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Archiv "Die Bundestagswahl stellt Weichen auch für die Gesundheitspolitik" (10.12.1986)

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Die anstehende Bundestagswahl und die neue Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Blick, befaßte sich das Prä- sidium des Deutschen Ärztetages bei seiner Sitzung am 29. November in Köln einge- hend mit den aktuellen Problemen im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland. Folgerungen und Forderun- gen: Ärztliche, medizinisch-wissenschaft- liche Argumente müssen künftig stärker in die Entscheidungsprozesse zum Gesund- heitswesen einfließen; medizinische Orien- tierungsdaten müssen schwerer gewichtet

werden als bisher! Alle Ärzte, alle ärztlichen Organisationen rief der Präsident der Bun- desärztekammer und des Deutschen Ärzte- tages, Dr. Karsten Vilmar, dazu auf, sich in ihren Bereichen mit der gesundheits- und der sozialpolitischen Entwicklung intensiv auseinanderzusetzen. Dabei unterstrich Dr. Vilmar die Erwartungen in eine Fortset- zung der Stabilitätspolitik nach der Bun- destagswahl vom 25. Januar 1987 als Grund- lage auch unseres sozialen Fortschritts („nur bei florierender Wirtschaft gibt es auch ein funktionierendes Sozialwesen").

Das Ärztetags-Präsidium während seiner Beratungen am 29. November in Köln

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Die Bundestagswahl stellt Weichen auch für

die Gesund- heitspolitik

„Strukturreform” — ein Hauptthema beim Deutschen Ärztetag

D

as Präsidium des Deutschen Ärztetages — gebildet aus dem Vorstand der Bundes- ärztekammer, den Vizepräsiden- ten der Landesärztekammern so- wie den Vorständen bzw. Vorsit- zenden der maßgeblichen ärzt- lichen Organisationen — disku- tierte die Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik ein- gehend auf der Basis eines aus- führlichen Lageberichts Dr. Vil- mars. Die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre und die mittlerwei-

le erreichte wirtschaftliche Sta- bilität seien durchaus positiv zu bewerten, wie Vilmar voraus- schickte, doch für Gesundheits- und Sozialpolitik war sein Urteil weniger positiv: Starre Kosten- dämpfungspolitik habe immer noch den Vorrang vor zukunfts- gerichteter Gesundheitspolitik.

Bei allem Verständnis für die Be- mühungen, die „Soziallast"- Quote niedrig zu halten, richte sich das Augenmerk der Politik allzu vordergründig auf den Fak-

tor Krankenversicherung, wäh- rend beispielsweise wenig zu hören sei von der Problematik der Rentenversicherung.

Den Spitzenorganisationen der Ärzteschaft ist es allerdings ge- lungen, eine gewisse Sensibili- sierung der Öffentlichkeit zu er- zielen: Mehr und mehr werden die wahren Ursachen der Ko- stenentwicklung erkannt, vor al- lem die Veränderungen in der Al- tersstruktur der Bevölkerung, Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (11) 3515

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Bei der Lektüre provokanter Schlagzeilen, links: Dr. Erwin Hirschmann (NAV-Vorsitzen- der). — Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Sewering (BÄK-Vorstand) im Gedankenaustausch mit dem Vizepräsidenten der Bayerischen LÄK Dr. Hermann Braun

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ärztetags-Präsidium

die enorme Zunahme der Zahl älte- rer Menschen, die damit verbunde- ne zunehmende Behandlungsbe- dürftigkeit, die Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen, deren optimale ärztliche Versor- gung allerdings verbunden ist mit einer zunehmenden Belastung der aktiven Beitragszahler.

Ansätze in der Regierungspolitik, Fortschritte im Krankenhaussektor zu bewirken, würdigte Dr. Vilmar durchaus: so das neue Kranken- hausfinanzierungsgesetz, das aller- dings infolge der Kompetenzvertei- lung zwischen Bund und Bundes- ländern zu einer problematischen unterschiedlichen Anschlußgesetz- gebung in einzelnen Ländern führ- te; so auch eine neue Pflegesatz- verordnung, zu der erstmals eine anonymisierte Diagnosestatistik zählt, von der man sich eine besse-

re Leistungsbeurteilung verspricht.

Fortschritte, so erkannte Dr. Vilmar an, sind auch in der Verbesserung der Qualität ärztlicher Versorgung erreicht worden, beginnend bei der Ausbildung bis hin zur Bedarfspla-

nung in der kassenärztlichen Ver- sorgung. Jetzt sei zu hoffen, daß auch die Bundesländer Konse- quenzen ziehen und ihre „Kapazi- tätsverordnungen" neu fassen. In diesem Zusammenhang erinnerte Vilmar auch an die jüngsten Bera- tungen im Weltärztebund, der ver- besserte Kriterien für die Zulassung

Bei der Sitzung des Ärztetags- präsidiums im Haus der Bundesärzte- kammer in Köln neben dem Präsidenten, Karsten Vilmar, von rechts:

Helmuth Klotz, Eckart Fiedler, H.-P. Brauer, E. Doppelfeld Alle Fotos: cl-e-w

zum Medizinstudium quasi weltweit für erforderlich hält.

Es war naheliegend, daß Dr. Vilmar auch auf berufspolitische Proble- me im engeren Sinn einging. So er- wähnte er die Arbeit an der Novel- lierung der amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOA). Wann die- se Arbeit in der neuen Legislaturpe- riode abgeschlossen werden kann, hänge auch vom Umfang der von der Ärzteschaft dem Ministerium einzureichenden Vorschläge ab.

