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Archiv "Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie – Zwischen Heilkunst und Heilslehre: Schlußwort des Verfassers" (20.10.1988)

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menschliche Wirklichkeit heranfüh- ren kann. Er wird bei geduldiger Prüfung die von Steiner vertretene Anthroposophie nicht primär als

„Wissen" (geschweige denn als

„Totalwissen") vorfinden, sondern als freilassende Anregung zu eigener Gedankentätigkeit, die erst das Gei- stige in ihm stufenweise und von den verschiedensten Seiten her in eine reale Beziehung zu der unendlichen Vielfalt der Wirklichkeit bringt.

Dr. med. Thomas Külken, Bahnhofstraße 20, 7815 Kirchzarten

Schlußwort des Verfassers

Mein Beitrag über die philoso- phischen Grundlagen der anthropo- sophischen Medizin hat lebhaften Widerhall gefunden. In den Zu- schriften überwiegen insgesamt die ablehnenden Stimmen der anthro- posophisch orientierten Leser. Un- ter ihnen haben fast alle auf meine zwangsläufig knappe Darstellung und pointierte Kritik der anthropo- sophischen Menschenkunde mit exi- stenzieller Betroffenheit und Empö- rung reagiert. Es geht ihnen dabei nicht so sehr um die Widerlegung und Korrektur von Einzelheiten meiner Darstellung und meiner Kri- tik an der mythischen Denk- und Anschauungsform der Anthroposo- phie; es geht für fast alle meiner Kri- tiker um die Rechtfertigung der anthroposophischen Weltanschau- ung als ganzer sowie um ihre Immu- nisierung gegen wissenschaftliche Kritik.

Im folgenden will ich trotz die- ser im großen und ganzen allzu pau- schalen Kritik auf diejenigen Punkte im einzelnen eingehen, die überein- stimmend am häufigsten geäußert worden sind.

Es bleibt mir unverständlich, wie man aus einer Kritik an der anthroposophischen Denkweise eine Verabsolutierung des naturwis- senschaftlichen, „materialistischen"

Denkens ableiten kann. Zwar wird sich eine zeitgemäße medizinische Anthropologie weiterhin in erster Linie an den Forschungsresultaten der Naturwissenschaften orientieren müssen; die Problematik von Krank-

heit, Tod, Heilung erheischt jedoch ebenso die Berücksichtigung sozial- wissenschaftlicher Forschung und die philosophische und theologische Grundlagenreflexion.

Von einem meiner Kritiker wird zur Bestätigung des von mir be- strittenen Wissenschaftscharakters der Anthroposophie ins Feld ge- führt, daß die anthroposophische Medizin sich an die von Goethe be- triebene idealistische Morphologie halte und sie „weiterentwickelt"

habe.

Daran ist zweifellos richtig, daß es geistesgeschichtlich eine Ver- wandtschaft zwischen goethescher Naturbetrachtung und anthroposo- phischer Wesensschau gibt. Ich habe an anderer Stelle versucht*), den Nachweis zu führen, daß Goethe nicht wie der Anthroposoph Steiner im Gehäuse der reinen metaphysi- schen, ja okkultistischen Wesens- schau verharrt; vielmehr geht er von neuzeitlichem Wissenschaftsgeist er- füllt, stets von der Anschauung der mannigfaltigen Naturerscheinungen aus, ehe er sie auf universelle Ur- phänomene zurückführt. Anders als die Anthroposophen hält Goethe wie Kant am Gedanken eines Uner- forschlichen jenseits der Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis fest!

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Im Zusammenhang meiner Kritik am okkulten Gegenstand und an der spekulativen Methode der anthroposophischen „Geisteswis- senschaft" habe ich u. a. die folgen- de Feststellung getroffen: Das menschliche Erkennen kann sich mit intersubjektiver Geltung nur im Be- reich der Naturerscheinungen, der Geschichte und des menschlichen Verstandes selbst (als Erkenntnis- kritik!) bewegen. Eine geistige Welt oder Welt der Ideen kann nicht Ge- genstand wissenschaftlicher Erfah- rung sein.

Dieser meiner Festlegung der Erkenntnisgrenze für das wissen- schaftliche Denken wird von seiten meiner Kritiker heftig widerspro-

*) Vgl. Heiner Ullrich: Wissenschaft als ratio- nalisierte Mystik. Eine problemgeschichtliche Untersuchung der erkenntnistheoretischen Grundlagen der Anthroposophie. In: Neue Sammlung. Vierteljahres-Zeitschrift für Erzie- hung und Gesellschaft. 28 (1988), H. 2, S. 168 ff. (insbes. S. 189 f.)

chen. Ich hätte, so wird mir entgeg- net, diese Grenze zu eng gezogen

—ein Fehler, den schon Hegel an Kant aufgezeigt habe. Die anthroposophi- sche Geisteswissenschaft sei sehr wohl in der Lage, die Ideen bzw.

