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as hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist der häufigste primäre Leberkrebs und weltweit mit 1 Million Neuerkrankungen pro Jahr ein häufiges Karzinom; die Zahl der jährli- chen Todesfälle liegt etwa in derselben Größenordnung (41). Die Inzidenz schwankt abhängig von der geographi- schen Region: während das HCC in En-demiegebieten wie Südostasien und Äquatorialafrika mit bis zu 150 Fällen pro 100 000 Einwohner pro Jahr zu den häufigsten Malignomen überhaupt zählt, tritt es in den entwickelten Län- dern seltener auf. In Deutschland macht das HCC bei Männern 2,8 Prozent im
Westen beziehungsweise 2,6 Prozent im Osten aller Karzinome aus; bei Frauen sind es 1,6 beziehungsweise 2,4 Prozent;
dies sind etwa vier Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr. Die standardisierte Mortalitätsrate betrug 1995 für Männer etwa 4,7 und für Frau- en 2,1 pro 100 000 Einwohner (4). Die Inzidenz des HCC steigt in den ent-
wickelten Ländern, so auch in Deutsch- land, stetig an (4, 24, 27, 62, 84). Dafür ist vor allem die Zunahme chronischer Virushepatitiden, besonders der Hepa- titis C, verantwortlich. Risikofaktoren hierzulande beinhalten vor allem die vi- ral oder alkoholtoxisch bedingte Leber- zirrhose (16, 25, 65, 82).
Die Therapie des HCC stellt nach wie vor eine große Herausforderung für alle beteiligten Disziplinen dar. Dies sind klassischerweise die Chirurgie, die Inne- re Medizin und die Radiologie. Auch die Nuklearmedizin steuert eine Therapie- option bei, welche auf der gezielten inne- ren Bestrahlung des Tumors aufbaut.
Seit kurzem wird diese Therapie auch in Deutschland durchgeführt und im Fol- genden vorgestellt.
Therapie des
hepatozellulären Karzinoms mit Jod-131-Lipiodol
Eine nuklearmedizinische Alternative zu etablierten Therapieformen?
Zusammenfassung
Die meisten Patienten mit einem hepatozel- lulären Karzinom sind bei Diagnosestellung primär inoperabel; Chemotherapien sind kaum wirksam. Perkutane Verfahren wie die Äthanolinjektion oder Thermoablation stel- len eine effektive Therapieoption dar, kön- nen aber an anatomische Grenzen stoßen.
Die transarterielle Chemoembolisation be- wirkt eine Tumorverkleinerung, kann aber das Überleben nicht verbessern; Vorbedin- gung ist zudem eine offene Pfortader. Die transarterielle Jod-131-Lipiodol-Therapie als nuklearmedizinische Alternative ist einer sy- stemischen Therapie überlegen und auch bei Fällen mit Portalvenenthrombose durchführ- bar. Im Vergleich mit anderen intraarteriellen Therapieverfahren ist die Therapiewirksam- keit gleich, die Nebenwirkungsrate aber ge- ringer.
Schlüsselwörter: hepatozelluläres Karzinom, Krebstherapie, Äthanolinjektion, Therapiekon- zept, Jod-131-Lipiodol
Summary
Therapy of Hepatocellular Carcinoma With I-131-Lipiodol: a Nuclear Medicine Alternative?
Most patients with hepatocellular carcinoma are not eligible for surgery as the timepoint of primary diagnosis and chemotherapy shows no effect. Percutaneous procedures like ethanol injection or thermal ablation are a therapeutic option but are limited for anatomic reasons. Transarterial chemoembo- lization (TACE) reduces tumour growth but does not improve survival. Moreover, portal vein thrombosis usually is a contraindication for TACE. Transarterial therapy with iodine- 131-Lipiodol is superior to systemic therapy in tumours up to diameters of 5 cm and may be performed even in cases with portal vein thrombosis. Compared to other intraarterial therapy procedures, iodine-131-Lipiodol shows the same efficacy but less side effects.
Key words: hepatocellular carcinoma, cancer therapy, ethanol injection, therapeutic con- cept, Iodine-131-Lipiodol
1Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin (Direktor: Prof.
