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Rentengewährung beim Mamma- und Genital-Karzinom der Frau

Peter-Michael Carsten und Friedrich Schwarze

Die Unsicherheit in der Handhabung des Komplexes Arbeitsunfähigkeit/

vorzeitige Rentengewährung wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit beim erkrankten Patienten ist sicher dadurch begründet, daß über die Karzinom-Probleme sowohl bei den behandelnden Ärzten als auch bei den verschiedenen Versicherungs- trägern und den Sozialgerichten oft sehr unterschiedliche Ansichten be- stehen. Diese unterschiedlichen An- sichten sind im wesentlichen durch unzutreffende Vorstellungen von der Krankheit und ihren Folgen be- gründet. Sie betreffen folgende Komplexe:

~ Unklarheit über Überlebens- oder "Heilungs"-Chancen und den Krankheitsverlauf ( d. h. Auftreten von Rezidiven/Metastasen);

~ Falsche Einschätzung der Psy- che und der psychischen Verarbei- tung (Mitleid);

~ Angst, daß eine normal ange- messene Berufstätigkeit ein Karzi- nom-Wachstum oder Rezidiv-Auf- treten fördert;

~ Unkenntnis der sozialen und ar- beitsrechtlichen Folgen einer Ren- tengewährung;

~ Die irrige Ansicht, daß die "Mög- lichkeit" des Wiederauftretens eine Rente (oder weitere Rente) begrün- det, auch wenn die Wahrscheinlich-

keit nur bei 10 zu 100 liegt;

~ Die Unkenntnis der sozialgesetz- lichen Grundlagen (Krankengeld, Übergangsgeld, Zeit- und Dauer- rente).

Sozialmedizinische Beurteilung von Krebskranken

Während ein Teil der zuvor gestell-

ten, später noch detailliert zu beant-

wortenden Fragen relativ einfach zu beantworten ist, wurde die Frage nach der Rückkehr in das Erwerbs- leben zum Teil recht gefühlsbetont diskutiert. Die unterschiedlichen Auffassungen gaben u. a. die frühe- ren Ansichten von Kirchhoff einer- seits und K. H. Bauer andererseits wieder. Die Gruppe um Kirchhoff plädierte damals für eine relativ lan- ge Schonung, während die andere in der baldigen Rückkehr in das Er- werbsleben auch einen Teil der The- rapie sah. Die Auseinandersetzung, insbesondere aber auch der Wunsch nach einem einheitlichen Verfahren, führte dazu, daß der damalige Zen- tralausschuB für Krebsbekämpfung sich den Vorschlägen von Schwarze anschloß, der bereits 1965 vor- schlug, unter Einbeziehung von Sta- dium und Prognose des Karzinoms sowie des lndividualstatus, zu dem auch Therapiefolgen und Begleiter- krankungen gehören, bestimmte Kriterien aufzustellen, nach denen Renten empfohlen werden sollten.

Diese Kriterien wurden in der "Emp- fehlung zur Sozialmedizinischen Be- urteilung von Versicherten mit bösar- tigen Geschwulsterkrankungen"

vom Februar 1966 zusammengefaßt.

Danach werden alle bösartigen Ge- schwulsterkrankungen in eine Grup- pe mitgünstiger Prognose (Gruppe 1) und eine mit relativ ungünstiger Pro- gnose (Gruppe 2) unterteilt. Dabei liegt die Grenze zwischen beiden Gruppen bei etwa 75 Prozent der Fünf-Jah res-Überlebenszeit ( ± 5 Prozent Streuung) (Abbildung 1). Für den frauenärztlichen Bereich sind folgende Hinweise zu entneh- men: Den Betroffenen der Gruppe 1 wird auf Antrag eine Zeitrente ge- währt, natürlich unter Berücksichti- gung medizinischer Kriterien wie Therapiefolgen, Begleiterkrankun- gen usw. Bei der Gruppe 2, nämlich

Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen FORUM

Von ständiger Aktualität ist

der Fragenkomplex um die Ar- beitsunfähigkeit beziehungs- weise vorzeitige Rentenge- währung bei an einem Karzi- nom erkrankten und behan- delten Patienten. Von dieser Fragestellung sind besonders die gynäkologischen Patien- tinnen betroffen. stellt doch ihre Gruppe den weitaus größ- ten Anteil der vorzeitigen Kar- zinom-Rente. Diese Zahlen nehmen zu Das dürfte seine Ursache darin haben, daß die Karzinome, die der Gynäkolo- ge sieht, sehr häufig in einem früheren Stadium zur Diagno-

stik kommen als andere Karzi-

nome und daß schließlich die Zahl der berufstätigen und an einem Karzinom erkrankten Frauen ständig zunimmt.

bei bösartigen Geschwulsterkran- kungen mit relativ ungünstiger Pro- gnose, kann Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit angenommen werden, wobei es sich empfiehlt, nach zwei oder drei Jahren den Ver- lauf zu überprüfen, um zu ermitteln, ob eine stufenweise Wiedereinglie- derung in das Erwerbsleben mög- lich ist.

Trotz Herausgabe der "Ärztlichen Empfehlungen" des damaligen Deutschen Zentralausschusses für Krebsbekämpfung hat die Diskus- sion darüber hinaus nicht aufgehört.

Von namhaften Sachverständigen wie von Elmendorff, Dold, Habsund Heyde ist mehrfach darauf hinge- wiesen worden, daß weiterhin zu großzügig berentet werde. Auch kommt in zahlreichen Sozialge- richtsverfahren zum Ausdruck, daß selbst bei Ärzten die Einschät- zung des Problems Arbeitsbela- stung und mögliches Krebswachs- tum irrig und durch falsches Mitleid überlagert ist.

Deshalb haben wir die medizini- schen Unterlagen der Rentenzugän- ge an Kollum-, Korpus- und Mam-

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 11 vom 15. März 1979 735

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen

Rentengewährung bei Mamma- und Genitalkarzinom

ma-Karzinomen der Bundesversi- cherungsanstalt für Angestellte (BfA) von 1968 überprüft, unter an- derem nach Gesichtspunkten wie Stadium der Erkrankung, Therapie, Rezidiveintritt, Beg leiterkranku n- gen, Dauer der Rentengewährung, Begründung von Verlängerungsan- trägen usw. Die Überprüfung umfaß- te 567 Kollum-, 206 Korpus- sowie 959 Mamma~Karzinom-Patientin­

nen. ln einer Begleitstudie wurden später die Rentenzugänge einer Landesversicherungsanstalt (LVA) nach den gleichen Kriterien begut- achtet.

Stadium I

I

Becker. H.

Krnf R.

Ca. in s i tu Stadium Ia (priklinisch) Stadium lb (Runge u. Zeitz) ,..,Op.

I

KrHf, R.

Beckar, B.

St.adium II

Relativ günstige Progno•

Brust · Ca.

(n • 2881 fn"' 671

ca. 86- 97%

88.9% 1

91.0%

Collum . Ca.

I

Becker. B.

(n • 53)

ln- 38) (n • 2121

98.2%

I

ca. 72- 89%

89% 92.1%

I

91.1%

(nur operiert bzw. opertert + bestrahlt) ca. 72 %

IBOCkor. B.

Kraef,R.

Stedium I

I

Kraef,R.

Becker, 8.

(n- 47)

(n • 221 70.6% 78.6%

I

Corpus - Ca.

(n = 431 (n = 1061 (!I

ca. 70-80%

70%

I

96.2~

Dabei fielen uns unter anderem fol- gende Punkte auf:

Die Erkrankung hatte die Kündigung des Arbeitsplatzes bei

...,.. 35,1% der Kollum-Karzinom-Pa- tientinnen,

...,.. 35,0% der Korpus-Karzinom-Pa- tientinnen und

...,.. 45,5% der Mamma-Karzinom- Patientinnen

zur Folge.

Von den Krankenkassen wurden zur Rentenantragstellung veranlaßt be-

Relativ uogünstige Progno•

Brust -Ca.

