• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hypertonie: „Zuverlässig“ soll der Druck gesenkt werden" (29.01.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hypertonie: „Zuverlässig“ soll der Druck gesenkt werden" (29.01.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

eändert hat sich nur ein klei- nes Wörtchen. Schon bislang sollten die Deutschen nach der Empfehlung der „Hochdruckliga“

ihren Blutdruck unter 140 zu 90 Milli- meter Quecksilbersäule halten. Doch laut der jüngsten Empfehlungen, wel- che die Fachgesellschaft zum Thema Bluthochdruck an alle Ärzte verteilt (14. Auflage), soll er nun „zuverläs- sig“ unter 140 zu 90 liegen. Was wie ein Füllwort klingt, ist nach ärztlichem Sprachverständnis eine deutliche Ver- schärfung im Tonfall, wie die 22. wis- senschaftliche Tagung der Fachgesell- schaft in Freiburg zeigte.

Der Zusatz „zuverlässig“ soll be- wirken, daß Ärzte ihren Patienten noch eindringlicher ins Gewissen re- den, durch ausgewogenere Ernäh- rung, weniger Alkohol, mehr Bewe- gung unter die Schwelle zu rutschen.

Wahrscheinlicher ist aber, daß Patien- ten, die bislang ohne Medikamente zurechtkamen, in Zukunft häufiger mit einem Rezept aus der Sprechstun- de kommen; andere werden statt bis- lang einem nun zwei oder gar drei Medikamente auf dem Rezept finden.

HOT-Studie ist die Basis

Die aktuellen Empfehlungen stützen sich auf die Ergebnisse einer im Sommer 1998 veröffentlichten Me- dikamenten-Studie an fast 19 000 Pa- tienten, deren diastolischer Blut- druckwert unbehandelt zwischen 100 und 115 mm Hg lag (Lancet 1998; 351:

1755). Die Patienten der HOT-Stu- die waren drei Gruppen zugelost wor- den, die auf unterschiedliche diastoli- sche Werte eingestellt werden soll- ten: unter 90, unter 85 und unter 80

mm Hg. Dann verfolgten die Ärzte dreieinhalb bis vier Jahre, wie viele Schlaganfälle und Herzinfarkte in den Gruppen auftraten. Die Unterschiede fielen allerdings nicht sehr deutlich aus: Hochgerechnet auf 10 000 Pa- tienten erlitten in den drei Gruppen zwischen 93 und 100 Patienten pro Jahr eine Komplikation.

Eine Detailanalyse aller 19 000 Teilnehmer errechnete, daß etwa bei 83 mm Hg der „optimale“ dia- stolische Blutdruckwert zu liegen scheint, bei dem das Risiko einer

schweren Komplikation am niedrig- sten ist. Für Diabetiker scheint das Optimum jedoch noch niedriger zu liegen: Bezogen auf 10 000 Patienten, erlitten 244 Zuckerkranke pro Jahr ein solches Ereignis, wenn der Blut- druck unter 90 mm Hg lag. Die Rate sank auf 119 bei Diabetikern, deren diastolischer Wert unter 80 mm Hg lag. „Bei Diabetikern ist die konse- quente Senkung des Blutdrucks auf ei- nen Wert unter 130 zu 85 mm Hg erfor- derlich“, lautet die Schlußfolgerung der Hochdruckliga, die in den neuen Empfehlungen steht.

Als wichtigstes Ergebnis der HOT-Studie gilt jedoch, daß es bei niedrigen Blutdruckwerten keinen deutlichen Wiederanstieg des Risikos gab. Einige Experten hatten bislang die Befürchtung, daß bei zu niedrigem Blutdruck die Durchblutung des Her- zens gefährdet ist. „Es ist klar, daß irgendwo das Risiko wieder ansteigen muß“, sagt Prof. Rainer Kolloch von den Kran- kenanstalten Gilead in Bielefeld, „doch im Be- reich zwischen 80 und 90 mm Hg müssen wir uns of- fenbar noch keine Sorgen machen.“

Die Studie verdeut- lichte jedoch auch, daß ein Blutdruck unter 90 mm Hg nicht leicht zu errei- chen ist: Sieben von zehn Patienten haben dazu zwei oder mehr Medika- mente einnehmen müs- sen. Weil bislang die mei- sten Patienten nur mit ei- nem Medikament behan- delt werden, müssen sich auch die Krankenkassen auf eine neue Situation einstellen. Prof. Hans- Werner Hense, Präventi- onsmediziner an der Uni- versität Münster, macht aus den finanziellen Kon- sequenzen der ärztlichen Empfehlungen gar keinen Hehl: „Wir sollten offen analysieren, was die Be- handlung von Bluthochdruck kostet und was der Nutzen ist.“ Immerhin gelten hierzulande etwa 20 Prozent der Erwachsenen als Hypertoniker, deren Blutdruck 140 zu 90 übersteigt.

