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Leistungskatalog für den Bereich ambulante und teilstationäre erzieherische Hilfen im Kanton Basel-Landschaft

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Academic year: 2022

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Leistungskatalog für den Bereich

ambulante und teilstationäre erzieherische Hilfen im Kanton Basel-Landschaft

Kay Biesel Lukas Fellmann Sarina Ahmed

Basel, Januar 2015

Institut Kinder- und Jugendhilfe Thiersteinerallee 57 4053 Basel

T +41 61 337 27 51 F +41 61 337 27 95

kay.biesel@fhnw.ch www.fhnw.ch

Anmerkung des Amtes für Kind, Jugend- und Behindertenangebote:

Der vorliegende Leistungskatalog ist in Reaktion auf Handlungsempfehlung 7 des Be- richts über die Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft entstanden. Er zeigt die mögliche Leistungspalette ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen auf.

Die Zuständigkeit für die Ausgestaltung und Finanzierung von ambulanten erzieheri- schen Hilfen hat sich nicht geändert, auch mit dem Vorliegen dieses Berichtes gilt: Die Gemeinden können familienstützende Massnahmen gewähren. Der Kanton finanziert hingegen nur stationäre erzieherische Hilfen (Heime und Pflegefamilien). Der vorliegen- de Leitungskatalog bildet die Grundlage zur Umsetzung der Handlungsempfehlung 6 des Konzepts Kinder- und Jugendhilfe, wonach eine Gleichstellung der Finanzierung von ambulanten und stationären erzieherischen Hilfen angestrebt wird.

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2 Methodisches Vorgehen 5

3 Begriffsklärungen 8

3.1 Erzieherische Hilfen 8

3.1.1 Ambulante erzieherische Hilfen 9

3.1.2 Teilstationäre erzieherische Hilfen 10

3.1.3 Stationäre erzieherische Hilfen 10

3.2 Flexible, integrierte erzieherische Hilfen 10

4 Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz 12 5 Leistungsspektrum ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen 15

5.1 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen

in Deutschland 15

5.2 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen in

Österreich 18

5.3 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen in der

Deutschschweiz 19

6 Leistungstypen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen 26 6.1 Leistungstypen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen 26

6.1.1 Entwicklungsbegleitung und Unterstützung von Familien 27 6.1.2 Entwicklungsbegleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen 29 6.1.3 Intensive flexible Entwicklungsbegleitung und Unterstützung für Jugendliche und junge

Heranwachsende 30

6.1.4 Sozialpädagogische Tagesstrukturen 32

6.1.5 Übergangsunterstützung und -begleitung für junge Heranwachsende 34

6.1.6 Begleitete Besuche und Übergaben von Kindern 36

7 Mindeststandards für Anbieter ambulanter und teilstationärer erzieherischer

Hilfen 38

7.1.1 Qualitätsdimension „Trägerqualität“ 38

7.1.2 Qualitätsdimension „Konzeptqualität“ 39

7.1.3 Qualitätsdimension „Leitungsqualität“ 40

7.1.4 Qualitätsdimension „Personalqualität“ 41

7.1.5 Qualitätsdimension „Einrichtungs- und Raumqualität“ 41

7.1.6 Qualitätsdimension „Kosten-Nutzen-Qualität“ 42

7.1.7 Qualitätsdimension „Qualitätsmanagement“ 43

7.1.8 Qualitätsdimension „Sicherung der Rechte von Klientinnen und Klienten“ 43

7.1.9 Qualitätsdimension „Beschwerdemanagement“ 44

8 Literatur 45

9 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 48

10Anhang 49

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1 Auftrag und Zielsetzung

Im Jahr 2008 erhielt die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) des Kantons Basel- Landschaft vom Regierungsrat den Auftrag zur Einberufung und Leitung einer interdirektio- nalen Projektgruppe „Konzept Jugendhilfe Basel-Landschaft“. Die Projektgruppe sollte für den Regierungsrat einen Bericht über die Angebots- und Steuerungsstrukturen der Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft erstellen. Die Arbeitsergebnisse wurden dem Regierungsrat im September 2010 in Form des Berichts „Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel-Landschaft: Bestandesaufnahme und Entwicklungsperspektiven“ (Projektgruppe

"Konzept Jugendhilfe Basel-Landschaft" 2010) vorgelegt. Nach Beschluss des Regierungs- rates im Januar 2011 wurde im Frühjahr 2011 ein Konsultationsverfahren durchgeführt. Die Ergebnisse dieses Verfahrens wurden im Bericht „Kinder- und Jugendhilfe im Kanton Basel- Landschaft: Zehn Handlungsempfehlungen“ (Projektgruppe "Konzept Kinder- und Jugendhilfe Basel-Landschaft" 2012) zusammengefasst.

Im Mittelpunkt des folgenden Berichts steht die Handlungsempfehlung 7 aus dem Bericht,

„Leistungskatalog ambulante Kinder- und Jugendhilfe“:

„Die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion wird beauftragt, für die ambulante Kinder- und Jugendhilfe als Grundlage für die gesetzliche Verankerung […] einen Leis- tungskatalog mit Umfang der Leistungen, Qualitäts- und Strukturkriterien, Kosten und Anforderungen an die Anbieter für Angebote der ambulanten Kinder- und Ju- gendhilfe vorzulegen. Der Schwerpunkt soll dabei auf familiennahe und -unterstützende Leistungen gelegt werden“ (ebd., S. 5 u. 39).

Im Rahmen eines Auftragsklärungsgesprächs im Februar 2014 zwischen dem Amt Kind, Jugend und Behindertenangebote (AKJB) und dem Institut Kinder- und Jugendhilfe (IKJ) der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW wurden Anpassungen an der Handlungsempfehlung 7 vereinbart. Die Bezeichnung „ambulante Kinder- und Jugendhilfe“ schliesst teilstationäre Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe aus. Der Katalog sollte jedoch familiennahe, -unterstützende und -ergänzende Leistungen bzw. „ein breites Spektrum […] von intensiven Formen bis hin zu eher niederschwelligen familienunterstützenden Diensten und Angeboten“

(ebd., S. 37) beschreiben. Sie sollen in den lebensweltlichen Kontexten von Familien reali- siert werden und Eltern bei der Erziehung und Förderung ihrer Kinder unterstützen. „Primär“

sollen sie „auf die (Wieder-)Herstellung der Kommunikations- und Handlungsfähigkeit der in Familien zusammenlebenden Personen“ und der „Sicherung der Alltagsbewältigung (z. B. in Krisenzeiten, Zeiten vorübergehender elterlicher Abwesenheiten etc.) zielen“ (ebd., S. 38).

Beide Zielstellungen entsprechen der Idee und dem Konzept der Hilfen zur Erziehung bzw.

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der erzieherischen Hilfen (vgl. Macsenaere et al. 2014)1. Deshalb wurde die Bezeichnung

„ambulante Kinder- und Jugendhilfe“ aufgegeben und durch den Begriff „ambulante und teilstationäre erzieherische Hilfen“ ersetzt. Die Idee, Vorschläge zur Finanzierung von ambu- lanten und teilstationären erzieherischen Hilfen zu entwickeln bzw. Aussagen dazu zu tref- fen, welche Kosten mit ihrer Regelung in der kantonalen Sozialhilfegesetzgebung für Kanton und Gemeinden verbunden wären, wurde verworfen. Sie soll im Zuge des Gesetzgebungs- verfahrens weiterverfolgt werden.

Der Leistungskatalog soll als Grundlage für die gesetzliche Verankerung sowie eine syste- matische und qualitätsorientierte Zulassung und Anerkennung von Anbietern von ambulan- ten und teilstationären erzieherischen Hilfen im Kanton Basel-Landschaft dienen. Entspre- chend der bereits bestehenden kantonalen Verordnung für stationäre Leistungen erzieheri- scher Hilfen,2 soll er für die Erstellung einer kantonalen Verordnung für die Anerkennung und Bewilligung von Anbietern ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen herangezogen werden. Neben einer Definition der Leistungstypen „ambulante erzieherische Hilfen“ bzw.

