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Archiv "Gesundheitsstrukturreform, Stufe III: Erhöhte Zuzahlungen treffen Patienten" (04.04.1997)

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D

ie Bonner Koalition bleibt mit dem 1. und 2. NOG weit hinter ihrem ursprünglichen An- spruch zurück, mit einer Ge- neralrevision des Rechtes der Gesetz- lichen Krankenversicherungen und weiteren strukturellen Weichenstel- lungen die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung dauerhaft zu konsolidieren. Ob die beabsichtigte Stärkung der Selbstverwaltung und die auf mehr Wettbewerb ausgerichte- ten Rahmenbedingungen zu mehr Wirtschaftlichkeit führen und die Bei- tragssätze stabilisiert oder zumindest der Beitragsanstieg gedrosselt werden können, ist fraglich. Von einem kon- zeptionellen Tiefgang und einer Um- setzung der Ergebnisse der Petersber- ger Gespräche ist wenig zu spüren.

Vor allem im Krankenhaussektor wur- den die weitergehenden Regelungen, wie sie noch im Regierungsentwurf für ein Krankenhausneuordnungsgesetz vom Frühjahr 1996 vorgesehen waren, ausgespart. Dadurch wird die dritte Stufe zur Gesundheitsstrukturreform eher zur Stolperschwelle. Stringenz und Ausgewogenheit: Fehlanzeige!

Statt dessen: Für alle Kranken- kassen werden die bereits gesetzlich geltenden Zuzahlungen ab 1. Juli 1997 dauerhaft um fünf DM bezie- hungsweise um fünf Prozentpunkte (dort, wo prozentuale Direktbeteili- gungen gelten) per Gesetz erhöht.

Für Arzneimittel bedeutet das: statt vier, sechs, acht DM müssen künftig –

je nach Packungsgröße – neun, elf oder 13 DM vom Patienten zugezahlt werden. Bei einem großen Teil preis- günstiger Arzneimittel wäre dann der Zuzahlungsbetrag höher, als das Me- dikament tatsächlich kostet. Dann ist es günstiger, daß der Versicherte den vollen Betrag in der Apotheke selbst bezahlt, der Arzt auf Privatrezept ver- ordnet, um so das Verordnungsvolu- men zu entlasten. Erhoffte Minder- ausgaben: rund 3,5 Milliarden DM pro Jahr. Die Minderausgaben ent- sprechen einer Entlastung um 0,25 Beitragssatzpunkte. Diese Zuzah- lungsanhebungen sollen einen Teil des für 1996 festgestellten Defizits von 6,3 Milliarden DM ausgleichen.

Schelte der Opposition Seehofer ging also den Weg des geringsten Widerstandes, was auf her- be Kritik bei den Krankenkassen und totale Ablehnung bei der Opposition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen stieß. Der Sozialexperte der SPD im Bundestag, Rudolf Dreßler, hielt der Koalition eine „Umverteilung von unten nach oben“ vor und kritisierte, daß die Milliardenbeträge zugunsten der Pharmaindustrie und der Ärzte von den Versicherten mobilisiert wer- den müßten. Das Krankheitsrisiko werde so immer mehr reprivatisiert.

Ohnedies würden die Versicherten künftig mit rund 20 Milliarden DM

pro Jahr direkt zur Kasse gebeten (1995: 13,3 Milliarden DM).

Das Modell der „Gestaltungslei- stungen“ wird durch das Partner- schaftsmodell in den Leistungssekto- ren Heilmittel, häusliche Kranken- pflege sowie Kuren und Rehabilitati- on ersetzt. Zwei Ansatzpunkte: Der in seiner Kompetenz gestärkte Bun- desausschuß der Ärzte und Kranken- kassen konkretisiert die Vorausset- zungen für die Verordnung. Zusätzli- che Gestaltungsmöglichkeiten mit er- hofften Steuerungswirkungen sieht das Gesetz in der Möglichkeit vor, Beitragsrückerstattung, Selbstbehalt, differenzierte Zuzahlungen und Son- derbeiträge der Versicherten für zu- sätzliche Leistungen festzulegen.

Darüber hinaus wird allen Versicher- ten der GKV die Möglichkeit, anstel- le des Sachleistungsverfahrens Ko- stenerstattung zu wählen, eröffnet.

Ferner soll die Selbstverwaltung auf Bundesebene in Modellvorhaben ver- einbaren können, daß für die Gesamt- vergütungen getrennte Vergütungs- anteile zugrunde gelegt werden.