Bisher denke man an Teilschritte zur Verbesserung; eine grundle- gende Reform würde mehrere Jah- re in Anspruch nehmen. Die Kas- senärztliche Bundesvereinigung werde, so erwartet Dr. Vilmar, die Arbeiten an der Reform des Einheit- lichen Bewertungsmaßstabes (EBM), welcher Grundlage der kas- sen- bzw. vertragsärztlichen Ge- bührenordnungen (BMÄ und EGO) ist, zügig weiterführen und ab- schließen: ein Reformwerk von au-

ßerordentlicher Bedeutung für die Kassenärzteschaft.

Andere Reformen werden auf die Ärzteschaft von außen zukommen, zusammengefaßt in dem einen Be- griff „Strukturreform", über die es die verschiedenartigsten Vorstel- lungen gibt. Was die Parteien dazu sagen (in den letzten Monaten wie- derholt im Deutschen Ärzteblatt dargestellt und auch noch Gegen- stand näherer Betrachtung vor und nach der Bundestagswahl), muß sich messen lassen an den „Ge- sundheits- und sozialpolitischen Vorstellungen der deutschen Ärzte- schaft", dem sogenannten „Blauen Papier", vom Deutschen Ärztetag 1986 in Hannover überarbeitet und beschlossen: „Eine Bewertung auf der Grundlage unserer Beschlüs- se", so betonte Dr. Vilmar, „kann uns niemand verwehren!" Und auch nicht die Feststellung, daß die Vorstellungen der jetzigen Regie- rungsparteien mit unseren Vorstel- lungen eher in Deckung zu bringen sind als die der jetzigen Opposi- tionsparteien.

Impulse zur Weiterentwicklung im Gesundheitswesen werden schließ- lich auch vom WHO-Regionalpro- gramm Europa ausgehen, das 38 Einzelziele proklamiert hat, die na- türlich nicht für jedes Land Planzie- le sein können. Manche sind in der Bundesrepublik längst erfüllt, an- dere sind utopisch, für andere feh- len wissenschaftliche Grundlagen.

Der allgemeine Trend jedenfalls:

Präventionsüberlegungen.

Prioritäre Gesundheitsziele spielen auch in den Überlegungen im Bun- desgesundheitsministerium eine

3516 (12) Heft 50 vom 10. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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Rolle. Bei allen derartigen Beratun- gen- so mahnte Dr. Vilmar zur Vor- sicht - dürften keine Hoffnungen geweckt werden, die nicht realisiert werden können! Auch hier müssen medizinische Orientierungsdaten die Vorhand haben- und nicht öko- nomische Vorgaben.

Was wird aber in

naher Zukunft geschehen?

Der Sachverständigenrat bei der

"Konzertierten Aktion im Gesund-

heitswesen" wird sein erstes Gut- achen im März 1987 vorlegen. Es bleibt abzuwarten. Zurückhaltung ist geboten vor allen jetzt von Öko- nomen eilfertig vorgebrachten "Re-

form"-ldeen. Dies gilt auch für die

Vorstellungen der sogenannten

"fünf Weisen", deren rein ökonomi-

sche Sicht einer sachverständigen medizinorientierten Korrektur be- darf.

Im Bundesarbeitsministerium ist man mitten in den Vorbereitungen zur Strukturreform, wobei nach Aussagen maßgeblicher politischer Beamter diese Reform zwar keinen Umsturz des ganzen Systems, aber mehr als nur Einzelmaßnahmen be- wirken wolle. Die innerministeriel- len Überlegungen reichen von Fra- gen der Versicherungspflicht, der Beitragsbemessung, der Beitrags- entrichtung bis hin zu Wettbe- werbs-"Anreizen", zu den Bezie- hungen zwischen Kassen und Lei- stungsträgern, Experimentierklau-

seln, "effizienteren" Wirtschaftlich-

keitsprüfungen etc. etc.

~ Der Bundesarbeitsminister hat .zwar versichert, daß die mit so überwältigender Mehrheit vom

"Ärzteparlament'' verabschiedeten

gesundheits- und sozialpolitischen Vorstellungen in die Reformüberle- gungen einbezogen werden. Wenn aber weiterhin lediglich die Kasten- dämpfungspolitik des letzten Jahr- zehnts fortgeführt werde, müßten die Sprecher der Ärzteschaft, so Dr.

Vilmar, immer wieder mit aller Deutlichkeit sagen: Starre Kosten- dämpfung bedeutet Leistungs- dämpfung, Leistungsbegrenzung

Ärztetags-Präsidium

bedeutet Ietzt I ich Lebensbeg ren- zung!

~ Auch gegen eine Entwissen- schaftlichung der Medizin, wie sie in der Öffentlichkeit jetzt so lebhaft propagiert wird, muß sich die Ärzte- schaft wehren. Vilmar: "Auch in der CDU scheint mancher nicht so ganz auf dem Boden wissenschaftlicher Medizin zu stehen." Überhaupt scheint das Meinungspendel nach einer Zeit allzu großer Wissen- schafts- und Technik-Euphorie der- zeit umzuschlagen in die Irrationali- tät. Dem entsprechen auch politi- sche Heilslehren und politischer Aberglauben, die nicht zum Maß- stab für unser ärztliches Handeln werden dürfen ... So Dr. Vilmar.

