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Archiv "Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie – Zwischen Heilkunst und Heilslehre: Die Grenzen sind abgesteckt" (20.10.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ganzheitliches Denken unabdingbar notwendig Heiner Ullrich werfe ich vor, daß er einen sehr eingeschränkten Wissenschaftsbegriff vertritt. Wie viele unserer Kollegen meint er, daß die Medizin Naturwissenschaft zu sein hat, oder eben keine Wissen- schaft sei. Die Tiefenpsychologie ist an ihm offenbar vorübergegangen.

Auch ist es unsinnig, Anschauungen nur deshalb als „unwissenschaft- lich" zu bezeichnen, weil Ärzte in der Antike oder im Mittelalter be- reits ähnliche hatten! Hat nicht Ari- stoteles bereits den Organismus tref- fend als eine Ganzheit beschrieben?

Warum will Ullrich nichts von einer medizinischen Wissenschaft wissen, die sich auf neuplatonische Ideen stützen würde? .. .

Wenn unter anderem Ullrich Rudolf Steiner und seinen Schülern

„grenzenlos ausschweifende Speku- lationen" vorwirft, verkennt er den Wert eines methodisch vorgehenden kreativen Denkens für die Weiter- entwicklung der Wissenschaften.

Als Ärzte, die sich um eine Erweite- rung der Heilkunst bemühen, sind wir durchaus in der Lage, die Mög- lichkeiten und Grenzen der natur- wissenschaftlichen Methoden in der Medizin zu überblicken. Darauf festnageln lassen wir uns nicht. Wir halten es auch nicht für falsch, sich mit Erkenntnistheorie und den Grundlagen der medizinischen Wis- senschaft zu befassen. Wenn wir dann zu dem Schluß gekommen sind, daß „ganzheitliches Denken`

notwendig ist, verlas- sen wir noch längst nicht den Boden der Wissenschaft.

Intuitives Denkvermögen ist auch nicht wissenschaftsfeindlich, der Arzt braucht es täglich, und es wäre kein Fehler, wenn bei der Aus- bildung von Medizinern darauf be-

sondere Aufmerksamkeit gerichtet würde. . . .

Dr. med. Dr. phil. Gottfried.

Büttner, Arzt für Allgemeinmedi- zin, Feldbergstraße 6, 3500 Kassel- Wilhelmshöhe

Lektüre empfehlenswert

Der Artikel hat mich fasziniert.

Durch die Mühe, die sich der Autor gegeben hat, indem er die ganze Entwicklung der Anthroposophi- schen Medizin verfolgt hat, konnte er seine Darstellung in Stichworten als vielseitige Lehre in Form einer Weltanschauung für uns als Vervoll- kommnung offenbaren.

Obwohl ich mich seit Jahren mit der Anthroposophischen Medizin befasse, konnte ich noch nie solch eine anschauliche Darstellung wahr- nehmen. Diese Lektüre ist wirklich empfehlenswert, auch zum Beispiel für junge Ärzte, die interessenhal- ber mit der Anthroposophischen Medizin beginnen wollen, oder für die, die ihre Anschauung ändern wollen. . . .

Gerhard Steinmüller, prakti- scher Arzt/Naturheilverfahren, Bahnhofstraße 82, 7130 Mühlacker

Vorurteile

Es ist vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht statthaft, der Anthroposophie die Wissenschaft- lichkeit abzusprechen, wenn man sich nicht vorher bemüht hat, die wissenschaftliche Grundlegung ken- nenzulernen. Daß Ullrich diese Be- mühung versäumt hat, zeigt sein an der Anthroposophie völlig vorbeige- hender Erklärungsversuch. Es gibt in der Anthroposophie keine drei Grundsätze; diese sind allein von Ullrich entworfen. Es gibt vielmehr

die von Rudolf Steiner in seiner phi- losophischen Doktorarbeit vorge- brachte erkenntnistheoretisch völlig legitime Idee, die naturwissenschaft- liche Methode der Beobachtung auf den Erkenntnisakt selbst anzuwen- den. Hier liegt der wissenschaftliche Ausgangspunkt der ganzen Sache.

Daß diese Wissenschaft zu aller- dings ungewöhnlichen Resultaten führt, darf nicht über deren voll- kommen saubere Begründung hin- wegtäuschen — das hieße, sich von Vorurteilen bestimmen lassen und selbst unwissenschaftlich wer- den. . . .

