon aus, dass man anhand der Deformationen bestim-men kann, ob der Bogen an der kurzen oder an der langen Seite gegriffen wurde: Sind die Kettlinien deformiert, so wurde das Papier an der kurzen Seite hochgehoben, weisen hingegen die Ripplinien Veränderungen auf, dann wurde es an der langen Seite gegriffen.

766 Vgl. Asunción 2003, 85.

767 Vgl. Lalande 1820, 76.

Für die holländische Papiermacherei scheint dies allerdings nicht zu gelten, ver-traut man Nicolas Desmarests Bericht über das Pressen und Legen in einer holländi-schen Papiermühle. Desmarest beschreibt, dass dort auch ein einfacher Lehrling mit dem Legen betraut werden könne. Diese Tatsache führt er ein weiteres Mal auf die Beschaffenheit des Faserstoffs zurück. Da das Papier aus ungefaulten Lumpen das Wasser generell langsamer abgebe als das Papier aus gefaulten Lumpen, sahen sich die holländischen Papiermacher gezwungen, starke Pressen zum Entwässern einzu-setzen. Durch diese kraftvollen Pressen aber werde das Papier fest und trocken. Dies erhöhe seine Handhabbarkeit in allen weiteren Arbeitsschritten. So könne das Papier vom Leger schnell und ohne die Gefahr, zu reißen oder am Filz haften zu bleiben, aufgenommen und abgelegt werden.768 Aufgrund der Festigkeit der Bogen konnte in den holländischen Papiermühlen außerdem das ‚flache Legen‘ (lever à selle plate) eingeführt werden, bei dem die Papiere nicht mehr auf einem geneigten Legebrett, sondern auf eine horizontale Fläche abgelegt wurden.

Auch in einem weiteren Arbeitsschritt beschreibt Nicolas Desmarest die hol-ländische Produktionstechnik als überlegen. Die in holhol-ländischen Papiermühlen angewandte Methode des Umlegens, bei der die Papiere in immer neuer Schichtung wiederholt gepresst werden, sorge für eine glatte Papieroberfläche und mildere die Körnigkeit des Papiers, habe jedoch noch keinen Eingang in die französische Papier-macherei gefunden.769Wann das Umlegen eingeführt wurde, kann nicht mit Sicher-heit festgestellt werden. Da Papiere aus der Zeit vor dem 16. Jahrhundert jedoch eine vergleichsweise raue Oberfläche aufweisen, geht Dard Hunter davon aus, dass sie nicht umgelegt wurden.770

2.3.6 Trocknen

Nach der Entnahme aus der Trockenpresse wurden die Papiere, wie bereits Francesco M. Grapaldo 1496 erwähnt, in einen Trockenraum verbracht und dort zum Trocken aufgehängt.771 Zu diesem Zweck besaßen die meisten Papiermühlen einen großen, üblicherweise unter dem Dach gelegenen Raum.772 Die Ausstattung eines derartigen

768 Vgl. Desmarest 1778, 27 f.

769 Vgl. Desmarest 1774, 11–15. In deutschsprachigen Gebieten war das Umlegen um die Mitte des 18. Jahrhunderts bereits bekannt war und erprobt, vgl. Keferstein 1766/1936, 23; Österreichische Pa-piermacherordnung, in: Bogdàn 1964, 14.

770 Vgl. Hunter 1978, 186.

771 Vgl. Grapaldo 1508, 103r: …aedificioque ad id patulo prius siccata. Diese Arbeit musste nach Georg Christoph Keferstein innerhalb von einer Stunde nach der Pressung geschehen. Ansonsten ziehe sich die zuvor gepresste Feuchtigkeit wieder in den Mittelpunkt zurück und erschwere somit das gleichmäßige Trocknen, vgl. Keferstein 1766/1936, 24.

