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FORUM-9-2012-Patientenorientierung

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PatIentenORIentIeRUng 38

K VB FORUM 9/2012

S

owohl in der Literatur als auch im Internet kursieren viele veraltete beziehungs- weise schlicht falsche Informatio- nen über das Klinefelter-Syndrom (KS), so der 72-Jährige. Auch bei vielen Ärzten sei der Wissensstand über KS leider noch unzureichend.

„Bei pränataler Diagnostik kommt es immer wieder vor, dass Gynäko- logen zur Abtreibung raten. Dem will die DKSV durch gezielte Auf- klärungsarbeit entgegenwirken.

KS-Träger sind normale, gesunde Menschen ohne geistige Behinde- rung, die lediglich ein X-Chromo- som zu viel haben.“

Doch welche Konsequenzen hat dieses zusätzliche X-Chromosom für die Betroffenen und ihre Paar- beziehung? Die größte Einschrän- kung, mit der alle KS-Träger leben müssen, ist ihre Zeugungsunfähig- keit infolge unterentwickelter Ho- den und verminderter Testosteron-

produktion. Bei nicht diagnostizier- ten KS-Trägern ist der niedrige Tes- tosteronspiegel in der Pubertät, die in der Regel verzögert eintritt, für weitere Symptome verantwortlich:

So fallen Körperbehaarung und Bartwuchs eher spärlich aus, der Stimmbruch ist kaum ausgeprägt, Skelett und Muskulatur sind weni- ger stark entwickelt. Da das Testo- steron auch das Längenwachstum

des Körpers beeinflusst, werden nicht behandelte Betroffene oft überdurchschnittlich groß. Durch die unausgewogene Hormonlage kann es auch zur Entwicklung einer weiblichen Brust kommen.

Müde und abgeschlagen Aus diesem Grund ist es so wich- tig, dass KS-Träger spätestens in der Pubertät als solche erkannt und hormonell entsprechend ein- gestellt werden. Bei Franz Schorpp war das leider nicht der Fall. Als 13- Jähriger überragt er seine gleich- altrigen Mitschüler um zehn Zenti- meter bei vier Kilo Untergewicht.

Er ist oft müde und fühlt sich nicht belastbar. Sein damaliger Haus- arzt lässt den Jungen an der Uni- versitäts-Kinderklinik in Heidel- berg untersuchen. Ohne Befund.

„Zu dieser Zeit konnte ja eine Chromosomenanalyse noch gar nicht durchgeführt werden.“ Franz

In Deutschland leben zirka 80.000 Jungen und Männer mit dem sogenannten Klinefelter-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine angeborene Geschlechts- chromosomenstörung, bei der zum normalen Chromosomensatz 46, XY ein weiteres zusätzliches X-Chromosom vorliegt. Der Chromosomensatz 47, XXY kann für die Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägte Konsequenzen haben. Franz Schorpp von der Deutschen Klinefelter-Syndrom Vereinigung (DKSV) kämpft seit Jahren dafür, mit Irrtümern darüber aufzuräumen.

Franz schorpp (im Bild) war 15 Jahre lang Vor-

sitzender der DKsV. 2011 hat er die amtsge- schäfte seinem

jüngeren Mit- streiter Ralf Johnki überge- ben, der zuvor die selbsthilfe- gruppe Mett- mann leitete.

DeR x-FaKtOR

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Schorpp beginnt 1954 eine Lehre als Koch und hat in den Folgejah- ren dauerhaft mit Phasen starker Abgeschlagenheit und Müdigkeit zu kämpfen. Seine Leistungsfähig- keit ist deutlich eingeschränkt.

„Mein Arzt hat das auf meinen niedrigen Blutdruck geschoben und mir Blutdrucktabletten ver- schrieben. Das hat natürlich nichts gebracht.“

leben ohne Kinder?

