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Archiv "Gefahren von Povidon-Jod' (Jod-PVP) bei Schilddrüsenkranken und Neugeborenen" (06.08.1982)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Auf die generelle Gefährdung von Patienten mit ungeklärter Funktion der Schilddrüse durch Jodexposi- tion ist in den letzten Jahren mehr- fach (1) 1 ), u. a. in dieser Zeitschrift (2), hingewiesen worden. Der in der Routinediagnostik dieser Organe zunehmende Ersatz der Kontrastmit- teldarstellung von Gallenblase und Niere durch die Sonographie redu- ziert zur Zeit glücklicherweise zwei der gefürchtetsten Quellen der Jod- kontaminationen. Dafür gewinnen in der Kontrastmittelapplikation bei der Computertomographie, in dem jetzt auch bei uns erhältlichen jod- haltigen Antiarrhythmikum Amioda- rone2 ) und vor allem in der fast ubi- quitären Anwendung von Jod-PVP drei andere Möglichkeiten an Ge- wicht. Diese Jod-Expositionen sind in ihrer klinischen Konsequenz um- so gravierender, als die sie verursa- chenden Kollegen sich der mögli- chen Gefahren kaum bewußt sind, da sie in ihrem Fachgebiet wohl höchst selten mit den Problemen ei- ner jodinduzierten Hyper- oder Hy- pothyreose konfrontiert werden. Be- sonders das Jod-PVP, das in der Bundesrepublik von drei Firmen in mindestens 15 verschiedenen Zube- reitungen 3 ) angeboten wird, stellt für bestimmte Schilddrüsenkranke eine Gefährdung dar, da es

4) in fast allen Fachgebieten, be- sonders den operativen, aber auch in der Dermatologie, der Pädiatrie und der inneren Medizin, angewen- det wird,

• die sehr variablen Applikations- arten quantitativ außerordentlich unterschiedliche Jodexpositionen bedeuten, und weil

O auf die potentiellen Gefahren der Substanz von den Herstellern entwe- der immer noch nicht oder erst seit kurzem in Beipackzetteln oder Prä- parateverzeichnissen hingewiesen wird.

Die erneute Beobachtung einer schweren, fast therapieresistenten Hyperthyreose bei einer jungen Frau, bei der in der Versorgung ei- nes Abortes trotz einer großen Stru- ma Jod-PVP zur Desinfektion von Vagina und Perineum verwendet wurde, unsere und anderer (1,3) frü- here Erfahrungen mit diesem Weg einer Jodinduktion von thyreotoxi- schen Krisen sowie zunehmende Mitteilungen über einen möglichen Zusammenhang zwischen Jod-PVP- Verwendung einerseits, Entwick- lung von Hypothyreosen bei Neuge- borenen (4, 5) und der Letalitätsrate von Frühgeborenen andererseits, veranlassen uns, eindringlich vor dem bedenkenlosen und unkontrol- lierten Einsatz von Jod-PVP zu warnen.

Das Risiko einer Jod-PVP-Applika- tion läßt sich pauschal nicht ange- ben, hier sind die individuellen Ge- gebenheiten differenziert zu beach- ten. Denn die Gefährdung hängt, ab- gesehen vom präexistenten Schild- drüsenstatus, ab von Ort und Dauer

Povidon-Jod (Betaisodona®, Braunol®, Batticon®) stellt ein hervorragendes bakterizides Chemotherapeutikum dar.

Seine kritiklose Verwendung birgt aber für viele Schilddrü- senkranke die Gefahr schwer- ster therapieresistenter Hyper- thyreosen und für Neugebore- ne die Gefahr der Hypothyreo- se in sich. Bei diesem Perso- nenkreis sollte längerfristi- ge Anwendung von Povidon- Jod daher vermieden werden.

der Jod-PVP-Applikation, von der Konzentration der verwendeten Zu- bereitung sowie von der Größe der resorbierenden Oberfläche: Auch bei latenter Schilddrüsenüberfunk- tion dürfte kurzfristige Applikation von Jod-PVP auf intakte Haut nicht zur Manifestation einer Hyperthyreo- se führen (6). Längerfristige Anwen- dung zur zum Beispiel chir- urgischen Händedesinfektion, müs- sen wir aufgrund einer Mitteilung aus der Literatur (1,3) und eigener Beobachtung bei entsprechender Disposition durchaus als reale Mög- lichkeiten der Induktion einer Hyper- thyreose ansehen. Applikation von Jod-PVP auf geschädigte Haut (Wunden [7], Verbrennungen [8], Omphalocele [9], Nabelschnur [10]) und auf Schleimhäute (Mund [11], Vagina [12, 15], Peritoneum [13, 14]) kann zu beträchtlichen Erhöhungen der Serum-Jodkonzentrationen und zur Freisetzung effektiver Mengen an Jodid führen.

