494 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 27|
9. Juli 2010M E D I Z I N
DISKUSSION
HbA
1cfalsch hoch oder niedrig
Die Arbeit von Kohne und Kleihauer (1) verdient auch bei diabetologisch tätigen Ärzten in Deutschland Be- achtung: bei Hämoglobinopathien ihrer Patienten kann die Bestimmung des HbA1c falsch hoch beziehungs- weise falsch niedrig ausfallen (2); eine Zuordnung zu den vom Patienten selbst gemessenen Blutzuckerwer- ten ist dann unmöglich.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0494a LITERATUR
1. Kohne E, Kleihauer E: Hemoglobinopathies in Germany—A longitudi- nal study over four decades [Hämoglobinopathien – eine Langzeit- studie über vier Jahrzehnte]. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 65–71.
2. Bry L, Chen PC, Sacks DB: Effects of hemoglobin variants and che- mically modified derivatives on assays for glycohemoglobin. Clin Chem 2001; 47: 153–63.
Prof. em. Dr. med. Ernst Chantelau Holthorster Weg 16
28717 Bremen E-Mail: chantelau@gmx.de
Gleiches Engagement
Es ist sehr zu begrüßen, dass in einer deutschsprachi- gen Zeitschrift eine Arbeit veröffentlicht wird über die Vielzahl der Hämoglobinkrankheiten, die es auf Grund der Migration inzwischen in Deutschland gibt.
Es ist das Verdienst von Frau Prof. Kohne, in Ulm ein Labor aufgebaut zu haben, das neben hoher diagnosti- scher Kompetenz auch über Mitarbeiter verfügt, die zu klinischer Beratung befähigt sind. Wahrscheinlich aus Platzgründen geht aus dieser Arbeit nicht hervor,
dass Migranten mit den vielfältigen Problemen, die sich aus Trägerschaft (Screening, pränatale Diagnos- tik) und Hämoglobin-Erkrankung (Betreuung nach neuestem Stand der Wissens) ergeben, alleine gelas- sen werden. Denn leider sind in der deutschen Ärzte- schaft Wissen über Klinik, Diagnostik und Therapie von Hämoglobinkrankheiten nur spärlich vorhanden.
Medizinstudenten erfahren weder während des Studi- ums noch in der Weiterbildung, dass Thalassämien und Hämoglobinopathien heute zum Alltag gehören.
Die Mutterschaftsrichtlinien, die in der frühen Schwangerschaft einen Hämoglobinspiegel, nicht aber ein komplettes Blutbild inklusive Erythrozyten- Indices fordern, verhindern, dass Thalassämie-Träge- rinnen durch die Mikrozytose frühzeitig erkannt und diagnostiziert werden und gegebenenfalls der Partner untersucht wird. Die Hämoglobinopathie-Vorsorge in der Frauenheilkunde, wie sie im Kasten 2 dargestellt wird, ist ein Wunschtraum, aber keine Realität. Wir brauchen ein Umdenken in der Ärzteschaft und die Einsicht, dass die Hämoglobinkrankheiten der Mig- ranten das gleiche Engagement verdienen wie Krebs und Diabetes.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0494b
LITERATUR
1. Kohne E, Kleihauer E: Hemoglobinopathies in Germany—A longitudi- nal study over four decades [Hämoglobinopathien – eine Langzeit- studie über vier Jahrzehnte]. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 65–71.
Dr. med. Roswitha Dickerhoff
Klinik für Kinder-Onkologie,-Hämatologie und Klin. Immunologie Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
E-Mail: roswitha.dickerhoff@uni-bonn.de
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Edi- tors besteht.
Die Autoren des Beitrags haben auf ein Schlusswort verzichtet.
zu dem Beitrag
Hämoglobinopathien –
eine Langzeitstudie über vier Jahrzehnte
von Prof. Dr. med. Elisabeth Kohne, em. Prof. Dr. med. Enno Kleihauer in Heft 5/2010