Eine lebhafte Diskussion beschäf- tigte sich mit Grundsatz- wie mit Einzelfragen. So erläuterte Dr.

Eckart Fiedler, der Hauptgeschäfts- führer der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, die Überlegungen des Bundesarbeitsministeriums zur

"Reform" des Gesundheitswesens, die weiterhin von der Ausgabenent- wicklung in der gesetzlichen Kran- kenversicherung ausgehen. Schon im Juni 1987 soll es dazu einen Referentenentwurf geben. ln die- sem Zusammenhang kritisierte er das Gutachten der sogenannten

"fünf Weisen", das auf eine Aufga-

be des Solidarprinzips hinausliefe, hinsichtlich des Vertragsrechts ei- nen Rückschritt "vor 1900" bedeu- te und geeignet wäre, die medizini- sche Versorgung letztlich zum

e

Fortsetzung auf Seite 3528

Im Bild herausgegriffen aus rund 85 ärzt- lichen Repräsentanten der im Präsidium des Deutschen Ärztetages vertretenen Organi- sationen und Verbände (von oben): Dr. Paul Schloemann (Deutscher Sportärztebund) und Dr. Peter Krein (BÄK-Vorstand); Prof.

Dr. Horst Bourmer (Hartmannbund-Vorsit- zender) und Dr. Th. Fildhaut (Verband der Vertrauens- und Rentenversicherungsärz- te); Min.-Dir. Prof. Dr. Manfred Steinbach (Bundesgesundheitsministerium) und Prof.

J. F. Volrad Deneke (Ehrenmitglied des Prä- sidiums); im Gespräch mit Frau Dr. Ingrid Hasselblatt- Diedrich (Hartmannbund-Vor- stand) Dr. Brauer und Dr. Vilmar; Dr. Hans Engelhard (Vorstand der Bundesärztekam- mer) und Prof. Dr. Hans Hamm (Deutsche Akademie für Allgemeinmedizin)

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (13) 3517

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Darstellung 1: Struktur der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel 1985

Ve.r.and - Heil- und 1-111Err,,,e1 und Ar2r.nn v.n Stelle=n

Hornuren

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT THEMEN DER ZEIT

Dem trat in seinem Statement vor der Konzertierten Aktion (Auszüge: Ka- sten auf der nebenstehenden Seite) der Hauptgeschäftsführer der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Eckart Fiedler, energisch entge- gen. Er lenkte das Augenmerk auf die medizinisch-gesundheitspolitischen Aspekte sowie die Einflüsse von Rechtsprechung und Gesetzgebung, die für die ausufernde Kostenent- wicklung in diesem Leistungssektor bedeutsam sind, und deckte auch die Wettbewerbspraktiken mancher Krankenkassen und Leistungserbrin- ger auf. Differenziert nahm er zu den einzelnen Teilbereichen Stellung.

Physiotherapeutische Leistungen

Besonders kritisch nahm er den mit knapp 29 Prozent größten Teilbe- reich, die physiotherapeutischen Lei- stungen, unter die Lupe. Jährlich knapp zwei Milliarden DM wenden die Krankenkassen inzwischen dafür auf. Der weitaus größte Teil der Aus- gabensteigerung im Bereich phy- siotherapeutischer Leistungen resul- tiert aus der Mengenentwicklung.

Diese hat vielfältige Ursachen.

An erster Stelle nannte Fiedler das Krankheitsspektrum. Die häufigsten Indikationen für physiotherapeuti- sche Leistungen sind Krankheiten des Bewegungsapparates, der rheu- matische Formenkomplex, Herz!

Kreislauferkrankungen und eine Rei- he neurologischer Erscheinungsfor- men verschiedener Krankheitsbilder, Krankheitsarten also, die seit Jahren deutlich zunehmen. Je nach Diagno- sekriterien und Schweregraden lei- den im Schnitt allein zwischen drei und 20 Millionen Menschen in der Bundesrepublik an Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.

Die durchschnittliche Krankheitsdau- er liegt zwischen 13 und 17 Jahren.

Ein zweiter maßgeblicher Faktor ist die Ablösung der Arzneimittelthera- pie durch physikalische Therapie. Im- mer häufiger werden Beschwerden wegen degenerativer Prozesse an

• Fortsetzung auf Seite 3520

Die überproportionale

Entwicklung der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel

Aufschlußreiche Analyse bei der jüngsten Sitzung der „Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen"

Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren befaßte sich die Kon- zertierte Aktion im Gesundheitswesen in einer „Struktursitzung"

mit den Heil- und Hilfsmitteln. Anlaß boten die anhaltenden über- proportionalen Ausgabenzuwächse, aber auch Fragen im Zusam- menhang mit der schon eingeleiteten Strukturreform-Debatte in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diskussionsgrundlage der Sitzung am 17. November in Bonn war ein umfassendes Arbeits- papier des Bundesarbeitsministeriums, das mit den Spitzenverbän- den der gesetzlichen Krankenversicherung, den Verbänden der Leistungserbringer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung mehrfach eingehend erörtert und überarbeitet worden war.

