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Archiv "Therapieoptimierungsprüfungen: Eine unerlässliche Notwendigkeit" (11.02.2000)

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A-306 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 6, 11. Februar 2000

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

u einer unerlässlichen Not- wendigkeit sind Therapieopti- mierungsprüfungen (TOP) ge- worden, damit im Rahmen einer gu- ten und effizienten Patientenversor- gung die kontinuierliche Optimierung der Behandlung gewährleistet werden kann.“ Das stellen die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe in einer gemeinsam ver- fassten Denkschrift*fest, die kürzlich veröffentlicht wurde.

Versorgungsforschung

In TOP werden, so die Autoren,

„auf rationaler Basis entwickelte the- rapeutische Konzepte hinsichtlich ih- res Nutzens für den Patienten über- prüft“. Es gehe um die Optimierung einer anerkannten Therapiestrategie oder die Verbesserung bereits beste- hender Standards. Nicht nur die Ver- besserung von Heilungsraten und die Verringerung von Rezidivraten, son- dern auch Aspekte der Lebensqua- lität und Minimierung der Neben- wirkungen bei belastenden Therapie- verfahren spielten dabei eine Rolle.

TOP werden „im Rahmen der re- gulären Krankenversorgung durchge- führt und gewährleisten, dass Krebs- kranke angemessen und nach dem ak- tuellen Stand der medizinischen Er- kenntnis behandelt werden“. Sie führ- ten zu neuen Erkenntnissen über die Qualität der Krankenversorgung.

In der pädiatrischen Onkologie werde der nach aktuellem Wissens- stand jeweils beste Therapieansatz durch das Ergebnis einer abgeschlos- senen TOP beschrieben, deren Er- kenntnisse wiederum als Basis für weitere TOP dienten. Diese konse-

quente Strategie habe in den letzten Jahren zu großen Fortschritten in der Behandlung von Krebserkrankungen bei Kindern geführt, die ohne den ver- antwortungsbewussten Einsatz von Arzneimitteln außerhalb des zugelas- senen Anwendungsgebietes nicht denkbar gewesen wären. Als Bei- spiele werden die Drei-Jahres-Über- lebensraten von 77 auf 85 Prozent für die akute lymphatische Leukämie, von 73 auf 87 Prozent für Non-Hodg- kin-Lymphome und von 57 auf 75 für das Ewingsarkom genannt (jeweils Vergleich der Zeiträume 1980 bis 1982 und 1989 bis 1991).

In der Erwachsenenonkologie konnten durch die TOP beispielsweise für Patienten mit nichtseminomatösen Hodentumoren die Nebenwirkungen signifikant verringert werden. Patien- ten im Erkrankungsstadium I könne durch Modifikationen der zuvor stan- dardmäßig vorgenommenen radika- len Resektion der retroperitonealen Lymphknoten die Ejakulationsfähig- keit erhalten werden. Im Stadium II werde den Patienten die früher übli- che postoperative Kombinations-Che- motherapie mit vier Zyklen entweder ganz oder zumindest zur Hälfte er- spart, heißt es in der Denkschrift.

Die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe bekla- gen, dass diese dringend erforder- lichen TOP zur Zeit vor „scheinbar

unüberwindlichen Rechts- und Finan- zierungsproblemen stünden“. Die Fi- nanzierungsbedingungen hätten sich durch die Beendigung der Förderung durch das Forschungsministerium, den Rückgang öffentlicher Förder- mittel und Änderungen in der Kran- kenhausfinanzierung erheblich ver- schlechtert. Dies werde nur teilweise kompensiert durch private Mittel der Deutschen Krebshilfe oder durch Sponsoring der pharmazeutischen In- dustrie, während gleichzeitig die Ver- sorgungskosten über die Krankenkas- sen erstattet würden. Handlungsbe- darf entstehe durch die mangelnde Transparenz der verschiedenen Fi- nanzierungen. Eine Abgrenzung ge- genüber Vorhaben, die im Interesse Dritter lägen, sei kaum möglich, be- dauern die Verfasser der Denkschrift.

