ie Gesundheitsreform ist abgeschlossen. Die Uhr wird nicht mehr zurückge- dreht.“ Das waren deutliche Worte von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer zu den andauern- den Diskussionen um Nachbesse- rungen der sogenannten dritten Stufe der Gesundheitsreform, die am 1. Juli in Kraft getreten ist. Im Rahmen eines Atrium-Symposi- ons „Gesundheitspolitik bis zum Jahr 2000“ versuchte Seehofer, un- ter den Beteiligten – Vertreter der Ärzte, der Kassen und der Phar- maindustrie – Optimismus zu ver- breiten: Das deutsche Gesund- heitswesen befinde sich nicht in der Krise, es sei auch im interna- tionalen Vergleich leistungsfähig und preiswert.
Drei zentrale Punkte zählte der Minister auf, die bis zur Jahr- hundertwende auf dem gesund- heitspolitischen Programm stehen:
Prävention, Versorgungsqualität und natürlich die Finanzen. Deren Entwicklung deutet Seehofer zu- folge darauf hin, daß gespart wird.
Im Vergleich zum ersten Halbjahr 1997 falle das Defizit des ersten
Halbjahres 1998 deutlich geringer aus. Dabei hätten Aufwendungen für Arzneimittel die Ausgaben- entwicklung nicht negativ belastet.
Politisch ausgedient hat die Parole der Kostendämpfung. See- hofer bestätigte das in den letzten Monaten vielfach angebrachte Ar- gument, daß fehlende Einnahmen, ausgelöst durch die hohe Arbeits- losigkeit, mitverantwortlich sind für die Finanzprobleme der GKV.
Sparen allein genügt also nicht mehr: Ohne die Erhöhung der Selbstbeteiligung hätte die Funk- tionsfähigkeit des Gesundheits- wesens ab Herbst dieses Jahres in Frage gestanden, verteidigte der Minister sein vielkritisiertes Zu- zahlungswerk. Zuzahlungen stell- ten zur Zeit die einzige Möglich- keit zur Einnahmenverbesserung dar. Daneben bleibe aber die Er- schließung von Wirtschaftlichkeits- reserven eine Daueraufgabe. Dazu
räumen, so Seehofer, die beiden GKV-Neuordnungsgesetze der Selbstverwaltung Möglichkeiten ein wie nie zuvor. Beliebtes Bei- spiel: die Strukturverträge. Die dritte Stufe der Gesundheits- reform sei kein Kahlschlag im soli- darischen System. Für Prävention und Früherkennung beispielsweise würden auch weiterhin notwendige Leistungen wie Krebsfrüher- kennung, Kinder-Vorsorgeunter- suchungen, Vorsorgekuren oder Schutzimpfungen bereitgestellt.
Künftig müßten jedoch Ärzte und Kassen verstärkt an die Versicher- ten appellieren, diese Möglichkei- ten auch zu nutzen. Zudem räum- ten die Neuordnungsgesetze den Kassen ein, Präventionsmodelle zu erproben – auf Kosten ihrer Ver- sicherten. Nur was lediglich dem Wohlbefinden diene, werde nicht länger von der Solidargemein- schaft finanziert. Heike Korzilius
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Seite eins
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 37, 12. September 1997 (1)
Seehofer-Reform
Blick nach vorn
D
in Segen, daß die deut- schen Krankenhäuser, je- denfalls die in öffentlicher Trägerschaft, so defizitär sind. Da- durch verhelfen sie nämlich der Bundesregierung dazu, die ersehn- te Punktlandung bei der Ein- führung des Euro doch noch zu schaffen. Und das geht so:
Das Statistische Amt der Eu- ropäischen Union hat soeben aus- gerechnet, daß bei der Berech- nung der Netto-Neuverschuldung die Defizite der öffentlichen Kran- kenhäuser – rund 5 Milliarden DM – nicht einzurechnen sind. Die seien keine Staatsschuld. Denn Krankenhäuser operierten am Markt, Defizite seien somit beim Unternehmenssektor zu verbu- chen und die Schulden des Staates als Kapitaleinlage zu betrachten.
Dank der trickreichen Definition
vermindert sich die aktuelle Staatsschuld um rund 0,2 Prozent- punkte. Und siehe da, das Euro- Kriterium von 3,0 Prozent Neuver- schuldung, gemessen am Brutto- inlandsprodukt, ist erreicht.
Sollte Deutschland bei dem Euro-Kriterium Inflationsrate in Bedrängnis geraten, auch hier wüßten wir Rat. Im Juli ist zwar die Inflationsrate um bedrohliche 1,9 Prozent gestiegen. Doch, so ver- meldet diesmal das Statistische Bundesamt, die Steigerung sei zum großen Teil auf die neuen Zuzahlungen bei Arzneimitteln zurückzuführen. Ohne die betrüge
die Inflationsrate lediglich 1,6 Pro- zent. Spinnen wir den Gedanken- gang fort: Um auch hier die Punkt- landung gefahrlos zu schaffen, be- darf es lediglich einer neuen Defi- nition, nämlich, daß Zuzahlungen von Patienten – bei Medikamen- ten, im Krankenhaus und sonstwo – nicht als preissteigernd gewertet werden dürfen.
So hilft unsere Gesundheits- politik der Finanzpolitik aus der Klemme. Eigentlich sollte bei der anstehenden abgesagten Kabinetts- Nichtreform das Gesundheits- mit dem Finanzressort zusammenge- legt werden. Norbert Jachertz