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Aus dem Anhang zu den Abhandlungen der Kgl

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Friedrich Schultheß , Zurufe an Tiere im Arabischen.

Aus dem Anhang zu den Abhandlungen der Kgl. Preuß.

Akad. d. Wiss. vom Jahre 1912. (92 S. in 4».)

Schultheß, der sich um die Kenntnis der semitischen Sprachen

und Literaturen schon mannigfach verdient gemacht hat, betritt 6

mit dieser Schrift ein von Semitisten noch gar nicht bearbeitetes

Gebiet. Bei Viehzucht treibenden Völkern spielen die zum Locken,

Antreiben, Wegscheuchen usw. dienenden Naturlaute und sonstigen

Zurufe eine sehr große Rolle. Das gilt namentlich von den Arabern,

für welche die Zucht von Kamelen und Kleinvieh die Haupt- lo

beschäftigung ist, und deren Land zum bei weitem größten Teil

ohne sie überhaupt unbewohnbar wäre. In den auf uns gekommenen

altarabischen Gedichten finden wir solche Zurufe hier und da; mehr

davon haben uns die alten Sprachforscher erhalten. Dazu kommen

dann viele Ausdrücke dieser Art, die in neuerer Zeit von euro- 15

päischen Beobachtern in Ländern arabischer Zunge gesammelt

worden sind.

Schultheß zeigt, daß auch im Arabischen solche Zurufe wie

die Naturlaute überhaupt in ihrer grammatischen Form und in

ihrer Lautgestalt sich von der sonst in der Sprache herrschenden so

Weise vielfach unterscheiden, daß aber die hier besonders un¬

zulängliche arabische Schrift und andrerseits die zum Gebrauch im

arabischen Verse oft nötige Umformung den wahren Klang zum

Teil verdeckt*). Er weist darauf hin, daß die Zurufe gern zwei

oder mehrmals hintereinander gebraucht werden , z. B. der Lockruf 25

st t 0.0.

L)Lj, der Scheltruf J..cJ^, das zurückscheuchende kis kis kis usw. usw.,

daß, je nach Umständen, längere und kürzere Formen erscheinen

und wohl auch beiderlei zusammenstehen , vrie in hahhäb , sowie

daß manchmal auch die Vokale wechseln, z. B. sS, Si, su usw. Er

sucht in vielen Pällen die wahre Form aus der entstellenden Schrift so

1) Littmann teilt mir mit, dafi das Tigre-Wort für .siehe da!', das Munzinger Ji-^" , die erste Ühersetzung Mark. 5, 22 Ti'V schreibt , in Wirklichkeit 'whw lautet, und hält es nicht für unwahrscheinlich, dafi das Geez hW „ja" ebenso oder doch ganz Khnlich gesprochen wnrde.

(2)

736 Anzeigen.

herzustellen, hier und da vielleicht mit zu großer Bestimmtheit.

So bin ich nicht sicher , ob man die da oft erscheinenden , vne

gevröhnliche in, an geschriebenen Endungen wirklich nur als

jgenBselte Vokale* auffassen muß, und nicht wie sonstige Nunationen,

5 so wenig sie grammatisch damit zu tun haben

Wir sehen aus dieser Schrift ferner, daß die Zurufe nicht

selten auch in der Bedeutung schwanken , daß z. B. einer hier als

Lockruf, dort als Scheuchruf vorkommt. Dabei mögen zuweilen

kleine Unterschiede in der Lautgestalt den Ausschlag gegeben haben.

10 Schon die Alten haben erkannt, daß allerlei BegrifFswörter

aus solchen Naturlauten hervorgegangen sind. Schultheß führt das

weiter aus. Besonders gern sind so Doppelformen verwandt worden,

- . o -

wie „anlocken* von Lockruf ebenso von Lock-

(J o

ruf yy usw. Gewiß sind auch noch manche andere Begriflfswörter

15 in ähnlicher Weise entstanden. So möchte ich vermuten, daß das im'

Arabischen sehr gebräuchliche, den andern semitischen Sprachen, soweit

o - o _ o o

ich sehe, unbekannte, LcO") von dem Zuruf ^^^^ usw.

(77) abzuleiten sei, und am Ende gehört auch tJö, »Aj hierher

(s. den Scheltruf 78)»).

20 Wenn Schultheß hier, wie schon Ztschr. f. Assyr. 29, 47, das

hebräische ran,T T ' unflektiert oder auch flektiert inii,T ' aus dem Lock-

1) jLo Lj für jjjL« Lj (resp. ^-jjLx Lj) S. 14 ist wieder ganz andrer Art; es ist eine einfache Veriiürzung des Eigennamens, wie sie namentlich beim Vokativ in den verschiedensten Sprachen herrscht. Dazu, hier eine Nasalierung des Vokals anzunehmen, ist m. E. kein Grund. Eine solche verkürzte Namens-

J o, y o ~

form ist auch (j,ai/0 Lj für ^j^ai* Lj (50). Ührigens sind gewiß nicht alle von den Grammatikern angeführten Kurzformen dieser Art der wirklichen Sprache abgelauscht. — Ob ^^ß*^ statt y>Ä:>- „Embryo" richtig, wäre noch zu untersuchen. Dozy führt es aus Dombay an; altarabisch ist es keinenfalls.

2) Ich setze auch hier einfach das Verbum für alle Ableitungen von der Wurzel ^^-^ .

3) Für die Frage, welche Bedeutung die Naturlaute heim ersten Entstehen menschlicher Sprache, resp. bei ihrer allmählichen Absonderung von einer Tier¬

sprache gehabt baben, können solche Vorgänge natürlich höchstens als Analogien dienen.

(3)

rnf JJ», Cj[^ erklärt (20. 31), so wird er recht haben*), ohne

daß darum die Auffassung als Imperativ von arr* .abgeschmackt'

wäre. Man könnte sich für diese ja auf Ausdrücke wie äye, gii^e

berufen, und für nart beim Fem. oder Plur. führt schon Gesenius

das in ähnlichem Sinne gebrauchte, an ein Mädchen gerichtete mb 5

Gen. 19, 32 an.

Gut scheint mir auch die auf den ersten Blick befremdende

Ableitung mehrerer Wörter für .Wüste" von einem Naturlaute,

der .still" (pst!) bedeutet (16): erste Gruppe ««a.««!*", ,_)w.a^-j;

, . - O Cl- ü -

zweite x*^, """^ "'^V? (Kämil 114,8 und sonst). 10

, ü D -

Beachte dazu den Ausdruck o«-«-«'! iji^yi »in "ier Wüste , Schweig'"

Mufassal 5, 16«). - * - -

Aber einige Ausdrücke leitet Schultheß doch wohl mit Un¬

recht von Zurufen ab oder faßt sie geradezu als solche. So kommt

s - B

ya-t »zum Schweigen bringen" Mutalammis 1, 15; Naqäid 52, 15 js

gewiß nicht von ya. , das einen Laut bezeichnen soll , womit man

einen Hund wegjagt (14. 75)*). Denn es ist eigentlich .dem

Kalbe einen Stift durch die Zunge stecken , damit es nicht mehr

saugen kann", s. Naqäid 62, 16; Ham. 75, 7 v.u. usw. Wie es bei

Amrlq. 19, 23 heißt "y^ (^LJUt JJ- U/, so in der Über- 20

" tt 3 > ) \ .0. Ä-£ -e»-

tragung bei demselben 17, 16 ,tJC!j y?-'

und mit grimmigem Ersatz des Stiftes durch den Speer Jaq. 2,158,14

'■^^^ 0^-5 (^^^ lT^^ Ö' J^*^

1) So nahe es liegt, DS'^iptt 13!! Gen. 47, 16 zu übersetzen: .gebt euer Vieh', so leitet doch gerade das darauffolgende '31 DSb HDHN'] darauf, daß das nicht richtig ist, da man neben diesem nSriN doch 1311 erwartete. Also ist zu übersetzen: „her mit eurem Viehl". Sollte dadurch vielleicht der herrische Ton des hohen Beamten gegen die Fellähen bezeichnet werden? Das Targum sah übrigens in diesen Formen sicher Imperative.

2) Der dem Umaija h. AbisSalt zugeschriebene Vers ChizSna 3, 286 (in

Cl. O ü '

der Ausgabe von Schultheß S. 63) mit - ^Ji.S'yi ist gewiß eine

Oelehrtenfälschung.

3) Dozy nach Mehren, Khetorik 24; aher das Zitat ist falsch.

4) Ein ähnliches, allerdings näherliegendes Bild für .zum Schweigen

5 2 *

(4)

738 Anzeigen.

Der Ausruf ^Ju Naqäi4 700, 16 heißt wohl „herrlich!

.O * -

prächtig!" und gehört zu der viel gebrauchten Wurzel • jo „hoch, Cf stolz" = mi"^ »viel". Es wäre eine Pausalform. Das Vom Qämüs

o .- o .

auch gebotene ^l5»j könnte ursprünglicher sein als ^ju mit Vokal-

O - * Cj

5 ausgleichung.

Mehrere arabische Formen, die wie Imperative aussehen, muß

ich im Gegensatz zu Schultheß, der geneigt ist, sie für bloße Zu¬

rufslaute zu erklären , wirklich für Imperative halten So

„mache Platz" (64. 87 f.). In (55. 88) finde ich nur

O 7 • (>

10 eine andere Schreibung für |.L\äi mit der Aussprache agdim^).

>tt.O. ' ' '

Und sicher ist oij^l^ Naqäid 276, 11 (83) nur „bind an",

steht da , trotz dem , was S. 49 gesagt wird , wie sonst , vom An-

JO- J-OJ - — t >o .

binden der Ziegen : jijtSt L*i' LS'jJj obyCs BelädhorT 356,

14^^); so Ibn Qais arRuq. 60, 8. Ebenso vjü^ (das vielleicht auch

15 in der Stelle Belädhori's anzunehmen) Bekrl 754, 4 v. u. =

Öä^iz, Hajawän 2, 213, 13; Naqäid 284, 9. Gerade der Impt. II

<jiOi b«, ,0

steht so wie vjbj! in v_äj^ oü^s (_5j*II viK^ytol Ibn Dor., Ishtiqaq

270,8; Lisän 11,417,18»). Auch ^3U, ^\ „hebe dich weg"

bringen' ist „das Maul verbinden, zäumen' cpniovv tXij

* A

o j,-oE»,_-

ÄJt~-ü ^L-~J Ham. 75, 5 v. u. und L»üL5' c>Ji.«»>j Jaq. 4. 1036, 18.

1) Das dem Deutschen entlehnte „halte" könnte einen Franzosen leicht als Naturlaut vorkommen. Dies erinnert mich daran, daß M. Breal einmal aus¬

geführt hat, daß rouler ganz wie ein onoma poet, klingt, die Etymologie irotuUire von rata) diese Auffassung aher zerstört.

