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Archiv "Jod-Therapie bei Reaktorstörfällen und Notwendigkeit der Jod-Prophylaxe allgemein" (11.06.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZMITTEILUNG

Veranlaßt durch den Reaktorunfall bei Kiew ist es zu Panikkäufen von Jodtabletten gekommen. Institu- tionen des Gesundheitswesens und Regierungsstellen haben da- vor gewarnt, Jodtabletten in Ex- tremdosierungen zur Abwendung von Strahlenschäden einzuneh- men, da die Belastung der Bevöl- kerung in der Bundesrepublik mit Jod 131 so niedrig liegt, daß eine Blockierung der Schilddrüse durch massive Joddosen völlig un- nötig ist. Hingegen könnten bei Pa- tienten mit Hyperthyreose-Risiko Extremgaben von Jod Hyperthy- reose-Krisen auslösen. Der Anteil der dadurch Gefährdeten liegt al- lerdings nur bei maximal 1:1000.

Leider wurde nicht beachtet, daß zwischen hochdosierten Jod-Prä- paraten und der Jodapplikation in physiologischer Dosierung ein- deutig differenziert werden muß.

Die Jodmengen unterscheiden sich um den Faktor 1000. Die War- nung vor Jod schlechthin gefähr- det folglich die Jod-Prophylaxe der Bevölkerung, die zur Verhü- tung von Kropf- und Folgeerkran- kungen unentbehrlich ist.

Die Bundesrepublik Deutschland zählt (mit unterschiedlichen geo- graphischen Ausprägungen) nach WHO-Definition zu den endemi- schen Strumagebieten. Der aus- schlaggebende Faktor ist die un- zureichende Jodversorgung der Bevölkerung, die zu einer durch- schnittlichen Kropfrate von 15 Prozent führt, wobei Schulkinder eine Prävalenz aufweisen, die bis zu 40 Prozent reicht. Sogar bei Neugeborenen wird in etwa einem Prozent der Fälle ein Kropf beob-

achtet, der zu Reifestörungen im mentalen Bereich und bei der kör- perlichen Entwicklung führt.

Die Deutsche Gesellschaft für En- dokrinologie (Sektion Schilddrü- se), die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Ernährungsbericht 1980 und 1984) und nicht zuletzt der Arbeitskreis Jodmangel emp- fehlen, die Aufnahme des essen- tiellen Spurenelementes Jod zu er- höhen. Da der Jodgehalt von Le- bensmitteln aufgrund der relativen Jodarmut des Bodens zur Bedarfs- deckung nicht ausreicht, wurde auf Empfehlung des Bundesge- sundheitsrates die Verordnung über die Jodierung von Tafelsalz geändert und der Verbrauch von Jodsalz umfassend propagiert. Bei Kochsalzreduktion (zum Beispiel natriumsensitive Hypertoniker, gravide Frauen) wird eine Substi- tution mit Jodidtabletten (0,1 mg) empfohlen. Weiterhin wird ein ver- mehrter Verzehr von jodreichem Seefisch angeraten.

Durch den Verbund der genann- ten Maßnahmen soll breitenwirk- sam die Jodversorgung verbessert werden mit dem Ziel, eine Norma- lisierung, wie beispielsweise in der Schweiz und in skandinavischen Ländern, herbeizuführen. Mit ei- ner Optimierung der Jodversor- gung wird dem Kropf, Folgeer- krankungen der Schilddrüse und Funktions- und Entwicklungsstö- rungen vorgebeugt. Dabei muß hervorgehoben werden, daß bei ausreichender Jodversorgung in der Folgezeit auch die Mehrzahl von Hyperthyreose eliminiert wird.

Die pauschalierte Warnung vor der Jodaufnahme und Jodpräpa- raten, die die physiologische Jod-

dosierung einschließt, hat die Be- völkerung verunsichert. Das Ge- samtkonzept der Jod-Prophylaxe wird dadurch in Frage gestellt.

Aber auch im Hinblick auf die Strahlenprophylaxe ist die War- nung unverständlich. Bei den ge- genwärtig vorliegenden geringen Belastungen mit Jod 131 sind phy- siologische Gaben von „Normal- Jod" — unabhängig von der Kropf- Prophylaxe — als durchaus positiv anzusehen. Physiologische Jod- gaben vermindern durch Isoto- pen-Verdünnung das Strahlen-Ri- siko durch aktives Jod deutlich.