Stadium II ca. 37-49%

Stadium I

bei Frauen unter 30 J. fast 0%

Stadium 111 ca. 2-4,5%

I

Kraef, A. (n = 218) 8.3%

(Stad i um IV -nicht angegeben! -)

Stad•um II (nur bestrahlt)

I

Kraef, R.

Stadium II

I

Kraef. A.

Collum · Ca.

(n = 1031 CorPus · Ca.

(n = 171

58.5%

ca. 25-28% 20,4% 1

33%

41.2% 1

Stadium 111 +IV (keine Angaben) Kraef. R. Stadium 111 {n - 29} 41,4% Kraef, R. Stadium IV (n =- 11) 18,2%

Abbildung 1: Statistische Übersicht der 5-Jahres-Überlebens-Zeiten aus

,.Ca.-Empfehlung·· ergänzt durch Krankengut der BfA (Renlenzugänge 1968)

- BfA-Zahlen umrandet! -

ziehungsweise gezwungen (§ 183

Abs. 7 RVO- alte Fassung-):

...,.. 62,3% der Kollum-Karzinom-Pa- tientinnen,

...,.. 62,5% der Korpus-Karzinom-Pa- tientinnen und

...,.. 57,3% der Mamma-Karzinom- Patientinnen .

"Krebskranke"

will keiner beschäftigen

Der Prozentsatz der Wiederaufnah- me einer Berufstätigkeit bei denen, die vor einer Zeitrente erwerbstätig waren, lag relativ hoch, etwa bei zwei Dritteln. Die Frauen, die vor der Rente nicht berufstätig waren, nah- men nach der Rente in 14,8 bis 25 Prozent eine Stellung an. Nicht we- nige ehemalige Krebskranke, die ei- ne Arbeit aufnehmen wollten, fan- den allerdings keinen Arbeitgeber, der das Risiko eingehen wollte, eine

"Krebskranke" zu beschäftigen.

Aus Abbildung 2 geht hervor, daß bei 20 Prozent der Patientinnen mit Zeitrenten diese Renten aus nicht stichhaltigen Gründen weiter ge- währt wurden. Hierunter zählen auch die Fälle, bei denen eine Rente gewährt wurde, obwohl eine histolo- gische Diagnose nicht vorlag, aber auch solche, bei denen die Möglich- keit eines Rezidivs innerhalb be- stimmter Fristen herangezogen wur- de. Dabei fiel auch die offensichtli- che Fehleinschätzung des Begriffes

"Carcinoma in situ" auf, so daß es auch in solchen Fällen zu Rentenge- währungen kam, zum Teil sogar mit Verlängerung. Die Rezidivquoten und Absterbequoten bei den einzel- nen Karzinomen stellten sich in Ab- bildung 3.

Auffällig ist beim Mamma-Karzinom des Stadiums I der a\)sgesprochene Hiatus von Rezidiv- und Absterbe- quote, das heißt, daß die Hälfte der Patientinnen mit Rezidiven in der Fünf-Jahres-Frist am Leben bleibt, vermutlich, weil die Rezidive im Ge- gensatz zum Kollum-Karzinom gut therapeutisch zugänglich sind. Die Fünf-Jahres-Überlebenszeit betrug

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen Rentengewährung bei Mamma- und Genitalkarzinom

Tabelle: Die in dieser Übersicht aufgeführten Folge- und Nebenerkrankungen der entsprechenden Ca.- Stadien umfassen neben Rezidiven bzw. Metastasen in einigen Fällen auch solche mit Verdacht auf Rezidive und Metastasen sowie Zweitkarzinome. In 26 Fällen von Mamma-Ca. wurde eine Rente wegen Rezidiv-Verdacht gewährt, wobei sich dieser 19 X bestätigte

Verlängerungs-Anträge bei Zeitrenten (=VA)

rung wegen Psych.

Folge- e rkrkg.

Prozent Erstge-

währung

VA konnten

stellen

VA wurden gestellt

Zahl Prozent

Bewilligt wurden von BFA insgesamt ohne Soz.- nach Klage Ger. Klage Zahl Prozent

davon Dauer- Zeit- Renten Renten

dav an Dauer- Zeit-

R. R.

Gewäh wegen Folge- u. Neben-

erkrkg.