„teilstationäre erzieherische Hilfen“ und der Benennung von Angeboten, die diesen Leis- tungstypen jeweils zuzuordnen sind, umfasst der Leistungskatalog auch deren Struktur- und Qualitätsmerkmale. Zudem benennt er Mindeststandards, die von Anbietern erfüllt werden müssen, um mit dem Kanton Leistungsvereinbarungen über die Erbringung von ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen abschliessen zu können. Diese Mindeststandards enthalten u. a. Hinweise zur Qualifikation der Mitarbeitenden, zum Methodenrepertoire, zu Konzepten und Leitbildern, zu Qualitätsdimensionen und Instrumenten des Qualitätsmana- gements.

1 In Deutschland werden Hilfen zur Erziehung seit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes in den Jahren 1990/1991 sorgeberechtigten Eltern gewährt, „wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Er- ziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist“ (Wiesner 2014, S. 52).

Hilfen zur Erziehung beinhalten „ein breites Spektrum individueller pädagogischer und therapeutischer Massnahmen“

(ebd.). Sie haben zum Ziel, die individuelle und soziale Entwicklung des Kindes zu fördern und soziale Benachteiligun- gen abzubauen bzw. zu vermeiden (vgl. § 1 SGB VIII).

2 Verordnung über die Kinder- und Jugendhilfe vom 3. Dezember 2013. In Kraft seit 1. Januar 2014.

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2 Methodisches Vorgehen

Methodisch wurde das Projekt „Leistungskatalog für den Bereich ambulante und teilstationä- re erzieherische Hilfen“ in einem mehrschrittigen Vorgehen realisiert.

Schritt 1: Bestimmung formaler und inhaltlicher Eckpunkte des Leistungskatalogs

Auftraggeberin und Auftragnehmerin stimmten sich im Rahmen einer Sitzung (6. Mai 2014) über den Aufbau und Inhalt des Leistungskataloges sowie über eine Arbeitsdefinition zu

„ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen“ ab. Sie erörterten auf der Grundlage von Vorarbeiten der Auftragnehmerschaft folgende Fragen miteinander:

 Was sind erzieherische Hilfen? Was unterscheidet ambulante von teilstationären er- zieherischen Hilfen?

 Welche Leistungstypen zählen zu den ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen?

 Welches sind primäre Zielgruppen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hil- fen?

 Welche Indikationen führen zur Inanspruchnahme von ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen?

 Welche Ziele sollen mit ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen erreicht werden?

 Welche Wirkungen sollen mit ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen erzeugt werden?

Schritt 2: Sichtung und Analyse vorhandener Anbieter ambulanter und teilstationärer erziehe- rischer Hilfen in der Deutschschweiz, insbesondere in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt, sowie relevanter Fachliteratur

In einem zweiten Schritt wurde eine Recherche zu Anbietern von ambulanten und teilstatio- nären erzieherischen Hilfen und ihren einschlägigen Angeboten in der Deutschschweiz durchgeführt. Die Recherche war an folgenden Fragestellungen orientiert:

 Welche Träger in der Deutschschweiz bieten ambulante und teilstationäre erzieheri- sche Hilfen an? Wie sind diese Trägerinstitutionen aufgebaut und organisiert?

 Welches sind die konkreten Angebote dieser Träger? Wodurch zeichnen sie sich aus (Leistungstyp, Zielgruppe, Ziele und angestrebte Wirkungen, Qualifikation des Perso- nals, fachliche Prinzipien, Methodeneinsatz, Leistungsumfang, Dokumentation und Berichtswesen, räumliche und sächliche Ausstattung, Qualitätssicherung usw.)?

Zur Klärung dieser Fragen wurde eine Online-Recherche durchgeführt, wobei die Datenban- ken www.heiminfo.ch (Kinder- und Jugendheime in der Schweiz) und www.sodk.ch (Einrich- tungen, die der Interkantonalen Vereinbarung für Soziale Einrichtungen [IVSE] unterstellt sind) sowie die Suchmaschine www.google.ch verwendet wurden. Anhand der Datenbanken auf www.heiminfo.ch und www.sodk.ch konnten Einrichtungen der Kantone Basel-Stadt und

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Basel-Landschaft identifiziert werden. Anschliessend wurde auf den Webseiten der Anbieter nach ambulanten und teilstationären Angeboten erzieherischer Hilfen gesucht. Darüber hinaus wurde relevante Fachliteratur gesichtet und analysiert, um weitere Hinweise zu Leis- tungstypen und Mindeststandards im Bereich ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen zu erhalten.Die Literaturrecherche war auf den deutschsprachigen Raum beschränkt.

Schritt 3: Erhebung und Analyse lokaler Wissensbestände und fachlicher Prämissen lokaler Praxis

Um die Recherche durch Wissensbestände und die Perspektive lokaler Schlüsselpersonen zu erweitern, wurden zusätzlich ExpertInneninterviews mit Fachpersonen von relevanten Trägern erzieherischer Hilfen durchgeführt. Interviewt wurden:

 die Gesamtleitung einer dezentral organisierten Einrichtung mit breitem Spektrum ganz unterschiedlicher Leistungen im Bereich Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Baden-Württemberg (D);

 die Leitung eines Anbieters von sozialpädagogischer Familienbegleitung im Kanton Basel-Landschaft und in den angrenzenden Gemeinden;

 die Leitung einer Einrichtung, die derzeit im Rahmen eines Modellprojekts im Kanton Bern die sozialpädagogische Grundversorgung in einem klar definierten Teilgebiet des Kantons gemäss der übergeordneten Prämisse Bedarfsorientierung mit Leistun- gen im Bereich erzieherischer Hilfen abdeckt.

Aufgrund der Erkenntnisse aus diesen ExpertInneninterviews wurden Leistungstypen und Zielgruppen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen weiter eingegrenzt und Mindeststandards mit Blick auf die Erbringung dieser Leistungen detailliert erfasst. Zudem wurden Hinweise, die auf notwendige Weiterentwicklungen im Bereich ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen hindeuteten, zur inhaltlichen Ausdifferenzierung des Leistungskatalogs herangezogen.3

Schritt 4: Erarbeitung und Abstimmung eines Entwurfs für den Leistungskatalog mit der Auftraggeberin

Auf Grundlage der Rechercheergebnisse und der Erkenntnisse aus den ExpertInneninter- views erarbeitete die Auftragnehmerin einen Entwurf des Leistungskatalogs. Dieser Entwurf wurde zwischen Auftraggeberin und Auftragnehmerin im Rahmen einer Sitzung am 2. Okto- ber 2014 diskutiert. An der Sitzung nahm auch der Stab Recht der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) Basel-Landschaft teil.

Schritt 5: Überarbeitung des Entwurfs für den Leistungskatalog, Organisation und Durchfüh- rung eines Feedback-Workshops

Der Leistungskatalog wurde anschliessend von der Auftragnehmerin unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge der Auftraggeberin überarbeitet und im Rahmen eines Feedback-

3 Die ExpertInneninterviews wurden in Anlehnung an die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet und mit Blick auf zentrale Aspekte sondiert.

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Workshops am 18. November 2014 relevanten Stakeholdern vorgestellt. An diesem halbtä- gigen Workshop nahmen 16 Personen teil.

Die Stakeholder äusserten sich bei dieser Gelegenheit zum Aufbau und zu den Inhalten des Leistungskatalogs, namentlich zu folgenden Fragen:

 Fehlen im Katalog Leistungstypen?

 Sind die Leistungstypen richtig voneinander abgegrenzt?

 Sind Zielgruppen im Katalog unberücksichtigt geblieben?

 Sind die im Katalog enthaltenen Mindeststandards realistisch gesetzt?

 Werden die Leistungstypen und Mindeststandards konkret genug beschrieben?

