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Archiv "Redaktionsgespräch mit Karl Jung: Die Richtlinien kommen auf den Prüfstand" (25.07.1997)

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risch in den Ruhestand getre- ten, hätte Karl Jung mit vielem gerechnet, nur nicht gerade mit diesem Anruf: „Als mich die Ärzte und Krankenkassen gefragt ha- ben, ob ich den Vorsitz im Bundesaus- schuß übernehmen wolle, war ich schon sehr überrascht“, räumt der ehe- malige Staatssekretär im Bundes- arbeitsministerium ein. Im Dezember vergangenen Jahres war das. Inzwi- schen ist der mittlerweile 67jährige schon wieder in seinem Element.

Jungs Überraschung über seine Berufung geht auf die späten 80er Jah- re zurück. Damals hat er maßgeblich das Blümsche Gesundheits-Reformge- setz mitgestaltet und mit viel persönli- chem Einsatz gegenüber allen Kriti- kern vertreten – oft genug zum Ver- druß der Ärzteschaft. Es gab zahlrei- che Kontroversen

und Scharmützel;

Jung galt damals als Buhmann der Bon- ner Gesundheitspo- litik. Daß ihn die Ärzte jetzt dennoch für das Amt vorge- schlagen haben, wertet der Jurist als Beweis für „eine gewisse Größe“.

Bei allem Ärger sei- en jedoch keine

persönlichen Wunden zurückgeblie- ben. Karl Jung sagt dies und hakt damit zugleich die Vergangenheit ab: „Wir haben viel zu tun.“

Viel zu tun – ja. Mit mehr Kom- petenzen? Da gibt sich der neue Ausschußvorsitzende zurückhaltend:

Qualitativ sei die Aufgabenstellung des Bundesausschusses bereits 1989 geändert worden. Von dem Begriff

„neues Machtzentrum“ will Jung des- halb nichts wissen und stellt sich allen Spekulationen entgegen, der Bundes- ausschuß könne den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversiche- rung nachhaltig verändern: „Die Pfichtleistungen stehen ihrer Art nach nicht zur Disposition. Eine Rücknahme ist nur bei den konkreten

Ausformungen bestimmter Leistun- gen möglich.“

Jung betont: ihrer Art nach und verweist zugleich auf den Auftrag des Gesetzgebers, nicht nur neue, son- dern alle bereits bestehenden GKV- Leistungen auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlich- keit hin zu überprüfen. „Das heißt nicht“, stellt der Vorsitzende des Bun- desausschusses klar, „daß wir nun Leistungen beispielsweise wegen Ge-

ringfügigkeit herausnehmen könnten.

Oder etwa weil wir glauben, daß sie außerhalb der Solidargemeinschaft finanziert werden könnten. Und wenn selbst der Gesetzgeber es nicht schafft, versicherungsfremde Leistun- gen zu definieren – wie sollen wir das denn tun?“

Es wäre einfacher gewesen, wenn der Gesetzgeber selbst bestimmte Leistungen herausgenommen hätte.

„Aber er wollte wohl nicht so grob vor- gehen“, meint der altgediente Ministe- riale. Daß der Bundesausschuß bei der Überprüfung der bisherigen Leistun- gen des gesetzlichen Leistungskatalogs

im nennenswerten Umfang Leistun- gen wegen erwiesener Unwirtschaft- lichkeit völlig aussortieren könnte, hält Karl Jung für eher unwahrscheinlich.

„Wir können nur bei den Modalitäten der Leistungserbringung etwas tun, al- lerdings bei allen Leistungen.“

Arbeit gibt es für das höchste Gremium der gemeinsamen Selbst- verwaltung indes reichlich. Es sind die Richtlinien, die Jung dabei im Visier hat. Zum einen verlangt das Gesetz die Erarbeitung neuer Richtlinien – für die häusliche Krankenpflege, Re- habilitation, für Heilmittel und für Arzneimittel –, andererseits drängt der neue Vorsitzende auf die Überar- beitung der bisherigen Richtlinien, immerhin 16 an der Zahl. „Die sind teilweise schon 20 Jahre alt und noch älter.“ Jung, nach eigenen Worten ein Verfechter der Entbürokratisierung, will seinen Teil dazu beitragen, daß die Ergebnisse „kürzer, klarer und leichter verständlich“ ausfallen. Die Kassenärzte hätten ohnehin genug

„Papierkram“ zu bewältigen.

So ist dem früheren Staatsse- kretär auch daran gelegen, die Arbeit des Bundesausschusses effizienter zu gestalten. Erster Schritt in diese Rich- tung: die Reduzierung der Arbeits- ausschüsse von bislang 19 auf künftig neun. Das Plenum soll stärker in die Arbeit eingreifen und „sich mehr um die Ausschüsse kümmern“. Für die Ausarbeitung von Richtlinien müsse es straffe Zeitvorgaben geben.