Prozent

Unberechtigt bzw. wegen nicht stich- haltigerGründe

Prozent

455 Collum- u. Corp.- Ca.

470 1. VA (+15)

219=48,1 139=63,5% 154 = 70,3 61 93 29 7 74 6,5 19,5

40 85 14 3

Mamma- Ca.

321 172 = 53,6 125=72.7

75,2 5,0 19,8

Mamma- Ca.

11+111

14 20 41

115 90=78,3 77 = 85,5 36

Collum- u. Corp.-

Ca.

86 59=68,6 37 = 62,7 41=69,5 15 26 3 1 65,8 12,2 22,0

2. VA Mamma- Ca.

1

78 58=74,4 39=67,2 16 23 3 2

74,5 15,7 9,8

17=54,8

31 12=70,6 9 3 1 1

Collum- u. Corp.- 3. VA Ca.

25 21=84,0 13=61,9% 14=66,7 13 1 2 43,2 35,4

21 Mamma-

Ca. 17=80,9 15 = 88,2 14 1 2

17,6 17,6

64,8

2 2

2=100

2 2=100

Abbildung 2: Verlängerungsanträge bei Zeitrenten (= VA)

21,4

88,9 Prozent, die Rezidivquote 18,8 Prozent. (Die Acht-Jah res-Überle- benszeit betrug 81 bis 95 Prozent - n

= 57 -, bei 27- bis 54jährigen 95 Prozent, bei 55- bis 68jährigen 81 Prozent).

Die Rezidivquote betrug bei einem Kollektiv von 288 Fällen vom sech- sten bis siebten Jahr 3,5 Prozent, bei einem älteren Kollektiv von 64 Fällen 15,6 Prozent.

Bei Mamma-Karzinomen des Sta- diums II zeigen die Kurven einen an- deren Verlauf. Sie sind steiler, die Absterbequoten sind bis Ende des vierten Jahres relativ hoch und fal- len dann allmählich ab. Aber hier fällt wie beim Stadium I die Differenz zwischen Rezidiv und Absterbequo- ten auf, sie beträgt 9 Prozent. Das könnten möglicherweise solche Fäl- le sein, bei denen eventuell relativ spät Fernmetastasen auftreten. Die

Rezidivquote ist dagegen in den er- sten beiden Jahren relativ hoch = 36,3 Prozent. Im dritten Jahr = 15,5 Prozent, im vierten Jahr = 5,2 Pro- zent. Bei einer Berentung dieser Fäl- le würde sich hierbei ein Rentenent- zug frühestens zum Ende des vier- ten Jahres empfehlen.

Beim Kollum-Karzinom des Sta- diums Ib findet sich eine Fünf-Jah- res-Überlebenszeit von 91,1 Pro-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 11 vom 15. März 1979 737

(4)

5. jahr

as 2.

15,2

5 - J Ub Zet

= 58,8 %

3. .

as 5. Jahr

Collum - Ca

% Stadium I b n=212

20

% Stadium II n=47 40 (nur Op. bzw. Op. + Bestrahlung )

20

% Stadium II n=92

50 ( nur bestrahlt

40

5,4 8.9;

7,6

13,0 2

307

5 J Ub Zed

= 88.9 %

20,

Mamma-Ca

Stadium I n=288

17 ---

4.9 -

Stadium II n=386

57.0 ---—

5.2

16,1

47.2

5-J Ub Zed I

= 48,9 %

36.3

0,0

51,1%

3,9 60

50

40+

30=

20

10-

aS 3. 4. 5. .lahr

5 - J Ob Zed

91,1%

--- 97; --

9,4 8.9

7.5 14 11.3

4,2

Real

Ready - Quote % pro Jahr

Absterbe - Quote % pro Jahr [Alle Falle eines Stadiums— 100 '1

Abbildung 3: Rezidiv- und Sterbequoten beim Kollum-Karzinom und beim Mamma-Karzinom

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Rentengewährung bei Mamma- und Genitalkarzinom

zent, die Rezidivquote liegt bei 11,3 Prozent. Dabei ist festzustellen, daß ein hoher Anteil der eingetretenen Rezidive ad exitum kommt. Unab- hängig davon stellt sich aber die Frage, ob die geringe Rezidivquote von 4,7 Prozent in den ersten zwei Jahren eine Zeitrente für diesen Zeitraum überhaupt rechtfertigt. Ein solches Verfahren bedeutet in einem Kollektiv von 100 Fällen, daß wegen fünf ungünstiger Verläufe 95 Frauen ohne schwerwiegenden Anlaß eine Rente erhielten!