Wesenheiten, die die Welt und den Menschen konstituieren, in aller Klarheit zu erkennen. Ich halte es demgegenüber nach wie vor für un- möglich, daß man als Wissenschaft- ler die Existenz von Ideen, kosmi- schen Wesenheiten — anders gesagt:

die Existenz des Übersinnlichen — mittels empirischer Anschauung oder logischer Deduktion zwingend beweisen kann. Ideen können auf keinen ihnen entsprechenden Ge- genstand der Erfahrung bezogen werden, der sie erfüllte; sie sind dem Denken nicht als Gegenstand gege- ben, höchstens als regulative Prinzi- pien aufgegeben.

Ich sehe nicht, wie man diese Grenzen des wissenschaftlichen Er- kennens überschreiten kann, ohne auf den schwankenden Boden meta- physischer Spekulation oder rein subjektiver Glaubenswirklichkeit zu gelangen.

Daß sich das Geistige unmittel- bar im Wirklichen offenbaren wür- de, war für Hegel im letzten Grunde eine Gewißheit seines christlichen Offenbarungsglaubens; ähnlich ist in der anthroposophischen „Geistes- wissenschaft" die Existenz höherer Welten und übersinnlicher Wesen- heiten schon (Glaubens-)Vorausset- zung, nicht erst (Erkenntnis-)Resul- tat.

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Mir wird schließlich zum Hauptvorwurf gemacht, ich sei gar nicht in das Wesen der Anthroposo- phie eingedrungen, da ich den Weg

zur Erlangung der Erkenntnis der

„höheren Welten" nicht selber vor- her beschritten habe. Wenn ich die Behauptungen Rudolf Steiners wi- derlegen wollte, müßte ich noch um- fassendere Fähigkeiten okkult-hell- seherischer Schauung entwickeln, als er sie besessen habe.

Hierauf an dieser Stelle nur eine kurze Replik: Die anthroposophi- sche Geisteswissenschaft will be- kanntlich

ihrem Anspruch nach

abendländischer Wissenschaftlich- keit und fernöstlicher Weltweisheit zusammenführen. Daher ist der Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988 (37) A-2893

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

anthroposophische Schulungsweg zur Erkenntnis der „höheren Wel- ten" kein rein rationales Erkenntnis- system, worin man wie in den neuzeit- lichen Wissenschaften durch begriff- liche Abstraktion und empirische Verifikation zum Ziel kommt; er ist vielmehr — wie im Buddhismus — ein Heilpfad der Meditation, dessen Vor- aussetzung die rechte Glaubensan- sicht und dazu der Wille zur „Reini- gung", das heißt Umgestaltung des ganzen Lebens im sittlichen Tun ist.

Dieser Glaube wird erst am Ende des Pfades zur „Erkenntnis" des Zusam- menhangs von Mensch und Welt.

Die mir entgegengehaltene Be- hauptung, es bedürfe einer Schu- lung, bis Anthroposophie verstan- den werden kann, nicht anders, wie es einer Schulung bedürfe, bis Na- turwissenschaft verstanden werden kann, verkennt, daß die Herkunft und Methode jenes erlösenden Wis- sens nichts zu tun hat mit der uns al- len akademisch vertrauten Tradition wissenschaftlichen Wissens. Viel- leicht rührt die inhaltliche Unergie- bigkeit der Diskussion zwischen normaler Wissenschaft und anthro- posophischer „Geisteswissenschaft"

letztlich daher, daß deren übersinn- liche „Erkenntnis" über den Men- schen für den wissenschaftlichen Be- obachter zwar als Lehre rational faß- lich erscheint, aber diese rationale Fassung nur ein Abglanz der Wir- kung ist, die sich für den „geistes- wissenschaftlichen" Teilnehmer in der Versenkung der Meditation er- geben kann

In einem wissenschaftlichen Rundgespräch über Aspekte der anthroposophischen Medizin, zu dem Frau Dr. Michaela Glöckler als Leiterin der medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geistes- wissenschaft am Goetheanum in Dornach eingeladen hat, sehe ich ei- ne Möglichkeit, durch die weitere Klärung der gegensätzlichen Stand- punkte das gegenseitige Verstehen zu fördern.

Es ist dabei selbstverständlich, daß ich mich als Mitglied der phil- osophischen Fakultät nach wie vor nur zu methodologischen Fragen der medizinischen Anthropologie äu- ßern kann.