Dr. med. Hans-Jürgen Biersack) der Rheinischen Friedrich- Wilhelms-Universität, Bonn
2Medizinische Klinik und Poliklinik I (Direktor: Prof. Dr.
med. Tilmann Sauerbruch) der Rheinischen Friedrich- Wilhelms-Universität, Bonn
3Radiologische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Hans Schild) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
4 Chirurgische Klinik (Direktor: Prof. Dr. med. Andreas Hir- ner) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
5 Klinik für Nuklearmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Frank Grünwald) der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt
Jörn H. Risse
1, 5Wolfgang H. Caselmann
2Holger Strunk
3Uwe Gallkowski
4Frank Grünwald
1, 5Hans-Jürgen Biersack
1´ Tabelle 1C´
Medizinisch relevante kernphysikalische Eigenschaften des Jodisotops 131J
Betastrahlung Gammastrahlung
Strahlungsenergie b-Endenergie 610 keV häufigste Photonenenergie 364 keV Relative Häufigkeit
pro Zerfall (Prozent)90 82
Maximale Reichweite in biologischem
Gewebe 2,2 mm ⬁
Medizinische
Nutzung Therapie Bildgebung, Dosimetrie
physikalische Halbwertszeit: 8 Tage
Nuklearmedizinische Therapie mit J-131-Lipiodol
J-131-Lipiodol besteht aus den beiden Komponenten 131J und Lipiodol, deren jeweilige Bedeutung kurz aus nuklear- medizinischer Perspektive skizziert wer- den soll.
Lipiodol
Das Verfahren nutzt den Umstand, dass Lebertumoren – im Gegensatz zu nor- malem Lebergewebe, welches überwie- gend portalvenös gespeist wird – fast aus- schließlich arteriell versorgt werden. Li- piodol, ein öliges Röntgenkontrastmittel, reichert sich nach intraarterieller Appli- kation selektiv in maligne transformier- ten Lebertumoren an (23, 66). Die Grün- de hierfür liegen unter anderem in einer
gesteigerten Permeabilität der Tumorge- fäße, Inkorporation durch die Tumorzel- le mittels Pinozytose und schlechteren Clearance durch Kupffersche Sternzel- len (1, 6, 17, 39, 40, 57). Tumorgewebe nimmt also nicht nur mehr Lipiodol auf, sondern gibt es auch langsamer als nor- males Leberparenchym wieder ab, so- dass mit zunehmender Zeitdauer der Speicherquotient weiter ansteigt. Dies wird für diagnostische Zwecke genutzt, beispielsweise beim Lipiodol-CT (86) und macht das Lipiodol zu einer Träger- substanz (carrier) für andere Substanzen (zum Beispiel Zytostatika bei transarte- rieller Chemoembolisation [TACE]) (88, 89). Im Zusammenhang mit Radionukli-
den kann auf die Gabe eines Embolisati- onsmittels verzichtet werden, womit die Methode auch bei einem Pfortaderver- schluss durchführbar ist (18, 21, 69).
Die nuklearmedizinische Methode nutzt darüber hinaus den hohen Jodan- teil des Lipiodols von 38 Prozent, der über eine atomare Austauschreaktion die direkte Einbindung von zytotoxi- schem radioaktiven Jod in das Molekül ermöglicht. Dadurch ist gewährleistet, dass das Lipiodol das zytotoxische Agens sicher mit in den Tumor nimmt.
131Jod
131Jod weist Beta- und Gammastrahlung auf, wobei erstere für den Therapieeffekt sorgt und letztere die Verteilung des Nu- klids von außen sichtbar macht (Gamma- kamera). Neben der Bildgebung wird dies für die Dosimetrie genutzt (Tabel- le 1). Bekanntestes Beispiel für seine the- rapeutische Nutzung ist die erfolgreiche Behandlung gut- und bösartiger Schild- drüsenerkrankungen seit über 50 Jahren mit einem entsprechenden Erfahrungs- schatz, den es allen anderen therapeu- tisch genutzten Nukliden voraus hat (5, 8). Das betrifft auch die Radiotoxizität:
Bis auf die Schilddrüse gibt es kein rele- vantes Zielorgan, und diese ist durch die Blockade mit Perchlorat vor freiem
131Jod zu schützen.