2) Welche von den verschiedenen Aussprachen des ^ und ^ gerade von denen gehört wurde , die zuerst einen solchen Ausdruck notierten , wußten die späteren Sammler natürlich nicht mehr.

o i (.

3) Vgl. Lisän 11,403 — vJsLj^i, PI. von oijj ist Mufaddalljät 1, 15 mit dem Scholiasten (in Lyall's noch im Druck befindlicher Ausgabe) als „Stricke"

zu nehmen, bedeutet nicht irgend welche Tiere (17). — Aus dem oben angeführten

o - - o

Stellen ergibt sich, daß die andere Redensart nicht OÜ^ hat; also kein O

v_AA^Uaj von ^—

5 2 *

(5)

sehe ich nicht als Naturlaute (54) an, sondem als echte Imperative.

oE

In iwL«jJ! J^t Lisän 19, 518, 5 v. u. steht das ,sich erheben*

i u C»

sogar im eigentlichen Sinne. Zu ^^^ic jLc = J..*»»! »greif mich

an* eigentlich „komm über mich* vgl. L^äji Aah. 4, 175,

10 und paen. „so kommen sie auf ihr über dich*. Und äußerst 6

- & _ c ..

bedenklich ist es mir, das alte JLxj (^[jü, \yi\jCi) „komm her"

mit seiner jüngeren Verkürzung ta'ä (ta't, ta'ü) als Naturlaut zu

fassen (78), statt es einfach zu ^ic zu ziehen.

Ob das beliebte -Li (vom Kamel) „sich niederlegen" ; -Li!, das-

O C'

selbe oder Kausativ dazu, von einem Zuruf herkommt, oder zum lo

nordsemitischen m: „ruhen" gehört, ist mir zweifelhaft. Zu be¬

achten , daß m3 im Assyrischen den Kehllaut beibehält , was zu

• lj stimmte. Andererseits wäre der Übergang der Bedeutung vom

O

„Ruhen" zum speziellen „Niederknien" in Wirklichkeit nicht so ein¬

fach, wie es zunächst aussieht. Dazu macht «lang" die Frage 15

w , ,

noch schwieriger. Und gj^ "^^^ Kamelstute zur Begattung

niederknien heißen" (28) spricht auch bei iLi sehr für die Ab-

O leitung von einem Zuruf.

Das moderne maghrebinische vjjj-*» sougueuf „halt* (83) ifet

-o, ,0-

vielleicht ^äSjXk«! ; vgl. maghreh. ^.«Ji*,^ ^^ysÄto „fragen" aus 20

^^^tajsuJJi ; («iu^ „grade" Ben Cheneb, Proverbes nr. 1765 zu

|.Lää*<!*). Allerdings weiß ich nicht, ob ^iyjJi für einfaches

stehen kann.

ist kein Zuruf (52. 82), sondern jJu-jJ! bedeutet in

dem S. 76 zitierten Verse 2), wie es die Alten erklären, „den 25

Schnellen" d. i. „den Wolf.

'Jd „hetzen" (Hunde, Aus b. Hagar 2, 4)") kann sehr wohl

1) Vgl. noch , maltesisch sata aus ^Lli*.ij ^ViÄmS.

2) Auch AmSli 2, 222, 15; LisSn 10, 266.

3) Für \^ ('^) ■*8''- 15i 23 paen., das ich auch hierher ziehen wollte,

« C'

ist r,\x lesen.

(6)

740 Atueigm.

m «

von einem Zurof herkommen, aber (_5^t in dem unklaren Spruche

- - s

iULcLj «50L9 ijyt»! (79) gehört schwerlich dazu. Andere Bedeu¬

tungen von werden eben einen ganz anderen Ursprung haben,

wie sich ja nicht selten heterogene Wörter in einer Wurzel-

6 gestalt zusammenfinden. Selbst onomatopoetische Wörter können

auf verschiedene Geräusche zurückgehen. So jC^e, '^^"^

Gurgeln , ya^aqlifiiv Mu'ammarin (Goldziher , Abhandlungen) aa ,

6 V. u. ; Agh. 17, 19, 17; vom Röcheln des Sterbenden Ibn. Qot.,

'Ujün 416, 4; Öä^iiz, Buchalä 97, 12; Hajawän 2, 32, 5; und vom

10 Brodeln des Kessels Agh. 5, 13, 13 (Prosa); Ham. 721, v. 3, ah

welcher letzteren Stelle allerdings das Bild vom Gurgeln her¬

genommen wird. Und yy heißt „zum Futter rufen" Abü Zaid

251, 1 und dann wieder „brüllen" vom brünstigen Kamel, vom

Löwen und von allerlei dumpfen oder unklaren Tönen der mensch-

15 liehen Stimme*).

Ob der an die Hyäne gerichtete Zuruf IwjLjO ein Imperativisch

gebrauchter Inf. abs. der Form jL« oder ein, vielleicht etwas zu¬

gestutzter, Naturlaut ist, wie es Schultheß nehmen möchte (55 f. 88),

läßt sich um so schwerer beurteilen, da wir nicht erfahren, in

20 welchem Sinn das Wort der Hyäne galt. Man könnte sich denken,

daß dem Tiere beim Aufgraben seiner Höhle „Kriechen* zugerufen

vrarde ; ygl. Harn. 242; 5äriri, Durra 6 ^).

„halt" erkennt auch Schultheß als Imperativ an, aber in

der Endung will er nur einen „Nebensilbenvokäl" sehen (52). Ich

25 denke aber, wir haben hier eine regelrechte Femininform; man

b ~ reitet ja meistens Stuten. Und JsAr> ist fem.

Die Schrift enthält noch einige andere, scharfsinnige, aber doch nicht überzeugende Herleitungen von BegrifiFsworten aus Naturlauten.

Namentlich habe ich Bedenken gegen die Etymologien von Wörtern

30 wie b72; „Ameise*)", tüMib „Sonne", obgleich sie immerhin möglich

sind. Es mag gut sein, das nicht alle Gelehrte so skeptisch sind

wie ich.

1) Ich könnte das alles reichlich belegen.

2) Die Araber haßten und verachteten die HySne; daß sie sie aber „aber¬

gläubisch* verabscheut hätten, ist mir wenigstens nicht bekannt. Die Torheit der Abessinier war ihnen fremd.

3) Ahnlich schon Gesenius.

(7)

Noch ein paar kleine Bemerkungen : Einigemal werden arabische

Ausdrücke als „klassisch* bezeichnet, die doch nur aas jüngerer

Zeit, höchstens aus Habicht's 1001 Nacht belegt sind z. B. ^^ßJ^iS

„Fliegen verscheuchen' (74)*). — Zuweilen ist Freytag als Beleg

angegeben, wo zweckmäßiger dessen Quelle, der Qämüs zu nennen r

war. — Zu der Wortgruppe coque (Hahn) usw. (15) vgL Hehn ' 599. —

Der Rabe heißt aramäisch 'urva (j^ioi,), nicht 'är'bs, (16). —

Das neusyrische ]^qa (50) ist regelrecht aus entstanden,

da das :i von den Ostsyrern ganz wie o (englisches w) ausgesprochen

wird. Ist aber diese Form auch „syr-melkif ? — -I^Iäh (51- 71) lo

ist ein Warnungsruf; so, oder wiederholt JsLäj -bL«j in einer alten

Erzählung in Lyall's Ausgabe der Mufaddalljät 195, 14*); ferner

in den Versen öamhara 119, 3 v. u. und Chizäna 376, 9 v. u. Das

« .

Verbum \~>»Ur- ist nicht ganz selten.

Die Übersetzung der ihm von Littmann mitgeteilten neu- i6

ägyptischen Geschichte (86) ist Schultheß nicht gut geglückt ; gerade

die Pointe ist verfehlt. Auch einige gelegentliche Bemerkungen

über Persisches sind nicht einwandfrei. Dagegen zeigt er sich selbst¬

verständlich als Kenner, wenn er einmal auf Aramäisches eingeht *).

Daß er neben den eigentlichen Zurufen an passenden Stellen 20

auch wohl einmal andere Naturlaute behandelt, habe ich wenigstens

schon angedeutet.

Die Abhandlung zeugt von ausgebreiteter Kenntnis nicht bloß

der altarabischen Literatur, ungewöhnlichem Fleiß und sehr um¬

sichtiger Verwertung des Stoffs. Daß der Verfasser sich in der, 25

mir leider ziemlich fremden, Phonetik tüchtig umgesehen hat,

kommt gerade der Bearbeitung eines solchen Gegenstandes sehr zu

gute. Das Werkchen, das neue und noch für weitere Forschungen

verheißungsvolle Bahnen einschlägt, ist eine vortreffliche Leistung.

Th. Nöldeke.

1) Der zugrundeliegende Scheucblaut jjivX-isT gegen ein Mädchen ge¬

braucht Agh. 10, 139, 6. ' '

2) Taahbafa Sharran wird auf die in der Nähe befiudUchen Feinde auf-

merlisam ^jä^i U^:'-y* J?L«j: *,y*B. yi\ »315) -bL*J c'"*^

wL^Pt t^y> (SlXs*!, by ^^^tJütit ^5 y/tJt.

3) Littmann hat noch eine kleine Liste von Tigre-Znrufen beigesteuert (20).

Zeitaohrift dar D. H. O. Bd. LXVI. 49

(8)

742 Anzeigen.

Histoire Nestorienne (Chronique de Siert). Premih-e

partie. Texte arabe avec traduction fram^aise par Mgr.

Addai Scher, archev^que chaldeen de Siert (Kurdistan),

avec le concours de M. Vabbe J. Pirier (R. Qraffin-

F. Nau, Patrologia Orientalis , IV, 3). Librairie de

Firmin-Didot, Paris in 8» gr. 103 pp. s. a. [1907].

6 fr. 20, franco 6 fr. 70 (souscript. 3 fr. 90, franco 4 fr. 40).

Der chaldäische Erzbischof von Se'ert (Oj*«< oyi*«t, auch o^juJS))

hatte schon 1905 in seinem Catalogue des manuscrits syriaques et

10 arabes conserves dans la bibliotheque 6piscopale de S6ert (Kurdistan)

p. 90, Nr. 128 auf den 2. Teil dieser anonymen nestorianischen

Welt- und Kirchengeschichte hingevriesen und schon 1902 auf der

Bibliothek des chaldäischen Patriarchats zu Mosul von derselben

Handschrift erstem Teil, der offenbar aus Se'ert nach Mosul ver-

15 schleppt ist, eine Abschrift genommen. 1907 hat er den arabischen

Text der Patrologia Orientalis zur Ausgabe übergeben und zu der

von zwei maronitischen Priestern gefertigten französischen Über¬

setzung des vorliegenden 1. Viertels noch mit S. bezeichnete Noten

geliefert. Abbe Dib hat den arabischen Text im Druck korrigiert,

20 Abbe Perier die ganze Drucklegung überwacht. Die unbezeichneten

Noten rühren offenbar zumeist von Nau her : deshalb vrird auf dem

Umschlag (Innenseite) mit Recht beigefügt : et traduit en fran9ais

par plusieurs orientalistes. Daß die einzig erhaltenen Reste der

interessanten nestorianischen Weltchronik (die Jahre 250—422 und

25 484—650 D. umfassend) der Wissenschaft zugänglich gemacht

werden, ist ein Verdienst der vielen Mitarbeiter, wenn auch neben

den Vorteilen solch ausgedehnten Zusamraenarbeitens die unvermeid¬

lichen Nachteile eines Kompagniegeschäfts nicht zu verkennen sind.

