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Archiv "Aktionsprogramm Schmerz: Opioidphobie verhindert adäquate Analgesie" (08.01.1999)

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chätzungsweise 1,35 Millionen Menschen leiden in Deutsch- land an chronischen Schmer- zen, die nur durch Opioide linderbar sind. Dies sind nicht nur, wie vielfach fälschlicherweise angenommen wird, Krebskranke im Endstadium, son- dern beispielsweise auch Patienten mit entzündlichen oder degenerati- ven Gelenkerkrankungen, erfolglos operierten Wirbelsäulen-Syndromen, schweren Polyneuropathien oder nach Amputation. Aber nur weniger als ein Zehntel der Betroffenen wird mit die- sen Medikamenten behandelt.

Für diese Mangelversorgung gebe es viele Gründe, erklärte Dr. Gerhard Müller-Schwefe (Göppingen) bei einer Pressekonferenz des Schmerzthera- peutischen Kolloquiums in Hamburg.

Es liege unter anderem an der unzurei- chenden Aus- und Weiterbildung im Bereich Schmerztherapie sowie der zö- gerlichen Umsetzung von Erkenntnis- sen der Grundlagenforschung in die ärztliche Praxis. Der gravierendste Grund sei aber die nicht nur unter Pati- enten und in der Bevölkerung, sondern leider immer auch noch unter Ärzten weitverbreitete „Opioidphobie“. Da- bei sei seit langem bewiesen, daß die therapeutische Verabreichung von Morphinen in fester Dosis zu festen Uhrzeiten weder „high“ noch süchtig mache.

Darum wurde bei einer interna- tionalen Expertenkonferenz anläß- lich des Deutschen Schmerztages ein weltweites Aktionsprogramm zur Verbesserung der Versorgung Schmerzkranker beschlossen, das sich in Deutschland im wesentlichen auf drei Schwerpunkte konzentriert:

>Intensivierung der Fortbildung für Ärzte, Apotheker und medizini-

sche Assistenzberufe durch Veran- staltungen, Printmedien und Online- Präsenz (http://www.stk-ev.de) unter Federführung des Schmerztherapeu- tischen Kolloquiums.

>„Patienten zu Experten in eige- ner Sache machen.“ Diese Aktivitäten werden von der Deutschen Schmerz- hilfe koordiniert, die den Betroffenen Adressen von Selbsthilfegruppen und Schmerztherapeuten in der Region nennt, Material zur Verfügung stellt und noch häufiger als bisher Patienten- seminare organisieren will.

> Hilfsmittel für den rationalen Umgang mit Opioiden anbieten. Es

wurde ein Opioid-Ausweis entwickelt, damit die Schmerzkranken auf Reisen oder bei unvorhergesehenen Klinik- aufenthalten vor Verdächtigungen und „Pseudo-Entzugsbehandlungen“

durch unkundige Ärzte geschützt sind.

Mit Unterstützung des Unternehmens Glaxo Wellcome wurde außerdem ein sogenannter Patienten-Brief zur Un- terstützung des ärztlichen Gesprächs bei erstmaliger Opioid-Verordnung konzipiert. Auf vier Seiten werden alle wesentlichen Fragen zum Umgang mit den Medikamenten allgemeinver- ständlich erklärt.

Gleichzeitig werden auch auf po- litischer Ebene die Bemühungen ver- stärkt, Opioide – zumindest die retar- dierten Darreichungformen, die den zum Mißbrauch anregenden „schnel- len Kick“ nicht vermitteln – von der Betäubungsmittel-Verschreibungsver- ordnung zu befreien. Abgesehen von der Chance, daß durch den Abbau die- ser Barriere mehr Patienten adäquat behandelt werden könnten, ist es nach Ansicht von Müller-Schwefe für die Schmerzkranken diskriminierend, daß bisher ihre Therapie und Drogen- mißbrauch im selben Gesetz geregelt werden. Gabriele Blaeser-Kiel