Die Kombination dieser Eigenschaf- ten bildet bei intraarterieller Applikati- on eine gute Voraussetzung für eine se- lektive innere Bestrahlung eines Leber- tumors durch J-131-Lipiodol. Für den In-vivo-Nachweis bietet die Substanz ei- ne weitere Besonderheit. Als einziges
Nukleartherapeutikum ist es gleichzei- tig sowohl nuklearmedizinisch (Gam- makamera) als auch radiologisch (CT) bildgebend nachzuweisen. Ein kom- merzielles Präparat ist verfügbar (Lipio- cis, CIS/Schering; 2 ml mit 2,22 GBq [60 mCi]).
Biokinetik und Dosimetrie
Eine hohe Therapiewirksamkeit (ent- sprechend einer hohen Dosis im Tumor- gewebe) bei gleichzeitig guter Verträg- lichkeit seitens des umgebenden norma- len Leberparenchyms (hier möglichst niedrige Dosis) wird durch einen hohen Quotienten der Herddosis aus Tumor zu gesundem Lebergewebe ausgedrückt.
Dieser Quotient liegt für Jod-131-Lipi- odol beim HCC unmittelbar nach Appli- kation meist zwischen 5 und 10 und steigt nach Applikation weiter an (11, 23, 58, 66, 92). Die effektive Halbwertszeit im Tumor wurde mit fünf bis sechs Tagen er- mittelt (11, 54, 92). Somit lässt sich rech- nerisch für eine bestimmte Tumormasse und erwünschte Tumorherddosis etwa die erforderliche Therapieaktivität be- stimmen. Für eine Herddosis von 120 Gy eines Tumors mit einem Durchmesser von 1 cm werden theoretisch weniger als 3 MBq 131Jod benötigt, beim fünffachen Durchmesser aber schon mehr als die hundertfache Aktivität (92). Soweit eine
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Abbildung 1: Multifokales HCC, hier in der rech- ten Leberkuppel, vor Therapie. CT der Leber in der portalvenösen Phase nach intravenöser Ga- be von Röntgenkontrastmittel. Die Pfeile wei- sen auf zwei größere hypodense Tumorknoten.
Multiple kleinere Herde auch ventrolateral sub- kapsulär.
Abbildung 2: Eine Woche nach Jod-131-Lipiodol- Therapie. Die umschriebenen hyperdensen Her- de entsprechen im nativen CT intratumoral ge- speichertem Lipiodol. Es ist eine fehlende Lipi- odolspeicherung im normalen Leberparenchym zu beobachten.
Abbildung 3: Zeitgleiches Szintigramm von ven- tral. Deutliche Speicherung im rechten Leberlap- pen als Resultat einer Summationsprojektion der multiplen Tumorknoten, kaum Speicherung im normalen Leberparenchym, geringe Speiche- rung in der Lunge. Nach einer weiteren Woche war die Speicherung in der Lunge vollständig abgeklungen und nur noch in den Tumorknoten nachweisbar. Einige ventrale Tumorknoten las- sen sich angedeutet abgrenzen (Pfeile).
Dehalogenierung auftritt, wird, eine wirksame Blockade der Schilddrüse vor- ausgesetzt, das freie 131Jod fast aus- schließlich renal ausgeschieden.
Technik
Die intraarterielle Injektion des J-131- Lipiodol erfolgt via Femoralkatheter un- ter Durchleuchtungskontrolle. Für den Patienten ist sensorisch kein Unterschied zu „kaltem“ Lipiodol spürbar. Nur das Personal muss geeignete Strahlenschutz- maßnahmen ergreifen; ein entsprechen- des Maßnahmenpaket wurde erarbeitet (71, 72). Anschließend wird der Patient auf eine nuklearmedizinische Station verlegt, bis die von ihm ausgehende Strahlenexposition der Umgebung unter die gesetzlich festgelegten Grenzen ge- fallen ist. Dann ist in Analogie zur Ra- diojodtherapie der Schilddrüse auch die Strahlenexposition für die Angehörigen vertretbar (unter 1 mSv pro Jahr).