772 Vgl. Peri 1651, 65 f., engl. Übers. in Fahy 2003/2004, 250; Imberdis 1693/1899, 18, 48; Lalande 1820, 86; Desmarest 1774, 11. Es gab jedoch auch separate Trockenhäuser, vgl. Desmarest 1774, 24,

Trockenbodens lässt sich anhand der um 1600 angefertigten Bauzeichnungen von Heinrich Schickhardt beispielhaft nachvollziehen.773 Der Grundriss des Trocken-raums zeigt einen bis auf zwei Stützbalken, einen Treppenaufgang und mehrere höl-zerne Stützen leeren Saal. An der langen Seite des Grundrisses steht die Maßangabe 60  Schuh, während für die kurze Seite 38  Schuh angegeben sind. Dies entspricht einer Grundfläche von circa 187 Quadratmetern.774 Zur Anbringung der Seile, über die schließlich die Papiere gehängt werden sollten, sind 15 Holzstützen eingezeichnet, davon fünf doppelte in der mittleren Reihe. Eine weitere Skizze Schickhardts zeigt die genaue Gestaltung der Hängevorrichtung. Von Stütze zu Stütze werden in drei Etagen, die zueinander etwa einen Schuh Abstand haben, horizontal verlaufende Holzlatten von 4 Zoll Stärke eingelegt. In diesen Leisten befinden sich im regelmäßigen Abstand von 2 Zoll Löcher von 0,5 Zoll Durchmesser, durch welche die Seile zum Aufhängen der Papiere gezogen werden. Schickhardt vermerkt, dass in eine Latte von 10 Schuh Länge 43 Löcher gebohrt werden sollen.775

Ein weiteres, jüngeres Beispiel eines Trockenbodens bietet die Tafel 12 zur Papier-macherei in der Encyclopédie.776 Das Prinzip der Raumeinrichtung ist bis auf wenige Details dasselbe: Hölzerne Stützbalken tragen bis zu sechs übereinander angebrachte Leisten, in die Löcher zum Durchführen der Hängeseile gebohrt wurden.777 Die Seile zum Aufhängen des Papiers waren vermutlich zumeist aus Rosshaar,778 es wurden jedoch auch Hanfseile und Rattan ver wendet.779 Neben dieser Hängevorrichtung waren zahlreiche verstellbare Fensterläden die hauptsächliche Ausstattung des Tro-ckenbodens.780 Sie machten die für eine ideale Trocknung des Papiers notwendige

28 f., 41, so zum Beispiel auch bereits im Basel des 16. Jahrhunderts, Kapitel 3.2.2.1, S. 253 f. Vgl. auch Hoyer 1941, 59; Bayerl 1987, 313.

773 Vgl. HStA Stuttgart, N 220 T 186 01. Vgl. auch Piccard 1953b, 6 f. Weitere ausführliche Beschrei-bungen und detaillierte Abbildungen finden sich für das 18. Jahrhundert, vgl. Lalande 1820, 86–88 u.

Tafel 13; Goussier 1765/1966, und Diderot/d’Alembert 1767/1967, Papeterie, Tafel 12.

774 Ein württembergischer Schuh entspricht in etwa 28,6 Zentimetern. 60 Schuh auf 38 Schuh belau-fen sich daher auf eine Fläche von 17,16 Metern mal 10,868 Metern, also knapp 186,5 Quadratmetern.

775 HStA Stuttgart, N 220 T 186 05: 10 sh hat 43 löcher zu den henkh seil. Vgl. Piccard 1953b, 7. Ver-gleicht man diese Angabe mit der Grundrisszeichnung, so ergibt sich eine kleine Unstimmigkeit. Nach dieser Skizze können auf die 60 Schuh lange Seite des Raums bei insgesamt fünf Stützbalken vier mal drei Holzlatten eingezogen werden. Diese Latten müssten dann aber länger sein als die von Heinrich Schickhardt notierten 10 Schuh, da nicht davon auszugehen ist, dass die fünf Holzstützen zusammen 20 Schuh breit sind. Der Grundriss und die Skizze der Hängevorrichtung passen daher vermutlich nicht eins zu eins zusammen, sodass weiterführende Aussagen beispielsweise zur Gesamtanzahl der Latten und damit der Löcher nicht zu treffen sind.