Schritt 6: Finale Erarbeitung und Abgabe des Leistungskatalogs

Auf der Grundlage der Ergebnisse aus dem Feedback-Workshop überarbeitete die Auftrag- nehmerin den Leistungskatalog und nahm im Rahmen einer Sitzung am 9. Dezember 2014 letzte Veränderungsvorschläge der Auftraggeberin entgegen.

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3 Begriffsklärungen

Im Rahmen mehrerer Sitzungen verständigten sich Auftragnehmerin und Auftraggeberin über Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Kapitel 4) und über Arbeitsdefinitio- nen zu den Begriffen „erzieherische Hilfen“, „ambulante erzieherische Hilfen“ und „teilstatio- näre erzieherische Hilfen“. In der Auseinandersetzung über Aufgabe und Funktion erzieheri- scher Hilfen näherten sich beide Parteien einem gemeinsamen Begriffsverständnis an. Sie verständigten sich darüber, dass erzieherische Hilfen ein sozialstaatliches Angebot der Kinder- und Jugendhilfe seien, das Minderjährigen und deren Sorgeberechtigten (i.d.R. die Eltern)4 offensteht, wenn erzieherischer Bedarf angezeigt ist und eine Erziehung zum Wohle des Minderjährigen von seinen Eltern oder anderen Personen des Familiensystems nicht gewährleistet werden kann (vgl. Moch 2011, S. 619). Der Fokus liegt dabei auf der Er- schliessung von Ressourcen und der Vermittlung von Kompetenzen zum Wohle des oder der Minderjährigen. Erzieherische Hilfen zielen darauf ab, Minderjährige (Kinder, Jugendliche und junge Heranwachsende) und ihre Familien oder Eltern bei der Bewältigung von Alltags- und Lebensführungsproblemen, von schwierigen und konfliktreichen Lebenssituationen und von besonderen Belastungen zu unterstützen. Sie sollen einerseits externe Ressourcen verfügbar machen, andererseits die Weiterentwicklung und Stärkung der im Familiensystem selbst vorhandenen Bewältigungspotenziale fördern. Auf diese Weise tragen erzieherische Hilfen dazu bei, die Kommunikations- und Handlungsfähigkeit der in Familien lebenden Personen (wieder-)herzustellen und deren Alltagsbewältigung sicherzustellen (vgl.

Projektgruppe "Konzept Kinder- und Jugendhilfe Basel-Landschaft" 2012, S. 38). Erzieheri- sche Hilfen werden somit nicht dazu herangezogen, Minderjährige und ihre Familien zu sanktionieren oder zu disziplinieren (vgl. Wolf 2002, S. 631), sondern um ihre soziale Teil- habe zu sichern und zu ermöglichen (vgl. Kaufmann 2005, S. 75).

Ausgehend von dieser Begriffsauffassung, werden im Folgenden die Begriffe „erzieherische Hilfen“, „ambulante erzieherische Hilfen“ und „teilstationäre erzieherische Hilfen“ weiter definiert. Sie werden ergänzt um die Begriffe „stationäre erzieherische Hilfen“ und „flexible, integrierte erzieherische Hilfen“.

3.1 Erzieherische Hilfen

Der Begriff „erzieherische Hilfen“ bezeichnet eine Gruppe von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützen. Die Gewährung jeglicher erzieherischer Hilfen setzt einen erzieherischen Bedarf voraus, der im Vorfeld geprüft und festgestellt werden muss. Erzieherische Hilfen richten sich an Minderjährige, an Eltern oder an die ganze Familie. Sie unterstützen Minderjährige und ihre Familien oder Eltern bei der

4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text oft von „Eltern“ gesprochen. Dabei sind auch andere Personen gemeint, die Erziehungs- oder Sorgeaufgaben wahrnehmen.

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Bewältigung von Problemen des Alltags oder der Lebensführung, von schwierigen und konfliktreichen Lebenssituationen sowie besonderen bzw. mehrfachen Belastungen. Erziehe- rische Hilfen unterscheiden sich von anderen Angeboten und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe dadurch, dass sie in der Regel mit intensiven Eingriffen in die Autonomie und Lebensführung von Kindern und deren Familien verbunden sind. Allerdings gibt es auch innerhalb der Gruppe der erzieherischen Hilfen teilweise erhebliche Intensitätsunterschiede, je nachdem, ob es sich zum Beispiel um ambulante, teilstationäre oder stationäre Angebote handelt.

Ein Bedarf an erzieherischen Hilfen liegt vor, wenn Eltern (zu einem gegebenen Zeitpunkt) nicht über genügend Kompetenzen und Ressourcen verfügen, um den oder die Minderjähri- ge angemessen zu erziehen, zu bilden und zu fördern.5 Erzieherische Hilfen werden Eltern gewährt, wenn diese bei der Erziehung, Bildung und Förderung ihres Kindes Unterstützung benötigen und wenn davon auszugehen ist, dass ohne Unterstützung die Entwicklung des Kindes innerhalb oder ausserhalb der Familie gefährdet wäre. Erzieherische Hilfen sollte auch jungen Heranwachsenden im Alter von 18 bis zum vollendeten 21. Lebensjahr6 ge- währt werden, wenn davon auszugehen ist, dass solche Hilfen sie bei der Verselbstständi- gung unterstützen und ihre soziale Teilhabe in der Gesellschaft auf lange Frist sichern (vgl.

§ 28 SHG Basel-Landschaft).

3.1.1 Ambulante erzieherische Hilfen

Ambulante erzieherische Hilfen zielen darauf ab, unter Berücksichtigung der jeweils gegebe- nen Lebensumstände und unter Einbezug relevanter Bezugspersonen Minderjährige und Familien bei der Bewältigung von Alltags- und Lebensführungsproblemen, von schwierigen und konfliktreichen Lebenssituationen sowie besonderen Belastungen zu unterstützen und zukünftigen Lebens- und Entwicklungsproblemen entgegenzuarbeiten. Sie können im Ideal- fall die Aufwachsbedingungen von Minderjährigen so weit verbessern helfen, dass Fremd- unterbringungen nicht oder seltener erforderlich werden.

Ambulante erzieherische Hilfen sind als Setting dadurch gekennzeichnet, dass sie in den bestehenden Alltag der Minderjährigen und/oder ihrer Familien eingepasst sind. Der Leis- tungstyp integriert „Komm- und Geh-Strukturen“. Ambulante erzieherische Hilfen können

5 Bedingung für die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung ist in der Regel eine professionell durchgeführte Indikation durch eine dafür autorisierte Stelle. Im Kanton Basel-Landschaft sind die autorisierten indizierenden Stellen in der Ver- ordnung über die Kinder- und Jugendhilfe in § 25 aufgelistet. In der Verordnung über die Kinder- und Jugendhilfe vom 3. Dezember 2013 (in Kraft seit 1. Januar 2014) sind folgende Stellen für die Durchführung von Indikationen autorisiert:

die Sozialdienste der Gemeinden; die Beratungsstelle der Stiftung Mosaik; die Sozialberatung der Birmann-Stiftung; die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Falle einer kinder- und jugendpsychiatrischen Indikation; der Schulpsychologische Dienst im Falle einer sonderschulischen Indikation; das Amt für tageweise Aufenthalte behinderter Kinder und Jugendli- cher zur Entlastung der Erziehungsberechtigten, auf Antrag derselben.

6 Im fachlichen Diskurs wird hingegen für eine Verschiebung der Grenzen zwischen Jugendalter und Erwachsenenleben plädiert und das 25. Lebensjahr als das neue 21. Lebensjahr ausgewiesen (vgl. Zeller 2014, S. 154). Der zeitliche Hori- zont bis zum 21. Lebensjahr entspricht insofern nicht mehr der Realität des heutigen Übergangs ins Erwachsenenleben.

Er wurde aber aufgegriffen, weil er an die derzeitige Sozialhilfegesetzgebung des Kantons Basel-Landschaft anschluss- fähig ist.