Vor allem hätten von sämtlichen Mitarbeitern, besonders schon vom

30 Herausgeber des arabischen Texts in viel umfassenderer Weise, als

es geschehen ist, die zahllosen unmöglichen Wortmonstra von

Personen- und Lokalitätennamen, sowie sonstige Textverderbnisse

geheilt werden sollen. Kompetente Text- und Sachkritik ist all¬

zuwenig geübt worden.

35 In der Ansetzung der Abfassungszeit durch einen unbekannten

Autor hat sich Addai Scher durch falsche Deutung eines Chalifen-

namens zu einer etwa zwei Jahrhunderte zu späten Datierung ver¬

leiten lassen , während das Richtige so nahe lag , aber m. W. bis

heute von niemand gesehen wurde. Scher hat zwar richtig erkannt,

40 daß unser Anonymus nach Beginn des 9. Jahrhunderts anzusetzen

ist, da er den gelehrten Patriarchen I§ö' bar nün, gestorben 828,

zitiert. Dann fährt er S. 7 fort: Peut-etre meme a-t-il appartenu

ä la premifere moitie du XIII" sifecle. Car, ä la page 263 du second

volume que nous editerons aussi, aprfes avoir parle de la mort de

45 Siroe [1. Slrüje, a. 628 D. an der Pest], roi de Perse, il ajoute ces

(9)

mots: „ainsi qu'il est arrive de nos jours ä Ath-Thähir, que Dieu

sanetifie son äme' xs-j,, xJU! yLMJ LiJUj j LSr?"

Calife Thähir mourut en 1226; notre auteur serait donc son contem-

porain. Dans cette hypothöse, on pourrait peut-6tre l'identifier

avec ISo'yahb Bar Malkoun, ou SabriSo' Bar Paulos, ou Salomon 5

de Bassorah : car ces trois personnages etaient les plus föconds

ecrivains nestoriens de la premiöre moitie du XIII" siöcle." Diese

vagen Schlüsse sind müßig: es handelt sich nämlich gar nicht um

den ganz unbedeutenden, nicht ganz zehn Monate regierenden

'abbäsidischen Chalifen al Zähir f 1226 (Weil, Geschichte der lo

Chalifen III, 453), sondern um den 1021—1036 regierenden

Pätimiden-Chalifen al Zähir von Ägypten und Syrien (Wüstenfeld,

Fatimiden-Chalifen 226; Lane-Poole, History of Egypt in the Middle

Ages 134—36), welcher wie Qobäd II älrOje (628 D.) an der Pest

starb: s. Justi, Gesch. des alten Persiens 238; Nöldeke, Tabari 385. is

Gerade das Sterben an der Pest gibt den Vergleichpunkt, der bei

dem 'Abbäsiden fehlt. Also ist unsre Welt- und Kirchengeschichte

nicht allzulang nach 1036 verfaßt. Dies Datum stimmt auch vor¬

züglich zu der Tatsache, daß unsre Chronik die Hauptquelle für

, o

Märi's geschichtliche Nachrichten in seinem Turmbuch JJicäI! v_jLxi' so

im 12. Jahrhundert bildet (und indirekt seiner Abkürzer 'Amr und

§alTbä im 14. Jahrhundert). Von der alten Handschrift, auf

ca. 1400 geschätzt, sollte wenigstens im 4. (Schluß-)Heft ein

charakteristisches Faksimile gegeben werden.

Von den sehr zahlreichen notwendigen Verbesserungen im »5

1. Heft können hier nur einige erwähnt werden. Schon das

zweite Textwort enthält eine unmögliche Namenkorruption , welche

schon im Arabischen korrigiert werden muß, wenn wir in der christ¬

lich-arabischen Literatur nicht Tausende von verderbten Namen¬

monstra ewig mitschleppen wollen : fj^jl^jjS , wofür die Ubersetzung so

und die wohlangebrachte Note Scher's „Novation (Fountous)" ein¬

setzt, hätte gleich in das richtige ^^..jJa^ (oder (j-j .• ^.^ ') mit

Angabe der Schreibung des Kodex in der Note verwandelt werden

sollen (Euseb. h. e. VI, 43 NoovoiTog}, vgl. ^o^oj, ^Q[a]«^a»,

(jxjLLjjÜ [= (jÄjiUIpjLj] im Thesaur. Syr. und die weitere Ver- 35

derbnis ij*^^! Severus, Hist. Patr. Alex. I, 40, 24 ff. (Hamburgensis

gar in meiner Ausgabe 1912, p. 26, 21) aus (j^^VU, ^j-yijyLj.

Eine andere Verderbnis desselben Namens vergleiche bei El Makln

(t 1273 D.) in seiner Weltchronik, Goth. 1557 {karsüni, ZDMG.

64 [1910], 142 f.), fol. 140 b": [^rjAsb i] ^.^L«J! !ÄiP 10

49»

(10)

744 Anaeigen.

ly'^S (<9P°^ls^) 15^'

V^'s lXju LIai> »j»** it^jj "J^ jlSy

.«JLiU Ij^Lb cS*^'

.»^t^ «yysJ

G Hier ist ^gpoS)^ aus ,gpQ^o|j verderbt, vgl. dazu Michael

Syr. I, 116» ^-j^)-N|i = jfM.^ |-\)i Novatianns. In jeder Be¬

ziehung konzinner wttre auch die Einsetzung eines zvrischen

die sechs ei-sten Worte : sj^j^i] ij-^j [^] o*^' U^L**]^?-' ^^1$

iüyojyj: ,chef de l'Eglise* könnte ja Novatian so wie so nur von

10 der nachträglichen Erklärung desselben zum Gegenbischof (uJüLi^)

gegen Papst Cornelius 261—53 genannt werden.

für Gallus, Nachfolger des Decius 251—53,

ist falsche Angleichung an den nachher folgenden, so verderbten

Gallienus 260—68 (später auch ^J«yJU*,'^IL>)■, Gallus ist vielmehr

16 mit {j"^^, (Severus I, 42 hat (j-bLb'), Gallienus

mit ,j«yjLJL>, (j«jjLJt=^, ltjjLJlc (vgl. 44, 21 [^y] (j«jjLJLc

ijujjL>jjJ\^) zu geben. Für den Kaiser Valerianus 253—60 erscheint hier öfters die Form ,j*^j^!yAJ^t (einmal 9,6 aus Versehen (j^jjoLsaJjI ohne r), was natürlich Verderbnis aus fj^jjL>^\^ oder (j*^yJ!j

so ist, vgl. Nöldeke, Tabari 32 ^JMyjLl^\ . Das ungehörige , vdeder zu

entfernende v_j ,Oulifränious' halte ich für Verderbnis aus syrischem

^ für o), was etwa zur Markierung der E-Aussprache in Ovale-

Qunvög im syrischen Prototyp eingesetzt war, ^Qi^»o>A.Jo, wie

.rtArriA.rt^'C ^go«dao(o>)^ , l£|txdv, li^ig. S. 10, 3: die oft sehr

25 freien arabischen Bibelzitate wären für Eruierung der benutzten

Übersetzung wichtig: sdL^ oLIäJ! iüjy! ^Lj^-^^l lXm*«j <P^el-

Qovaiv ij&t) ^QTjara hpiklai nunal. S. 10, 6 ist in der ganz frei übersetzten Stelle Jes. 66, 3 OfT^Sipffl to: ßöslvyfiata aisr&v LXX

mit iüvjjJI ^oLjI wiedergegeben; der Hg. hat das so gelesene

so ^'-JLjI in ^^Ljt korrigiert, die Übersetzer geben es mit leurs

Oeuvres abominables wieder; beides ist falsch: ,Hand' wird im

Arabischen nie für »Handlung, Werk' gebraucht; leurs oeavres

(11)

wäre nie ^^^[j], sondem ^, g!l oder ^'Ijist, und ist noch viel besser und graphisch ganz naheliegend, hier einzig richtig jf^LiT faci-

nora eorum. S. 10, 8 ist im arabischen Text (wie die Übersetzer

es richtig geben) für jjjLä iüCUt zu setzen ^jjL» sJiiiUl (arabisch

^^L- für syr. ääbör und pers. jjjLi)- S. 10, 9 zu der Notiz, daß 5

der in Antiochien gefangene Valerian von Säbür ,dans le pays

des Naba^eens" gebracht worden sei, müßte bemerkt sein , daß das

JaxjJ! Sij hier ofFenbar Verderbnis aus Beth Läpät ^o>\ fy^-N

= drundisäbür ist, vgl. Nöldeke, Tabari 32 und 41.

Diese meine Notizen zu den ersten 15 Linien des arabischen 10

Textes (und der nicht immer genauen und mit mehr oder weniger

richtigen Noten versehenen Übersetzung) könnte ich durch den

ganzen Faszikel in gleicher Weise weiterkorrigieren und durch¬

kommentieren. Von meinen zahllosen Randnoten nur noch einige:

S. 11, 6 ^^L:> ^y, 1. jy^^jß ^=^jß 15

^jjLi) vgl. Nöldeke, Tabari 58 f. ,Marw Habor: c'est (actuellement) 'Akoborä' 1. Buzurgsäbür d. i. 'Okbarä. S. 11,12 ^jjUi y«*5> Hasar

^ O 3

Sapor 1. ^jjLwjy*^ ^osrausäbür Jäqüt 2, (441) 442; 4, 274 ult.

S. 12, 5: ^)j^\ß (^.Jj «Jj^mj JiO<Lfi\ ^j i_5jL>aJt d/jj,

« w J w «

äjcaj 'i\Xs-\^ [1. vi>^A<v»^] iii».A<w3 |jLä*aj (j*^l3 iüjLLw ts^^ ^ \S^^ so

.*^^;^l5 i^l^Lj ,_yLaj *)^jjLy (^y^^^ÜI^ (.jji!