J

n den zahlreichen Vorgesprä- chen hatten die Krankenkassen stark auf eine ökonomische Be- wertung abgestellt und versucht, dem verordnenden Kassenarzt die Hauptverantwortung für die aus- ufernden Kosten zuzuschieben. Auch die Erbringer von Heil- und Hilfsmit- teln wuschen in den vorbereitenden

Anhörungen ihre Hände in Unschuld und verwiesen unter Berufung auf die Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien auf die Verantwortung des verordnenden Arztes. Sie träfe keine Schuld, wenn der Arzt wegen mangelnder Beach- tung der Richtlinien oder gar man- gelnder Qualifikation unspezifisch und unwirtschaftlich verordne.

3518 (14) Heft 50 vom 10. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heil- und Hilfsmittel

Der Anteil der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel an den Ausgaben der gesetzli- chen Krankenversicherung ist von 1970 bis 1985 von 2,8 Prozent auf 6 Prozent gestiegen. Demgegenüber ist im Vergleich der Anteil der Ausgaben für ambulante ärztliche Versorgung von 22,9 Prozent auf 18,1 Prozent im gleichen Zeitraum gesun- ken. Seit 1977 bis heute, in dem Zeitraum also, da das Kostendämpfungskonzept mit Grundlohnsummenorientierung gilt, wei- sen die Heil- und Hilfsmittel die höchsten durchschnittlichen jährlichen Ausgaben- überhänge über der Grundlohnsumme auf: 3,1 Prozent p. a. Diese deutlich über- proportionale Entwicklung ist ohne Zweifel mit eine Ursache der jüngsten Beitrags- satzanhebungen.

Eine Aufhellung der Hintergründe ist notwendig, und zwar sowohl unter ökonomisch-gesamtwirtschaftlichen als auch medizinisch-gesundheitspolitischen Aspekten, um daraus Schlußfolgerungen für ökonomisch gebotene und medizinisch vertretbare korrigierende Maßnahmen zie- hen zu können.

Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, al- lein der Arzt löse durch seine Verordnung die Leistung und damit die Kosten aus.

Mithin müsse er in den Mittelpunkt der Kostendämpfungsbemühungen auch in diesem Bereich gestellt werden. Diese Meinung ist nur sehr bedingt richtig.

Der Arzt unterliegt einer Vielzahl von Gesetzes-, Rechts- und Vertragsvorschrif- ten, die ihn in seinem ärztlichen Handeln stark einengen. Seit 1982 sind die Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundes- ausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Kraft. Diese engen seinen Handlungs- spielraum erheblich ein. Der Kassenarzt steht in einem ständigen Interessenkon- flikt zwischen seiner Sozialbindung gegen- über der Solidargemeinschaft der Versi- cherten (Gebot der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit) einerseits und seiner Fürsorgeverpflichtung und dem ärztlich- ethischen Gebot, dem einzelnen Patienten

so gut wie möglich zu helfen, anderer- seits. Die vom Kassenarzt geforderte Zu- rückhaltung gegenüber den Wünschen des Versicherten wird unerfüllbar, wenn, wie immer wieder in der Alltagspraxis zu beobachten, diese seitens der Kranken- kassen durch allzu großzügige Auslegung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder gar konterkarierende Werbemethoden aus Wettbewerbsgründen gegenüber anderen Kassenarten unterlaufen wird. Soviel zur grundsätzlichen Klarstellung vorweg!

Wo liegen die Ursachen für die rasante Entwicklung? Auch wenn die vorgelegten Daten keine abschließende Beurteilung, insbesondere unter medizinisch-gesund- heitspolitischen Aspekten, zulassen, ist dem Bundesarbeitsministerium doch für das Bemühen zu danken, in differenzierter Analyse diesen Sektor aufzuarbeiten. Im wesentlichen werden zwei Faktoren zur Er- klärung herangezogen:

1. ein in den letzten 10 bis 15 Jahren deut- lich gewandeltes Morbiditätsspektrum, stark beeinflußt auch durch eine veränder- te demographische Struktur,

2. die wachsende Zahl der Leistungser- bringer auch in diesem Sektor.

Weiter spielt eine Rolle die Preisentwick- lung und insbesondere bei den Hilfsmit- teln die Innovationskomponente: Neue Hilfsmittel sind in der Regel auch teurere Hilfsmittel!

Der Vergleich der Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel je Mitglied in den letzten 10 Jahren zeigt nicht nur mehr als eine Ver- doppelung der Ausgaben pro Kopf insge- samt, sondern insbesondere auch eine Verdreifachung der Ausgaben für Renten- versicherte. Demgegenüber haben sich die Ausgaben je Allgemeinversicherten

„nur" verdoppelt. Damit bestätigt sich auch in diesem Bereich die deutlich wach- sende „Alterslast" in der gesetzlichen Krankenversicherung, die über die Kran- kenversicherung der Rentner auf den Soli-

darausgleich zwischen Allgemeinversi- cherten und Rentnerversicherten durch- schlägt.

Besonders stark wirkt sich der Anteil al- tersbedingter Behandlungsbedürftigkeit naturgemäß bei den Sehhilfen, bei Dialy- seleistungen, Hörhilfen und im Bereich orthopädische Hilfsmittel aus. Hier kom- men neben dem altersbedingt veränderten Morbiditätsspektrum natürlich auch neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten und erhebliche technische Verbesserungen, aber auch die gesundheitspolitisch gewoll- ten verstärkten Rehabilitationsbemühun- gen und -möglichkeiten der letzten Jahre zum Tragen.