A-186 (34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 4, 29. Januar 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Hypertonie

„Zuverlässig“ soll der Druck gesenkt werden

Die Hochdruckliga stellte in Freiburg neue, verschärfte Empfehlungen zur Behandlung von Hypertonikern vor. Die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Bilanz ist jedoch schwierig.

G

Das Ziel der antihypertensiven Therapie ist die Prävention von Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Idealerweise sollen damit dem Individuum Leid und der Gesellschaft Kosten erspart werden. Ob sich beide Ziele vereinen lassen, wird von einigen Wissenschaftlern angezweifelt. Foto: Bayer AG

(2)

Der Gesundheitsökonom und Epidemiologe Prof. Karl Lauterbach von der Universität Köln stellte in Freiburg Abschätzungen vor, wieviel die Krankenkassen in Medikamente investieren müssen, um durch die Verschiebung und Vermeidung von Schlaganfällen und Herzinfarkten die Lebenserwartung ihrer Mitglieder um ein Jahr zu verlängern. Die Hoffnung ist, daß die Kosten der Medikamente dadurch aufgewogen werden, daß sie die Behandlungskosten für Schlagan- fälle und Herzinfarkt verringern.

Geld einsparen kann der Einsatz der Medikamente aber nur bei Patien- tengruppen, die ein hohes Schlagan- fallrisiko haben: Dies ist der Fall bei Hypertonikern, die über 65 Jahre alt sind. Die Therapie mit Antihypertoni- ka kann aber auch mehr als eine halbe Million DM pro gewonnenes Lebens- jahr zusätzlich kosten, wenn man etwa jüngere Frauen therapiert, deren Risi- ko für einen Schlaganfall oder Herz- infarkt auch bei mittelschwer erhöh- tem Blutdruck gering ist, wenn nicht weitere Risikofaktoren hinzukommen.

Der Nutzen „verpufft“

Lauterbach hält dennoch die Therapie für alle für bezahlbar: „Man könnte die Einsparungen bei den alten Patienten verwenden, um die zusätz- lichen Kosten bei den jungen Patien- ten zu tragen.“ Allerdings hängt das Ergebnis dieser Bilanzen auch stark vom Preis der eingesetzten Medika- mente ab: Nach Lauterbachs Berech- nungen liegt bei Therapiekosten von etwa 50 Pfennig pro Tag die Schwelle, wo auch Hochdruck-Patienten mit mittleren Risiken noch „kostensen- kend“ behandelt werden können.

Die deutschen Ärzte bevorzu- gen jedoch Präparate, die das Zwei- bis Dreifache kosten. Das führt dazu, daß Antihypertonika schon jetzt der größte Einzelposten im Medikamen- tenbudget sind: 1996 haben die Kassen nach Zahlen des Arzneiver- ordnungsreports 1997 von den 34,7 Milliarden DM für Medikamente zwischen 3,6 und vier Milliarden für Blutdrucksenker ausgegeben. Die Preisspanne der mehr als 200 zugelas- senen Präparate reicht von 30 Pfennig bis zu vier DM für eine Tagesdosis.

Dazu Lauterbach: „Ich halte es für unethisch, wenn man Patienten mit teuren Medikamenten behandelt, de- ren Vorteil gegenüber preiswerteren nicht belegt ist.“ Zudem werden die Blutdrucksenker nicht effektiv einge- setzt. Lauterbach schätzt, daß die von den Krankenkassen bezahlten Medi- kamente schon jetzt ausreichen wür- den, um bei zwei Drittel der Hoch- druck-Patienten den Blutdruck zu normalisieren. Tatsächlich erreichen aber nur 20 bis 40 Prozent der Patien- ten das Ziel. „So wie das Geld ver- wendet wird, verpufft ein Großteil des Nutzens“, klagt Lauterbach.

Jetzt bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Empfehlungen der Hoch-

druckliga auf die Behandlungsqua- lität der Ärzte und das Verhalten der Patienten auswirken. Auch der alte Ratschlag, durch ausgewogenere Er- nährung und mehr Bewegung etwas für Gesundheit und Blutdruck zu tun, wird nur selten umgesetzt. Prof.

Ingomar Franz, Chefarzt der Klinik Werhawald in Todtmoos, vermutet dahinter auch übersteigerte Erwar- tungen in die Möglichkeiten der Ärzte und der Medikamente: „Die meisten erwarten offenbar, daß die moderne Medizin ihr Gesundheits- problem löst. Meine Patienten sind oft sehr überrascht, wenn ich ihnen klarmache, daß sie das meiste selbst tun müssen.“ Klaus Koch

A-187

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 4, 29. Januar 1999 (35)

Fördert Helicobacter die Kanzerogenese?

Daß durch Eradikation von Helicobacter (H.) pylori die chronische Gastri- tis, das Ulkus und in hohem Prozentsatz auch das niedrig-maligne MALT-Lym- phom im Frühstadium geheilt werden können, bestreitet heute niemand mehr.