„Les Chretiens se repandirent dans tout le pays et devinrent trfes

nombreux en Orient. A YaränSahr, siöge Episcopal des eveques de

Perse, ils bätirent deux öglises: l'une appelöe eglise des Romains,

l'autre des Karamaniens; on y c616brait les offices en grec et en 25

syriaque". Vielmehr: „Die Christen verbreiteten sich in allen

, 3

Ländern und mehrten sich im Osten; und man baute (1. ^^^S) in

Rääehr, dem Metropolitansitz von Fär(i)s (Persis) , zwei Kirchen,

deren eine die griechische (romäische, byzantinische), die andere die

1) Dazu die geniale Note: ,3 ^1 ?^j^-io!yu ?^^jiolyt j5 (_j^Jj

j«^lr^-

2) Als Note 2) „'i^^y^/^\

(12)

746 Anzeigen.

syrische (^jj[j>^ Verderbnis aus ^^^Ljjjljt = jjoLj^Jj! =

^j^LiyMj\) genannt wurde: in ihnen wurde griechisch und syrisch

gebetet". R&Sehr, R6Sehr, aus R6w ArdeSir kontrahiert, auch als katholischer Metropolitansitz von Elam , hier Färis , ist sämtlichen

6 Klerikern dieser Ausgabe unbekannt! Vgl. Nöldeke, Tabari 19, 53;

Marquart, EränSahr 27, 147; OLZ. 1904, 394 meine Note zu

Labourt, Le Christianisme dans l'Empire Perse; Heussi - Mulert,

Atlas zur Kirchengeschichte III C. u. a.

S. 14, 3 j^ljäJÜ! «5ÜU j^Ujt (cfr. 204 ij.\y^\, wozu

10 Note Scher's iUli^LA^t): es sind die ^L^j/ lesen, vgl. Nöldeke,

Tabari 17, wie die Anmerkung „Epbtalites ou Huns Blancs" hat

und 204 die Übersetzung einfach „Hephtaristes" setzt! ^y^LJ^J

>

wäre man fast versucht als türkischen Namen ^J^[xi»|\ ülutagin

zu lesen, vgl. (^)y! und ^^fJ^■, vgl. Süßheim: Subuktikin', Prole-

16 gomena zu einer Ausgabe der im Britischen Museum zu London ver¬

wahrten „Chronik des Seldschuqischen Reiches" 1911, S. 5. 46 f.

S. 14, 8 'iLJl^ : die Übersetzung ,1a corruption de ce

roi" weicht der Schwierigkeit aus: 1. ^JHyS>J^ ji^Ls"' „die Unrein- w3

heit der Magier". S. 15, 3 OL*j Phesaq 1. ^Jixs (Fihrist); ij^okÄ^j

«0 (Ms. ^_A*ÄjJ) 1. doch zunächst * pers. tjyijj dulcis, was doch als

Frauennamc paßt; ebenso »mmjm Sousabeh 1. äJu«yw Lilie. S. 90

io^LmJo »pour les marais de la contree (?) . . ."

vielmehr „aus den Gauen der Provinzen". S. 96 ^JMyils- ^NyJuSji

„Marcianus Caius"? 1. natürlich (j*^L>- fj^y^jj „Julius Gaius* 1

26 S. 101 (jwjjuyU öj»J iüy „un village connu sous le nom

»O'b-f

d'Arianze (Irinous)" 1. (jwyjyLs (vgl. 102) Anazjanzos - Nazian- zus, u. V. a.

Andere Verbesserungen siehe noch RSO. I, 492—94 (Guidi,

dessen Gesamturteil „l'edizione bellissima" ich nach obigem

so keineswegs unterschreiben möchte). Vgl. auch Revue critique vom

10. April 1910. C. F. Seybold.

(13)

The History of the Governors of Egypt by Aba ' Umar

Muhammed ibn Yüsuf al Kindt, edited from a unique

manuscript in the British Museum by Nicholas August

Koenig, Ph. D., sonietime fellow in Semitic language^

at Columbia University. Part I. (3. 33. 33 S.) New s

York (The Columbia University Press). 1908. = Contri¬

butions to oriental History and Philology No. II. (4 Shill. 6 d.)

Über der Ausgabe der den Späteren vielfach zu Grunde

liegenden älteren Quellenschriften zur ägyptischen Geschichte, der

biographischen Geschichte der Statthalter und Oberrichter von lo

Misr, von Abü 'Omar Mol;iammed ibn Jüsuf ibn Ja'qüb al Kindi

(geboren 283/896, gestorben 350/961) und der Beschreibung

Ägyptens Padäil Misr von seinem Sohn 'Omar ibn Mohammed (ge¬

storben nach 360/971) hat insofern ein ungünstiger Stern ge¬

waltet, als die Edition aller 3 Schriften von unzulänglichen Kräften 15

unternommen und überhastet, daher auch recht fehlervoll aus¬

gefallen ist, wobei Vater und Sohn meist bis heute noch ver¬

wechselt und durcheinandergeworfen werden, wie in den 10 ZeUen

der dürftigen und flüchtigen bibliographischen Notiz Brockelmann's Gesch. der arab. Litter. 1, 149^). Dieser Verwechslung bleibt letzterer so

auch treu in seiner Besprechung von Gottheil's sehr übereilter und

dennoch als befriedigend gelobter Ausgabe The History of the

Egyptian Cadis by al-Kindi 1906 im LZ. 1909, 1682 (vgl. dazu

auch die summarischen Urteile Nallino's .buona-" und Ign. Guidi's

»bellissima edizione" in RSO. II, 454 und 820 und dagegen meine a

Besprechung DLZ. 1910, 556—8 und Torrey, Amer. Journ. of

Semitic Lang, and Lit. Vol. 26 (1910), 183 — 197), trotzdem

Nallino schon 1901 auf die Auseinanderhaltung von Vater und Sohn

al Kindl gedrungen hat, vgl. jetzt RSO. II, 454. Zu de Goeje's

Besprechung und Nachweis unerlaubt vieler Fehler in Ostrup's ao

Ausgabe und dänischer Übersetzung (1896) der Padäil Misr in

ZDMG. 50 (1896), 736—41 ließen sich noch sehr zahlreiche

Emendationen fügen, doch denke ich sonstwo auf diese älteste Be¬

schreibung Ägyptens unter Hinweis auf eine bis jetzt unerkannte

in Europa vorhandene weitere vierte Handschrift zu den drei 35

von 0strup benutzten zurückzukommen (die vermeintliche Leidener

Handschrift (de Goeje, S. 736) beruht nur auf Verwechslung und

Zusammenwerfung 0strup's mit der von ihm benutzten ^) Landberg-

schen, in Houtsma's Catalogue d'une collection de Manuscrits arabes

et turcs appartenant ä la maison E. J. Brill 4 Leide, Leide 1889, 40

1) Wfistenfold's riebtigere Notizen erweitert; Brit. Mus. 1212 darf in seinen zwei Hälften doch nicht als 3 und 4, sondern nnr als 1 und 2 be¬

zeichnet werden.

2) Oder gehörte diese der andern, 1901 an die Yale University (New Haven, Connecticut) verkauften Landberg'schen Sammlung (noch unkatalogisiert) an?

(14)

748 Anzeigen.

No. 264, welche bekanntlich an die Princeton University Library

übergegangen ist.)

Während uns Gottheil gleich die ganze zweite Hälfte der

einzigen Londoner Hs. , Brit. Mus. No. 1212 (Rieu, Catalogus,

5 p. 549 s.), die Geschichte der Oberrichter von Misr, gibt, legt

uns dagegen sein Schüler N. A. König zunächst nur ein Siebentel

der 1. Hälfte der Handschrift, der Geschichte der Statthalter, vor,

30 S. arabischen Text mit 3 S. Addenda, 33 S. Introduction mit

3 S. Titel, Widmung an und Note von Gottheil, der die Photo-

10 graphien geliefert hat. Daß de Goejes Wunsch der Herausgabe

des 2 teiligen Londoner Unicums a. a. 0. S. 741 («die Handschrift

ist nicht schlecht und an Hilfsmitteln für die Bearbeitung ist kein

Mangel"), seiner Erfüllung entgegengeht, ist wohl zu begrüßen.

König hat sich nun zwar offenbar viel Mühe gegeben, aber trotz-

15 dem ist ihm sehr viel entgangen und besonders auch für die

Nameneruierung hat er, wie sein Lehrer, nicht Sorgfalt genug .an¬

gewandt, alle Hilfsmittel und Nachschlagewerke beizuziehen. Es

ist sehr zu wünschen, daß die restierenden 6 Siebentel besser aus¬

fallen, als das erste. Ebenso ist die gleiche Sorgfalt Rhuvon Guest

20 zu wünschen , von dem auch eine Edition der ganzen Hs. (Gesch.

der Statthalter und Oberrichter) im Gibb Memorial angekündigt

ist; sonst müßten wir eine Faksimileausgabe des Londoner Uni¬

cums fehlerhaften, sogen, kritischen Textansgaben vorziehen. Die

Schwierigkeiten einer guten Ausgabe nach einem einzigen , wenn

25 auch im ganzen guten Codex sind hinlänglich bekannt. Der ziem¬

lich vokalisierte Codex (Rieu a. a. 0. ,bene exaratus, vocalibus

plerumque adscriptis"), scheint aber doch auch verderbte Stellen

und Worte genug zu enthalten , welche die Herausgeber nicht zu

heilen imstande waren. Die Introduction stellt zunächst mit viel

30 Fleiß alles zusammen , was über das Leben und die Schriften

al KindTs, des Vaters, zu finden ist. So bringt uns S. 1" die er- vränschte Biographie desselben aus al Maqrizls „muqaffa" (so immer statt richtig al muqaffa j_^ääll) Leiden 870 (besser jetzt No. 1032^

Catalogus IP p. 115), welche Th. W. JuynboU vermittelt hat.

35 Doch hätten die verderbten Stellen darin gleich geheilt werden

sollen: 3 v. u. in der Genealogie j^Js^ ^ »lö! eIlXj ^ u5üLa

sind die zwei mittleren Namen zu beanstanden: Baddä (übrigens

SIlXj Tag I 43, 6 v. u. (_jjyui*, daher oben slJo zu lesen) ist

nach Wüstenfelds Genealogischen Tabellen 4, 21 überhaupt wohl

40 aus der Mo'äwija-Linie der Kinda in die Aschraslinie herübergeraten und zu tilgen; ,>i!3! Idät" gibt es sonst überhaupt nicht; es ist

aus Abdä (^Aj! Tag 10, 34, Wüstenfeld ebd. verderbt; in der

(15)

parallelen Biographie, S. 19, aus Schreibemotizen des Codex unicus

ist natürlich der gleiche Passus ^jO<c [?] u5^Ju« ^ u5üL<>

, oE

ebenso zu emendieren in ^lVc i.5>j^' u^JLx. Die Tran¬

skription, die doch wissenschaftlich genau sein will und die arabische

Schrift oft ersetzen soll, die Zitate von lateinischen, englischen, 5

deutschen, französischen Büchertiteln sind höchst ungenau, die

Drucklegung überhaupt macht mit ihren allzuvielen Pehlern den

Eindruck der Überhastung.