Andererseits kann sich Karl Jung durchaus eine breitere Diskussion vorstellen. „Ich denke hier – etwa bei der Frage nach der Wirtschaftlichkeit bestimmter Leistungen – an eine Art Brainstorming, an dem sich auch Gruppierungen oder praxiserfahrene A-1977

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997 (13)

Die Richtlinien kommen auf den Prüfstand

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen ist mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz stärker in den Blickpunkt geraten. Die einen sprechen von einem neuen „Machtzentrum“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung, die anderen von der „Ohnmacht“ bei der Bewertung von neuen Methoden der besonderen Therapierichtungen. Nach Auffassung von Karl Jung, dem neuen Vorsitzenden des Bundesausschusses, trifft weder das eine noch das andere zu. Das Deutsche Ärzteblatt* sprach mit dem früheren Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.

* Die Fragen an Karl Jung stellten Norbert Jachertz und Josef Maus

Richtlinien sollten nicht solche

Kompendien sein.

Redaktionsgespräch

mit Karl Jung

(2)

Ärzte außerhalb des eigentlichen Bundesausschusses beteiligen sollen.“

Der Beteiligung der Pharma- industrie, der Apothekerschaft und

weiterer Akteure im Gesundheits- wesen an der Beschlußfindung des Bundesausschusses steht der Vorsit- zende mit klar umrissenen Vorstellun- gen gegenüber: „Wir hören sie an, prüfen die Argumente und werden dann entscheiden, aber alleine.“

Ähnlich verhält es sich nach Jungs Auffassung mit den Vertretern der besonderen Therapierichtungen.

Die gesetzliche Ergänzung bei den Schlußberatungen des 2. NOG, wo- nach bei der Bewertung von neuen Behandlungs- und Untersuchungsme- thoden der Stand der wissenschaftli- chen Erkenntnisse nunmehr in der je- weiligen Therapierichtung zu berück- sichtigen ist, nimmt Jung gelassen.

Eine Bindung des Bundesausschus- ses sieht er darin nicht: „Wenn man das wörtlich näh- me, könnte man daraus in der Tat eine soge- nannte Binnenan- erkennung her- auslesen. Das wä- re aber eine funda- mentale Abkehr von den bishe- rigen Prinzipien des SGB V, und wenn der Gesetz- geber das gewollt hätte, dann hätte er das auch an an- derer Stelle im Gesetz deutlich machen müssen.“

Mit jenen Prinzi-

pien meint Jung die nach wie vor unverrückbaren Grundsätze jeglicher vertragsärztlicher Versorgung: Wirt- schaftlichkeit, Notwendigkeit und nach dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftli- chen Erkenntnisse.

Jung versichert allerdings, daß der Bundesausschuß Stellungnahmen, die zur Meinungsbil- dung des Gremiums von Gesetzes wegen vorgesehen sind, ernst nehmen wird.

Denn eines ginge nicht mehr, fügt Karl Jung (unter Zi- tierung des Bun-

destagsabgeordne- ten Wolfgang Loh- mann) hinzu: le- sen, lachen, wegle- gen! Man werde im Bundesaus- schuß also die Ar- gumente prüfen – und sodann auto- nom entscheiden.

Konflikte bei ablehnenden Ent- scheidungen hält

der Vorsitzende für durchaus denkbar, Klagen für nicht ausschließbar. Aller- dings sieht er den Bundesausschuß

„im Prinzip auf der gleichen Wellen- länge“ wie das aufsichtführende Bun- desgesundheitsministerium. „Ich gehe davon aus, daß wir im Sinne des Ge- setzgebers arbeiten und uns dabei an Recht und Gesetz halten.“

Wie viel Arbeit des Bundesaus- schusses Verwalten – und wie viel Ge- stalten ist, läßt Karl Jung zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Unabhängig da- von traut er nach eigenen Worten den Ärzten momentan „mehr Handlungs- fähigkeit“ zu als den „Krankenkassen im Wettbewerb“. Er selbst, das weiß man, und das gesteht er auch ohne Um- schweife zu, neigt zum Gestalten. Den- noch: Der als zupackender Macher mit beachtlichem Durchsetzungsvermögen bekannte Karl Jung sieht seine neue

Position im Bundesausschuß durchaus differenziert: „Meine Funktion ist auf den Konsens ausgerichtet.“ DÄ

A-1978

P O L I T I K AKTUELL

(14) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 30, 25. Juli 1997

Bundesausschuß: Aufgaben und Zusammensetzung

Gebildet wird der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen durch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung und die Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenversicherung. Beide Seiten stellen je neun Vertreter. Hinzu kommen zwei unparteiische stellvertretende Vorsitzende und ein unparteiischer Vorsitzender. Die Aufsicht über den Bundesausschuß übt das Bundesgesundheitsministerium aus.

Zu den Aufgaben des Gremiums heißt es im Gesetz:

„Die Bundesausschüsse beschließen die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten . . . Sie sollen insbesondere Richtlinien beschließen über die

c ärztliche Behandlung

c Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten c ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft c Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

c Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung und häus- licher Krankenpflege

c Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit

c Verordnung von im Einzelfall gebotenen medizinischen Leistungen und die Beratung über die medi- zinischen, berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation

c Bedarfsplanung

c medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft

c Maßnahmen nach den Paragraphen 24a (Empfängnisverhütung) und 24b (Schwangerschaftsab- bruch und Sterilisation).

Mit dem

Ministerium auf der glei- chen Wellen- länge.

Lesen,

lachen und weglegen geht jetzt nicht mehr!

Fotos (3): Eberhard Hahne

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