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also sowohl im direkten sozialen Umfeld der LeistungsempfängerInnen (z. B. am Wohnort der Familie; an den Spielorten des Kindes usw.) als auch in Räumlichkeiten des Leistungs- anbieters (z. B. in Beratungsräumen) erbracht werden.

Ambulante erzieherische Hilfen können sich an Eltern oder an Minderjährige richten. Sie können familien- oder kindzentriert und auf die Einzelperson oder auf Gruppen ausgerichtet sein. Je nach individuellen Gegebenheiten ist der Beratungsanteil hoch. Im Unterschied zu institutionalisierten Beratungsangeboten wie z. B. der Mütter- und Väterberatung oder der Jugend-, Ehe- und Familienberatung ist der Zugang zu diesen Angeboten aber weniger niederschwellig.

3.1.2 Teilstationäre erzieherische Hilfen

Teilstationäre erzieherische Hilfen zielen darauf ab, die individuelle und soziale Entwicklung von Minderjährigen zu fördern und Eltern in der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwor- tung partiell zu entlasten und gleichzeitig auf einen Förderbedarf des Kindes zu antworten.

Konzeptionell sind teilstationäre erzieherische Hilfen dadurch gekennzeichnet, dass sie auf Minderjährige fokussiert sind und regelmässig an einigen Stunden pro Tag in einer Einrich- tung des Trägers erbracht werden. Es kann sich um Gruppen- oder Einzelangebote handeln.

Übernachtungen in der Einrichtung sind nicht vorgesehen.

3.1.3 Stationäre erzieherische Hilfen

Stationäre erzieherische Hilfen haben zum Ziel, die individuelle und soziale Entwicklung von Kindern ausserhalb ihrer Familien zu fördern. Solche Hilfen sind dann angezeigt, wenn Eltern in ihrem Alltag mit massiven Problemen und Konflikten konfrontiert und nicht mehr in der Lage sind, in ihrer häuslichen Lebensumgebung für ihr Kind angemessen zu sorgen.

Konzeptionell sind stationäre erzieherische Hilfen dadurch gekennzeichnet, dass sie über Tag und Nacht in einer Heimeinrichtung oder in einer anderen betreuten Wohnform erbracht werden. Auch die Familienpflege zählt zu den stationären erzieherischen Hilfen (vgl. Schnurr 2014, S. 3).

3.2 Flexible, integrierte erzieherische Hilfen

Ziel flexibler, integrierter erzieherischer Hilfen ist es, zeitnah und unkonventionell auf die Bedarfslagen von Kindern und ihren Familien reagieren zu können. Es soll gewährleistet sein, dass bereits bestehende Typen und Formen erzieherischer Hilfen nicht darüber be- stimmen, welche Unterstützung Minderjährige und ihre Eltern erhalten. Damit verbunden ist der Anspruch, zwischen verschiedenen stationären, teilstationären und ambulanten erziehe- rischen Hilfen im Bedarfsfall flexibel wechseln zu können. Flexible, integrierte erzieherische Hilfen sind als Reaktion auf die in Deutschland kritisch beobachtete Spezialisierung im Bereich erzieherischer Hilfen in der Kinder- und Jugendhilfe entstanden. Das Konzept basiert auf der Annahme, dass komplexe Bedarfs- und Problemlagen individuelle Antworten der Kinder- und Jugendhilfe, sprich passgenaue und massgeschneiderte Hilfearrangements benötigen.

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Für eine konsequente Umsetzung von flexiblen, integrierten erzieherischen Hilfen müssen bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein. Solche Angebote setzen grundsätzlich flexible Organisationen voraus, in denen grössere Teams in flachen Hierarchien arbeiten und kom- munizieren und entsprechend organisationsintern flexibel und zeitnah auf Bedarfe reagieren können. Sie benötigen ferner flexible Formen der Finanzierung, des Controllings und der Dokumentation. Was es ebenfalls braucht, sind gute Zusammenarbeitsstrukturen und fortlau- fende Absprachen zwischen Trägern, Diensten und Behörden (vgl. Peters/Hamberger 2004, S. 49)7.

7 CURAVIVA hat dazu in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule ein Werkstattbuch vorgelegt. Es will Wege aufzeigen, wie ein Paradigmenwechsel in der schweizerischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe umgesetzt werden kann (vgl. CURAVIVA/Berner-Fachhochschule 2010).

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4 Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz

Minderjährige und Familien sind in unterschiedliche Strukturen und Bedingungen eingebet- tet. Sie verfügen über unterschiedliche Ressourcenausstattungen und -zugänge, um Heraus- forderungen und Problemen zu begegnen. Auf gleiche oder ähnliche Problemlagen können sich deshalb je nach fallspezifischem Unterstützungsbedarf unterschiedliche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe als angemessen erweisen. Ein Kinder- und Jugendhilfesystem8 verfügt idealerweise über eine breite Palette von Leistungen und über ausgebildetes Fach- personal, damit auf die Vielfalt von individuellen Bedarfslagen angemessen und wirksam geantwortet werden kann (vgl. Schnurr 2012, S. 68).

Schnurr (vgl. ebd.) gliedert die Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz in folgende fünf Bereiche:

Abbildung 1 Grundleistungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Schweiz

Zunahme der Eingriffsintensität

Angebote zur allgemeinen Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien: Kinder- und Jugendarbeit; familien- und schulergänzende Kinderbetreuung; Elternbildung.

Beratung und Unterstützung zur Bewältigung allgemeiner Herausforderungen und schwieriger Lebenslagen: Beratung und Unterstützung für Eltern; Beratung und Unterstüt- zung für Kinder und Jugendliche; Schulsozialarbeit; Krisenberatung.

Ergänzende Hilfen zur Erziehung: Aufsuchende Familienarbeit wie z. B. sozialpädagogische Familienbegleitung; Heimerziehung; Pflegefamilien.

Die Grundleistungen eines Kinder- und Jugendhilfesystems können mithilfe unterschiedlicher Kriterien aufgeteilt werden. Schnurrs Gliederung orientiert sich daran, wie intensiv eine Leistung in eine bestehende Lebenssituation eingreift. Zusätzlich unterscheidet er die beiden

8 Mit dem Begriff „Kinder- und Jugendhilfe“ wird der Handlungsbereich in modernen Wohlfahrtsstaaten bezeichnet, mit dem zusätzlich zur Schule und zu privaten Leistungen die sozialen Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen gestaltet werden (vgl. Schnurr 2012, S. 68).

Abklärung: Als problematisch wahrgenommene Situationen erfassen, verstehen und beurtei- len, als Grundlage für das Treffen von begründeten Entscheidungen.

Fallführung: Koordination und Steuerung von Fällen durch eine Fachperson.

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Grundleistungen Abklärung und Fallführung. Im folgenden Abschnitt wird auf die ersten drei Grundleistungen eingegangen.

Am geringsten ist die Eingriffsintensität bei Angeboten zur „allgemeinen Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien“. Angebote dieser Grundleistung sind die verbandliche und die offene Kinder- und Jugendarbeit, familien- und schulergänzende Kinderbetreuung und die Elternbildung. Diese Angebote zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie niederschwellig angelegt sind, freiwillig in Anspruch genommen und in der Regel flächende- ckend angeboten werden.

Im Grundleistungsbereich „Beratung und Unterstützung zur Bewältigung allgemeiner Heraus- forderungen und schwieriger Lebenslagen“ spielt Beratung eine zentrale Rolle. Beratungs- angebote können sich an Kinder und/oder Jugendliche richten. Das Spektrum der Probleme, die zur Inanspruchnahme von Beratung durch Kinder oder Jugendliche führen, ist sehr breit;

es reicht von Alltagsproblemen über Konflikte in der Familie, psychosoziale und emotionale Probleme, Sucht, Isolation bis hin zu Problemen und Konflikten in der Arbeit oder der Ausbil- dung, Sexualität oder Freundschaft. Beratungen können face-to-face (auch aufsuchend), telefonisch oder internetbasiert stattfinden. Es gibt Beratungsstellen mit unspezifischer thematischer Ausrichtung und solche mit spezifischem Zuschnitt (vgl. Schnurr 2012, S. 76f.).