Es kann hier nur Wichtigeres erwähnt werden. Das

sinnlose [?]^yUI_jJl vjLci' S. 2 kann nur das iXs\a>..^ jLvs»! i-jU^' io

iuiyi JJ>I (vgl. S. 7) sein.- Ebenda g^^ty^l und ebenso H, 22 ist

doch ^^lydt, wie es ja* an letzterer Stelle erläutert wird „weil

sie abwechslungsweise [jy [MaqrIzT, 9it*t ^^^i 27 hat noch

distributiver Ljjj und richtig gu^tydl] kämpften' (vgl. rawaka,

tarawaka, irtawaka). Das [Pj^^XÜ- b^awJ! ^Las»! «—»LäT ebenda i5

hätte doch mindestens in ^»jCÜ ^Sf*^^ jU^' i-jLäJ' korrigiert

werden sollen, vgl. ^»Xil t5/*^' vJ>i\a:> Maqrizi II, 459, 10;

es ist der 'abbäsidische Statthalter von Ägypten, welcher 205 H.

= 820 D. starb (Wüstenfeld, Statthalter II, S. 30—32); allerdings

ist es vielleicht eine Verwechslung mit Kindl's j^^ljj-« ö^a-» 20

j^Ooül (aber nicht alga'd Jutii, wie S. 7 und 20 steht, vgl. nur

Tag 2, 321, 6 V. u.). Statt «Ic y>t j ist wie S. 20 zu lesen

g^4,P ... S. 2, 5 ist 10. Dulhigga 283 nicht der 30. Januar 896,

sondern 18. Januar 897 (daher 1. S. 6 für 896/7 auch 897.) Als

Beispiel der zahllosen ungenauen Transkriptionen diene nur S. 3, 7, 25

wo ibn Hasm ad Dahari für den berühmten Ibn Hazm al Zähiri

steht. Der Passus aus der jamharat alanadb des letzteren über

die TogTb hätte auch vielfach saniert werden sollen. Z. B. ii5LMlX*Jt

^ O .r

wäre u5^IX«J!, 1. besser (i5L»*jC«Jt. Z. 4 ^y> ^ ^yi

iOJS j^j ist nach Wüstenfeld, Tabelle 4 zu verbessern in (j-^ä! so

iJJiS y>j und ^ oder (nicht jiy, vgl.

MoStabih 474) ist aus der Mo'äwijareihe der Kinda wieder ftllschlich 5 3

(16)

750 Araeigea.

in die ASrassreihe herübergeraten. Z. 6 1- goiX»-- S. 4

nach der Mitte hätte der arabische Text über die spanischen Toglbiden

besonders mit Codera's Parallelen aus dem Tuniser Codex von Ibn

Hazm's Gamharat alansäb in dessen Estudios criticos de historia

6 ärabe espanola (= Colecciön de Estudios arabes VII) Zaragoza 1903,

S. 327 ff. emendiert werden sollen. Pür (1 mal) und

(4 mal) lies 'iSj^O = Daroca, sw. von Zaragoza. Z. 14 JwS>0 lies

■;i3o. Z. 15 'iy^ 1. äj«..^". Z. 16 iüjjLwy 1. üJ^JLiiyj Barcelona.

Z. 17 1. Z. 18 1. i^yt. Z. 20 ^joUl ^

10 1. ^ÖJ.l\y Z. 24 1. ^AJjJi; 1. jiiUt

(Codera 330 Almocafal; Mostabih 493, Leidener Catalogus 1 5*, p. 268).

Z. 29 ebenso. S. 5, 8 1. Z. 11 JJUI, Codera JoLsvIt u. a.

S. 8 penult. Zinba al Gudami 1. Zinbä' al öudämi; Mu^allad \.

Muljallad. S. 11, 23 ^yiJj.^jSI ^^Ji^ 1. ^^yls. (Tabari

16 Index 377.) Z. 18 iUi;U=- 1. xj^^Ui». Z. 23 Buhair 1. Bukeir.

S. 12, 5 v. u. 'Uht 1. übt. S. 15, 2 v. u. Bimüt = H, 10 Oj.*j 1.

Yemüt o^. S. 16, 1 = t*', 13 Zayän 1. Mohammed ibn Zabbän;

Z. 2 Salma 1. Salama; Z. 27 Turg \. Tugg ^^sii,. Zu S. 19 u. 20

sind Rieu's Lesungen zu vergleichen (S. 20, 14 xit!) S. 20, 16

20 tLd?^ 1. Qo^ u. a. S. 31 ist zu i^ßSß- (al-Yaza iri !) die Haupt¬

stelle bei Jäqüt II, 69 ausgelassen.

Zum arabischen Text ist zu bemerken, daß die falsche Vokalisa¬

tion der Eigennamen des Unikums zu oft blindlings aufgenommen

ist. Als erstes Wort figuriert v_>OJCs, Rieu liest aber das passendere

25 In 'Amr's Genealogie 1, 4 steht lXa**» ^ |.Li,a> JJt^

tl. > o. t

^JAf;*aS' .... 1. ^j£>Ma3> . . . iXouw« ^LS> ^ iJ>j!j. wie sonst .c . >

sicher überliefert wird. (Statt x*jji> hat Ibn 'Abdalbarr's Isti'äb 447 üLsp..)

S. 2, 3 ^ i^yi ist natürlich verderbt : nach den Parallelen

w .3

30 in Maqrizi I, 159, 16 äJJjC« ^y 'i^ ist am einfachsten

zu lesen Lls>j ^ s^J'. Z. 7 vermutet I. Guidi (dessen Verbesserungen 5 3

(17)

RSO. II, 820, 2 ich neben den meinigen zu beachten bitte) für ytXJi «-Jyto ein ,v_j^*o?", doch ist yyäs gut, wie Maqrizi I, 299, 15

deutlicher hat: (1. «Jbyij) — so auch der Cairoer Nachdruck von

1324 — aj-byto yjijjt vjyto. S. 2, 4 ^Lä^oJ! 1. ^ybt*aJl Jäqüt

3, 393. S. 3, 2 oLäJu 1. natürlich ^1^, -^l-«' 1- .-«L/»^- S. 3,11 5

c-

^yitXitt Guidi = iiavSazcoQ, eher (mit Amedroz) = ßavdoq>6Qog.

S. 5, 23. 6, 3 und 16, 9 1. g^J^. S. 6, 7 ^^U 1.

^U. S. 7,1. 16, 3 ^^yU. 1. ebenso 14, 3 ^^1:^. 1. ^y^,

o ~ y -o - Q ~ J <■

S. 7, 2 i^ÄaÄj (^-^LäXI 1. (9, 23 ft^SXi) (,*ÄiÄ) |*AA-i} ^5jsbil!, ,

Mostabih 295, Taqrib altahdib 171 f. S. 9, 24 ^^j) 1. ^jj.

S. 10, 12 J>^y> 1. 5cLoy> vne 15, 10; 18, 8 richtig steht. S. 10, 23

»_,>lbll iüoji? 1. v_JLW! Jckc iü«^'. S. 13* Muhälid b.

Ya'Id 1. Mugälid ibn Sa'id. S. 19, 9 ^yudiki\ l J^äl^' Mostabih

430. S. 19, 19 HJoJ 1. äJyJ = Leptis. S. 23, 18f. |^|J.Tl. ^vfil^l

S. 25, 23 1. ^3J^. Tabari Index 130. S. 26,13 «JoiXj 1. ii5oOo, is

3 - w J

Z. 14 ij**?" 'j-^r" i- O^DIj^' lA*^ {S*^'

S. 30,« 2 ^^j! 1. ^i. Z. 3 ^^üit 1. jxJ^sIt. Z. 15. 17 ASy 1.

tXiy Mostabih 474 u. v. a.

Da seit 1908 m. W. bis Herbst 1912 von König's Governors

keine weitere Fortsetzung erschien, ist anzunehmen, daß die Ausgabe so

Rhuvon Guest überlassen bleibt. q p Seybold.

Sauter, ConstarUin: Avicennas Bearbeitung der aristotelischen

Metaphysik. Freiburg, Herder 1912. S. 114.

Der Verfasser dieser Schrift ist kein Orientalist und gründet

seine Ausführungen nur auf die lateinischen Übersetzungen des

Mittelalters. Man könnte daher versucht sein, dieselbe als unwissen- 25

schaftlich zu bezeichnen. Dieses Urteil wäre jedoch voreilig. Die

islamischen Philosophen haben nur in derjenigen Gestalt auf das

(18)

752 Anzeigen.

Mittelalter gewirkt, wie sie diesem in den lateinischen Bearbeitangen

erschienen. Diese Gestalt ist also eine eigene historische

Größe und verdient untersucht zu werden. Averroes erscheint

z. B. als der große ßeligionsfeind, der Verteidiger von der doppelten

5 Wahrheit, der die Schöpfung leugnet usw. Letztere Lehre wird wohl

daher entstanden sein, daß man 'ihdät (das zeitliche Hervor¬

bringen), das auch C. de Vaux (Museon, Übersetzung des takäfut)

noch mit produire wiedergibt, durch creatio übersetzte. Averroes

leugnet nun aber den 'ihdät, indem er den 'ibdä\ das anfangslose

10 Erschaffen lehrt. Im Lateinischen erscheint er also als ein Leugner

der creatio schlechthin, während er doch in seiner Widerlegung

Gazäli's (ed. Kairo 1903, S. 46, 12. 67,5 unt, usw.) behauptet,

Gott bringe alle Dinge vom Nichtsein zum Sein. Außerhalb

Gottes kann es nichts Unerschaffenes geben. Auch an Avicennas

15 religiöse Überzeugung will man nicht recht glauben , obwohl man

weiß , daß er dem Propheten Muhammad eine übernatürliche und

daher unfehlbare Erkenntnis zuschrieb, die der fehlbaren mensch¬

lichen Einsicht nicht nur graduell, sondern wesentlich übergeordnet

ist (III unt.). Dann kann ihm der Islam nicht mehr etwas ,Über-

20 wundenes' (7, 8) sein. Der beste Beweis dafür, daß die griechische

Philosophie kein ,Premdkörper' (7,10) im islamischen Geistesleben

war, ist der, daß sie von den Theologen des Islam sogar von öazäli

(was Averroes diesem mit Deutlichkeit nachweist) und anderen

Gegnern Avicennas (von dem sie nur einige Thesen bekämpfen)

25 angenommen wurde.