A-31

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 1–2, 8. Januar 1999 (31) ie Therapie von chronischen

Schmerzen sollte nach dem dreistufigen WHO-Schema mit oralen Analgetika erfolgen. Doch bei manchen Patienten reichen auch starke Opioide nicht aus, um die Schmerzen ausreichend unter Kon- trolle zu bringen. In solchen Fällen hat es sich bewährt, auf invasive schmerztherapeutische Methoden zurückzugreifen wie elektrische Rückenmarkstimulation und rücken-

marknahe Opioidapplikation. Mit dieser sogenannten Neuromodulation läßt sich die Schmerzleitung im Rückenmark unterdrücken, ohne daß irreversible Schäden zurückbleiben.

Nach einer Konsensuskonferenz der Europäischen Föderation der Internationalen Gesellschaft für Schmerz (IASP) ist die Neuromodu- lation dann indiziert, wenn konserva- tive Behandlungsmaßnahmen versagt haben, ein somatisch begründeter

Aktionsprogramm Schmerz

Opioidphobie verhindert adäquate Analgesie

Die Deutsche Schmerzhilfe hilft Betroffenen mit Adressen von Selbsthilfegruppen und Schmerztherapeuten,

Aufklärungsmaterial, Seminaren und einem Opioid-Ausweis.

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Schmerztherapie durch Neuromodulation

Wenn die dritte Stufe des WHO-Schemas nicht reicht

Die Methode ist indiziert in ausgewählten Fällen von Post- Zoster-Neuralgie, Phantom- und Stumpfschmerzen, trauma- tischen Nervenläsionen und peripherer Verschlußkrankheit.

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Schmerzzustand vorliegt, der kausal nicht behandelbar ist, der Patient we- der psychisch krank noch alkohol- oder drogenabhängig ist und keine re- levanten Begleitkrankheiten auf- weist. Zunächst werde durch eine epi- durale elektrische Teststimulation be- ziehungsweise intrathekale Infusion von Opioiden über eine gewisse Zeit geprüft, ob die Schmerzen anspre- chen, erklärte Prof. Wolfhard Winkel- müller (Hannover) anläßlich des Schmerzkongresses in Düsseldorf.

Zur Rückenmarkstimulation (SCS) wird ein Elektroden-Empfän- gersystem dauerhaft implantiert. Be- sonders gut ist diese Methode geeignet bei therapieresistenten Schmerzen nach Bandscheiben-Operation, Post- Zoster-Neuralgie, Phantom- und Stumpfschmerzen, traumatischen Ner- venläsionen, inkompletter Quer- schnittslähmung und peripherer Ver- schlußkrankheit mit langsamer Pro- gression. Auch Patienten mit therapie- resistenter Angina pectoris können in nahezu 90 Prozent Beschwerde- und

Anfallsfreiheit erreichen. Prof. Hen- ning Harke (Krefeld) unternahm bei 38 Patienten, die ein SCS-System trugen, den Versuch, das System auszuschalten und die Schmerzen mit Morphin plus Carbamazepin zu kontrollieren. Schon nach vier Tagen schalteten 35 Patienten ihr System wieder ein, weil die Schmer- zen medikamentös unzureichend un- terdrückt wurden – und sie wurden so- gleich wieder schmerzfrei.

Rückenmarknahe Opioidgabe

Die rückenmarknahe Opioidga- be über Pumpenimplantate hat den Vorteil, daß das Opioid am Ausgangs- punkt der aufsteigenden Schmerz- bahn angreift – das heißt am Hinter- horn des Rückenmarks – und die Schmerzinformation damit direkt un- terdrückt. Die Komplikationsrate die- ses Eingriffs ist inzwischen auf etwa drei Prozent abgesunken und hat da- mit Schrittmacher-Niveau erreicht.