In diesen Grundleistungsbereich fällt auch die Schulsozialarbeit. Neben Einzel- und Grup- penberatung schafft die Schulsozialarbeit u. a. projektförmige Lern- und Bildungsgelegenhei- ten ausserhalb des Unterrichts (vgl. ebd., S. 78).

Beratungsangebote können sich auch an Eltern bzw. Erziehende richten. Dabei geht es in der Regel um die vielfältigen Herausforderungen und Probleme im Zusammenhang mit der Erziehung und dem Familienleben. Grob kann unterschieden werden zwischen Beratungs- angeboten mit allgemeiner Orientierung (z. B. Familienberatung oder Erziehungsberatung) und Angeboten, die sich auf spezielle Lebenslagen beziehen (z. B. Trennungs- und Schei- dungsberatung, Beratung von Eltern in Partnerschaftskonflikten oder Elternberatung bei Schwangerschaft oder Geburt) (vgl. ebd., S. 79f.).

Im Gegensatz zum ersten Grundleistungsbereich (geringste Eingriffsintensität) liegt bei den Leistungen dieses Bereichs in der Regel ein konkreter Problembezug vor, der zur Inan- spruchnahme der Beratung führt. Grundsätzlich kann Beratung freiwillig in Anspruch ge- nommen werden. Es kann jedoch aus fachlicher Sicht auch geboten sein, Klientinnen und/oder Klienten dazu zu verpflichten, Beratung in Anspruch zu nehmen. Dies trifft insbe- sondere in Kindesschutzfällen zu (vgl. ebd., S. 76).

Die höchste Eingriffsintensität weisen die „ergänzenden Hilfen zur Erziehung“ auf. Mit dem Begriff „ergänzend“ wird darauf Bezug genommen, dass Hilfen zur Erziehung immer als Ergänzung zur Erziehung, die durch die Eltern geleistet wird, zu verstehen sind und diese nicht oder höchstens vorübergehend ersetzen. Diese Leistungen können gegliedert werden in ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfen zur Erziehung. Die im vorliegenden Leis- tungskatalog beschriebenen Leistungstypen ambulanter und teilstationärer erzieherischer

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Hilfen (vgl. Kapitel 6) können in der Gliederung von Schnurr im Bereich der „ergänzenden Hilfen zur Erziehung“ verortet werden.

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5 Leistungsspektrum ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen

5.1 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen in Deutschland

Das Feld der erzieherischen Hilfen ist in Deutschland umfangreich aufgearbeitet (vgl. statt vieler: Macsenaere et al. 2014). Es lässt sich eine Fülle von Angaben über ambulante und teilstationäre erzieherische Hilfen finden; im Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) wird der Begriff

„Hilfen zur Erziehung“ verwendet (vgl. § 27 Abs. 1 SGB VIII). Erzieherische Hilfen sind in Deutschland angezeigt, wenn eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung nicht mehr oder teilweise nicht mehr alleine durch die Eltern oder die Personensorgeberechtigten oder durch andere Dritte gewährleistet werden kann. Das Ziel erzieherischer Hilfen besteht darin, die Betroffenen so zu unterstützen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende Erziehung wieder gewährleistet ist. Die Hilfeform und die Dauer der Hilfe sind vom erzieherischen Bedarf im Einzelfall abhängig (Bringewat 2014, S. 179ff.; Wiesner 2014, S. 52). Im Gesetz werden Beispiele von Leistungstypen ambulanter, teilstationärer und stationärer erzieheri- scher Hilfen genannt. „Es enthält keinen abschliessenden Katalog der im Einzelfall geeigne- ten“ (Wiesner 2014, S. 53) und notwendigen erzieherischen Hilfen. Zu den bekanntesten und im SGB VIII gesetzlich verankerten ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen zählen:

 Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII),

 soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII),

 Erziehungsbeistandschaft und Betreuungshelfer (§ 30 SGB VIII),

 sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII),

 Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII),

 intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII),

 Hilfe für junge Volljährige/Nachbetreuung (§ 41 SGB VIII).

Im Folgenden wird auf wesentliche Merkmale der genannten ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen eingegangen.

Tabelle 1 Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII – Merkmale (vgl. Nitsch 2014)

Interventionsort ambulantes Setting: Durchführung in Beratungsstellen, bei Beratungsdiensten und in Beratungseinrichtungen Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

individuelle und familienbezogene Probleme

Erziehungsschwierigkeiten

Trennung und Scheidung Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

Kinder, Jugendliche, Eltern und andere Erziehungs- und Personensorgeberechtigte

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Zielsetzungen und angestrebte Wirkungen

Klärung und Bewältigung individueller und familien- bezogener Probleme

Lösung von Erziehungsfragen

Unterstützung bei Trennung und Scheidung Durchschnittliche

Interventionsdauer

Beratungsprozess durchschnittlich fünf Monate, aber grosse Spannbreite von einem Gespräch bis zu einem Beratungsprozess über mehrere Jahre

Zugang niederschwellig, keine Hilfegewährung durch eine vorge- lagerte Behörde, gebührenfrei für Kinder, Jugendliche und Eltern

Tabelle 2 Soziale Gruppenarbeit § 29 SGB VIII – Merkmale (vgl. Pluto/van Santen 2014) Interventionsort ambulantes Setting: Durchführung in sozialpädagogi-

schen Einrichtungen Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensprobleme von älteren Kindern und Jugendlichen

Probleme in der Schule

Probleme in der Herkunftsfamilie Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

ältere Kinder und Jugendliche; mittlerweile aber auch Kinder im Alter von 6 bis 9 Jahren;

soziales Lernen in der Gruppe Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

Überwindung von Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensproblemen

Förderung des sozialen Lernens in der Gruppe Interventionsdauer in der Regel zwischen drei und sechs Monaten mit

wöchentlichen oder vierzehntäglichen Gruppentreffen, z.T. verbunden mit Gruppenfahrten; Variationen je nach Konzept und Zielgruppe

Zugang hochschwellig, Hilfegewährung bei Feststellung eines erzieherischen Bedarfs

Tabelle 3 Erziehungsbeistand und Betreuungshelfer § 30 SGB VIII – Merkmale (vgl. Kaiser 2014) Interventionsort ambulantes Setting: Wohnung bzw. soziales Umfeld des

Kindes oder der/des Jugendlichen Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

Entwicklungsprobleme Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

Kind oder Jugendliche/r; in der Regel im Alter zwischen 14 und 18 Jahren

Zielsetzungen und angestrebte Wirkungen

Bewältigung von Entwicklungsproblemen

Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie

Förderung der Persönlichkeitsentwicklung

Förderung der Verselbstständigung

Interventionsdauer k. A.; in der Regel zwischen drei und zwölf Monaten mit regelmässigen wöchentlichen Kontakten

Zugang hochschwellig, Hilfegewährung bei Feststellung eines erzieherischen Bedarfs

(17)

Tabelle 4 Sozialpädagogische Familienhilfe § 31 SGB VIII – Merkmale (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2014) Interventionsort ambulantes Setting: Wohnung bzw. soziales Umfeld der

Familie Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

Erziehungsprobleme

Alltagsprobleme

Konflikte und Krisen in Familien Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

Multi-Problem-Familien Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

intensive Betreuung und Begleitung von Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltags- problemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen

Hilfe zur Selbsthilfe

Interventionsdauer längere Dauer: in der Regel zwischen sechs und 24 Mo- naten – im Durchschnitt 16 Monate; fünf bis zehn Kon- taktstunden pro Woche

Tabelle 5 Erziehung in einer Tagesgruppe § 32 SGB VIII – Merkmale (vgl. Geißler 2014)

Interventionsort teilstationäres Setting: sozialpädagogische Einrichtung Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

Entwicklungsschwierigkeiten bzw. -auffälligkeiten des Kindes

Familien in besonders belastenden Lebenssituationen Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