Das Verhältnis des K. en-Nagät zum K. eS-§ifa' wird vielfach

als ein besonderes Problem behandelt. S. bezeichnet S. 12, 7

ersteres als einen Auszug des letzteren und sagt ib Z. 17, daß

beider Verhältnis noch nicht geklärt sei. In dieser Isolierung darf

30 diese Frage nicht betrachtet werden. Sie löst sich, wenn man die

Eigenart Avicennas in Kücksicht zieht. Diese war auf die Z u -

sammenfassung des Ganzen , auf den Überblick über alle

Wissenschaften gerichtet. Er sagt von sich (Kifj,! 416, 16), daß

er im Alter von 18 Jahren alle Wissenschaften (d. h. die als

35 „griechisch" bekannten von der Isagoge des Porphyrins bis zum

letzten Kapitel der Metaphysik) vollständig erfaßt und seitdem

keine neuen Kenntnisse mehr hinzuerworben habe. Nun ist es

unzweifelhaft, daß er im Verlaufe seines späteren Lebens noch

manche empirischen Kenntnisse, z. B. bei seinen vielen Kranken-

40 behandlungen , hinzuerwarb. Interessanter ist aber , daß er diese

nicht als eigentliche Erkenntnisse bewertete. Nur das

Allgemeine und Prinzipielle galt ihm als wirkliches Wissen. Da

er nun seine Prinyipien nicht mehr änderte, glaubte er selbst, sein

Wissen sei in dem jugendlichen Alter von 18 Jahren bereits ab-

45 geschlossen gewesen. Dieselbe Tendenz auf das Allgemeine finden

wir bei ihm, wenn wir ihn in seiner Arbeitsweise beobachten

(KiftI 415, 4, Fundgruben des Orients, Bd. III, 167,17). In Bu^ärä

(19)

ca. 998 schließt er sich vom äußeren Leben vollständig ab, bleibt

„zwischen seinen Papieren und Büchern' Tag und Nacht und

analysiert jede Argumentation, indem er sie auf ihre Prämissen

prüft, d. h. ihre allgemeinsten Voraussetzungen. Auf

diese ist sein Augenmerk gerichtet, nicht so sehr auf die Kon- 5

statierung empirischer Einzeltatsachen. Besuchen wir ihn ca. 24 Jahre

später in Hamadän , als er sich nach dem Tode des §amsaddaula

in dem Hause des Abu 6älib versteckt hielt und an der „Genesung

der Seele', seiner großen Enzyklopädie, arbeitete. Die Überschriften

und Anfänge aller zu behandelnden Probleme (KiftT 420, 18) hatte lo

er auf kleine Zettel geschrieben und vor sich ausgebreitet, um

einen Überblick über das Ganze zu haben. Im Hinblick

auf diese Zusammenfassung des Ganzen behandelte er dann

die einzelnen Prägen und verfolgte sie nur soweit, als es für den

allgemeinen Gesamteindruck erforderlich war. Ein so organisierter 15

Geist ist berufen, Gesamtdarstellungen der Wissenschaften

zu liefern, die Einzeltatsachen mehr oder weniger aus dem Auge

lassend. Seine ganze Lebensarbeit besteht daher auch in der

Herstellung von „Summen". Im Alter von 21 Jahren verfaßte er

die erste, die für 'Arüdi (ein Bd. 'almagmü' gen.), gleich darauf 20

die zweite für BarkT: Das Zusammenfassende und Zusammengefaßte

(alkäfil walmahsül), „Das Resultat" aller Wissenschaften in

20 Bänden, bald darauf bei seinen vielen Wanderungen die dritte

„Die gerechte Verteilung' {aVinsäf, 20 Bände, danach zu urteilen

also beide umfangreicher, als „Die Genesung"), in der er die 25

einzelnen Gegner zu Worte kommen ließ, um dann Recht und

Unrecht entsprechend zu verteilen. Die vierte Enzyklopädie ist

„Die Genesung der Seele' (nach damaliger Zählung 18 Bd., heute

21 Bd.), die fünfte der Kanon (14 Bd.), die sechste „Die Erlösung

der Seele" (en-Nagät, 3 Bd.), die siebente „Die Thesen und 30

Erklärungen" (aViäärät, 1 Bd.), die achte „Das Weisheitsbuch des

Alä'addaula" (1 Bd.), die neunte „Das Kompendium" (almügaz,

1 Bd.). „Die Diskussionen' (almubäkatät) , „Die rechte Leitung'

(alhidäja), „Das mittlere Kompendium der Logik" (almuhtasar

al-'ausat) und „Das erste Prinzip und die Rückkehr zu Gott" haben 35

ebenfalls den Charakter von Kompendien und Überblicken,

wie Avicenna einen solchen auch über die arabische Sprache (kitäbu

lisän at arab, 10 Bd.), also vielleicht dreimal so ausgedehnt wie

„Die Erlösung", verfaßte. Sein ganzes Sinnen und Trachten war

also auf die Zusammenfassung von Wissensgebieten gerichtet. 40

Dabei produzierte er immer wieder von neuem — wenn man hier

von eigentlicher Produktion reden darf. Es handelt sich immer

um neue Pormulierungen desselben Stoffes. Je nachdem die

Gelegenheit sich bot, entwarf er einen neuen solchen Überblick

über das Gesamtwissen, daß er in der kürzesten Zeit niederschrieb 45

(bis zu 50 Seiten am Tage; KiftI 420, 21) oder diktierte. Die

oben genannten Enzyklopädien sind also eigene Konzeptionen

S 3 *

(20)

754 Anzeigm.

Avicenna's ^). Einen systematischen .Auszug' zu schreiben, entsprach nicht seiner üherkräftigen Schaffensenergie und Selbständigkeit.

Leichter war es ihm, eine neue Darstellung und Auffassung des

Stoffes zu geben. Schrieb er doch zwei Drittel der „Genesung*

6 (?ifti 420, 19) ohne irgend ein anderes Werk zu Rate zu ziehen,

aus freier, schöpferischer Kraft. Die Frage der Abhängigkeit seiner

Werke voneinander stellt sich also nicht nur für die Nagät in

Beziehung zu dem Sifa', sondem ist eine ganz allgemeine betreffs

aller seiner innerlich kongruenten Enzyklopädien , deren es

10 gegen ein Dutzend waren.

üm die Frage zu entscheiden, wie die lateinischen Über¬

setzungen zu beurteilen sind , ist es erforderlich , die Art ihrer

Herstellung zu kennen. Ihn Dä'üd Israelita (Avendehut, mit seinem

christlichen Namen Johannes Hispalensis) übersetzte ca. 1130—50,

15 wie er selbst erzählt (Jourdain: Recherches 449), mit Dominicus

Gundisalinus ,me singula verba vulgariter (kastilianisch) proferente

et Dominico Archidiacono singula in latinum convertente". Daß

auf diese Weise keine eigentliche Übersetzurg zustande kommen

kann, ist jedem Arabisten klar; denn ein Ersetzen jedes einzelnen

20 arabischen Wortes durch ein lateinisches folgt zu sklavisch dem

Texte, während man vom Sinne auszugehen und die parataktische

Ausdrucksweise des Arabischen in ein hypotaktisches Gefüge im

Lateinischen umzugießen hat. Roger Bacon , Albertus Magnus und

Thomas beklagen sich daher häufig über diese Übersetzungen,

25 während Sauter sie lobt. Auch in dem letzteren Urteile steckt

eine Wahrheit. Klammert man sich nämlich nicht an ein einzelnes

Wort im Lateinischen, sondern betrachtet man den Zusammenhang

als Ganzes , so wird der Grundgedanke meistens klar werden und

auf diesen kommt es an. Philologisch sind jene Übertragungen

30 jedoch unzureichend.

Avicenna soll (Pococke: Philosophus autodidactus 1700, S. 18)

in seiner „Genesung der Seele' erklärt haben, seine eigentlichen

Überzeugungen möge man nicht in diesem Werke, sondem in seiner

„orientalischen'^) Philosophie nachsuchen. Die Entstehung dieser

1) Die Logik der „Erlösung" verfaßte er ca. 1013 in £rurgän, also friiher als die „Genesung" (Kif^I 424, 1), die übrigen Teile dieses Werkes ca. 1024 auf einer kriegerischen Expedition (nach SBhür IJwäst), auf der er keine Bücher mitnehmen, sondern nur frei diktieren konnte.

2) Es handelt sich um das von CrüzgSnT als Nr. 17 (Kifti 418, 11) ge-

• O J tt

nannte Werk Avicennas: 'ejßyiid,] ».«Xsl „Die mystische Pbilosophie'. Der

Terminus findet sich bei Avicenna in den Thesen {'isärät ed. Forget

1892) S. 182, 3. Er bedeutet dort die direkte Verbindung Gottes mit den reinen Geistern, wodurch diese Gott erschauen. Die Philosophie Piatos spricht von einem solchen sich Verbinden der Ideen mit dem menschlichen Geiste und daher bezeichnet 'tiräk ursprünglich die platonische Philosophie, an die SuhrawardI in seiner eigenartigen Weiterbildung (der „Philosophie der Erleuchtung*) be-

5 3 *

(21)

Sage ist leicht erklärlich. Avicenna vyar eine tiefreligiöse Natur

und von der übernatürlichen Offenbarung im Koran durchaus über¬

zeugt^). Die aristotelische Philosophie besitzt nun aber für den

Islam den Charakter des Heidnischen, und die Aufgabe Avicenna's

bestand darin , den Aristoteles ,zu einem Muslim zu machen', vyie 5

Thomas von Aquin ihn ,zu einem Christen umgebildet hat'. Diese

Aufgabe ist dem Altmeister Avicenna nun auch sehr gut gelungen,

so daß die spätere Theologie des Islam ein durchaus griechisches

Gepräge annahm. Die obige Sage will nun dem Gedanken Aus-

dnick geben, daß für Avicenna nicht das rein weltliche, „heidnische' 10

Wissen die Hauptsache war, sondem die religiöse Erkenntnis, das

Mystische , das er ja auch in die Interpretation des Aristoteles,

diesen weiterbildend, hineingetragen hat. Also findet man in seinen

mystischen (musrikija) Schriften seine eigentlichen Überzeugungen.

Daß jedoch in der „Genesung' die wirklichen Lehren Avicenna's i5

enthalten sind (die denen seiner mystischen Schriften nicht

wuSt anknCpft, dann bei Avicenna den Erkeuntnisvorgang , der zwischen zwei reinen Geistern statthat im Gegensatze zum seelischen Erkennen, bei SuhrawardI die Leugnung des Abstraktionsvorganges also die platonische Erkenntnistheorie.

Das Erkennen abstrakter Wahrheiten ist in diesem Sinne ein Erleuchtetwerden.

In demselben konnte RSzT seine „Untersuchungen" mystische (d. h. meta¬

physische, auf intuitivem Erschauen beruhende und der platonischen Philosophie o >

zuneigende 'iJfiyäAS ic>^>-LaII) nennen; denn abstrakte Wahrheiten werden wie Agenzien aufgefaßt, die auf den Henschengeist wirken und „Einprägungen"

» in ihn machen (Ms. Berlin Kr. 5064 fol. 10 r Mitte); ^jiJiÄÄj' ^.^1 Jt

^y::^y>\ ^LIu sJUjmIS. Dieses bedeutet eine platonische Erkenntnistheorie, also den 'iiräk, allerdings nicbt in dem extremen Sinne Suhrawardls, wie Pfof. Goldziher (Der Islam III, 230 oben) mit Kecht hervorhebt.