Versicherungen

Neben den erschwerten Finan- zierungsbedingungen würden die Er- fordernisse und Rahmenbedingungen von TOP im Arzneimittel- und Sozial- versicherungsrecht unzulänglich ab- gebildet. Hinsichtlich der Vorausset- zungen, Verantwortlichkeiten, Haf- tungsfragen sowie des erforderlichen Aufwandes an Qualitätssicherungs- maßnahmen werde das geltende Recht unterschiedlichen bis gegen- sätzlichen Interpretationen unterwor- fen, was deutliche Behinderungen und Zeitverzögerungen bei der Pla- nung und Durchführung von TOP zur Folge habe.

Die jährlich rund 340 000 neu an Krebs Erkrankten sind von mehr als hundert unterschiedlichen Krebsar- ten betroffen. Da es keine umfassende

Therapieoptimierungsprüfungen

Eine unerlässliche Notwendigkeit

Die für die Versorgung von krebskranken Patienten dringend erforderlichen Therapieoptimierungsprüfungen stehen vor scheinbar unüberwindlichen Rechts- und Finanzproblemen.

Z

* Die Verfasser der Denkschrift sind Prof.

Dr. med. Lothar Weißbach, Rainer Breden- kamp, Prof. Dr. med. Paul Hermanek, Prof. Dr.

med. Wolfgang Hiddemann, Inga Rossion, Dr.

rer. nat. Herbert Lindermann (Deutsche Krebs- gesellschaft e.V.); Prof. Dr. med. Robert Fischer, Prof. Dr. med. Ulrich Göbel, Prof. Dr. med.

Walter Jonat (Deutsche Krebshilfe e.V.); Prof.

Dr. jur. Dieter Hart (Institut für Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Bremen)

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Indikation „maligne Tumorerkran- kungen“ für die Zulassung von Arz- neimitteln gebe, würden Behand- lungsdaten über eine große Anzahl von Patienten für jede einzelne Krebsart gefordert. Forschende Phar- maunternehmen, die wegen des zeit- lich begrenzten Patentschutzes neuer Wirkstoffe eine schnelle Zulassung anstreben, könnten dies nur bei Be- schränkung auf ein begrenztes An- wendungsgebiet und ein enges Spek- trum geprüfter Dosisschemata er- reichen. Kostenintensive klinische Arzneimittelprüfungen würden daher bevorzugt in Anwendungsgebieten mit höherer Inzidenz vorgenommen, sodass für seltene Krebsarten, die

„orphan“-(Waisenkind-)Indikationen, daher häufig keine modernen und nur wenige ältere zugelassene Arzneimit- tel zur Verfügung stünden.

Weiterer Handlungsbedarf erge- be sich aus der Neufassung der Arz- neimittelrichtlinien, nach der Arznei- mittel, die außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets eingesetzt wür- den, nicht verordnungsfähig seien. Für die Behandlung der Krebspatienten habe dies zur Folge, „dass in bis zu 60 Prozent der aktuellen medikamentö- sen ,Standard‘-Therapien mindestens eines der beteiligten Arzneimittel von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen sei und die Behandlung als individueller Heilversuch eingestuft werde“. Dieser solle in jedem Einzelfall einer Geneh- migungspflicht durch die Krankenkas- sen unterstellt werden.

Ethikkommissionen

Zum Schutz von Patienten und zur Sicherung der Qualität von TOP hat die Deutsche Krebsgesellschaft Anforderungen definiert. Unter Ein- beziehung unabhängiger externer Fachgutachter werde in einem un- abhängigen Begutachtungsverfahren vor allem bewertet, ob die geplan- te Therapieoptimierungsprüfung tat- sächlich eine für die Patienten rele- vante Fragestellung untersucht. Auf diese Weise solle einem Missbrauch des Begriffs Therapieoptimierung vorgebeugt werden.

Aufgrund der unklaren Rechtssi- tuation bei der Bewertung von TOP

fielen die Entscheidungen verschiede- ner Ethikkommissionen zum gleichen Studienvorhaben oft unterschiedlich aus, was bereits zu einem „Ethikkom- missions-Tourismus“ geführt habe.