Welche Rolle der Keim jedoch in der Entstehung von Magenkrebs spielt, wird kontrovers diskutiert.

Die Vorstellungen dazu, wie es von der atrophischen Gastritis über intestina- le Metaplasie und Dysplasie bis zum Karzinom kommt, beruhen bisher nur auf Hypothesen. Stoffwechselprodukte von H. pylori schädigen möglicherweise das Oberflächenepithel. Als Reaktion darauf proliferieren die Epithelzellen ver- stärkt, was das mutagene Potential steigert. Vielleicht moduliert H. pylori auch die Immunantwort des Wirts.

Es gibt epidemiologische Daten, die für einen Zusammenhang zwischen H. pylori und Magenkrebs sprechen, und Daten, die dagegen sprechen. Schon vor der Entdeckung von H. pylori wußte man, daß die chronische B-Gastritis eine präkanzeröse Kondition darstellt. Wie Prof. Manfred Stolte (Bayreuth) bei einem Expertenstreitgespräch im Rahmen der Medica ’98 in Düsseldorf aus- führte, liegt das Risiko, an einem Magenkarziom zu erkranken, bei gleichzeiti- ger H.-pylori-Infektion signifikant höher als bei Personen, die H.-pylori-negativ sind. Je niedriger der sozioökonomische Status ist, desto häufiger kommt so- wohl die H.-pylori-Infektion als auch das Magenkarzinom vor. Bei 90 Prozent aller Magenfrühkarzinome findet man auch eine H.-pylori-Gastritis.

Es wurde auch nachgewiesen, daß Menschen mit einer chronischen H.-pylo- ri-Infektion eine niedrigere Konzentration von Vitamin C im Magensekret auf- weisen. Dadurch wird die Produktion kanzerogener Nitrosamine begünstigt. Ei- ne H.-pylori-Infektion aktiviert auch neutrophile Granulozyten, die reaktive Sauerstoffmetaboliten erzeugen, die möglicherweise mutagen auf die Stamm- zellen der Magenschleimhaut wirken können.

Prof. Friedrich Hagenmüller (Hamburg) brachte einige Gegenargumente:

Weniger als ein Prozent der Patienten, die mit H. pylori infiziert sind, erkranken tatsächlich an Magenkrebs. Patienten mit Ulcus duodeni, die zu 95 Prozent mit H. pylori infiziert sind, bekommen höchst selten ein Magenkarzinom. Bei Män- nern tritt Magenkrebs viel häufiger auf als bei Frauen, obwohl beide Geschlech- ter gleichermaßen mit H. pylori durchseucht sind.

Andere exogene und endogene Faktoren wie Rauchen, Alkohol und vitamin- arme Kost, die in der Genese von Magenkrebs eine wichtige Rolle spielen, dür- fen vor lauter Helicobacteromanie nicht übersehen werden. Vielleicht begün- stige die Helicobacter-Infektion auch das Einwirken anderer Risikofaktoren als eine Art Kofaktor, spekulierte Hagenmüller. Über solche Interaktionen weiß man allerdings noch gar nichts. Aus krebspräventiven Gründen Helicobacter zu eradizieren sei nach heutigem Wissensstand jedenfalls nicht gerechtfertigt, fol-

gerte Hagenmüller. Dr. med. Angelika Bischoff

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Viele Ärzte sind oft im Zweifel, ob ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit zur Sicherung ihrer eige- nen Existenz und der ge- samten Familie bisher sinnvoll und optimal ver-

Ohne Zeichen einer ACE-Hemmer-Unverträg- lichkeit scheint mir der Ein- satz von Angiotensin-II-Ant- agonisten in der Regel aber medizinisch nicht notwendig und wirtschaftlich nicht

Die Kontrolle über ihre Sexualität und ihre Möglichkeiten, sich vor ungewollten Schwangerschaften oder sexuell über- tragbaren Krankhei- ten zu schützen, sei- en

Beispiels- weise gilt eine HIV-Infek- tion derzeit als Kontraindi- kation für eine Organtrans- plantation. Die Organe werden nach den Grundsätzen der Erfolgs- aussicht,

Die Therapie mit Antihypertoni- ka kann aber auch mehr als eine halbe Million DM pro gewonnenes Lebens- jahr zusätzlich kosten, wenn man etwa jüngere Frauen therapiert, deren Risi-

Davon wurden 122,8 Milliarden DM für die stationäre Be- handlung in Krankenhäusern, Hochschulkliniken und Kureinrichtungen ausgege- ben, 86,5 Milliarden DM für die ambulante

Alle, die sich mit dem Problem der Operations- kosten befassen, wissen, daß ambulantes Operieren ko- stengünstig ist und daß - be- dingt durch die Modalitäten der Kostenerstattung

ergibt sich für die Vorschuß- zinsen ein Zinssatz von 0,75 Prozent (=1/4 des Sparbuch- Zinssatzes).. Diese Zinsen werden für drei Monate