Weiterhin ist bekannt, daß die gut versorgte Schilddrüse weit weni- ger Jodisotope aufnimmt als die Jodmangel-Struma. Es ist daher empfehlenswert, die Jodversor- gung zu optimieren, um bei etwai- gen weiteren Zwischenfällen eine bessere Ausgangslage zu schaf- fen. Im Vordergrund der Jodpro- phylaxe steht allerdings die Besei- tigung der Strumaendemie in der Bundesrepublik Deutschland.

Professor Dr. med. Dieter Hötzel Sprecher des

Arbeitskreises Jodmangel Institut für Ernährungswissen- schaft der Universität Bonn Endenicher Allee 11-13 5300 Bonn 1

2.

... Da die Bundesrepublik mit un- terschiedlichen geographischen Ausprägungen auf Grund einer Jodverarmung des Bodens und des Trinkwassers zu einem Jod- mangelgebiet zählt, beträgt die durchschnittliche Rate an Schild- drüsenvergrößerungen bei Schul- kindern bis zu 40 Prozent, bei Er- wachsenen bis zu 15 Prozent. Das heißt, jeder sechste Bundesbürger hat eine Jodmangelkrankheit.

Aus diesem Grund empfiehlt der Arbeitskreis Jodmangel, der von Mitgliedern der Sektion Schilddrü- se der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie und des Präsidi- ums der Deutschen Gesellschaft

Jod-Therapie

bei Reaktorstörfällen und Notwendigkeit der Jod-Prophylaxe allgemein

Zwei Stellungnahmen des Arbeitskreises Jodmangel

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 24 vom 11. Juni 1986 (71) 1791

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Jod-Prophylaxe

für Ernährung (siehe auch Ernäh- rungsbericht 1980 und 1984) ge- gründet wurde, einerseits den Ver- zehr von jodhaltigen Nahrungs- mitteln, vor allem von Seefisch, andererseits die regelmäßige Ver- wendung von jodiertem Speise- salz, das in jedem Lebensmittelge- schäft erhältlich ist. Kindern, Schwangeren und Stillenden, die einen besonders hohen Jodbedarf haben, wird die Einnahme von Jo- didtabletten, die 100 Mikrogramm Jod enthalten, empfohlen.

Nach dem Satz von Paracelsus;

„Dosis facit remedia — Die Dosis macht das Medikament" — sind diese Jodtabletten mit den für Re- aktorunfällen bereitgehaltenen Jodtabletten, die 100 Milligramm, das heißt, eintausend mal mehr Jod enthalten, nicht zu verwech- seln. Die „Reaktorjodtabletten"

können die Aufnahme von radio-

aktivem Jod (Jod 131) in die Schilddrüse um den Faktor 10 ver- ringern. Für den Einsatz dieser Ta- bletten bestand jedoch wegen des relativ geringen Fallouts von Jod 131 mit Recht jetzt keine Veranlas- sung. Unter Nutzen-/Risiko-Über- legungen sollten die höherdosier- ten „Reaktorjodtabletten", deren Anwendung mit gewissen gesund- heitlichen Risiken verbunden ist, nur bei der Gefahr höherer Strah- lenbelastungen auf Empfehlung der zuständigen Gremien Einsatz finden. Um jedoch die Aufnahme auch geringerer Jod-131-Mengen in der Schilddrüse wenigstens zu vermindern (wenn auch nicht zu verhindern), weist der Arbeitskreis Jodmangel nochmals mit Nach- druck auf den Wert der Jod-Pro- phylaxe hin, da eine jodverarmte Schilddrüse im Mittel 60 bis 70 Prozent des radioaktiven Jods, ei- ne dagegen ausreichend mit Jod

versorgte Schilddrüse nur 20 bis 30 Prozent des radioaktiven Jods aufnimmt.