Kind oder Jugendliche/r Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

Entlastung von Familien mit besonders belastenden Lebenssituationen

Sicherung des Verbleibs des Kindes oder der/des Jugend- lichen in der Familie

Unterstützung der Entwicklung des Kindes oder der/des Jugendlichen

soziales Lernen in der Gruppe (in der Regel sechs bis acht Kinder und Jugendliche pro Gruppe; zwei Fach- personen pro Gruppe)

schulische Förderung

Elternarbeit

Interventionsdauer abhängig vom Konzept des Trägers und den Problem- lagen des Kindes oder der/des Jugendlichen; Mindest- dauer von 24 Monaten empfohlen

Tabelle 6 Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung § 35 SGB VIII – Merkmale (vgl. Klawe 2014) Interventionsort ambulantes oder stationäres Setting: Wohnung bzw. sozi-

ales Umfeld der/des Jugendlichen und/oder Einrichtung der stationären Kinder- und Jugendhilfe und/oder erleb- nispädagogische Settings im In- oder Ausland

Anlässe, Problemlagen, Herausforderungen

aggressives Verhalten

delinquentes Verhalten

Schulverweigerung oder -abstinenz

(18)

Suchtprobleme

psychische Probleme

Trennungs- und Beziehungsprobleme der Eltern

Gewalterfahrungen in der Familie Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

sozial benachteiligte und/oder delinquente Jugendliche

unerreichbare Jugendliche Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

soziale Integration

eigenverantwortliche Lebensführung Interventionsdauer längere Dauer, zwölf bis 24 Monate

Tabelle 7 Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung § 41 SGB VIII – Merkmale (vgl. Nüsken 2014) Interventionsort ambulantes Setting: Wohnung bzw. soziales Umfeld des

jungen Volljährigen Anlässe, Problemlagen,

Herausforderungen

soziale Benachteiligungen / individuelle Beeinträchtigun- gen

mangelnde Kompetenzen zur Führung eines eigen- verantwortlichen Lebens

Probleme sozialer und/oder beruflicher Integration Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

junge Volljährige, ab 18 Jahren Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung und bei der Führung eines eigenverantwortlichen Lebens

Nachbetreuung, Unterstützung bei der Wohnungsbeschaf- fung, der Vermittlung eines Ausbildungs- und/oder Arbeitsplatzes, des Zugangs zu sozialen Leistungen usw.

Interventionsdauer orientiert am Alter des jungen Volljährigen; Hilfe in Abhängigkeit von der individuellen Situation des jungen Menschen bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres; in begründeten Einzelfällen darüber hinaus

Neben diesen klassischen ambulanten und teilstationären erzieherischen Hilfen ist im SGB VIII auch die Möglichkeit der Gewährung von flexiblen, integrierten erzieherischen Hilfen vorgesehen (vgl. § 27 Abs. 2 SGB VIII). Leistungstypen werden hier jedoch nicht näher spezifiziert. Vielmehr gilt die fachliche Prämisse der Passgenauigkeit bzw. dass Art und Umfang der Hilfe sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall richten muss.

5.2 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen in Österreich

In Österreich sind erzieherische Hilfen seit dem Jahr 2013 gesetzlich geregelt und im Bun- des-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) verankert. Im Gesetz werden fünf Erziehungs- hilfen benannt:

 Unterstützung der Erziehung (§ 25 B-KJHG),

 volle Erziehung (§ 26 B-KJHG),

 Erziehungshilfen aufgrund einer Vereinbarung (§ 27 B-KJHG),

(19)

 Erziehungshilfen aufgrund einer gerichtlichen Verfügung (§ 28 B-KJHG),

 Hilfen für junge Erwachsene (§ 29 B-KJHG).

Die Hilfen werden gewährt, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und wenn zu erwarten ist, dass die Gefährdung mit der gewählten Hilfeform abgewendet werden kann. Die genannten erzieherischen Hilfen unterscheiden sich einerseits darin, ob sie ambulant oder stationär durchgeführt werden, andererseits, ob sie freiwillig in Anspruch genommen oder gerichtlich verfügt werden. Zudem wird zwischen Unterstützung bei der Erziehung und voller Erziehung unterschieden. Der Leistungstyp „volle Erziehung“ beschreibt stationäre Formen erzieheri- scher Hilfen (Betreuung bei nahen Angehörigen, bei Pflegepersonen und in sozialpädagogi- schen Einrichtungen). Der Leistungstyp „Unterstützung bei der Erziehung“ dagegen meint ambulante erzieherische Hilfen:

Tabelle 8 Unterstützung bei der Erziehung (§ 25 B-KJHG)

Interventionsort ambulantes Setting: Wohnung bzw. soziales Umfeld des gefährdeten Kindes oder der/des Jugendlichen

Anlässe, Problemlagen, Herausforderungen

Gefährdung des Kindeswohls Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

gefährdete Kinder oder Jugendliche, die in Familien oder in anderen sozialen Umfeldern wohnen

Zielsetzungen und angestrebte Wirkungen

Abwendung der Gefährdung des Kindeswohls mittels am- bulanter erzieherischer Hilfen, Haus- oder Arztbesuchen oder Einschränkungen des Kontakts zu Personen, die das Kindeswohl gefährden

Interventionsdauer k. A. im Gesetz

Der Leistungstyp „Unterstützung bei der Erziehung“ zielt auf die Bereitstellung von ambulan- ten erzieherischen Hilfen zur Bewältigung von familiären Problemen und Krisensituationen in Familien sowie auf die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in Problemsituationen (vgl. § 16 Abs. 3 B-KJHG).

Ähnlich wie in Deutschland werden erzieherische Hilfen auch für junge Erwachsene gewährt (vgl. § 29 B-KJHG). Sie werden verfügt, „wenn zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Le- bensjahres bereits Erziehungshilfen gewährt wurden und dies zur Erreichung der im Hilfe- plan definierten Ziele dringend notwendig ist“. Sie enden mit der Vollendung des 21. Lebens- jahres.

5.3 Typen und Formen ambulanter und teilstationärer erzieherischer Hilfen in der Deutschschweiz

In der Deutschschweiz ist ein ausdifferenziertes Angebot an stationären erzieherischen Hilfen und Familienpflege vorhanden. Im ambulanten Bereich hat sich vor allem die sozial- pädagogische Familienbegleitung durchgesetzt. Andere ambulante und teilstationäre Ange- bote erzieherischer Hilfen sind hingegen in vielen Kantonen der Deutschschweiz bislang noch nicht flächendeckend etabliert (siehe auch: Projektgruppe "Konzept Jugendhilfe Basel- Landschaft" 2010, S. 5), auch wenn beobachtet werden kann, dass mittlerweile verstärkt standardisierte Programme (wie z. B. KOFA, schritt:weise u.a.) eingeführt werden.

(20)

Schnurr ordnet in seinem Grundleistungskatalog der Kinder- und Jugendhilfe unter der Kategorie der „ergänzenden Hilfen zur Erziehung“ Leistungen der aufsuchenden Familienar- beit, der Heimerziehung und Familienpflege ein. Zu weiteren ambulanten, teilstationären und/oder stationären Erziehungshilfen trifft er keine Aussagen (vgl. Schnurr 2012, S. 82-86).

Er beschreibt aber, was Merkmale und Indikationen aufsuchender Familienarbeit sind. Dem- nach ist sie angezeigt, wenn sich Familien in Konflikt- und Notlagen befinden, wenn sie die Entwicklung des Kindes nur unzureichend fördern können und eine Gefährdung des Kindes- wohls droht. Aufsuchende Familienarbeit dient der Entlastung, Beratung und Ermutigung von Familien und dem Erschliessen von Ressourcen für eine selbstständige Alltagsbewältigung bzw. Lebensführung. Ihr Ziel ist es, die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern in Fami- lien zu verbessern und Platzierungen von Kindern zu vermeiden (ebd., S. 82f.).