Kein im anthroposophischen Sinne ernsthaft arbeitender Arzt würde behaupten, daß allein aus der Gestalt einer Heilpflanze direkt auf ihre Wirkung geschlossen werden könne. Das wäre ein Rückfall auf die mittelalterliche Signaturenlehre, die, wie auch alle nebulose und un- durchschaubare Mystik, zur Steiner- schen Geisteswissenschaft in diame- tralem Gesetz steht. . . .

Aloisius Sorgenfrei, Arzt, Tau- nusblick 10f, 5420 Lahnstein

Die Grenzen sind abgesteckt

Ullrichs Meinung, die von ihm zitierten Anschauungen der Anthro- posophie seien alten Traditionen entnommen, ist entgegenzuhalten, daß Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, methodisch den entgegengesetzten Weg ging. . . . Die erkenntnistheoreti- sche Leistung in dem Erstlingswerk Steiners liegt vor allem darin, daß anhand der naturwissenschaftlichen Betrachtungsart Goethes eine ge- zielte Weiterentwicklung von dem additiv-analytischen Denken — was im Bereich von Physik und anorga- nischer Chemie seine volle Berechti- gung hat — zu einem integrativen synthetischen Denken möglich wird.

Erst das letztere kann Prozesse und Metamorphosen und damit das Ge- biet des Lebendigen sachgemäß er- greifen. Wenn wieder einmal auch Ullrich der Anthroposophie Dog- menglaube gegenüber Rudolf Stei- ner, also eine unwissenschaftliche Haltung, vorwirft, so muß zumin-

Wissenschaftsanspruch der Anthroposophie

Zwischen Heilkunst und Heilslehre

Zu dem Beitrag von Dr. phil. Heiner Ullrich in Heft 25-26/88

Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988 (27) A-2887

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dest nach der weltanschaulichen Bindung des Beurteilers der Anthro- posophie gefragt werden. Rudolf Steiner selbst wendet sich an die po- sitiv kritischen Leser. So sind seine Aussagen für den im Sinne der Anthroposophie tätigen Arzt nichts anderes als Arbeitshypothesen. Ihre Fruchtbarkeit im medizinischen All- tag wird um so größer sein, je mehr sich der Arzt erkenntnistheoretisch mit den Grundlagen der Anthropo- sophie auseinandergesetzt hat.

Schließlich ist Ullrich im Un- recht, wenn er dem anthroposophi- schen Arzt Einspurigkeit in der Krebstherapie vorwirft. Aus dem er- sten Kapitel des Buches „Grundle- gendes zu einer Erweiterung der Heilkunst" (Rudolf Steiner — Ita Wegmann) geht eindeutig hervor, daß aus der anthroposophischen Medizin generell keine medizinische Maßname wie Operation, Bestrah- lung oder Chemotherapie abgelehnt werden kann. Jedoch werden diese unter zusätzlichen geisteswissen- schaftlichen Gesichtspunkten einen anderen Stellenwert erhalten. . . .

Dr. med. J. Ziemann, prakti- scher Arzt, Hügelstraße 69, 6000 Frankfurt 50

Schlußfolgerung unhaltbar

Anthroposophische Medizin ist keine Medizin im Gegensatz zur so- genannten Schulmedizin, sondern sie ist Teil der heute generell ausge- übten Medizin und versteht sich selbst als Erweiterung. Es geht bei der anthroposophischen Orientie- rung in der Medizin nicht um den Ersatz sinnvoller und lebensretten- der Maßnahmen, sondern um eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten, die darauf hinzielt, der Persönlichkeit eines Menschen (Patient) zur freien Entwicklung zu verhelfen. Wissenschaftlicher Fort- schritt bringt notwendig Grenzüber- schreitungen gegenüber herrschen- den Paradigmen hervor. Auch die heutige Naturwissenschaft ist nur durch eine solche Grenzüberschrei- tung mit Paradigmenwechsel zustan- de gekommen. Mit seiner einengen- den Wissenschaftlichkeitsbeschrei-

bung offenbart der Autor seinen Glaubensgrundsatz, daß der derzei- tige Stand der Methodik in den Wis- senschaften der für die Menschheit letztgültige bleibt. Hier offenbart der Verfasser seinen Dogmatismus.