Aus den Erfahrungen der letzten Tage sollte jeder Bundesbürger ler- nen: Die ausreichende Versorgung des Organismus mitJod dient nicht nur der Vorbeugung von Jodman- gelkrankheiten, sondern auch ei- ner Reduktion der Strahlenbela- stung der Schilddrüse durch radio- aktives Jod im Falle eines radioakti- ven Fallouts. Auch wird damit die äußerst geringe Gefahr der eventu- ellen Entwicklung eines Schilddrü- senkrebses durch radioaktive Strahlung gemindert ...

Professor Dr. med.

Peter Pfannenstiel

Fachbereich Nuklearmedizin der Deutschen Klinik für Diagnostik Aukammallee 33

6200 Wiesbaden

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Naloxon bei intestinaler Pseudoobstruktion

Bei der intestinalen Pseudoob- struktion entwickelt sich ohne er- kennbare äußere Einwirkungen ein Ileus, der bislang therapeu- tisch nur schwer zu beeinflussen war. Als eine Erklärung für die Hemmung der intestinalen Peri- staltik wurde eine exzessive Frei- setzung von Endorphinen postu- liert. Wenn dem so wäre, müßte ei- ne medikamentöse Therapie mit dem Morphinantagonisten Nalo- xon erfolgreich sein. Die Autoren behandelten eine 35jährige Pa- tientin mit einer intestinalen Pseu- doobstruktion im Anschluß an ei- nen kolonchirurgischen Eingriff 15 Tage lang mit 1,6 mg Naloxon pro Tag subkutan. Vor Behand- lungsbeginn war die Magenentlee- rung für feste Nahrungsbestand- teile verzögert, die Dünndarmpas- sage beschleunigt, aber der Ileum- transport verlangsamt. Unter der Naloxonbehandlung normalisier- ten sich die pathologischen Trans-

portphänomene, bei einem Aus- laßversuch waren die Motilitäts- Störungen wieder nachweisbar.

Vor einer operativen Dekompres- sion des überblähten Intestinums sollte deshalb nach Meinung der Autoren ein Therapieversuch mit Naloxon durchgeführt werden. W

Schang, J. C.; Devroede, G.: Beneficial effects of naloxone in a patient with intestinal pseu- doobstruction. Am. J. Gastroenterol. 80:

407-411,1985.

Department of Surgery, Faculty of Medicine, University of Sherbrooke, Sherbrooke, Que- bec, Canada.

Epidemiologie der

Hepatitis-D-Virus-Infektion

Das Hepatitis-D(Delta)-Virus (HDV) ist ein unvollständiges RNS-Virus, das sich nurzusammen mit dem He- patitis-B-Virus (HBV) repliziert. Ne- ben einer Simultaninfektion mit beiden Viren, die meist zu einer ge- legentlich schweren oder sogar ful- minanten akuten Hepatitis führt, ist eine Superinfektion bei chroni- schen symptomfreien HBsAG-Trä-

gern mit dem Delta-Virus bekannt, wobei es in 40 bis 80 Prozent der Fälle zu einem Übergang in eine ak- tive chronische Form kommt.

Anti-Delta fand sich bei Homose- xuellen in 54 Prozent, bei „gesun- den" Drogenabhängigen in 22 Prozent, hingegen nur in 3 Pro- zent bei Patienten mit akuter B- Hepatitis und nur in 1 Prozent bei Patienten mit aktiv chronischer B- Hepatitis. Ein Vergleich der Anti- Delta-Präsenz zwischen Serum- proben der Jahre 1980 und 1984 ergab eine Zunahme von 7 Pro- zent auf 21 Prozent bei den Dro- genabhängigen und von 0 Prozent auf 54 Prozent bei den Homosexu- ellen. Die Autoren fordern deshalb als wirksamste Prophylaxe gegen die Weiterverbreitung des Delta- Virus die Hepatitis-B-Impfung aller Drogenabhängigen und Homose- xuellen.

Joller-Jemelka, H. I.; Guggi, Th.; Grob, P. J.:Zur Epidemiologie der Hepatitis-D-Virus-Infektion.

Schweiz. med. Wschr. 115 1679-1684,1985.

Abteilung für klinische Immunologie, Universi- tätsspital, Häldeliweg 4, CH-8091 Zürich.

1792 (72) Heft 24 vom 11. Juni 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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