Das Jodid wird einerseits von auto- nomem Schilddrüsengewebe, mit dessen Vorhandensein in allen Arten

1) Die in Klammern stehenden Zahlen bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis der Sonderdrucke

2) Cordarone

3) Zur Zeit in der Bundesrepublik im Handel befindliche Spezialitäten, laut „Rote Liste"

1980: Betaisodona® als: Flüssigseife, Lö- sung, Mund-Antiseptikum-Lösung, Perineal- Antiseptikum-Lösung, Salbe, Salben- Wu ndvlies, Vag inal-Antiseptiku m-Lösu ng , Vaginal-Gel, Vaginal-Supp., Wundvlies Braunol., Braunosan-, Braunoderm-, Brau- nozid-Lösung

Bett ico n®-Lösu ng

Gefahren von Povidon-Jod'

(Jod-PVP) bei Schilddrüsenkranken und Neugeborenen

Jörg Herrmann

Aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik C

(Direktor: Professor Dr. med. Hans-Ludwig Krüskemper) der Universität Düsseldorf

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 31 vom 6. August 1982 47

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Povidon-Jods-Nebenwirkungen

von Strumen gerechnet werden muß, zur Synthese von Schilddrü- senhormonen herangezogen mit der Gefahr der Manifestierung schwerer Hyperthyreosen und thyreotoxischer Krisen, andererseits können Hypo- thyreosen durch ein erhöhtes Jodid- angebot an vorgeschädigte (Hashi- moto-Thyreoiditis, Zustand nach Ra- diojod-Therapie) oder nicht ausge- reifte Schilddrüsen (Foet, Neugebo- rene, Frühgeborene [5, 9]) induziert werden. Hypothyreosen des Neuge- borenen sind insbesondere im Hin- blick auf den engen Zusammenhang zwischen Hirnentwicklung und Schilddrüsenfunktion besonders ge- fährlich.

Für Frühgeborene konnte darüber hinaus eine Korrelation zwischen Ausgleich einer passageren Hypo- thyreose durch Hormonsubstitution und Senkung der Letalität um fast das Vier- bis Fünffache aufgezeigt werden (4), wobei als Ursache für die hohe Rate an Hypothyreosen un- ter den Frühgeborenen die Verwen- dung von jodhaltigen Desinfizien- tien, u. a. Jod-PVP, diskutiert wurde.

Unseres Erachtens sollten jodhalti- ge Desinfizientien bei Schwangeren, Neugeborenen und Säuglingen nicht über längere Zeit angewendet werden.

Mit diesen Warnungen wird durch- aus nicht die hervorragende Wirk- samkeit des Jod-PVP als bakterizi- des Chemotherapeutikum verkannt.

Es wird auch nicht verkannt, daß gravierende Störungen der Schild- drüsenfunktion durch Jod-PVP zu- mindest bei Erwachsenen im Ver- gleich mit der tagtäglichen, ubiqui- tären Verwendung dieser Substanz relativ selten sind. Trotzdem sollte jeder Kollege Bedenken haben und nach eventuellen Alternativen su- chen, wenn er Jod-PVP bei Patien- ten mit Struma und anderen Schild- drüsenerkrankungen, bei Schwan- geren und Neugeborenen anwenden will. Er sollte, wenn diese Personen- gruppe mit Jod-PVP behandelt wur- de, diese Information an den Patien- ten selbst und an den mit- oder nachbehandelnden Kollegen weiter- geben mit dem Hinweis auf die Mög- lichkeit der Entwicklung vor allem

einer Hyperthyreose-Symptomatik in den folgenden Wochen und Mo- naten.

Dieser Appell zur Information gilt al- lerdings nicht nur für die Applikation von Jod-PVP, sondern selbstver- ständlich auch für die Anwendung anderer jodhaltiger Desinfizientien, Medikamente und Röntgenkontrast- mittel.

Literatur

(1) Herrmann, J.; Krüskemper, H. L.: Gefähr- dung von Patienten mit latenter oder manife- ster Hyperthyreose durch jodhaltige Röntgen- kontrastmittel und Medikamente, Dtsch. med.

Wschr. 103 (1978) 1434-1443 — (2) Joseph, K.:

Potentielle Hyperthyreosen, Dt. Ärzteöl. 79 (1981) 2229-2288 — (3) Ahuja, S.; Baumgarten, S.; Brandt, P.; Schneider, W.: Beeinflussung der Schilddrüsenfunktionsparameter durch Jod-Polyvinyl-Pyrrolidon, Verh. Dtsch. Ges.

Inn. Med. 83 (1977) 1370-1373 — (4) Schönber- ger, W.; Grimm, W.; Emmrich, P.; Gempp, W.:

Zur Frage der prophylaktischen Schilddrüsen- hormonsubstitution bei Frühgeburten, Kinder- arzt 12 (1981) 1245-1248 — (5) Chabrolle, J. P.;

Rossier, A.: Goitre and hypothyroidism in the newborn after cutaneous absorption of iodine, Arch. Dis. Childhood 53 (1978) 495-499 — (6) Lividas, D. P.; Piperingos, G. D.; Sfontouris, J.; Koutras, D. A.: Lack of influence of povidone-iodine on tests of thyroid function, J.