Nachsorge
Aufbauend auf der üblichen onkologi- schen Nachsorge wurde folgendes Nach- sorgeschema entwickelt (74):
❃ Die schnittbildgebende Verlaufs- kontrolle umfasst ein CT der Leber vor und sechs Wochen nach Therapie (Abbil- dung 1 und 4), fakultativ eine MRT und gegebenenfalls eine Positronenemissi- onstomographie (PET) (70, 73). Eine Woche nach Applikation wird ein natives CT zum Nachweis der Lipiodolvertei- lung angefertigt (Abbildung 2).
❃Anhand der Therapieaktivität, die über mehrere Wochen abklingt, werden über sechs Wochen Ganzkörper-Szinti- gramme erstellt (Abbildung 3). Aus die- sen lassen sich die Herddosen der Leber, der Tumorknoten und anderer Organe bestimmen.
Resultate
Seit den ersten japanischen Mitteilungen (43, 44) wird die Methode weltweit an mehreren Zentren durchgeführt. In Eu- ropa sind dies vor allem Rennes, Villejuif (Frankreich) und London. In Deutsch- land wurde die Therapie 1997 in Bonn eingeführt (70, 75)(Tabelle 2). Die Anga- ben zur Therapiewirksamkeit (Effekti- vität) sind uneinheitlich. Eine Abnahme
der Tumorgröße wird im Durchschnitt bei 50 bis 60 Prozent der Patienten be- schrieben, wobei in zwei Studien mit sie- ben beziehungsweise neun Patienten so- gar ein Ansprechen für alle Tumoren an- gegeben wird (11, 42). In größeren Studi- en sinkt die Ansprechrate aber ab (22):
Wird der Therapieerfolg nach den WHO-Kriterien klassifiziert, liegt er bei etwa 30 Prozent. Hiermit stimmen auch die eigenen Ergebnisse überein (70); die Abbildungen 1 bis 4 geben einen typi- schen Therapieverlauf eines auf die The- rapie ansprechenden Patienten wider.
Vereinzelt wurden komplette Remissio- nen mitgeteilt (48, 68). Die Zusammen- fassung der Ansprechraten findet sich in Tabelle 2; berücksichtigt wurden nur Stu- dien mit mehr als zehn Patienten, Anga- ben zum Verlauf der Tumorgröße und ei- ner Nachbeobachtungszeit von minde- stens einem Monat. Das Tumoran- sprechverhalten korreliert mit der Größe des Tumorknotens. Hohe Ansprechra- ten wurden bei unter 6 cm großen Tu- morknoten gefunden, wo Herddosen von bis zu 260 Gy ermittelt wurden (42, 53, 67, 91). Ähnliche Ergebnisse waren auch bei den eigenen Patienten reprodu- zierbar (70). Dabei muss jedoch berück- sichtigt werden, dass eine Reduktion der Tumormasse nicht notwendigerweise mit der Verbesserung der Überlebenszeit korreliert. Typische Beispiele für Überle- benszeiten im Vergleich mit anderen Therapieverfahren zeigt Tabelle 3. Als vorläufige Quintessenz lässt sich festhal- ten, dass die Therapie mit J-131-Lipiodol keiner Therapie oder einer systemischen Therapie überlegen ist (46, 69). Dies wird auch von den eigenen Daten von mittler- weile 18 Patienten bestätigt. Im Ver- gleich mit anderen intraarteriellen The- rapieverfahren wie der Chemoembolisa- tion ist die Effektivität gleich, die Ver- träglichkeit des J-131-Lipiodol aber bes-
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Abbildung 4: Sechs Wochen nach Therapie. Por- talvenöses Kontrastmittel-CT: Alle Tumorherde sind deutlich kleiner geworden, die subkap- sulären kaum noch nachweisbar; die geringen Lipiodolreste (hyperdens) sind auch szintigra- phisch nachweisbar (nicht abgebildet) und somit noch radioaktiv.
´ Tabelle 2CC´
Effektivität der HCC-Therapie mit J-131-Lipiodol.