Beim Kollum-Karzinom des Sta- diums II finden sich unterschiedli- che Rezidiv- und Absterbequoten je nach therapeutischer Maßnahme, einmal Operation beziehungsweise Operation und Bestrahlung, ande- rerseits nur Bestrahlung. Das heißt, der Statistik der Kollum-Karzinom- Patientinnen des Stadiums II, die operiert oder operiert und bestrahlt wurden, ist zu entnehmen, daß diese Gruppe günstigere Prognosen hat als die nur bestrahlten Patientinnen.

Die Fünf-Jahres-Überlebenszeit be-

trägt 70,6 Prozent, die Rezidivquote hierbei hat ihren größten Anteil bis Ende des zweiten Jahres bezie- hungsweise bis zum dritten Jahr. Im vierten Jahr ist dann neben einer geringeren Rezidivquote eine er- höhte Absterbequote zu beachten (sog. Aufschubeffekt!). — Als Konse- quenz ergäbe sich, die Zeitrente, wenn man sie überhaupt gewähren würde, für drei Jahre zu gewähren (früher nur zwei Jahre). Beim nur bestrahlten Kollum-Karzinom des Stadiums II zeigt sich eine ungünsti- gere Fünf-Jahres-Überlebenszeit.

Sie beträgt nur 58,8 Prozent. Auch hier liegt die Mehrzahl der Rezidive in den ersten drei Jahren.

Die prozentuale Rezidivwahrschein- lichkeit liegt nach drei Jahren beim Mamma-Karzinom des Stadiums I, beim Kollum-Karzinom des Sta- diums I und II deutlich unter 10 Pro- zent, während sie beim Mamma-Kar- zinom des Stadiums II 11,3 Prozent beträgt. Daraus läßt sich folgern, daß, wenn nach etwa drei Jahren keine Anhaltspunkte für ein Rezidiv oder Metastasen bestehen und auch keine schweren Folge- oder Neben- erkrankungen vorhanden sind, die Möglichkeit von 1:10 (10 von 100) allein medizinisch und rechtlich kein Anlaß für eine weitere Rente sein kann, besonders, wenn man dabei die negativen psychologischen Fol- gen für die Patientin (Verstärkung oder Entstehen von Angstneurose, Depression o. ä.) berücksichtigt.

Auch die weitere Auswertung der Unterlagen im Hinblick auf die psy- chologischen Folgen der Renten auf Zeit beim Karzinom mit relativ gün- stiger Prognose ergaben bedenkli- che Aspekte. Nach unseren Untersu- chungen machten beim Mamma- Karzinom die psychischen Folge- und Nebenerkrankungen beim er- sten Zeitrenten-Verlängerungsan- trag 10 Prozent aus, beim dritten Rentenverlängerungsantrag waren die psychischen Folge- und Neben- erkrankungen mit mehr als 22 Pro- zent die Begründung für weitere Rentengewährung. Erstaunlicher- weise machten die psychischen Fol- geerkrankungen beim ersten Ren- tenverlängerungsantrag beim Kol-

(5)

Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Rentengewährung bei Mamma- und Genitalkarzinom

lum-Karzinom nur acht Prozent aus, beim dritten Rentenverlängerungs- antrag betrugen diese psychischen Folgen aber dann bereits 35,7 Prozent.