Ein Beispiel nur: Die Nachteile der nach- weislich teureren Im-Ohr- bzw. beidohri- gen Versorgung, die bei Beachtung der Physiologie des Hörens und der Patho- physiologie der Schwerhörigkeit medizi- nisch durchaus angezeigt sein kann, wer- den infolge der technischen Weiterent- wicklung der Geräte zunehmend überwun- den. Von daher dürfte eine Einschränkung der Versorgung insbesondere von Schwerhörigen mit dieser Art von Hörge- räten nicht nur als Rückschritt zu sehen sein, sondern auch bei der Werbung der Krankenkassen mit optimalem Leistungs- angebot den Versicherten nur schwer ver- ständlich zu machen sein. Dies kann je- denfalls nicht den Ärzten aufgebürdet wer- den.

Oder die Versorgung mit Reha-Mitteln und Stoma-Artikeln, die seit 1980 mit + 76,6 Prozent und + 91,9 Prozent Ausgabenzu- wachs besonders stark expandieren. Nie- mand wird ernsthaft unterstellen wollen, daß der Arzt hier unnötig oder unwirt- schaftlich verordnet bzw. der Patient un- nötig Ansprüche anmeldet!

Oder der Bereich Dialyse: Wo ist die Alter- native, wenn einerseits die Zahl der Pa- tienten mit kostenintensivem Behand- lungsbedarf und kostenintensiven Be- handlungsverfahren zunimmt, anderer- seits die Möglichkeit der Nierentransplan- tation aufgrund der relativ niedrigen Zahl verfügbarer Transplantate dem Bedarf nicht entspricht? Bemerkenswert er- scheint mir allerdings gerade hier die we- sentlich kostengünstigere und damit wohl auch wirtschaftlichere Leistungserbrin- gung in der Praxis des niedergelassenen

Arztes.

Wo liegen die Ursachen?

Aus dem Statement von Dr. Eckart Fiedler

zum Bereich Heil- und Hilfsmittel vor der Konzertierten Aktion

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (15) 3519

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Heil- und Hilfsmittel

e

Fortsetzung von Seite 3518 den Stütz- und Bewegungsorganen ohne Verordnung von Arzneimitteln durch physikalische Therapie gelin-

dert. Zumindest kann bei einer Dau-

erbehandlung die Wirkstoffdosis her- abgesetzt werden. Das trägt zwangs- läufig zu einer Ausweitung der physi- kalischen Therapie bei.

Aber auch generell geht die Medizin von passiven Behandlungsformen mehr zu aktiver Bewegungstherapie über, etwa nach einem Herzinfarkt.

Die ärztlichen Indikationen für die physikalische Therapie nehmen zu.

Die Effizienz der meisten arthroplasti- schen Eingriffe z. B. ist abhängig von einer gezielten physikalischen bzw.

krankengymnastischen Anschlußbe- handlung. Das erklärt zum Teil den großen Ausgabenzuwachs gerade für krankengymnastische Behandlung.

DEUTSCHES i\:RZTEBLATT

behandlungbei Kindern und krebser- krankten Patienten. Auch die Nach- sorge gewinnt in diesem Zusammen- hang zunehmend an Bedeutung.

Zu einer Vermehrung der Nachfrage hat ohne Zweifel aber auch die rasan- te Zunahme der Zahl der Leistungser- bringer beigetragen. Die Zahl der me- dizinischen Badebetriebe, Masseure und Krankengymnasten insgesamt hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die stärksten Zuwächse verzeichnen mit rund 136 Prozent die Krankengymnasten. Die Wachstumsdynamik hat sich gegen- über den Jahren 1975 bis 1980 zwar etwas beruhigt; der steigende Trend hält allerdings, besonders bei den Krankengymnasten, an. Besonders starke Zuwächse zeigen die Logopä- den, Stimm- und Sprachlehrer und die sonstigen Sprachtherapeuten (+ 66,2 Prozent) sowie die Beschäf-

Darstellung 2: Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel je Mitglied von 1975 bis 1985

300

AUSGABEN JE MITGLIED IN DM +

1975 71,29 91,44 77,09

250 1980 122,08 176,41 137,89

1985 142,58 269,61 179,85

! in % +100,0

85,)5 +194,8 +133,2

20

150

Viele Verbesserungen im Leistungs- geschehen der letzten zehn Jahre sind gesetzlich induziert und gesund- heitspolitisch gewollt. Fiedler erin- nerte neben den generell verstärkten Rehabi I itationsanstreng u ngen i nsbe- sondere an die Ausweitung des Be- hindertensports, der Krankengymna- stik und der Beschäftigungs- und Ar- beitstherapie sowie die verstärkte Krankheitsfrüherkennung und Früh-

ALLGEMEINVERSICHER TE

tigungs- und Arbeitstherapeuten (+ 205,1 Prozent). Aufgrund der nied- rigen Ausgangsbasis ist gerade bei diesen Gruppen für die nächsten Jah- re noch mit erheblichem "Nachhol- bedarf" zu rechnen.

Dr. Fiedler räumte ein, daß natürlich auch die gezielte und wirtschaftliche Verordnung durch den Kassenarzt ei- ne wichtige Rolle spielt. Vorausset- 3520 (16) Heft 50 vom 10. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

zung dafür sei aber eine hinreichen- de Preis- und Leistungstransparenz.