Die Wirkung eines spinal appli- zierten Medikaments ist um den Faktor 100 bis 2 000 stärker im Vergleich zur systemischen Gabe. Morphin eignet sich wegen seiner Hydrophilie und lan- gen Rezeptorbindung am besten für die intrathekale Applikation. Vorausset- zung für die Implantation einer Pumpe ist allerdings eine Lebenserwartung von drei bis sechs Monaten. In Deutschland werden derzeit etwa 2 500 Pumpen pro Jahr implantiert, wie Prof.

Hermann Müller (Koblenz) ausführte.

Die anfänglich hoch erscheinen- den Kosten der Neuromodulation glei- chen sich sehr schnell wieder aus.

Durch Einsatz der Medikamenten- pumpe konnten nach einer Kosten- Nutzen-Analyse bei strenger Indikati- onsstellung pro Jahr 8 000 DM pro Pa- tient eingespart werden. Das bedeutet, daß sich die Kosten schon nach drei Jahren ausgleichen. Danach zahle sich das System nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Kostenträger aus, so Prof. Mohsen Mohadjer (Frei- burg). Dr. med. Angelika Bischoff

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P O L I T I K MEDIZINREPORT

(34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 1–2, 8. Januar 1999

Akute lymphatische Leukämie

Maßgeschneiderte Therapie für Kinder

Fast die Hälfte der an akuter lymphatischer Leukämie (ALL) er- krankten Kinder wird man in Zukunft chemotherapeutisch sanfter behan- deln können. Dies hat eine von der Deutschen Krebshilfe geförderte Stu- die ergeben. Mit Hilfe der Polymera- se-Kettenreaktion (PCR) lassen sich die Kinder in Risikogruppen eintei- len. Damit gelingt es, selbst winzige Mengen von Leukämiezellen nachzu- weisen. Auf den Ausgang dieser Stu- die hat man, wie Prof. Claus Bartram (Direktor des Instituts für Humange- netik in Heidelberg) sagte, bereits in vielen Ländern gewartet.

Der Behandlungserfolg entschei- det sich für die Kinder hauptsächlich während der ersten drei Monate. Bei mehr als vierzig Prozent der ALL-Pa- tienten erreicht die Chemotherapie bereits in den ersten vier Wochen einen so dramatischen Abfall der

Leukämiezellen, daß sie selbst mit dem PCR-Verfahren nicht mehr nachweisbar sind. Diese Kinder ha- ben eine ungewöhnlich gute Progno- se. Rezidive treten praktisch nie auf.

Zum ersten Mal, so Bartram, habe man nun eine Grundlage, um eine Dosisreduktion rechtfertigen zu kön- nen. Heilung gab es nur um den Preis der Lebensqualität mit Übelkeit, Er- brechen und Haarausfall.

Die ALL ist die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter mit zwei besonderen Problemen: Ein Teil der Kinder be-

kommt ein Rezidiv und hat dann eine sehr schlechte Pro- gnose. Außerdem muß zwei Jahre lang behandelt werden, bis die Kinder als

„geheilt“ gelten. Ein großer Teil wird da- durch überthera- piert. Andererseits fand man in der Stu- die auch bei 15 Pro- zent der Kinder hohe

Leukämiezahlen nach einem und drei Monaten. Diese Kinder haben ein hohes Risiko, einen Rückfall zu erreichen. Künftig sollen sie frühzei- tig intensiver behandelt werden. Ne- ben der Chemotherapie ist die Kno- chenmarktransplantation nach wie vor die einzige Therapiemöglichkeit.

Die Deutsche Krebshilfe unter- hält seit 1996 eine eigene Kinder- Krebshilfe. Seit ihrer Gründung hat sie rund 250 Projekte mit 110 Millio- nen DM gefördert.

Dr. med. Cornelia Herberhold

Durch eine Einteilung in Risikogruppen ist es möglich, einen Teil der Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie sanfter zu behandeln. Foto: Deutsche Krebshilfe

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