Tabelle 9 Merkmale aufsuchender Familienarbeit nach Schnurr (2012, S. 82f.)

Interventionsort ambulantes Setting: Wohnung bzw. soziales Umfeld von Familien

Anlässe, Problemlagen, Herausforderungen

destabilisierte Familiensituationen (durch Krankheit, Tren- nung/Scheidung, Armut, Arbeitslosigkeit, Überschuldung)

verfestigte Alltags- und Kommunikationsprobleme mit nachteiligen Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung

unzureichende Erziehungskompetenzen

Vernachlässigung und Kindesmisshandlung Typische Zielgruppen und

Interventionsebenen

Alleinerziehende und Mehrkinderfamilien

lebenspraktische Themen und Aufgaben (Ernährung, Erziehung usw.)

Armutsbewältigung

Beziehungen und Kommunikationsstile in der Familie Zielsetzungen und

angestrebte Wirkungen

Entlastung, Beratung, Ermutigung

Zugang zu Ressourcen / Erschliessung von Ressourcen

Verbesserung des Zusammenlebens in Familien

Vermeidung einer Fremdplatzierung des Kindes Interventionsdauer k. A.

Ambulante erzieherische Hilfen in Basel-Landschaft und Basel-Stadt

Die Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt verfügen über das Angebot der „sozial- pädagogischen Familienbegleitung“. Neben Trägern, die ihren Sitz im Kanton Basel- Landschaft haben, bieten auch ausserkantonale Träger ihre Dienste im Kanton Basel- Landschaft an.9 Bei der sozialpädagogischen Familienbegleitung werden Familien in ihren Erziehungsaufgaben durch eine sozialpädagogische Fachkraft unterstützt und gefördert.

Diese arbeitet über eine begrenzte Zeit hinweg mit der Familie zu Hause. Die Besuchsfre- quenzen können individuell auf die Bedürfnisse der Familien angepasst werden.

9 Gemäss Fachverband SPF sind dies HELP! For Families (Basel-Stadt), Familienimpuls (Aargau) und Sozialpädagogi- sche Familienbegleitung Christa Reisinger (Solothurn).

(21)

Das Rote Kreuz Baselland bietet das „Hausbesuchsprogramm schritt:weise“ in verschiede- nen Gemeinden des Kantons Basel-Landschaft an. Das Angebot richtet sich primär an Familien mit Kleinkindern zwischen 18 und 36 Monaten. Es unterstützt Eltern in der Erzie- hung und Förderung ihrer Kinder. Eine Hausbesucherin besucht während 18 Monaten die Familie wöchentlich (später zweiwöchentlich) und leitet die Eltern an, wie ihre Kinder spiele- risch gefördert werden können. Alle zwei Wochen finden Gruppentreffen für die Eltern statt.

Bei diesem Angebot handelt es sich um professionell begleitete Laienarbeit.

Teilstationäre erzieherische Hilfen in Basel-Landschaft und Basel-Stadt

Beide Kantone verfügen über das Angebot „begleitete Besuchstage“. Das Angebot richtet sich an Kinder getrennt lebender, geschiedener oder alleinerziehender Eltern. Es ermöglicht Kindern u. a. regelmässige Kontakte zu beiden Elternteilen und Treffen in kinderfreundlichen Räumlichkeiten. Das Angebot dient dem Wohl des Kindes, weil es Eltern, die sich in Tren- nungs- und Scheidungsprozessen befinden, dabei unterstützt, ihre gemeinsame Verantwor- tung für das Aufwachsen des Kindes weiterhin partnerschaftlich wahrzunehmen. Begleitete Besuchstage kommen vor allem dann infrage, wenn Eltern Unterstützung bei der Umsetzung des Besuchsrechts benötigen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, wie zum Beispiel anhaltende Partnerschaftskonflikte, Gewalterfahrungen in der Paarbeziehung, mangelndes Vertrauen in die Erziehungskompetenzen der Ex-Partnerin/des Ex-Partners, Angst davor, das Kind an die Ex-Partnerin/den Ex-Partner zu verlieren. Begleitete Besuchstage sind aber auch dann sinnvoll, wenn Elternteile mit der Gestaltung des Besuchstages überfordert sind oder wenn die notwendigen Rahmenbedingungen fehlen. Das Angebot ist zeitlich befristet und wird in der Regel nach sechs bis zwölf Monaten auf seine Notwendigkeit und Eignung überprüft.

Der Kanton Basel-Landschaft verfügt auch über ein teilstationäres Tagesstrukturangebot

„Take off“, für Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 24 Jahren. Es umfasst vier verschie- dene Programme. Das Angebot richtet sich an Jugendliche, die Abbrüche in ihrer schuli- schen Laufbahn oder in der Ausbildung erlebt haben, die sich in einer belasteten familiären Situation befinden, die psychische Auffälligkeiten, Suchtverhalten oder delinquentes Verhal- ten zeigen und/oder keine oder zu wenig Tagesstruktur haben.

Das Kinderhaus Gellert und das Schifferkinderheim führen je ein teilstationäres Betreuungs- angebot. Unter „teilstationär“ wird dabei verstanden, dass Kinder einige Tage pro Woche im Heim betreut werden und dort auch übernachten. Diese Angebote dienen der Entlastung der Eltern. Nach unserer Definition gelten diese Angebote allerdings nicht als „teilstationäre erzieherische Hilfen“, sondern als stationäre Angebote.

(22)

Tabelle 10 Übersicht über Ergebnisse der Angebotsrecherche mit Fokus auf den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt

Angebot Typ Träger Kanton

Sozialpädagogische Familienbe- gleitung

ambulant Sozialpädagogische

Familienbegleitung Baselland

Einzelunternehmer/innen

BL

schritt:weise Hausbesuchspro- gramm

ambulant Rotes Kreuz Baselland BL

Begleitete Besuchstage

teilstationär Begleitete Besuchstage Baselland BL Tagesstruktur

„Take off“

teilstationär Stiftung Jugendsozialwerk BL Sozialpädagogische

Familienbegleitung

ambulant HELP! For Families BS

Begleitete Besuche und Überga- ben

teilstationär Begleitete Besuchstage Baselstadt BS Teilstationäre Betreuung teilstationär Kinderhaus Gellert*

Schifferkinderheim*

BS

*Das Kinderhaus Gellert und das Schifferkinderheim weisen auf ihrer Website je ein teilstationäres Angebot aus.

Im Sinne der Definition, die in diesem Bericht vorgenommen wurde, handelt es sich jedoch nicht um teilstationäre Angebote, weil ein- oder mehrmals in der Einrichtung übernachtet wird.

Ambulante erzieherische Hilfen in der restlichen Deutschschweiz

Im ambulanten Bereich ist der am meisten verbreitete Angebotstyp die „sozialpädagogische Familienbegleitung“.

Ein der sozialpädagogischen Familienbegleitung nahe stehendes Angebot ist die „Familien- stabilisierung und -aktivierung“. Sie ist angezeigt, wenn eine akute Kindeswohlgefährdung oder ein erhöhtes Risiko dafür vorliegt. Die Dauer des Angebots ist kürzer, dafür ist die Begleitung intensiver als eine sozialpädagogische Familienbegleitung (zwei bis vier Einsätze pro Woche).

„KOFA: Kompetenzorientierte Familienarbeit“ (KOFA) ist an die sozialpädagogische Famili- enbegleitung angelehnt (vgl. Cassée 2007, S. 237-249). Es handelt sich um ein Modell, das theoretisch fundiert ist und durch die Programmentwickler evaluiert wurde.10 KOFA besteht aus verschiedenen Modulen, die je nach Indikation angewendet werden. Die Palette beinhal- tet Abklärung, Kurzintervention, Lernprogramm oder Elternbegleitung. Es können auch Module kombiniert werden. Die Familienbegleiterin oder der Familienbegleiter verbringt bis zu zwanzig Stunden pro Woche bei der Familie. Das Ziel besteht darin, dass die Familien- mitglieder aus eigener Kraft förderliche Entwicklungsbedingungen herstellen können.