Erstaunlich unsinnig ist die Schlußfolgerung von Herrn Ullrich, in der anthroposophischen Medizin

"gebe es letztlich kein Bedürfnis nach weiterem und sicherem Wis- sen". Auch hier ist wiederum genau das Gegenteil korrekt. Nur durch ungeheure wissenschaftliche An- strengungen wird es in Zukunft möglich sein, die Anregungen der anthroposophischen Denkweise zu belegen oder, sofern notwendig, zu korrigieren. Die anthroposophische Medizin steht hier nicht am Ende, sondern am Anfang eines wissen- schaftlichen Erkennntnisprozesses.

Aussagen von anthroposophischen Autoren unterliegen in diesem Pro- zeß den gleichen Irrtumsmöglich- keiten, die auch den Aussagen von Forschern in der naturwissenschaft- lichen Medizin zugestanden werden müssen. . . .

Wissenschaft und Medizin ha- ben sich letztlich in ihrem Wahr- heits- oder Glaubensgehalt an ihrem langfristigen Nutzen und der heilen- den Wirkung für den Menschen zu beweisen. In dieser Hinsicht haben die Naturwissenschaften in der An- wendung zeigen können, daß sie in der Erfassung von Teilaspekten Großes geleistet haben, aber dort, wo übergeordnete Gesichtspunkte nicht gewonnen werden konnten, bedrohliche Entwicklungen nicht selten Folge waren. Dies ist nicht der Methode an sich, sondern der Tatsache zuzuordnen, daß der Ein- zelaspekt mit der „endgültigen Wahrheit" verwechselt wurde. Auf diesem Gebiet der Betrachtung von Gesamtzusammenhängen sollte die bereits eingeleitete fruchtbare Dis- kussion zwischen Naturwissenschaf- ten und Ansätzen der anthroposo- phischen Medizin fortgeführt und nicht durch Dogmenverkündigun- gen — von welcher Seite oder mit welcher Absicht auch immer — un- möglich gemacht werden.

Dr. med. Christoph Schnürer, Arzt für Innere Medizin, Bergweg 17, 5804 Herdecke

Wo kommen wir hin, wenn .. .

Man kann zu einer geistes- wissenschaftlich (anthroposophisch) orientierten Medizin stehen wie man will. Man kann selbstverständ- lich diese erkenntnistheoretischen Grundlagen zur Diskussion stellen.

Derartige Auseinandersetzungen im Bereich der Wissenschaft sind üb- lich. Falsch scheint mir zunächst, daß ein seit langem als Gegner der Anthroposophie bekannter Autor nun auf fünf Seiten eine Methode aburteilt, die doch immerhin seit vielen Jahrzehnten über die ganze Welt auf zahlreichen Gebieten viel- fache Bestätigung gefunden hat.

Dies aber halte ich im Falle „Deut- sches Ärzteblatt" nicht für das größ- te Problem.

Die Frage ist doch die: Wo kom- men wir hin, wenn im „Deutschen Ärzteblatt" , dem Organ der deut- schen Ärzteschaft, ein Schulmeister sich zur Karzinombehandlung äu- ßert, und dies zu allem Überfluß auch noch mit dem Unterton der Wissenschaftlichkeit. Ich halte es ei- gentlich nicht für wahrscheinlich, daß die Redaktion der Ärztlichen Mitteilungen es für richtig hält, daß wir medizinische Probleme mit Päd- agogen diskutieren. Wie gesagt, ich halte eine Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Medizin für durchaus berechtigt, aber bitte dann unter Medizinern. Oder dürfen wir demnächst einen Beitrag eines Heil- praktikers oder vielleicht eines Ar- chitekten über die fragliche Virusge- nese der multiplen Sklerose erwar- ten?

Dr. med. Jürg Fels, Leitender Arzt des Gemeinnützigen Sanatori- ums für Allgemeinmedizin, Haus am Stalten, 7853 Steinen-Endenburg

Exakte Wissenschaft der übersinnlichen Wirklichkeit

Macht man sich die Mühe, die Begründungen Steiners und die ge- naue Angabe seines Verfahrens zur Kenntnis zu nehmen, dann erscheint Anthroposophie als ebenso exakte Wissenschaft der übersinnlichen A-2888 (28) Dt. Ärztebl. 85, Heft 42, 20. Oktober 1988

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