Quelle Zentrum Zahl der Tumoransprechen Jede Abnahme AFP-
(Erstautor, auswertbaren nach WHO-Kriterien der Tumorgröße Abfall
Jahr) Patienten
CR PR MR
Yoo 1991 Seoul
(91)(Korea)24 0 3 5 16 13/16
Raoul Rennes
1992 (67)(F) 30 0 18 4 22 22/29
Leung Hongkong
1994 (48)(China)22 1 3 – – 13/25
Bhattacharya London
1995 (7)(GB) 22 0 7 – – 2/22
Raoul Rennes
1997 (68)(F) 25 1 15 4 – 20/40
De Baere Villejuif
1999 (22)(F) 23 0 3 – – –
Risse Bonn
2000 (70)(D) 13 0 2 3 – –
CR, complete remission; PR, partial remission; MR, minimal response; AFP, alpha-Fetoprotein.
ser (7, 68). Hauptsächliche Nebenwir- kungen der Therapie sind Fieber, Er- höhung der Leberfunktionswerte und Schmerzen während der Injektion. Re- versibles Leberversagen wurde unter- schiedlich häufig beobachtet (22). In sel- tenen Fällen wurde über Leukozytope- nie, Dyspnoe und Pneumopathien be- richtet. Im Krankenkollektiv der Auto- ren konnten Schmerzen während der In- jektion durch entsprechende Medikation weitgehend vermieden werden, aller- dings wurde ein schweres pankreati- tisähnliches Krankheitsbild beobachtet (70). Die Herddosen für Lunge und nor- males Leberparenchym liegen im siche- ren Bereich (11, 58, 66).
Vergleich mit anderen Therapieverfahren
Die Rolle des Jod-131-Lipiodols für die Therapie des HCC muss vor dem Hinter- grund des Spektrums der übrigen Thera- pieformen gesehen werden, welche ins- besondere durch die Chirurgie, die Inne- re Medizin und die Radiologie vertreten werden.
Operative Therapieverfahren
Die vollständige operative Tumorresek- tion gilt derzeit als einziges potenziell ku- ratives Therapieverfahren (81). Da aber bei HCC-Patienten in Deutschland meist eine Leberzirrhose mit eingeschränkter Synthesefunktion vorliegt, besteht bei den meisten Patienten selbst bei kleinen und technisch einfach zu resezierenden Tumoren keine Möglichkeit, einer onko- logisch sinnvollen Resektion. Auch die Lebertransplantation ist nur für ausge- wählte Patienten mit wenigen, kleinen HCC-Herden und auf die Leber be- grenztes Tumorleiden eine geeignete Therapieform. Insgesamt kommen da- mit die chirurgischen Verfahren nur für einen geringen Prozentsatz der Patienten (15 bis 30 Prozent; je nach Kollektiv so- gar nur 1 Prozent) infrage (13, 55).
Perkutane Radiatio
Das normale Leberparenchym toleriert bei externer Bestrahlung maximal 30 Gy (38). Dies ist für eine tumorizide Herd- dosis zu wenig. Durch geeignete strah-
lentherapeutische Techniken können zwar Herddosen über 70 Gy appliziert werden, es bleibt aber das Risiko einer Leberschädigung (76). Die perkutane Radiatio der Leber erwies sich daher ins- gesamt als unwirksam.
Systemische Chemotherapie und Chemohormontherapie
Für systemische Chemotherapien liegen derzeit keine Daten zur Wirksamkeit vor (16, 28). Das Antiöstrogen Tamoxifen galt zu Anfang des vergangenen Jahr- zehnts als viel versprechende Substanz für die Chemohormontherapie des HCC, hat sich aber mittlerweile als wirkungslos herausgestellt (20, 56). Andere Thera- pieansätze wie Interferon-alpha haben bisher ebenfalls keinen eindeutigen Er- folg gezeigt (16). Vielversprechend er- scheint in einer Pilotstudie eine Therapie mit dem Somatostatin-Analogon Oc- treotid (45), eine Bestätigung dieser Er- gebnisse steht aber noch aus.