10 Vgl. http://sozialearbeit.zhaw.ch/fileadmin/user_upload/soziale_arbeit/Forschung/Forschungsberich- te/laufend/Schlussbericht_KOFA_online.pdf [Zugriff: 23.1.2015].

(23)

Die „Multisystemische Therapie“ (MST) ist ein lizenziertes Angebot für Jugendliche im Alter zwischen zwölf und siebzehn Jahren, denen Störungen im Sozialverhalten attestiert werden.

MST hat u. a. zum Ziel, die Sozialkompetenzen von Jugendlichen zu steigern, elterliche Erziehungskompetenzen zu verbessern, Fremdplatzierungen zu reduzieren sowie Ausschu- lungen und Lehrabbrüche zu vermeiden. Mit den Jugendlichen wird über intensive aufsu- chende Therapie und unter Einbezug des sozialen Umfeldes (z. B. Familie, Schule, Nach- barn, Freunde) nach den neun therapeutischen Leitsätzen der MST gearbeitet (siehe:

Henggeler et al. 2012, S. 14-15).

„Hometreatment“ ist ein transdisziplinäres Angebot der aufsuchenden Familienarbeit, ange- siedelt zwischen Sozialpsychiatrie und Sozialpädagogik. Das Angebot richtet sich an Fami- lien, in denen Elternteile oder Kinder psychisch erkrankt sind. Die fraglichen Familien sind in der Regel von Mehrfachbelastungen betroffen. Die Eltern erhalten in aufsuchender Form therapeutische Interventionen. Die Kinder und weitere Familienangehörige werden mit sozi- alpädagogischen Mitteln unterstützt. Das Angebot umfasst psychiatrische, sozialpädagogi- sche, heilpädagogische und psychologische Interventionen.

Beim ambulanten Angebot „Begleitete aufsuchende Besuchstage“ treffen sich der Elternteil, der über kein Sorgerecht verfügt, und das Kind in Begleitung einer Fachperson an einem frei wählbaren Ort und zu einer frei wählbaren Zeit. Es können zum Beispiel Skiausflüge oder Wanderungen begleitet werden.

Im Rahmen von „Jugendcoaching“ wird Jugendlichen eine Bezugsperson zur Seite gestellt.

Zielgruppe sind Jugendliche, die Unterstützung in der Bewältigung des Alltags benötigen, in einer Krise stecken, keine Zukunftsperspektiven sehen oder zu wenig Struktur im Alltag haben. Die Bezugsperson und die oder der Jugendliche treffen sich in regelmässigen Ab- ständen. Die Bezugsperson bespricht mit der oder dem Jugendliche/n Alltagsthemen, Prob- leme der Lebensführung und der sozialen Integration. Sie versucht, die/den Jugendlichen in seinem Leben unmittelbar und alltagsnah zu unterstützen.

Teilstationäre erzieherische Hilfen in der restlichen Deutschschweiz

„Begleitete Übergaben und Besuchstage“ sind eine verbreitete Leistung in der Deutsch- schweiz. Das Angebot richtet sich an Eltern, die sich nicht treffen wollen. Das Kind wird von einer Begleitperson an einem neutralen vorbestimmten Ort von einem Elternteil an den anderen übergeben.

Bei begleiteten Besuchstagen wird das Kind vom Elternteil mit Aufenthaltsbestimmungsrecht an einen vorbestimmten Ort gebracht und dort dem anderen Elternteil übergeben. Dann verbringen Kinder und Elternteil unter Begleitung einer Fachperson gemeinsam Zeit an einem vorgegebenen Ort. Die Besuchszeit ist zeitlich begrenzt. Die Fachpersonen haben in der Regel eine Ausbildung in Sozialpädagogik oder einer verwandten Disziplin.

Der Angebotstyp „Intensive Tagesstruktur für die Integration in Bildungsprozesse (Take off full time)“ richtet sich an Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die ein formales Bildungsangebot (Ausbildung oder Schule) abgebrochen haben oder über keine Tagesstruk- tur verfügen. Das Ziel besteht darin, Jugendliche wieder in regelhafte Bildungsinstitutionen zu integrieren. Jugendliche erhalten von Montag bis Freitag eine intensive Tagesstruktur, die

(24)

aus schulischer Weiterbildung, Arbeitsagogik, Laufbahnplanung und Gruppenaktivitäten besteht. Übernachtet wird zu Hause.

Der Angebotstyp „Tagesstruktur mit interner Berufsausbildung oder Berufsintegrationspro- gramm“ richtet sich an Jugendliche im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, die in einer Einrich- tung eine interne Berufsausbildung oder ein Berufsintegrationsprogramm besuchen und ergänzend eine Tagesstruktur erhalten. Sie übernachten zu Hause.

Im Rahmen der Tagesstruktur werden die allgemeine Situation und die Ressourcen der Jugendlichen umfassend abgeklärt. Es wird versucht, die Lebenskompetenzen der Jugendli- chen zu fördern. Die Herkunftsfamilien der Jugendlichen werden in ihren Erziehungsaufga- ben unterstützt und gefördert. Das Angebot richtet sich an Jugendliche, die in der Lage sind, den Besuch eines internen Programms selbstständig aufrechtzuerhalten.

Ebenso verbreitet ist in der restlichen Deutschschweiz das Angebot der „familienergänzen- den sozialpädagogischen Tagesstruktur“. Dabei wohnt das Kind weiterhin zu Hause und besucht die Regelschule. Dieses Angebot richtet sich an Familien und Kinder, die Schwierig- keiten in der Erziehung, Schule und Freizeit haben. Neben Gruppenaktivitäten gehört regel- mässige Einzelbetreuung dazu. Wöchentlich finden zudem Elterngespräche statt. Das Ziel besteht darin, die Familie dabei zu unterstützen, dass sie genügend Kompetenzen erwerben kann, um den Alltag selbstständig zu bewältigen.

Flexible, integrierte erzieherische Hilfen

Flexible, integrierte erzieherische Hilfen werden von Einrichtungen erbracht, die ambulante, teilstationäre und stationäre erzieherische Hilfen in ihrem Angebotsportfolio haben. Sie sind in der Lage, massgeschneiderte Hilfen anzubieten. In der Schweiz gibt es bislang nur wenige Träger, die nach den Prinzipien der flexiblen, integrierten erzieherischen Hilfen arbeiten.11

Tabelle 11 Übersicht über Ergebnisse der Angebotsrecherche zur restlichen Deutschschweiz

Angebot Typ Beispielträger

Sozialpädagogische Familien- begleitung

ambulant FamBe Sozialpädagogische Familienbe- gleitung SpF Bern

Familienstabilisierung und -aktivierung

ambulant Mobile Familienberatung mfb (Zürich) KOFA: Kompetenzorientierte

Familienarbeit

ambulant KOFA Winterthur

Hometreatment ambulant Hometreatment Organisation HTO GmbH

(Aargau)

Multisystemische Therapie (MST) ambulant Psychiatrische Dienste Thurgau (Weinfelden)

Jugendcoaching ambulant Sofa Support AG (Baden)

Begleitete aufsuchende Besuchstage ambulant KOOSA – Kooperative Soziale Arbeit

11 Z. B. Familien Support Bern, SCHOIO-Familienhilfe, Schlossmatt Kompetenzzentrum Jugend und Familie.

(25)

(St. Gallen)

Begleitete Übergaben und Besuche teilstationär Begleitete Besuchstage Basel-Stadt Intensive Tagesstruktur für die In-

tegration in Bildungsprozesse

teilstationär Stiftung Jugendsozialwerk (Pratteln) Tagesstruktur mit interner Berufsaus-

bildung oder Berufsintegrationspro- gramm

teilstationär Gfellergut (Zürich)

Familienergänzende sozial- pädagogische Tagesstruktur

teilstationär Rötel – Sozialpädagogik für Kinder und Familien (Zürich)

Flexible Angebote flexibel Familien Support Bern West

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