So fehle beispielsweise ein vollstän- diger bundesweiter Überblick über die Preisentwicklung. Außerdem di- vergieren vielfach die Leistungstexte und Preise zwischen den ärztlichen Gebührenordnungen und den Preisli- sten der nichtärztlichen Leistungsar- bringer erheblich. Dies führt zu einer lntransparenz des Leistu ngsgesche- hens.

~ Geboten sei ein einheitlich struk- turiertes Therapieangebot aller Lei- stungserbringer. Im Interesse der notwendigen Transparenz für den verordnenden Kassenarzt sei eine Vereinheitlichung der Leistungstexte und der Preise für alle Leistungsar- bringer anzustreben.

~ Nachdrücklich kritisierte Fiedler die Übernahme von Kosten durch die Krankenkassen für jene Leistungen von Masseuren und Bademeistern, die wegen ihres strittigen medizini- schen Nutzens für die Behandlung von Krankheiten in die Gebührenord- nungen nicht aufgenommen werden.

Er forderte die Krankenkassen zur Zurückhaltung bei der Bezahlung von Leistungen auf, deren medizini- sche Wirksamkeit strittig ist und die dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht genügen. Immer wieder klagten, so Fiedler, Kassenärzte darüber, daß sie Kostendämpfung bis zum äußersten betreiben sollen, während anderer- seits die Krankenkassen sich aus Wettbewerbsgründen ihren Mitglie- dern gegenüber um Kostendämp- fung nicht hinreichend kümmerten.

Fiedler wörtlich: "in einer Werbebro- schüre gibt eine große Krankenkasse bekannt, daß sie Kurse für Atemgym- nastik, Unterwasserbewegungsgym- nastik, Autogenes Training bezu- schußt, ohne daß eine ärztliche Ver- ordnung dafür erforderlich ist. Es wird lediglich gefordert, daß nach Abschluß der Kurse die bezahlten Originalrechnungen der Krankenkas- se zwecks Kostenerstattung einge- reicht werden sollen. Kein Wunder, daß bei derartigen Angeboten der Kassenarzt sich an der Nase herum- geführt vorkommt! ... in diesem Zu- sammenhang muß auf die eigene

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Heil- und Hilfsmittel

Verantwortung der Krankenkassen für den besorgniserregenden Ausga- bentrend in aller Deutlichkeit hinge- wiesen werden. Zumal es sich bei dem erwähnten Beispiel keineswegs um Einzelfälle handelt, wie durch ei- ne großzügige Kostenübernahme, ja sogar Propagierung einzelner Heil- methoden das Kostendämpfungsbe- mühen der Kassenärzte unterlaufen wird!"

Kritisch hinterfragte Dr. Fiedler schließlich auch die Steuerungswir- kung der nach dem Gesetz vorge- schriepenen Zahlung einer Verord- nungsblattgebühr von 4 DM pro Heil- mittel - unabhängig von der Anzahl.

in dieser Regelung liege zumindest ein Anreiz für den Patienten, um bei der Verordnungsblattgebühr zu spa-

ren, den Arzt zu bitten, ihm mehr Be-

handlungen aufzuschreiben, als nach den Heil- und Hilfsmittel-Richtli- nien zulässig sei. Je mehr Massagen beispielsweise pro Verordnungsblatt verschrieben würden, desto vorteil- hafter für den Patienten! Damit würde aber die mit den zahlenmäßigen Be- grenzungen in den Heil- und Hilfsmit- tel-Richtlinien an sich angestrebte In- tention klar unterlaufen. Zu prüfen seien gegebenenfalls andere, wirksa- mere Formen der Selbstbeteiligung bei Massagen und Leistungen von medizinischen Badebetrieben, etwa in der Weise:

..,.. bisherige Verordnungsblattge- bühr zuzüglich einer prozentualen Zuzahlung, gegebenenfalls bei gleichzeitiger Abstaffelung der ab- rechnungsfähigen Leistungen ab ei- ner bestimmten Anzahl von Anwen- dungen.

Sehhilfen

Für den zweiten großen Block in den Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel

(22,7 Prozent Anteil), die Sehhilfen,

gaben die Krankenkassen 1985 rund 1,5 Milliarden DM aus. Deutlich stär- kere Ausgabenzuwächse als bei den Brillen waren dabei bei den Kontakt- linsen zu verzeichnen. Sie setzen sich infolge besserer Verträglichkeit in den letzten Jahren immer mehr durch. Ihr Anteil an den Sehhilfen

DEUTSCHES :A:RZTEBLATT

Darstellung 3: Anzahl der Leistungserbringer an Heil- und Hilfsmitteln 1975 sowie 1985

10 052 / /

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liegt inzwischen bei 5,6 Prozent. Da-

bei sind Kontaktlinsen im Schnitt um

280 bis 300 DM teurer als eine Kas- senbrille.

Insgesamt ist der Leistungsaufwand für Sehhilfen seit 1982 jährlich um 7,9 Prozent gestiegen. Auch hier ist vor allem die Mengenentwicklung aus- schlaggebend. Rund 51 Prozent der Bevölkerung sind Brillenträger. Aller- dings ist dieser Anteil seit Jahren konstant. Insofern sind die Ursachen nicht allein in den gestiegenen Anfor- derungen an das Sehvermögen und in dem gestiegenen "Sehbewußt-

sein" der Bevölkerung zu suchen. Die

Ausweitung des Marktes läuft vor al- lem über Zweit- und Ersatzbrillen.