1) Als er in BuhärS (ca. 998) mit aller Energie dem Studium der Meta¬

physik oblag und sich ihm große Schwierigkeiten des Verständnisses entgegen¬

stellten, indem er, wie er sich ausdrückt, den terminus medius eines Syllogismus nicht finden konnte, ging er, dieses war seine Gewohnheit, zur Moschee um

„den absoluten ErscbaiTer des Weltalls' (mubdi' alkult) inständigst um Er¬

leuchtung zu bitten (KiftI 415, 8). Erst mit der Dunkelheit (billail), als man die Moschee schloß , kehrte er in seine Wohnung zurück. Die Gelehrten von SchTrSz hatten sich in manchen logischen Problemen an Avicenna gewandt (ca. 1034). Nach Verrichtung des Abendgebetes, nachdem öüzgänl ihm fünf große Bogen Papier zurechtgeschnitten hatte {birrub'i - Ifir'auni : in quadra¬

tischem Formate von pharaonischer Größe), begab er sich an die Arbeit. Gegen Mitternacht schickte er seine Gefährten, seinen Bruder Mahmüd und G. , zur liuhe. Als diese am anderen Morgen wieder eintraten , fanden sie den Meister auf dem Gebetsteppiche knieend. Vor ihm lagen die fünf Bogen ganz beschriehen.

Er hatte die Nacht betend und arbeitend zugebracht, und der Eilbote (errikäln) konnte sogleich wieder mit der Antwort nach Schiräz zurückkehren (KiftI 424,17).

Als sein Tod herannahte (Fundgruben d. Orients III, 163, 1) vollzog er eine große rituelle Waschung, tat Buße (tauba) für seine Sünden, verteilte sein Vermögen unter die Armen, gab seinen Sklaven die Freiheit und vertiefte sich in die Lektüre des Koran. Den christlichen Philosophen des Mittelalters schien es unbegreiflich, daß ein geistig so hochstehender Manu wie Avicenna an den Koran glaubte. Daher mußte er diesen in einem falschen Lichte erscheinen.

(22)

756 Anzeigen.

widersprechen), geht schon aus den Worten hervor, die Avicenna an

öüzgäni richtet, bevor er sich an die Ausarbeitung des §ifa' machte

(KiftI 420,2): ,Wenn du damit einverstanden bist, daß ich ein

Buch schreibe, in dem ich nur meine eigenen Überzeugungen

s betreffs »dieser Wissenschaften' (kädihi-l^ulüm sind die griechischen

Wissenschaften in ihrer Gesamtheit) vorbringe, ohne mich in Dis¬

kussionen mit Gegnern einzulassen , so will ich dieses gern und

unverzüglich tun (fdaltu dälika).* In der .Genesung der Seele*

will Avicenna also gerade und ausschließlich seine eigenen

10 Ansichten entwickeln.

Sauter nennt (26, 22. 29; 30, 25 und 31, 3) die .Genesung der

Seele' Paraphrasen des Aristoteles. Die dem Mittelalter als

„Summa' und .commenta' über Aristoteles vorliegenden Schriften

Avicenna's — sein Name wird, weil selbstverständlich, in den Ver¬

ls urteilungen der Konzile nicht besonders erwähnt — sind , dies ist

vorauszuschicken, nichts anderes als Teile dieser großen Enzyklopädie

(von S. S. 18 flf. aufgezählt), öüzgänl bedient sich in seiner Ein¬

leitung zu derselben des gleichen Ausdruckes, jedoch nur betreffs

der Zoologie (hädä fi 'aktar kitäbi-lhajawän kataba Aristo), wie

20 auch Michael Scotus (super librum de animalibus Aristotelis).

Auf die anderen Teile derselben läßt sich der Ausdruck Paraphrase

höchstens in einem sehr weiten Sinne anwenden; denn Avicenna

folgte der griechischen Vorlage ('■alä tartibi-lkaum: „nach der

Ordnung, Disposition der Schule'; 6üzgänl 1. c. — alkaum bedeudet

26 die Schule als Ganzes, nicht „das Volk' oder „die Ungebildeten')

nur in der Disposition. Sonst entwickelt er seine eigenen Über¬

zeugungen (s. oben), was in einer Paraphrase im engeren Sinne

nicht der Fall ist. Das Gesamtbild seiner Philosophie ist natürlich in vielen Zügen trotzdem dem Vorbilde der Griechen nachkonstraiei^;

so — aber auch weitergebildet.

Die Vergleichung mit den christlichen Scholastikern darf weder

die Unübertrefflichkeit der christlichen Kultur — der Standpunkt

christlicher Gelehrter, z. B. Sauter's — noch auch die des Islam —

der muslimischer Gelehrter — schweigend voraussetzen, sondern

S5 muß die reine Wahrheit betrachten. Das Urteil S's. wird dann

zweifellos als befangen erscheinen (31, 3): „Avicenna's Para¬

phrasen stehen weit hinter denen Albert's zurück, sowohl was den

Umfang des Materials anbelangt, als auch bezüglich der Belesenheit

und kritischen Veranlagung'. Sauter vergißt, daß ihm nur der

«lateinische Avicenna zugänglich ist. Dieser besteht nur aus

verhältnismäßig kleinen Trümmern des eigentlichen Avicenna.

In „dem Umfang des Materials' hat Avicenna die beiden großen

Scholastiker sicherlich weit übertreffen. Er vereinigt in einer

Person, was Albertus und Thomas getrennt besitzen, die natur-

45 wissenschaftlichen Kenntnisse des ersteren — der Kanon ist der

Beweis dafür — und die philosophische Begabung des zweiten.

Die zahlreichen — gegen ein Dutzend — Enzyklopädien, die er

(23)

frei entwarf, rechtfertigen dieses Urteil. Jedoch glanhe ich nicht,

daß man wird sagen dürfen, er habe Thomas an Scharfsinn und

Klarheit ebenso übertroffen , wie er den Albertus Magnus an

Erudition übertroffen hat. Wenn S. bei Avicenna dieselbe Belesen¬

heit wie bei Albertus vermißt, so beruht das nicht etwa auf einem 6

Mangel an Belesenheit bei Avicenna, sondern nur darauf, daß er

seine „Genesung" schrieb, ohne daß ihm Werke zum Nachschlagen

zu Gebote standen (walkutubu göHbatun 'anku, „während die

erforderlichen Bücher nicht zur Stelle waren", 6üzgäni 1. c). Er

schrieb sein Werk, als er sich in den engsten Verhältnissen vor lo

Schemseddaula verborgen halten mußte , während dem christlichen

Philosophen Bücher und Zeit reichlich zur Verfügung standen. Um

die Belesenheit Avicennas gerecht beurteilen zu können , müßte

man seine größte Enzyklopädie: „Die gerechte Verteilung (von

Recht und Unrecht" aVinsäf) noch besitzen , in der der Meister lä

{eSSaih) Gelegenheit nahm , mit den Vertretern anderer Ansichten

zu diskutieren, also auch zu zitieren. Dieses Werk ging zugrunde,

als die Soldaten des Mas'üd, des Gaznawiden (ca. 1030—32],

Isfahan unter abu Sahl erobert hatten (KiftI 425, 1), „Sie plünderten

das Gepäck Avicenna's. Das Buch „Die gerechte Verteilung" war ao

in demselben gewesen. Nachher fand man keine Spur mehr von

ihm." Umfangreiche Sammlungen über medizinische Erfahrungen

hatte Avicenna hergestellt, um sie in seinen Kanon hineinzuarbeiten.

Auch diese sind (es waren lauter lose Zettel — 'agzä') verloren

gegangen. Seine Erudition würde uns in noch viel „wunderbarerem" 25

Lichte erscheinen (vgl. Leclerc: Histoire d. 1. m6d. arabe: „Sa

precocity et sa fecondit^ tiennent du predige" S. 470), wenn ihn

dieses Schicksal, das nach öuzgänl (Einleitung in die Genesung)

auch viele seiner früheren Werke traf, nicht befallen hätte. Seine

Belesenheit in der arabischen Literatur allein , also einem Neben- so

fache, wurde von seinen Zeitgenossen, und zwar Fachmännern, auf

diesem Gebiete angestaunt.

Der erste Teil des Werkes von Sauter ist in den Daten dankens¬

wert, die er über den lateinischen Avicenna zusammenstellt.

Auch über Averroes müßte eine solche Studie gemacht werden. 35

Der zweite vergleicht in den meisten wichtigeren Lehren der Meta¬

physik die Gedanken des Aristoteles mit denen des Avicenna,

so daß man einen Einblick in den Fortschritt der Gedankenbildung

erhält. Dieser Hauptteil des Werkes ist, wenn er auch in bezug

auf Avicenna nichts neues bietet — ein solches kann nur ein 40

Orientalist zutage fördern , dem die Original quellen zugänglich

sind — sehr gut gelungen und als Einführung zu empfehlen. Die

zahlreichen Versehen des ersten Teiles betreffen im Vergleich dazu

nur nebensächliche Dinge, können den Wert der Arbeit also nicht

wesentlich herabmindern. M Horten

Zeitaohrift der D. M. G. Bd. LXVI. 50

(24)

758 Anxeigen.

Legends of Eastern Saints, chiefly from Syriac Sources edited

and partly translated by A. J. Wensinck. Vol. I. The

Story of Archelides. Leyden, E. J. Brill, 1911. XXI +

20 + % + ff + Q\ SS. Mk. 6.50.

6 A. J. Wensinck hat sich der dankenswerten Aufgabe unter¬

zogen die Überlieferung über den hl. Archelides zu sammeln und

herauszugeben. Besonders anerkennenswert und freudig zu be¬

grüßen ist der Umstand, daß er sich nicht mit dem Abdruck einer

am bequemsten gerade zugänglichen Hs begnügt, sondern sieben

10 syrische Hss für seine Ausgabe benutzt, ebenso drei arabische

Texte abdruckt; nur der äthiopische Text ist auf eine Hs ge¬

gründet. Die Einleitung berichtet knapp über die Hss, die Eigen¬

tümlichkeiten der einzelnen Passungen , Alter vnd Ursprung der

Legende und den Kult des Heiligen. Die Texte sind (von rück-

15 wärts aufgezählt) folgendermaßen angeordnet: B (syr.); C (syr ;

mit den Varianten von A) ; D (syr. ; mit den Varianten von E,

R, P); B (arab.); A (arab.); C (arab.); äthiop. Text; engl. Über¬

setzung der syr. Fassung C und Bemerkungen zu einigen Aus¬

drücken der arab. Texte.

20 Bevor ich von dieser Übersicht zur eigentlichen Kritik über¬

gehe , möchte ich den Lesern ganz kurz den Inhalt der Legende

erzählen; man wird ersehen, daß die Legende tatsächlich wegen

ihrer poetischen Schönheit ein eingehenderes Studium lohnt, was

man nicht von allen Legenden behaupten kann.