Das zeige sich besonders am Beispiel der Probandenversicherung, die nach dem Arzneimittelgesetz zum Schutz der Studienteilnehmer vorgeschrieben ist. Es werde unterschiedlich interpre- tiert, inwieweit eine Versicherungs- pflicht auch für die TOP bestehe, in denen verkehrspflichtige Arzneimittel bei Patienten eingesetzt werden. Da- bei käme es nicht selten bei derselben TOP zu unterschiedlichen Einschät- zungen. Für klinische Prüfungen, in denen nichtmedikamentöse Interven- tionen (Strahlentherapie, Chirurgie) untersucht werden, existierten dage- gen keine gesetzlichen Grundlagen zur Probandenversicherung. Zwar sei seit der achten AMG-Novelle bei mul- tizentrischen Prüfungen nur noch das Votum der für den Leiter der klini- schen Prüfung zuständigen Ethikkom- mission erforderlich. In der Praxis würden Ethikvoten jedoch nicht regel- mäßig gegenseitig anerkannt. Die Überprüfung durch verschiedene Ethikkommissionen verzögere bei multizentrischen Studien deren Be- ginn und verursache durch mehrfach zu entrichtende Prüfgebühren auch höhere Kosten.

Die Deutsche Krebsgesellschaft bemüht sich zur Zeit mit den gesetzli- chen Krankenhassen um eine Lösung dieser Probleme. Zu diesem Zweck hat sie jetzt ein „kooperatives Klärungs- verfahren konzipiert, mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen hinsichtlich der rechtlichen Situation und Finanzie- rungsbedingungen von TOP sowie Im- pulse zu geben für die Entwicklung neuer Förder- und Finanzierungsstruk- turen“. In das „Clearing-house“ sollten neben der paritätischen Vertretung der Krankenkassen und der Deutschen Krebsgesellschaft außerdem das Bun- desforschungs- und das Bundesge- sundheitsministerium, die Deutsche Krebshilfe sowie weitere Institutionen und Fachgesellschaften eingebunden werden. Qualität und Wirtschaftlich- keit der onkologischen Versorgung sollten „mit dem Ziel der Teilhabe des Patienten an einem sinnvollen medizinischen Fortschritt“ sicherge- stellt werden. Gisela Klinkhammer A-307 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 6, 11. Februar 2000

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Rechts- und sozialpolitische

Erfordernisse

Die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe haben zur Lösung der Problematik einen Forderungskatalog erarbeitet:

1. Über die besonderen Charakte- ristiken und Bedingungen von TOP muss Konsens hergestellt werden. Der Gesetzgeber, die Aufsichtsbehörden der Länder, die Kostenträger und die Ethikkommissionen sind aufgefor- dert, sich mit der von der Deutschen Krebsgesellschaft vorgelegten Defini- tion und Begriffsbestimmung ausein- ander zu setzen.

2. Die TOP muss als Versorgungs- leistung von Krebskranken auf dem aktuellen Stand der medizinischen Er- kenntnis anerkannt werden.

3. Die Qualitätsanforderungen für TOP müssen einheitlich festgeschrie- ben werden.

4. Es muss Konsens darüber her- gestellt werden, inwieweit die Bestim- mungen des Arzneimittelgesetzes auf TOP anzuwenden sind. Hierbei dürfen keine unterschiedlichen Therapiestan- dards begründet werden für TOP, in denen Arzneimittel zum Einsatz kom- men, und für solche mit Anwendung nichtmedikamentöser Verfahren.

5. Die medizinischen Ethikkom- missionen müssen die Bewertung von TOP nach transparenten, einheitli- chen Kriterien vornehmen.

6. Für die Probandenversicherung müssen Kriterien entwickelt werden, mit deren Hilfe eine eindeutige Ent- scheidung über die Versicherungs- pflicht von TOP getroffen werden kann.

7. Die Kostenerstattung für die Versorgung krebskranker Patienten mit Arzneimitteln, auch außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebie- tes, muss unbürokratisch gewährlei- stet sein unter der Voraussetzung, dass ihr Einsatz rational begründet ist und dem aktuellen medizinischen Er- kenntnisstand entspricht.

8. Der besonderen Situation selte- ner Krebsarten, bei der allein wegen der geringen Anzahl der Patienten große randomisierte Arzneimittelprü- fungen nicht möglich sind, muss durch eine erleichterte Zulassung von Arz- neimitteln für „orphan“-Indikationen Rechnung getragen werden.

Referenzen

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