Dr. phil. Heiner Ullrich

Platt-deutsche Attacke

Das Mittelstandsinstitut Nieder- sachsen e. V., wissenschaftlicher Überbau der mittelständischen Un- ternehmer, veröffentlichte kürzlich im CDU-treuen Bonner Mittel- standsverlag die Broschüre „Spiel- hallen in der Kontroverse". Darin werden — streng sachlich — die Argu- mente der Gegner einer weiteren Ausbreitung dieser Casinos des klei- nen Mannes zerpflückt und verwor- fen.

Doch der gelehrte Anstrich be- kommt schon im Vorwort Risse, wenn der Wissenschaftliche Leiter des Instituts, Professor Dr. Eber- hard Hamer, die Fronten klarstellt:

Den „Ökonomen, welche auf die zunehmende Bedeutung des Frei- zeitmarktes hinweisen", stehen nämlich „selbsternannte Moralapo- stel" gegenüber, und mit denen ma- chen die Mittelständler kurzen Pro- zeß: Durch Spielhallen werde das Straßenbild beeinträchtigt? Ein emotionales Argument und daher nur vorgeschoben. Lärmbelästi- gung? Kaum möglich, da dort ja kein Alkohol ausgeschenkt wird.

Jugendgefährdung? „Kommunika- tion und Kreativität" werden nicht beeinträchtigt, da moderne Video- spiele und Fahrsimulatoren schließ- lich „Hypothetisches Denken, tech- nische Kompetenz und Körperbe- herrschung" fordern.

Und schließlich die Suchtgefahr Schon das Wort Sucht ist ein rotes Tuch, denn davon, so das Institut, könne wissenschaftlich keine Rede sein. Allgemein verstehe man dar- unter die Abhängigkeit von auf den Organismus stofflich einwirkenden Substanzen, wie etwa Nikotin. Man dürfe schließlich die „Betroffenen"

unter den Spielern nicht durch das schreckliche Wort zu „lebensläng- lich Kranken und Unheilbaren"

stempeln.

Daß es in der Bundesrepublik mittlerweile Dutzende von Thera- piegruppen für Geldspiel-Abhängi- ge gibt, daß diese Patienten alle kör- perlichen Merkmale einer Sucht auf- weisen, daß deswegen angesehene

Forscher sehr wohl von Sucht-Er- scheinungen sprechen, übersieht das Institut geflissentlich. Ursache für

„Verhaltensexzesse" seien, da sind die Verfasser einmal realistisch,

„Langeweile, innere Leere und Pro- bleme". Daß sich aber diese Fakto- ren in Spielhallen bis zum Ruin der Spieler ausbeuten lassen, ist aus Sicht der Ökonomen wohl nur eine Randerscheinung.

Ganz am Rande bleibt anzumer- ken, daß eine solch eindeutige Ver- harmlosung der Spielhallen-Flut ge- rade aus Hannover kaum verwun- dert, begeistern sich dort bekanntlich sogar Spitzenpolitiker fürs Glücks- spiel — wenn auch von der feineren Sorte, dem in Spielbanken OD

Akü-Vornamen

Da kommt ein hochwissen- schaftliches, didaktisch gutes und überhaupt großartiges Manuskript von mehreren Autoren: Prof. D.

Schneider, Priv. Doz. G. Müller, Dr. A. König et al. Die Sache fängt damit an, daß der Redakteur mit den drei et al. korrespondieren muß.

Meist weiß man, wer der „Korre- spondenzautor" ist Ihm (oder ihr) muß also ein Brief geschrieben wer- den. Tja, ist es nun Frau Dr. König?

Oder Herr Dr. König?

Wegen dieser Vornehmheit deutscher Medizinautoren kauft die Redaktion zweimal im Jahr alle Vor- lesungsverzeichnisse deutscher Uni- versitäten. Und wenn einer Prof. S.

Unverzagt heißt, dann findet sie ihn dort auch. Aber es können durchaus unter „Prof. A. Müller" Agnes Müller, Alfred Müller, Alice Müller und Andreas Müller vorhanden sein

— sogar in derselben Klinik

Warum eigentlich verstecken sich deutsche Wissenschaftler hinter Anfangsbuchstaben? Der Name ist Bestandteil der Persönlichkeit — der Vorname ebenso wie der Familien- name. Warum verhalten sich Auto- ren so, als ob sie nur im Literatur- verzeichnis vorkommen? Dort wer- den Vornamen immer auf den An- fangsbuchstaben reduziert. Aber wenn ich das Original lese, dann will ich doch mehr über den oder die Au- tor(in) wissen! bt A-2894 (38) Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988

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