Lokoregionäre Therapieverfahren
Perkutane chemische Verfahren
Bei kleinen HCC führt die perkutane Äthanolinjektion (PEI) zur Tumorzell- dehydrierung, Proteindenaturierung und Nekrose sowie zur lokalen Gefäßthrom- bosierung und damit HCC-Devitalisie- rung. In der größten, jedoch retrospekti- ven Studie wurden für solitäre kleine HCC (< 3 bis 5 cm Durchmesser) 1-, 3- und 5-Jahres-Überlebensraten von 94, 57 beziehungsweise 37 Prozent beschrie- ben. Für multifokale HCC (✜3 Knoten von ✜3 cm Durchmesser) ergaben sich Überlebenszahlen von 94, 47 bezie- hungsweise 26 Prozent (49). Komplika- tionen umfassen lokale Schmerzen, Fie- ber, Zeichen der Alkoholintoxikation sowie respiratorische Insuffizienz. Sehr selten wurden Gallenwegsverletzungen, lokale Infektionen oder Tumorzellver- schleppung beschrieben (31). Insgesamt hat sich PEI als effektiv, nebenwirkungs- arm und kostengünstig bewährt. Zu Es- sigsäure, heißer Kochsalzlösung oder Chemotherapeutika liegen keine größe- ren Patientenkollektive vor (37, 61).
Perkutane thermoablative Verfahren
Die Radiofrequenzthermoablation (Hit- zeentwicklung mittels perkutan einge- führter Elektroden) zeigte sich der PEI bei kleinen HCC hinsichtlich der indu- zierten Nekrose und Zahl der benötigten Behandlungssitzungen überlegen (51, 77). Allerdings sind noch methodische Verbesserungen erforderlich (33, 36, 50).
Mit anderen Verfahren wie der laserin- duzierten Thermotherapie (LITT; 10, 87), der Mikrowellenkoagulationsthera- pie (78) oder der Kryotherapie (80) wur- den ebenfalls regionale HCC-Nekrosen erzeugt. So therapierten Vogl und Mitar- beiter zwölf HCC-Patienten mit LITT und berichteten über eine mittlere Über- lebenszeit von 32 Monaten (87). Bei der Kryotherapie werden die HCC-Herde mittels flüssigem Stickstoff zentral auf bis zu -190 Grad Celsius abgekühlt. Wegen der geringen Zahl an behandelten Pati- enten können diese Verfahren jedoch noch nicht abschließend bewertet wer- den.
Transarterielle Chemoembolisation Die transarterielle Chemoembolisation (TACE) via Femoralkatheter bewirkt eine Ischämie des Tumors und verstärkt die Wirkung der Zytostatika durch eine langsamere Clearance des Chemothe- rapeutikums. Voraussetzung ist in der Regel eine offene Pfortader. Die Effek- tivität der TACE, Nekrosen zu erzeu- gen, ist belegt. Eine Verbesserung des Überlebens konnte jedoch auch in drei randomisierten und kontrollierten Stu- dien nicht gezeigt werden (12, 34, 64).
Im Vergleich von TACE, PEI oder le- diglich symptomatisch behandelten Pa- tienten zeigte sich die TACE nur im Stadium Child A überlegen, nicht aber in den Stadien B und C (29, 52). Die Überlebensraten hängen von der Tu- morgröße ab (19, 30, 59, 85, 90).
Die Kombination mit PEI scheint der alleinigen TACE überlegen zu sein (2, 3, 83). Insgesamt scheint sich als Hauptindikation der TACE demnach die Reduktion der Tumormasse her- auszukristallisieren (2). Selten auftre- tende Komplikationen sind Leberinsuf- fizienz oder Leberinfarkt, Leberabs- zess, Tumorruptur, Gallenwegsverlet- zung, Cholezystitis, obere gastrointesti- A
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nale Blutung, Lungenembolie, Milzin- farkt. Die Inzidenz dieser schwerwie- genden Komplikationen beträgt weni- ger als drei bis vier Prozent (18).
Intraarterielle Chemoperfusion
Die intraarterielle Chemoperfusion er- folgt via Femoralkatheter oder implan- tierbarem Port-Katheter. Bisher konnten nur mit Doxorubicin bescheidene Re- missionsraten erzielt werden. Gegenüber der systemischen fanden sich auch bei in- traarterieller Gabe gleiche Plasma-Zeit-
Kurven und damit Raten an systemi- schen Nebenwirkungen (47). Obwohl die Responserate höher war als unter syste- mischer Gabe, war die mediane Überle- benszeit mit 3,5 Monaten identisch (60, 63). Als gravierendste Nebenwirkung trat eine Leberinsuffizienz in 36 Prozent auf, bei Patienten mit einer Leberzirrho- se sogar in 80 Prozent (26). Andere Zy- tostatika konnten weder in der intraarte- riellen Mono- noch Kombinationsthera- pie höhere Remissionsraten oder Über- lebenszeiten gegenüber einer systemi- schen Therapie erzielen (14, 15). Insge-
samt kann die intraarterielle Chemo- perfusion bei dieser Datenlage nicht empfohlen werden.