Die Folgen einer Rente auf unbe- stimmte Zeit zeigen sich gegenüber den Zeitrenten in einer wesentlich niedrigeren Wiedereingliederungs- quote. Sie betrugen beim Mamma- Karzinom (Rente auf unbestimmte Zeit) 33,7 Prozent, bei Zeitrente 77,5 Prozent, beim Kollum-Korpus-Karzi- nom (Rente auf unbestimmte Zeit) 49,6 Prozent, bei Zeitrente 86,1 Pro- zent. Weiterhin lag die Rate der gra- vierenden psychischen Folgeer- scheinungen, die letztlich zur unwi- derruflichen Dauerrente führten, bei Renten auf unbestimmte Zeit we- sentlich höher: sie waren doppelt so hoch wie bei den Zeitrenten. Nach diesen Auswertungen ist zu folgern, daß einmal die Fünf-Jahres-Überle- benszeiten am sehr heterogenen Krankengut der BfA (Patientinnen aus allen deutschen Kliniken) die Fünf-Jahres-Überlebenszeiten sich im allgemeinen günstiger herausge- stellt haben, als in der Literatur an- gegeben.

Nimmt man nun ergänzend zu den anfangs niedergelegten Punkten un- terschiedlicher Ansichten zu dem Verlauf der Krebskrankheit Stellung, so heißt dies: Die Heilungschancen sind günstiger als in der Literatur angegeben. Das gilt insbesondere für die Stadien I und II.

Krebs ist nicht gleich Tod

Die positive Verarbeitung der psy- chischen Situation bei an Karzinom behandelten Frauen wird bei Berufs- tätigen offensichtlich erleichtert. In dieser Gruppe wird offenbar das Pendel zwischen Hoffnung und Ver- zweiflung mehr in Richtung Hoff- nung ausschlagen. Katastrophen- Stimmungen mit den natürlich fol- genden Primitiv-Reaktionen und Re- gressionen, die dadurch bedingte Passivität und Sicherung in einer betreuenden Umgebung werden bei Berufstätigen und Nicht-Berenteten eher vermieden. Letzteres wird auch

begünstigt durch die psychologi- sche Droge „Arzt", auf die auch der Patient reagiert. Für den Arzt heißt dies, daß er seine Zweifel, die bereits ein psychologisches Negativum dar- stellen, zurückstellen sollte. Dies ist um so berechtigter, als gerade ihm klar sein muß, daß Krebs nicht gleich Tod bedeutet, daß unkontrolliertes mitleidiges Reagieren die psychi- schen Schwierigkeiten des Patien- ten im allgemeinen verstärkt.

Die gelegentlich geäußerte Ansicht, daß Arbeitsbelastung ein Karzinom- Wachstum fördert, konnte bisher nicht untermauert werden. .Negati- ver Einfluß von Arbeit oder gar so- zialem Stand kann nach den heuti- gen Feststellungen nicht mehr be- hauptet werden. Dieses findet seine Stütze auch darin, daß das Kranken- gut von Landesversicherungsanstal- ten, die weniger großzügig und oft nur auf Zeit (statt gemäß „Empfeh- lung" auf unbestimmte Zeit) beren- tet haben, ähnliche, also nicht un- günstigere Statistiken aufweisen als die BfA. Weiterhin können wir die Beobachtung von Dold auch aus praktisch-klinischer Tätigkeit bestä- tigen, daß Tumorkranke mit selb- ständigen Berufen, die ohne Ren- tenmöglichkeit oder aus wirtschaft- lichen Gründen meist zur raschen Arbeitsaufnahme drängen, keines- wegs häufiger an Rezidiven er- kranken.

Unkenntnis über die Berentungsfolgen

Bei zahlreichen Ärzten besteht Un- kenntnis über die Berentungsfolgen.

In den meisten Fällen kommt es an- läßlich einer Rentengewährung, auch bei einer Rente auf Zeit, zu einer Beendigung des Arbeitsver- hältnisses. Die Wiedereingliederung nach Ablauf einer Rente stößt auf psychologische Schwierigkeiten beim Arbeitgeber und ist besonders bei hoher Arbeitslosigkeit sehr schwierig. Eine Rente kann bei Frauen meist nur einen Anteil von 30 bis 40 Prozent des Krankengeldes erreichen. Letzteres kann bis zu ein- einhalb Jahre gewährt werden. Bei medizinischen Rehabilitationsmaß-

nahmen kann durch die Rentenver- sicherung ein Übergangsgeld ge- währt werden, das etwa gleich hoch wie das Krankengeld ist.