..,.. So werden die Augenoptiker z. B.

in Fachzeitschriften ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich Um- satzsteigerungen nur noch über Zweit- und Drittbrillen erreichen las- sen: ... die letzten Jahre haben eben auch bewiesen, daß es nicht ge- nügt, eine Brille optimal herzustellen und sie ,weiterzugeben'. Eine sta- gnierende Gesamtnachfrage bei Bril- len kennzeichnet die Situation der letzten Jahre. Die hohe Qualität der Brillenfassung und die Arbeit des Au- genoptikermeisters als Fachmann führt dazu, daß eine Brille viel länger

,stabil' bleibt als dies früher der Fall

war. Also: Es muß alles dafür getan werden, um Neukäufe zu forcieren, auch wenn die ,alte Brille' es noch tut. Und wie erreicht man dies? Nur, wenn Brilletragen ,in' ist, wird der

/ / /

20 295

1985

K r a n k e n - gymnasten - + - 1 3 5 , . 9 %

med . Ba d e - bet r i e be - +- 9 9 , . 0 %

Masseure

- ... 8 8,.2 %

Verbraucher auf Spontankäufe, auf Wiederholungskäufe und auf Dauer- käufe zurückgreifen. Die Brille muß ein Modeattribut werden, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

Die Kunden müssen es als normal an- sehen, eine Zweit-, Dritt- und Viert- brille zu erwerben." So zu lesen in ei- ner internen Augenoptiker-Marktzeit- schrift vom September 1986.

Zweit- und Ersatzbrillen gehören zwar nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, dennoch gibt es in der Praxis- nicht zuletzt auch als Wettbewerb der Krankenkassen untereinander - Um- gehungsmöglichkeiten. Fiedler ver- wies in diesem Zusammenhang auf die Aufhebung der Genehmigungs- pflicht der ärztlichen Brillenverord- nung vor Inanspruchnahme des Opti- kers sowie auf die höchstrichterliche Aufhebung des alleinigen ärztlichen Brillenverordnungsrechts. Nur die erstmalige Verordnung einer Brille erfolgt obligatorisch durch den Arzt.

Beim wiederholten Brillenerwerb kann der Augenoptiker die Augen- glasbestimmung durchführen. Das Refraktionieren durch Augenoptiker ohne vorherige ärztliche Verordnung nimmt zu: 1985 wurden rund 30 Pro- zent aller Augenglasbestimmungen durch Augenoptiker vorgenommen. ..,.. Damit ist nach Fiedlers Auffas- sung eine anhaltende Ausweitung des Lieferumfanges vorprogram- miert: "Optiker sind in erster Linie umsatzorientiert Heil- und Hilfsmit- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (17) 3521

(8)

Heil- und Hilfsmittel

tei-Richtlinien gelten für sie nicht. Ei- ne Überprüfung ist so gut wie ausge- schlossen. Manche Krankenkassen ihrerseits fördern den Trend noch, in- dem sie ihren Mitgliedern nahelegen, den Augenoptiker ohne ärztliche Un- tersuchung direkt aufzusuchen. An- geboten werden dazu Berechti- gungsscheine zur Lieferung von Bril-

len. Nicht selten halten die Augenop-

tiker die Berechtigungsscheine sogar selbst vorrätig. Daß solche Praktiken zwangsläufig zu einer Mengenaus- weitung führen, liegt auf der Hand.

Ebenso, wer in Wahrheit den so oft und gern zitierten Schlüssel zum Geldschrank der Kassen in der Hand hat: Der Kassenarzt jedenfalls am we- nigsten!"

..,.. Vor diesem Hintergrund stellte Fiedler folgende Forderungen zur Diskussion: die Wiedereinführung der Genehmigungspflicht aller Bril- lenverordnungen, eine strenge und einheitliche Handhabung der Indika- tionslisten für Sonnengläser und ge- tönte Gläser, keine Kostenübernah- me für teure prismatische Gläser oh- ne augenärztliche Verordnung, keine Brillenbestimmung durch Optiker bei über 40 Jahre alten Personen, wenn die letzte augenärztliche Untersu- chung länger als ein Jahr zurückliegt;

in diesen Fällen hat der Augenarzt ei- ne Augeninnendruckmessung vorzu- nehmen. Generell sei die Frage zu stellen nach der Aufrechterhaltung des Kassenzuschusses zum Brillen- gestell. Schon heute zahlt der Versi- cherte 150 bis 200 DM zu einer Brille direkt hinzu.

Orthopädische Hilfsmittel und Hörhilfen

Die verstärkten Rehabilitationsbemü- hungen haben sich auch bei den or- thopädischen Hilfsmitteln und Hörhil- fen ausgewirkt. Entscheidend für die Mengenentwicklung und für Struk- turverschiebungen im Bereich insbe- sondere der orthopädischen Hilfsmit- tel sind die jährlich in großer Zahl neu auf den Markt kommenden Hilfsmit- tel. Eine wirksame Prüfinstitution sei- tens der gesetzlichen Krankenversi- cherung für neue orthopädische Hilfsmittel existiert erst in Ansätzen.