26 Archelides, der Sohn eines hohen Staatsbeamten in Konstanti¬

nopel, des Galenus, und seiner Gattin Augusta, soll auf Wunsch

seiner früh verwitweten Mutter in fernem Land die Universität

beziehen um sich dereinst ebenfalls eine angesehene Stelle im Hof-

und Staatsdienst zu erringen. Auf der Seereise überzeugt ihn der

80 Anblick der Leiche eines ertrunkenen, reichen Kaufmanns von der

Eitelkeit alles irdischen Strebens ; er geht, ohne seine Mutter irgend¬

wie benachrichtigen zu lassen , in Ägypten in das Kloster des

hl. Monas und leistet bald das Gelübde in seiner Zelle nie mehr

eine Frau ansehen zu wollen oder mit einem weiblichen Wesen zu

35 sprechen. Seine Mutter ermittelt nach zwölf Jahren langen , ver¬

geblichen Wartens endlich den Aufenthaltsort ihres Sohnes, reist

zu dem Kloster und bittet von Archelides empfangen zu werden.

Der schlägt ihre immer dringender werdenden Bitten ab ; als sie

ihn aber schließlich unter Beschwörungen im Namen Gottes an-

40 fleht, müßte *) er diese Bitte erfüllen, aber gleichzeitig sein Gelübde

brechen. Er fleht Gott um Lösung des Zwiespaltes an ; als Augusta

die Zelle des Sohnes betritt, kann sie nur noch die Leiche des

Sohnes umarmen ; bald darauf wird sie mit ihm im Tode vereint

und in einem gemeinsamen Grabe beigesetzt.

1) Vgl. dazu meine Ausführungen: Die Schandenhitte, ein religions- geschichüiches Problem: Bl. f. d. Gymu.-Schulw. 48 (1912), 461—463.

(25)

Dies unter Ausschaltung mancher interessanter Details der

Kern der Legende. Daß sie uns im Syrischen in drei Gruppen

B; CA; DERF vorliegt, hat Wensinck richtig erkannt und dem¬

gemäß seine drei syrischen Texte hintereinander abgedruckt. Das

Verhältnis der sieben Hss und der drei Fassungen läßt 6

sich aber vreit genauer und schärfer bestimmen, als Wensinck

versucht hat; da sich dann sogar das Original der Legende mit

genügender Sicherheit rekonstruieren und über Heimat und

Alter der Legende auch noch Genaueres ermitteln läßt, so mag

diese Aufgabe im folgenden gelöst Vierden, die viel Geduld, exakte lo

Methode und einigen Scharfsinn verlangt. Ich hoffe, daß die Aus¬

füllung dieser Lücke nicht als Tadel der Arbeit Wensinck's auf¬

gefaßt wird; ist sie doch durch dieselbe bedingt und erst möglich

gemacht.

Wir fassen zunächst die Fassung B und ihr Verhältnis zu 15

C A ins Auge ; C A gehören in der Tat enge zusammen. Da liefert

eine eingehende üntersuchung folgendes Ergebnis:

1. CA ist eine erweiterte Bearbeitung von B; Belege brauche

ich hier im einzelnen nicht anzuführen ; sie liegen zu Dutzenden

auf der Hand. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß die 20

umgekehrte Annahme, B sei durch Verkürzung aus CA ent¬

standen, ausgeschlossen ist. Vgl. z.B. B S. 11, 17 mit CA S. 30,13

oder die Botschaft, in der sich die Mutter dem Heiligen zu er¬

kennen gibt: B S. 15,19 mit CA S. 38,11.

2. Da die Erweiterungen in CA zum größten Teil zusammen- 25

stimmen, standen sie schon in der gemeinsamen Vorlage von CA;

eine gemeinsame Vorlage für C A, die nicht B war, wird auch da¬

durch erwiesen, daß sich Korruptelen in CA finden, wie ^joaajs

gegenüber dem richtigen |jQaa«a in B, daß sich eine Lücke S. 34,21

in CA in B nicht findet. so

3. Diese gemeinsame Vorlage von C A kann aber nicht B selbst

sein , weil sich in B wiederholt Lücken finden , die uns in C A

nicht begegnen, also auch in seiner Vorlage nicht waren. Wir

haben also wohl das Recht aus C A Lücken in B , die den Text

unverständlich werden lassen , auszufüllen , müssen uns aber hüten 35

etwas von den gemeinschaftlichen Erweiterungen in CA nach B

zu übertragen. F. Schultheß hat in seiner wertvollen Besprechung

von Wensinck's Buch^) auch schon das Vorhandensein von Lücken

in B festgestellt und an einigen Punkten die Ergänzung vor¬

genommen, nämlich S. 4, 4. 8,23. 9,24. 14, 20. Dazu sind noch 40

folgende Stellen zu fügen: S. 6, is ist hinter o zu ergänzen

j }o*£i^; S. 19, 20 klafft auch eine Lücke, deren Besprechung

einige Zeilen lohnt:

1) GGA. 174 (1912), 369—374.

50*

(26)

760 Anzeigen.

B S. 19,19:

0\2QJL «OO

Ijo) jlo OO) |uo; ooo)

C S. 43,7:

joO) >^A. *SO

i^V-j ,50)^0 Jw?

)&kO:);o )&^; jio )jO) JJa oud; OOO) ^\J>x>

A S. 43, A. 3:

O^JQjk «SO

|jO) ]1jo OO) |bdj <o>\J«.

,Als hörten (ooO) aiL20jt) (der Abt und alle) Klosterbrüder

die wehklagende und weinende Stimme, fragten sie (ooO) ^l(jl2D)'-

,Was bedeutet diese S;imme ... Das Auge des Schreibers von

B ist vom ersten ooO) sofort auf das zweite abgeirrt, sodaß Sub-

lojekt und Obidkt des Temporalsatzes und das Verbum des Haupt¬

satzes ausgefallen sind.

Mit Unrecht hat aber m. E. Schultheß nach CA in B ge¬

ändert S. 13, 20; ebenso scheint mir S. 15, 7 die Einfügung von

überflüssig.

IS Stellen wir nun die Ergebnisse fest: B stammt aus einer Vor¬

lage, die dem Original (0) sehr nahe stand; sei es nun, daß diese

Vorlage durch Elementarereignisse (Wasser, Feuchtigkeit, Mäuse¬

fraß) schlecht oder gar nicht mehr lesbar war, sei es durch Flüchtig¬

keit oder Nachlässigkeit des Abschreibers, sind in B Lücken ent-

20 standen, die sich in seiner Vorlage noch nicht fanden. Außerdem

wurde vom Original eine zweite Abschrift hergestellt, die gewisser¬

maßen eine zweite , erweiterte Auflage 0^) darstellt. Sachlich

wurde dabei kaum etwas geändert; die Änderungen und Erweite¬

rungen sind stilistische Glättungen, Erweiterungen durch Einfügung

25 psychologischer Begründungen , Erweiterung durch größere Wort¬

fülle mit der Absicht mit Gelehrsamkeit und Eloquenz zu prunken

(vgl. die Schilderungen des Herbergenbaues B S. ll,i mit CA

S. 31, 13), Einfügung von Gebeten. An Schönheit hat die Erzählung

nicht gewonnen , nur an Wortfülle. Diese zweite Auflage wurde

so dann wieder zweimal abgeschrieben, die Ergebnisse liegen uns in

C und A vor, deren Verhältnis zu einander lehrreich ist. Eine

genaue Untersuchung zeigt nämlich, daß in einer Zeile, bei an¬

genommen vier Varianten unerheblicher Art, zweimal C und zwei¬

mal A mit B , ein andermal C dreimal und A nur einmal , ein

35 drittes Mal C nur einmal und A dreimal mit B zusammengehen

(vgl. z. B. B S. 5, 10 mit CA S. 23, 15). Was ergibt sich daraus

für ein Schluß?

Zwischen 0^ und CA können nicht viele Mittelglieder aus¬

gefallen sein, sondern beide müssen itp großen nnd ganzen direkte

40 Nachkommen von 0^ darstellen. Jedei-, der Schreiber von C und

A hat an seinem Text fortwährend kleine stilistische Retouchen

vorgenommen. Abstammung von A aus C oder C aus A ist aus¬

geschlossen aus folgenden Gründen:

(27)

Es finden sich in A ebenfalls Lücken , die sich in G nicht

finden; so ist S. 21, ii der Schreiber von A vom ersten auf

das zweite abgeirrt und hat dadurch die Erwähnung der Taufe und

des Namens ausgelassen ; vgl. außerdem S. 38, 2 und S. 39, 2. Da

A oft mit B gegen C und C oft mit B gegen A gehen, ist eine 5

solche Herleitung ebenfalls ausgeschlossen.

Schließlich gehen aber BGA noch nicht direkt auf das Original

zurück, weil in allen drei Fassungen schon eine unheilbare Korruptel

sich findet , die also auch schon in der gemeinsamen Vorlage von

BGA stand, S. 4, 22 und S. 23, s. Wir haben also zwischen dem 10

Original und dem Archetypus von BGA noch eine Bearbeitung an¬

zunehmen und erhalten so folgenden Stammbaum^):

0 I

0* (Korruptel)

0' (Erweiterungen) B

C ~ A

Angesichts der engen Verwandtschaft von BGA soll diese

Gruppe im folgenden mit I bezeichnet werden, wenn sie geschlossen

den Hss DERF, der Gruppe II, gegenübertritt. 15

Wie verhält sich II zu I? Die üntersuchung wird natürlich

durch Wensinck's Druckanordnung erschwert, liefert aber ein glattes Ergebnis :

1. Die Erweiterungen von 0*, die sich in CA finden, be¬

gegnen auch fast ausnahmslos in II; also gehört II in den näm- so

liehen Ast wie CA, weist jedenfalls unmittelbar nicht über 0^ hinaus.

2. Die weitere Untersuchung wird verwickelt, da gleichzeitig

das Verhältnis von II zu I und das Verhältnis der einzelnen Hss

von II zu I berücksichtigt werden muß. Ich greife aus meinen

Zusammenstellungen nur einige Punkte heraus. Die wichtigsten 26

Kombinationen sind: a) II BC : A; b) II BA : C; c) II B : CA;

d) II CA : B; jede dieser Kombinationen enthält wieder mehrere

Varianten, je nachdem es sich um Zusätze oder Lücken, um stili¬

stische Retouchen auf der einen oder anderen Seite handelt.

a) Geht II mit B C gegen A zusammen, dann ist anzunehmen, 30

daß der Wortlaut von II B C dem des Originals entspricht, A will¬

kürlich oder gedankenlos geändert hat; vgl. II (S. 76,13) B (S. 20,5)

C (S. 44, 1): Als Augusta nach dem Tode ihres Sohnes sah die

Trauer der Mönche (^o)^/) und ihr Leid . . . mit A (S. 44,

A. 1): Als Augusta sah ^o>^^\. alle Mönche und ihr Leid ..., ss

1) In der direkten Linie können natürlich überall verlorene Fassungen als Mittelglieder existiert haben.

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