Eine wesentliche Neuerung be- trifft die ärztliche Vergütung. Künftig wird anstelle der üblichen Gesamt- vergütung mit „floatendem Punkt- wert“ ein „Regelleistungsvolumen“

mit einem vorab vereinbarten festen Punktwert vereinbart. Erhoffte Wir- kung: mehr Transparenz und Lei- stungsgerechtigkeit, Abstellen des

„Hamsterrad-Effektes“ und verbes- A-887

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 14, 4. April 1997 (15)

Gesundheitsstrukturreform, Stufe III

Erhöhte Zuzahlungen treffen Patienten

Das 2. Gesetz zur Neuordnung der gesetzlichen Kranken- versicherung (2. NOG), das der Bundestag gegen die Stim- men der Opposition beschloß, trifft ab Mitte dieses Jahres über spürbar erhöhte Zuzahlungen für Medikamente, Heilmittel, Fahrkosten und Krankenhausaufenthalt die Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Das Gesetz, das nicht zustimmungspflichtig ist, liegt zur

Schlußberatung noch dem Bundesratsplenum vor; Ein-

sprüche können mit der Kanzlermehrheit zurückgewiesen

werden. Die ärztliche Vergütung wird neu geregelt und

das Arznei- und Heilmittelbudget durch Richtgrößen ab-

gelöst. Die Koalition geht davon aus, daß das 2. NOG zu-

sammen mit dem noch im Bundesrat zu behandeln-

den 1. NOG noch vor der Sommerpause beschlossen wird.

(2)

serte Kalkulationsgrundlagen für Arztpraxen. Die Vertragspartner ver- einbaren auf der Grundlage von Fall- werten und Fallzahlen arztgruppen- spezifische Praxisvergütungen für das Volumen der vertragsärztlichen Lei- stungen. Dies bedeutet: Für unter- schiedliche Facharztgruppen und für Hausärzte werden unterschiedliche Regelleistungsvergütungen verein- bart.

Das starre Arznei- und Heilmit- telbudget wird künftig durch arzt- gruppenspezifische Richtgrößen ab- gelöst (bisher im Gesetz bereits als Option möglich). Die Richtgrößen sollen so bald wie möglich gemeinsam und einheitlich von allen Kassenver- bänden mit den KVen vereinbart wer- den. Die Vereinbarung ist schiedsstel- lenfähig. Auch gemeinsame Richt-

größen für Arznei- und Heilmittel sind möglich. Durch diese Änderung wird beabsichtigt, die von der Ärzte- schaft lebhaft kritisierte und in der Durchsetzung rechtlich angreifbare Kollektivhaftung durch eine verursa- chergerechte Haftung für das Verord- nungsverhalten des einzelnen Arztes zu ersetzen. Bei Überschreiten der Richtgrößen sind Wirtschaftlichkeits- prüfungen zu veranlassen; je nach Höhe der Überschreitung würden Regresse greifen, falls nicht Praxisbe- sonderheiten Ausnahmen zulassen.

Die bisher geltende rigide Bedarfs- planung soll flexibilisiert und das Job- sharing von Vertragsärzten erleichtert werden. Der Bundesausschuß kann in bestimmten Fällen die Verhältniszah- len, die Grundlage für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen sind,

neu festsetzen oder anpassen. Die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes wird künftig aus dem Sicherstellungsauftrag der KVen herausgenommen.

Der Zuwachs des Krankenhaus- budgets wird auf die Grundlohnrate begrenzt. Für 1997 ist die Rate per Gesetz auf 1,3 Prozent in den alten und auf 2,3 Prozent in den neuen Län- dern festgelegt worden. Steigen die Gehälter nach dem BAT stärker als die Grundlohnrate, wird dies anteilig zusätzlich berücksichtigt. Für 1997 bis 1999 wird eine pauschalierte Finan- zierung (1,1 Prozent Budgetzuschlag) bei den Instandhaltungsmaßnahmen eingeführt. Die Mehrausgaben der GKV werden durch einen Versicher- tenbeitrag in Höhe von 20 DM pro Jahr finanziert. Dr. Harald Clade A-888

P O L I T I K LEITARTIKEL

(16) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 14, 4. April 1997 1 Richtgrößen:Arznei- und Heilmittelbudgets werden durch arztgruppenspezifische Richtgrößen abgelöst. Über- schreitet ein Arzt die vereinbarten Richtgrößen, wird er re- greßpflichtig, sofern er die Überschreitung nicht durch Pra- xisbesonderheiten begründen kann.