Die Jod-131-Lipiodol-Therapie ist als lokoregionäres Therapieverfahren vom methodischen Ansatz her insbesondere mit der TACE zu vergleichen. Gegen- über den perkutanen Verfahren haben beide den gemeinsamen Vorteil, auch anatomisch ungünstig gelegene Tumor- knoten erreichen und dabei in der Regel auch eine Vielzahl an Herden gleichzei- tig behandeln zu können. Spezifischer Nachteil der TACE ist in diesem Zusam- menhang die für die Wirksamkeit der Zytostatika erforderliche Embolisation (35), für die eine offene Pfortader meist Bedingung ist. Demgegenüber kommt die Jod-131-Lipiodol-Therapie ohne Embolisation aus, das heißt sie ist erstens besser verträglich und zweitens auch für Patienten mit Pfortaderthrombose durchführbar. Für die Konstellation
„multifokale Leberherde und Pfortader- thrombose“ ist sie demnach prädesti- niert; aber auch bei Fällen ohne Portal- venenthrombose stellt sie unter dem Aspekt der geringeren Nebenwirkungs- rate eine sinnvolle Alternative dar. Das sollte auch den höheren logistischen und finanziellen Aufwand rechtfertigen, der vor allem in dem mehrtägigen sta- tionären Aufenthalt begründet liegt. Die sonstige Radiotoxizität ist minimal; Pro- bleme wie bei anderen Nukliden, zum Beispiel 90Yttrium, das wegen der Kno- chenmarkdepression weitgehend wieder verlassen wurde, treten bei 131J nicht auf (32, 79).
Unabdingbare Voraussetzung für die Therapie bleibt natürlich immer die enge Zusammenarbeit des Nuklearmedizi- ners mit den anderen beteiligten Fach- disziplinen, um seinen Teil zu der insge- samt komplexen Behandlungsstrategie des HCC beitragen zu können.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 2810–2815 [Heft 43]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Jörn H. Risse Radiologisch-Nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis Bad Honnef von-Stauffenberg-Straße 9 53604 Bad Honnef
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´ Tabelle 3CC´
Vergleichende randomisierte Studien zur Effektivität der intraarteriellen Therapie mit J-131-Lipiodol beim HCC.
Quelle Raoul (69) Bhattacharya (7) Raoul (58) Lau (46)
Operation inoperabel inoperabel inoperabel kurative Resektion Therapieziel palliativ palliativ palliativ adjuvant Therapie im Tamoxifen, Lipiodol + Lipiodol + keine Vergleichsarm Corticosteroide, Epirubicin Cisplatin + spezifische
(Kontrolle)NSAIDS, 5-FU Gelatinepartikel Therapie
Auswertbare 27/14 95/26 129/65 43/18
Patienten randomisiert:
(insgesamt/ 28/11
davon J-131- Lipiodol)
Ansprech- Überlebenszeit Überlebenszeit Überlebenszeit krankheitsfreie
kriterium Überlebenszeit
Überleben Mo- J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- (Prozent) nate Lipiodol gruppe Lipiodol gruppe Lipiodol gruppe Lipiodol Gruppe
3 71 10 – – – – – –
6 48 0 58 40 69 66 – –
9 7 0 – – – – – –
12 – – 25 25 38 42 85 59
24 – – 0 6 22 22 – –
36 – – – – 14 3 74 36
48 – – – – 10 0 – –
Statistischer nicht nicht
Unterschied p < 0,01 signifikant signifikant p < 0,05 J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- J-131- Kontroll- Lipiodol gruppe Lipiodol gruppe Lipiodol gruppe Lipiodol Gruppe Neben- 1 inter- keine Fieber: 84% schwer: 12 keine keine
wirkungen stit. 38% 3
Pneu- KMD: 28% vital: 17
monitis 0 0
Statistischer
Unterschied entfällt p < 0,01 p < 0,001 entfällt NSAIDS, non-steroidal anti-inflammatory drugs; KMD, Knochenmarkdepression