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us meiner Kindheit ken- ne ich noch ganz gut das Märchen von dem Nachtwächter, der sich einen Heidenspaß daraus machte, die Leute immer und noch- mals aus den Federn zu scheuchen. Die übungshal- ber ausgestoßenen „Feurios“stumpften aber mit zuneh- mender Wiederholung die braven Bürger so sehr ab, daß sie – als es wirklich brannte – sich lieber noch mal in ihren weichen Daunen rumdrehten.
Mit schlimmem Ausgang, wie die Mär zu berichten weiß.
Bei Alan Greenspan lie- gen die Dinge etwas anders.
Erstens ist der Mann kein Nachtwächter, sondern Präsi- dent der Federal Reserve, der oberste amerikanische Wäh- rungshüter also. Zweitens macht eben dieser Alan Greenspan die Leute nicht aus Jux und Dollerei ver- rückt, und schon gar nicht hat
er testweise immer wieder
„Feurio“ geschrien, sondern bloß seit einiger Zeit mehrfach auf die überhitzten Aktien- märkte weltweit hingewiesen.
Im Ergebnis aber kommt die Geschichte fast aufs glei- che raus. Es brennt, und kei- ner nimmt die mahnenden Stimmen ernst.
Als wären die Worte des obersten Bankers der USA purer Quatsch, kümmern sich die Leute keinen Deut um die Warnungen und treiben die Aktiennotierungen munter weiter nach oben. Die Fach- leute nennen das Börsen- Bubble, überhitzte Märkte, Bullenmarkt, um nur einige Ausdrücke zu nennen.
Dabei sagt Greenspan Din- ge, wie sie wahrer nicht sein könnten. Um die derzeit hohen Kurse zu rechtfertigen, meinte er dieser Tage, müsse bei den Unternehmen ein beträchtlich höheres Gewinnwachstum zu erwarten sein. Tatsächlich aber melden viele Gesellschaften sinkende Erträge. Also genau das Gegenteil.
Erste Anzeichen für Brü- che im puren Börsen-Optimis- mus lassen sich aber durchaus erkennen. Während in den er- sten Januartagen die Euro- phobie die Kurse noch welt- weit nach oben trieb, ging es im Zuge der Brasilienkrise ge- nauso stark wieder nach un- ten. Und dann wieder nach
oben, um dann wieder einer Abwärtsbewegung Platz zu machen, als sich Abwertungs- gerüchte um die chinesische Währung breitmachten.
Unter altgedienten Börsia- nern kursiert eine Weisheit, die sich bislang erstaunlich oft bewahrheitete. „Wie der Janu- ar, so das ganze Jahr“, sagen sie. Fazit: Die Kuh ist noch lan- ge nicht vom Eis. Vielmehr ist noch völlig offen, wann sich die Anleger ihre ersten großen Frostbeulen holen.
Sollten die überhitzten Märkte einmal abkühlen, kann durchaus auch eine Eis- zeit in die Börsensäle einkeh- ren, von deren Intensität und Dauer heute nur die hartge- sottensten Pessimisten eine vage Vorstellung haben. Wohl denen, die dann via Geld- marktfonds und Festverzins- liche entsprechende Sicher- heitspolster in ihre Depots gebracht haben. Börsebius
[56] Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 5, 5. Februar 1999
S C H L U S S P U N K T
Post Scriptum
Die Pflegekasse hat, so der frühere Bundesarbeits- minister Norbert Blüm, ei- nen beträchtlichen Über- schuß „erwirtschaftet“. Wie dies zustande kommt, erfah- ren viele Alte, Gebrechli- che, Behinderte, Unselb- ständige und psychisch Kranke, die ihren Ange- hörigen zur Last fallen. Sie stellen einen Antrag, der mit fadenscheiniger Begrün- dung abgelehnt wird.
Im wesentlichen führen zwei Ursachen zu Fehlein- schätzungen:
1. Die Prüfärzte verfügen oft nicht über die erforder- liche Erfahrung im Umgang mit der obengenannten Per- sonengruppe.
2. Die Betroffenen sind zu eitel, ihre Mängel zuzugeben
und zu ein- fältig, ener- gisch zu pro- testieren.
Zu 1):
Bei der Aus- wahl der Vertrauens- ärzte sollte man nicht kritiklos auf pensionierte
oder arbeitslose Mediziner zurückgreifen, sondern auf eine besondere Qualifika- tion im psychologisch-geria- trischen Fachbereich Wert le- gen. Die gute Vorbildung ko- stet natürlich.
Zu 2): Der (die) Antrag- steller(-in) sollte folgende Regeln beachten:
Vergessen Sie Ihre Eitel- keit für kurze Zeit und ge-
ben Sie sich wie immer ein bißchen schlampig, unge- pflegt, faul und klagsam.
Jeglicher Ehrgeiz, dem Prüf- arzt durch Leistung zu impo- nieren, ist verboten.
1 Gehen Sie vor dem Arztbesuch nicht zum Frisör!
1 Putzen Sie vor dem Erscheinen des Doktors nicht die Wohnung wie an ei- nem hohen Feiertag!
1 Ziehen Sie nicht Ihre besten Kleider an!
1 Fallen Sie nicht auf Tricks herein! Zum Beispiel, wenn der Herr Doktor den
Kugelschreiber fallen läßt, sollte Sie das kaltlassen.
1 Antworten Sie nie mit den Worten: „Es geht mir gut!“
1 Verheimlichen Sie nicht, daß Ihre Kinder sich überhaupt nicht um Sie küm- mern!
1Verheimlichen Sie auch nicht, daß es Ihnen an Geld mangelt! Tun Sie nicht so, als ob Sie auf Pflegegeld gar nicht angewiesen seien!
Die schwerbelastenden Überschüsse der Pflegekas- se lassen sich bei sorgfältiger Beachtung dieser Regeln leicht neutralisieren.
Die eingezahlten Beiträ- ge gehören den Versicherten!
Eine für die Not der Men- schen geschaffene Solida- ritätskasse muß keine hohen Gewinne erwirtschaften wie ein Autokonzern. Allerdings sollten wohlhabende Fami- lien mit Sinn für Anstand und gute Sitten freiwillig auf einen Antrag zur Erlan- gung von Pflegegeld verzich- ten. Dr. med. Otmar Behr
Börsebius zu Aktien
Vorsicht, Rutschgefahr!
Glosse
Anleitung für Antragsteller von Pflegegeld
Zeichnung: Ralf Brunner