776 Vgl. Diderot/d’Alembert 1767/1967, Papeterie, Tafel 12.

777 Vgl. auch die Beschreibung des Henkbodens bei Goussier 1765/1966, 842.

778 Vgl. Becker 1740/1962, 17. Vgl. auch Hunter 1978, 188.

779 Vgl. Desmarest 1774, 18 f. Vgl. auch Bayerl 1987, 317 f.

780 Vgl. Lalande 1820, 87: Il est nécessaire qu’il y ait beaucoup de fenêtres aux étendoirs. Vgl. auch Imberdis 1693/1899, 18, 48; Doizy/Fulacher 1989, 74.

Regulierung der Belüftung möglich, da sie stufenweise zu öffnen und zu schließen waren. Für das 18. Jahrhundert muss man sich diese Fensterläden als Holzgitter vor-stellen, deren schmale Öffnungen durch ein weiteres, oft schiebbares Holzgitter teil-weise oder vollständig abgedeckt werden konnten.781 Heinrich Schickhardt gab Ende des 16. Jahrhunderts für die Mömpelgarder Papiermühle 58 fliegendte Laden782 bei einem Schreinermeister in Auftrag. Vermutlich handelte es sich hierbei um vergleich-bar graduell zu öffnende und zu schließende Fensterläden zur Regulierung der Luft-zirkulation.

Das Aufhängen der ungeleimten Bogen wurde meist nur von einer Person besorgt.783 Dies konnte nach Lalande entweder der Gouverneur der Papiermühle oder aber der Leger nach vollendetem Tagewerk sein. Diese Arbeit konnten zudem auch Frauen erledigen.784 Hierfür nahm die zuständige Person einen kleinen Stapel Papier vom Pauscht ab und hängte ihn über ein Seil. Lalande erklärt, dass das Separieren jedes einzelnen Bogens mit großen Verlusten durch Zerreißen der Blätter einhergehen würde, da die Bogen noch Feuchtigkeit gespeichert hätten und dadurch dazu tendie-ren würden, aneinander zu haften. Daher werde das Papier stapelweise getrocknet.785 Er gibt die Stärke eines Stapels mit sieben bis acht Blättern an, während nach Louis-Jacques Goussier nur drei bis fünf Bogen zusammen auf die Leine gebracht wurden.

In der goldenen Mitte liegt die um hundert Jahre ältere Angabe von Giovanni Dome-nico Peri von 1651: Hier sind es fünf bis sechs Blätter, die übereinander Platz auf dem Seil finden.786 Wie auch Lalande einräumt, gelten diese Zahlen für ein gewöhnliches Kanzleiformat, sodass die Stärke des Stapels je nach Größe und Gewicht des Papiers variieren konnte. Einzeln wurden die Bogen nur bei sehr großen Formaten aufge-hängt.787 Als Hilfsinstrument wurde schon um 1600 ein T-förmiges Holz eingesetzt, im Deutschen meistens Kreuz, im Französischen ferlet genannt.788 Der Papierer legte die Bogen mittig über dieses Kreuz, begann – oft unter Zuhilfenahme eines Schemels oder einer Bank – bei der oberen Seilreihe mit dem Aufhängen und arbeitete sich auf

781 Vgl. Lalande 1820, 86; Goussier 1765/1966, 843; Diderot/d’Alembert 1767/1967, Papeterie, Tafel 12.

782 HStA Stuttgart, N 220 T 185 15, 1. Vgl. auch Piccard 1953b, 7.

783 Besonders ausdrücklich betont dies der Papiermacher Johann Michael Becker: …sie häncken Pa-pier auf, ist zu verstehen, wann das geleimte PaPa-pier aufgehänckt wird, (denn da müssen ihrer viel dabey seyn) heist es aber: Er hänckt Papier auf, ist es zu verstehen, daß nur pures Wasser-Papier aufgehänckt

783 Besonders ausdrücklich betont dies der Papiermacher Johann Michael Becker: …sie häncken Pa-pier auf, ist zu verstehen, wann das geleimte PaPa-pier aufgehänckt wird, (denn da müssen ihrer viel dabey seyn) heist es aber: Er hänckt Papier auf, ist es zu verstehen, daß nur pures Wasser-Papier aufgehänckt

Im Dokument 2 Technik der Papierherstellung (Seite 114-149)