1 Regelvergütung:Die Gesamtvergütung für die Ho- norare der niedergelassenen Ärzte wird ersetzt durch ein

„Regelleistungsvolumen“ mit festem Punktwert. Kassen und KV vereinbaren auf der Grundlage von Fallwerten und Fall- zahlen arztgruppenspezifische Praxisvergütungen für das Vo- lumen der vertragsärztlichen Leistungen. Überschreitet ein Arzt die vereinbarte Regelleistungsvergütung, erfolgt für die zusätzlichen Leistungen eine Vergütungsabstaffelung. Aus- nahmen von der Abstaffelung bilden förderungswürdige Lei- stungen wie Wochenend- oder Notdienste.

1 Rechnung: Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser müs- sen die Versicherten über Umfang und Kosten der erbrachten Leistungen unterrichten.

1Bedarfsplanung:Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen soll Regelungen für das Job-sharing von Ver- tragsärzten und die erleichterte Anstellung von Ärzten schaf- fen. In fachlich begründeten Fällen kann er die Verhältnis- zahlen, die Grundlage für Zulassungsbeschränkungen sind, neu festsetzen oder anpassen. Die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes wird aus dem Sicherstellungs- auftrag der KV herausgenommen.

1Krankenhäuser:Der Zuwachs der Krankenhausbud- gets wird auf die Grundlohnrate begrenzt, die von den Ver- tragspartnern jährlich auf Bundesebene vereinbart wird (1997: 1,3 Prozent West, 2,3 Prozent Ost). Die Selbstverwal- tung vereinbart künftig Fallpauschalen und Sonderentgelte.

Die Großgeräteplanung wird abgeschafft. Instandhaltungs- maßnahmen sind pflegesatzfähig. Für die Jahre 1997 bis 1999 wird eine pauschalierte Finanzierungsregelung geschaffen (1,1 Prozent Budget-Zuschlag). Die Mehrausgaben der Kas- sen werden durch einen Beitrag der Versicherten in Höhe von 20 DM pro Jahr finanziert.

1Beiträge:Die Krankenkassen müssen bei Beitragssatz- erhöhungen die Zuzahlungen für ihre Versicherten anheben (Ausnahme: Erhöhungen im Zuge des Risikostrukturaus- gleichs). Eine Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 Prozent- punkte führt zu einer Anhebung der Zuzahlung um jeweils ei- ne DM, bei prozentualen Zuzahlungen um jeweils einen Pro- zentpunkt. Die Versicherten haben im Fall von Beitragssatzer- höhungen ein außerordentliches Kündigungsrecht. Die Kassen können ihren Versicherten Beiträge zurückerstatten, wenn die- se keine Leistungen in Anspruch genommen haben. Die Mög- lichkeit der Kostenerstattung steht allen Versicherten offen.

1Zuzahlungen:Die Höhe der DM-Zuzahlungen wird al- le zwei Jahre an die Entwicklung der Löhne und Gehälter an- gepaßt. Die geltenden Zuzahlungen werden um fünf DM be- ziehungsweise fünf Prozentpunkte erhöht. Für Arzneimittel müssen dann neun, elf und 13 DM, für Fahrkosten 25 DM zu- gezahlt werden. Die Zuzahlung im Krankenhaus steigt auf 17 DM pro Tag (Ost: 14 DM) für höchstens 14 Tage. Die Ei- genbeteiligung für Heilmittel erhöht sich auf 20 Prozent.

1Partnerschaftsmodell:Die Kompetenz des Bundesaus- schusses der Ärzte und Krankenkassen bei der Verordnung von Heilmitteln, häuslicher Krankenpflege, Kuren und Reha- bilitationsleistungen wird konkretisiert. Die Selbstverwal- tung vereinbart Rahmenempfehlungen zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit dieser Leistungen.

1 Vertragsgestaltung: Die Krankenkassen sowie die KVen können neue Verfahren und Organisationsformen der Leistungserbringung, neue Leistungen der Krankenbehand- lung, Rehabilitation und Prävention in befristeten Modellvor- haben erproben. Die Selbstverwaltung kann im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung vereinbaren, daß für die Ge- samtvergütungen getrennte Vergütungsanteile für die betei- ligten Arztgruppen zugrunde gelegt werden (zum Beispiel ge- trennte „Töpfe“ für Haus- und Fachärzte). Durch Struktur- verträge können Versorgungs- und Vergütungsstrukturen ver- einbart werden, die dem Hausarzt oder dem Verbund haus- und fachärztlich tätiger Vertragsärzte („vernetzte Praxen“) die Verantwortung für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung sowie der veranlaßten Leistung übertragen. HK

Neuregelungen zum 1. Juli

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