Mit 30 Jahren heiratet der junge Mann. Als die Ehe auch nach zwei Jahren ungewollt kinderlos bleibt, lassen sich die Eheleute untersu- chen. Das Ergebnis ist für beide niederschmetternd. „Es hieß, ich könne keine Kinder zeugen. Von Klinefelter-Syndrom oder von einer hormonellen Behandlung war aller- dings nicht die Rede. Davon habe ich erst ein Jahr später im Rahmen einer Untersuchung an der Derma- tologischen Universitätsklinik, Ab- teilung Andrologie, in Erlangen er- fahren. Hier wurde mir erstmals ei- ne Hormonbehandlung empfohlen.“

lebensfreude durch Hormone Einige der typischen Symptome von KS-Trägern können in der Tat mit künstlichem Testosteron gut behandelt werden. Die Stabilität der Knochen wird gestärkt, der Osteoporose damit entgegenge- wirkt, Müdigkeit und Konzentra- tionsschwierigkeiten lassen nach,

viele Betroffene finden erstmals ihr seelisches Gleichgewicht. Mit der regelmäßigen Testosteroneinnah- me steigt auch bei Franz Schorpp die Lebensfreude, auch wenn sich dadurch an der Tatsache, keine eigenen Kinder haben zu können, nichts ändern lässt. Doch das jun- ge Ehepaar blickt positiv in die Zu- kunft und entschließt sich, den Weg der Adoption zu beschreiten. Ins- gesamt drei Kinder gehören bald zur Familie. Heute ist der 72-Jähri- ge bereits sechsfacher Großvater.

„Durch die Testosterontherapie, die ich seit 40 Jahren erhalte, ha- ben sich viele meiner Beschwerden gebessert. Heute im Alter geht es mir besser als in meiner Jugend.

Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie viele körperlichen und seelischen Probleme man sich durch eine Hormonbehandlung zu Beginn der Pubertät ersparen kann, kämpfe ich zusammen mit Mitbe- troffenen dafür, dass sich Ärzte in- tensiver mit den Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten des Klinefelter-Syndroms auseinander- setzen.“

Mit Verdienstmedaille geehrt Seit 1992 engagiert sich Franz Schorpp in der Deutschen Klinefel- ter-Syndrom Vereinigung, deren Gründungsmitglied er ist. Ein Jahr später ruft er in Regensburg die erste KS-Selbsthilfegruppe Deutschlands ins Leben. Für sei-

nen unermüdlichen ehrenamtli- chen Einsatz als erster Vorsitzen- der der DKSV wird er im Frühjahr 2007 vom damaligen Bundespräsi- denten Horst Köhler mit der Ver- dienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Und in der Tat hat Franz Schorpp für KS-Träger hierzulande viel auf den Weg gebracht: Heute hat die DKSV inklusive ihrer Regionalgruppen knapp 600 Mitglieder. Fachliche Unterstützung erhält die Vereini- gung durch ihren Beirat, dem nam- hafte Ärzte und Wissenschaftler angehören, unter anderem auch Dr. Astrid Bühren aus Murnau, die bereits den Gründungsprozess der DKSV 1992 aktiv begleitet hat.

Franz Schorpp und seine Mitstrei- ter freuen sich aber auch über An- fragen „neuer“ Ärzte, also von Me- dizinern, die bisher wenige oder noch gar keine Erfahrungen mit KS-Trägern gemacht haben und dementsprechend auch noch kei- nen Kontakt zur KS-Selbsthilfever- einigung hatten. „Die Zusammen- arbeit mit jedem interessierten Arzt und jeder engagierten Ärztin ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um falsche Vorstellungen über das Klinefelter-Syndrom aus dem Weg zu räumen. Von der Auf- klärung können sowohl die Ärzte als auch wir Betroffene profitieren.“

Marion Munke (KVB)

Die geschäfts- stelle der DKsV erreichen sie te- lefonisch unter 0 94 62 / 56 73.

Weitere Informa- tionen und Kon- taktmöglichkei- ten finden sie unter www.

klinefelter.de.

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