Die Ärzte und Sozialarbeiterinnen in den Krankenhäusern sollten bei der Beratung ihrer Patientinnen stets bedenken, inwieweit sie mit ihrem Rat, etwa einen Rentenantrag zu stellen, dem Erkrankten wirklich helfen.

Unkenntnis herrscht auch über die statistischen und gesetzlichen Grundlagen, so finden sich immer wieder die Feststellungen, daß die

„Möglichkeit" eines Wiederauftre- tens der Krankheit eine Rente (oder weitere Rente) begründet. Hierzu ist festzustellen:

Rechtliche Begründung für eine Rentengewährung oder weitere Ge- währung ist nur eine reale Lei- stungsminderung. Die nur vage Möglichkeit oder niedrige Wahr- scheinlichkeit eines Rezidivs genügt nicht. Die Voraussicht muß prozen- tual relativiert werden. Nach unse- ren Untersuchungen liegt nach drei Jahren (d. h. im 4. und 5. Jahr) die prozentuale Rezidiv-Wahrschein- lichkeit beim Mamma-Karzinom I, Kollum-Karzinom I und II deutlich unter 10 Prozent, während sie beim Mamma-Karzinom II 11,3 Prozent beträgt. Wenn sich also nach diesem Zeitabschnitt keine schweren Folge- oder Nebenkrankheiten ergeben, kann die Möglichkeit von etwa 10 Prozent allein sowohl medizinisch als auch juristisch keine Begrün- dung für weitere Berentung sein, ganz abgesehen von den häufigen psychisch negativen Folgen.

Das Zahlenmaterial nach dem fünf- ten Jahr (also im 6. und 7. Jahr) ergab folgende Rezidiv-Raten:

Mamma-Ca I 5,4%

Mamma-Ca II 2,9%

Mamma-Ca III

ab Ende des 2. Jahres 0%

Kollum-Ca 1,9%

Kollum-Ca II 0%

Kollum-Ca III

ab Ende des 4. Jahres 0%

Kollum-Ca IV

ab Ende des 2. Jahres 0%. I>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11 vom 15. März 1979 739

(6)

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Rentengewährung bei Mamma- und Genitalkarzinom

Diese Zahlen zeigen bei hohen Fall- zahlen ein deutliches Ergebnis, des- sen man sich bewußt sein sollte.

Sozialmedizinisch ist demnach zu folgern, daß sich die „Empfehlung"

bewährt hat, falls man sich zur Ren- tengewährung für alle behandelten Geschwulstkranken pauschal über- haupt entschließt. Andererseits er- geben sich aufgrund der niedrigen Absterbe- und Rezidivquoten beim Mamma-Karzinom des Stadiums 1 und beim Kollum-Karzinom des Sta- diums 1 b Zweifel an der Zweckmä- ßigkeit einer Rentengewährung, auch nicht die Notwendigkeit einer Rente auf Zeit. Eine Änderung der

„Empfehlung" für den Bereich der typischen Karzinome der Frau ist da- her zu erwägen. Das sollte selbstver- ständlich auch gelten, falls ähnliche Verhältnisse bei allen anderen Karzi- nomen beider Geschlechter vor- liegen.

Die Änderung im gynäkologischen Bereich sollte sich aber auch auf das kombiniert behandelte (operierte plus bestrahlte) Kollum-Karzinom des Stadiums II sowie das Mamma- Karzinom des Stadiums II erstrek- ken. Nach den Rezidivmustern bei diesen Fällen sollte im allgemeinen eine Zeitrente von drei Jahren ge- währt werden mit der Möglichkeit späterer Rentenverlängerung. Letz- teres gilt auch für das nurbestrahlte Kollum-Karzinom II. Renten auf un- bestimmte Zeit sollten bei diesen Stadien wegen des psychologisch negativen Effektes primär nicht ge- währt werden, ausgenommen die primär prognostisch ungünstigen Fälle der Stadien 111/1V.