Intern. Med. Res. 6 (1978) 406-408 — (7) Görtz, G.: Povidone-iodine (Mundidone)— Alternative to topical antibiotics: effects and side effects in wound treatment, 106h. Intern. Congr. of Chemotherapy, Zürich (1977) Abstract — (8) Schneider, W.; Klebe, J.; Mattenklott, U.;

Vaubel, W. E.: Surface treatment of second and third degree burns, Langenbecks Arch.

Chir. 342 (1976) 559— (9) Wuilloud, A.; Kehrer, B. H.; Zuppinger, K. A.; Bossi, E.: Erworbene Hypothyreose bei einem Neugeborenen durch Anwendung einer jodhaltigen Salbe, Z. Kin- derchir. 20 (1976) 181-185 — (10) Pyati, S. P.;

Ramamurthy, R. S.; Krauss, M. T.; Pildes, R. 5.:

Absorption of iodine in the neonate following topical use of povidone iodine, J. Pediatrics 91 (1977) 825-828 - (11) Wray, D.; Ferguson, M.

M.; Geddes, D. A. M.: The effect of a povidone iodine mouthwash on plaque, J. Dent. Res. 56 (1977) D 94— (12) Etling, N.; Gehin-Fouque, F.;

Vielh, J. P.; Gautray, J. P.: The iodine content of amniotic fluid and placental transfer of iodinated drugs, Obstet. Gynecol. 53 (1979) 376 —380 — (13) Meissner, K.; Galvan, G.; Nuss- lein, P.; Stilianu, L.; Weissenhofer, W.: Pov- done-lodine versus antibiotic application in prophylaxis and treatment of peritonitis: Ef- fects on thyroid function, 10.. Intern. Congr. of Chemotherapy, Zürich (1977) Abstract — (14) Renk, E.; Görtz, G.; Häring, R.: The influence of povidone iodine (Mundidone) on the PBI and BEI serum levels in burn and peritonitis therapy, 10.. Intern. Congr. of Chemotherapy, Zürich (1977) Abstract — (15) Vorherr, H.; Vor- herr, U. F.; Mehta, P.; Ulrich, J. A.; Messer, R.

H.: Vaginal absorption of povidone-iodine, JAMA 244 (1980) 2628-2629

Professor Dr. med. Jörg Herrmann Medizinische Universitätsklinik C Moorenstraße 5

4000 Düsseldorf

FÜR SIE GELESEN

Propranolol nach akutem Myokardinfarkt

Die Frage, ob die regelmäßige Ver- abreichung von Propranolol Hy- drochlorid (z. B. Dociton®) an Frau- en und Männer nach akutem Myo- kardinfarkt innerhalb eines Zeitrau- mes von zwei bis vier Jahren zu ei- ner bedeutenden Senkung der Mor- talitätsrate führen kann, war Gegen- stand einer randomisierten, doppel- blinden, placebokontrollierten ß-Blocker-Studie, die auf Veranlas- sung des National Heart, Lung, and Blood Institute in Bethesda (USA) an 31 Zentren mit 134 Krankenhäusern durchgeführt wurde.

Über 27 Monate erhielten insgesamt 3837 Personen im Alter zwischen 30 und 69 Jahren 5 bis 21 Tage nach einem Infarkt entweder Propranolol (1916 Patienten) oder Placebo (1921 Patienten). Die Dosierung von Pro- pranolol lag — je nach Höhe der Se- rum-Medikamentenwerte — bei 180 oder 240 mg/Tag. Die Mortalitätsrate während der folgenden 25 Monate lag bei 7,2 Prozent in der Proprano- lolgruppe und bei 9,8 Prozent in der Placebogruppe. Die Mortalitätsrate durch arteriosklerotische Herz- krankheiten belief sich auf 6,2 Pro- zent in der Propranololgruppe und auf 8,5 Prozent in der Placebo- gruppe. Ein plötzlicher Herztod trat bei 3,3 Prozent der Patienten der Propranololgruppe und bei 4,6 Pro- zent der Patienten in der Placebo- gruppe auf. Die Gesamtergebnisse zeigten einen Rückgang der Mortali- tät durch Propranolol von 26 Pro- zent. Ernsthafte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

Diese Studie führt zu der Auffas- sung, daß die Anwendung von Pro- pranolol bei Patienten mit Myokard- infarkt, die keine Kontraindikationen für ß-Blockade entwickeln, zumin- dest für einen Zeitraum von drei Jah- ren zu empfehlen ist. Srb

Original Contributions: A Randomized Trial of Propranolol in Patients with Acute Myocardial Infarction, JAMA 247 (1982)1707-1714, Nation- al Heart, Lung, and Blood Institute, Clinical Trials Branch, Federal Bldg, Room 216, Bethesda, MD 20205 (Lawrence M. Fried man, MD), U. S. A.

48 Heft 31 vom 6. August 1982 79. Jahrgang

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ausgabe B

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