Möglichst aktive Lebensweise Abschließend sei festzustellen, daß körperliche Untätigkeit, Nachsinnen über die Krankheit, auch fehlende Anerkennung im Beruf Depressio- nen begünstigen, das heißt, daß eine möglichst aktive Lebensweise das Zweckmäßigste für den Krebsträger oder Rekonvaleszenten ist. Aktivität ist ein Übungsfaktor der Leistungen, auch der Abwehrleistungen (Bock).

Letzterer schreibt auch: Jeder Kran-

ke hat ein Recht auf Schonzeit, jeder Genesende bedarf der Ermunterung zur Aktivität und Selbsthilfe. Wir dürfen als Ärzte beides nicht über- treiben, wir sollten aber keineswegs die beste Zeit zur Rückführung in das tätige Leben versäumen.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med.

Peter-Michael Carsten Universitäts-Frauenklinik Charlottenburg

Puls Straße 4-14 1000 Berlin 19

Dr. med. Friedrich Schwarze Bundesversicherungsanstalt für Angestellte

Ruhrstraße 2 1000 Berlin 31

ZITAT

Grenzen

des ökonomismus

„Die Fortschritte des tech- nisch Möglichen, die Steue- rungsansprüche im Rahmen von Effizienz- und Effektivi- tätskontrollen sowie das me- dizinische Leistungsspek- trum einengende Wirtschaft- lichkeitsansprüche im Hin- blick auf die Gesamtökono- mie müssen dort von dem Hausarzt kritisch in die Schranken verwiesen wer- den, wo die vertrauensvolle freiheitliche Hinwendung zum Patienten gefährdet wird. Als Kernelement von Gesundheitsförderung und Krankenversorgung muß ge- rade der Hausarzt das Ver- trauensverhältnis zwischen sich und seinen Patienten nicht nur sichern, sondern fortentwickeln."

Sanitätsrat Dr. Josef- Schmitz-Formes (Hachen- burg), Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung

AUS DER DDR

Ausbildungskonferenz zeigt Schwachstellen auf

Zukunftspläne, vor allem aber auch die noch bestehenden Rück- stände im Gesundheitswesen und seiner personellen Ausstattung kamen auf einer wissenschaftlich- methodischen Konferenz zur Sprache, die das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen Ende Januar 1979 in Leipzig zum vorkli- nischen Studium der Medizin und Zahnmedizin veranstaltete.

Wie üblich, wurden in ersten Ver- öffentlichungen etwaige konkre- te Ergebnisse nicht mitgeteilt;

statt dessen wurde als erstes der Text eines ausführlichen Referates veröffentlicht, das Dr. Werner Hering, Mitglied des Zentralkomi- tees der SED und Leiter seiner Abteilung Gesundheitspolitik, hielt und das neben Erfolgsmeldungen mit einiger Deutlichkeit Hin- weise auf Mängel in der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung und in der ärztlichen Ausbildung ent- hielt.

Dr. Hering kündigte zum Beispiel für den nächsten Fünfjahrplan (1981 bis 1985) an, der Zuwachs an materiellen und personellen Res- sourcen werde zu weiteren spür- baren Verbesserungen in der ge- sundheitlichen Betreuung der Bürger führen; auch in diesem Zeitraum würden aber „noch nicht alle dringlichen Probleme der me- dizinischen Versorgung zufrieden- stellend gelöst werden können".

Als ersten Schwerpunkt nannte Hering „die Schließung der zum Teil noch empfindlichen Lücken in der ambulanten Grundversorgung in industriellen Ballungsgebie- ten". Die Hochschullehrer, die Partei- und FDJ-Organisationen sollten von Anfang an auf die Stu- denten einwirken, nach Abschluß des Studiums „bedingungslos be- reit zu sein, dort zu arbeiten", wo es nötig sei — und nötig ist das in der DDR eben offenbar nicht in ländlichen Gebieten, sondern in den „großen Industriebezirken,

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