DEUTSCHES :JtRZTEBLATT

Maßgeblichen Einfluß hat allerdings auch die Rechtsprechung der letzten Jahre, über die in zunehmendem Ma- ße neue und zum Teilteure Hilfsmittel

(z. B. Elektro-Rollstühle, Treppenrau-

pen, Lesegeräte) Eingang in den Lei-

stungskatalog der gesetzlichen Kran- kenversicherung finden. Dies gilt neuerdings in besonderem Maße auch für Zweit- und Mehrfachausstat- tung mit kostenaufwendigen speziel- len Hilfsmitteln. Beachtlich ist aber auch der medizinisch-technische Fortschritt zum Beispiel beim Ersatz natürlicher Körperfunktionen oder im Bereich der Versorgung Krebskran- ker. Nicht zuletzt steht der Verminde- rung der Verkehrsunfälle mit Todes- folge eine Zunahme der Unfallverletz- ten gegenüber, aus der in zunehmen- dem Maße eine Versorgung mit or- thopädischen Hilfsmitteln resultiert.

..,.. Den aus dieser Entwicklung sich ergebenden Kostenschub haben, so Dr. Fiedler, weder die Ärzte noch die Handwerker zu vertreten. "Wer heute diesen Kostenanstieg beklagt, müßte die nachweislich bessere Versorgung vor allem behinderter Menschen wie- der rückgängig machen. Den Ärzten ist hieran nicht gelegen. Das bedeu- tet nicht, daß sie sich der Aufgabe entziehen, durch fachliche Überprü- fung der Verordnungen und der vom Handwerker gelieferten Hilfsmittel mit die Kosten im Griff zu halten."

Für den Bereich Hörhilfen gilt ähn- liches wie für die orthopädischen Hilfsmittel, was den Fortschritt und die jährlich neu auf den Markt kom- menden Gerätetypen angeht. Dabei handelt es sich allerdings in der Re- gel lediglich um Typvariationen, die zunächst preislich kaum beeinfluß- bar sind, da die Vorlaufzeit bis zur Aufnahme in die jeweils gültigen Ver- tragspreislisten ein Jahr beträgt. Der geschätzte noch ungedeckte medizi- nisch indizierte Bedarf liegt günstig- stenfalls zwischen 0,5 und 1,5 Millio- nen zur Zeit noch unversorgter Pa- tienten. Hier ist also mit einem weite- ren Kostenanstieg zu rechnen. "Zu prüfen ist", so die Schlußfolgerung Fiedlers, "ob zum einen die weiter wachsende Zahl der Hörgeräteakusti- ker bedarfsgerecht ist und zum ande- ren -ähnlich wie bei Brillen heute- 3522 (18) Heft 50 vom 10. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

die Krankenkassen nicht lediglich ei- nen Festzuschuß zu Hörgeräten lei- sten sollten."

Generell für den gesamten Heil- und Hilfsmittelbereich müsse, so Fiedler, die Möglichkeit geprüft werden, ei- nen Negativ-Katalog gesetzlich zu verankern, aus dem eindeutig und verbindlich -auch für die Kranken- kassen- hervorgeht, welche Leistun- gen in diesem Bereich nicht zu La- sten der gesetzlichen Krankenversi- cherung verordnet und erbracht wer- den können. Dies aber sei Sache des Gesetzgebers, nicht der Krankenkas- sen oder der Leistungserbringer und schon gar nicht der Ärzte.

Trotz kontroverser Diskussion gemeinsame Erklärung

Trotz der Versuche, dem verordnen- den Kassenarzt die Hauptver- antwortung zuzuschieben, konnte im Vorfeld der Konzertierten Aktion mit Mühe und nach langen Verhandlun- gen der Entwurf eines Erklärungstex- tes abgestimmt werden, dem in der Sit- zung die Beteiligten zustimmten. Die- se Erklärung (Kasten auf der neben- stehenden Seite) betont auch weitere Anstrengungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Verordnungsweise der Kassenärzte im Sinne von mehr Transparenz und Information, bein- haltet aber keine verschärfende Wirt- schaftlichkeitsprüfung oder die Ein- führung von Bonus-Malus-Regelun-

gen, wie sie von den Krankenkassen

favorisiert worden waren. Solche Vor- stellungen der Kassen konnten nach zähem Ringen schließlich mit deut- lichen Beispielen über ihr eigenes Fehlverhalten - Förderung der An- sprüche von Versichertendurch Wett- bewerb - zurückgewiesen werden.

Ausdrücklich wird auch in der Erklä- rung auf die Verpflichtung der Kran- kenkassen hingewiesen, ihre Versi- cherten zu einerwirtschaftlichen Inan- spruchnahme der Leistungen sowie zu einerpfleglichen Nutzungvon Hilfs- mitteln anzuhalten.

Dr. Thomas Stührenberg

Kassenärztliche Bundesvereinigung Herbert-Lewin-Straße 3

5000 Köln 41 (Lindenthal)

(9)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenver- sicherung für Heil- und Hilfsmittel sind in den letzten Jahren erneut deutlich überpro- portional gestiegen. Das gilt auch für das laufende Jahr. Während die Grundlohnsum- me im ersten Halbjahr 1986 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum lediglich um etwa 3 Prozent gestiegen ist, haben sich die Ausgaben für Heil- und Hilfsmittel um über 8 Prozent erhöht. Eine Aufhellung der Hintergründe für diese Ausgabenentwick- lung ist notwendig, um ökonomisch und medizinisch gebotene korrigierende Maß- nahmen ergreifen zu können.

Die Konzertierte Aktion begrüßt in diesem Zusammenhang die vom Bundesarbeitsmini- sterium vorgelegten Daten und Materialien als eine hilfreiche Grundlage für eine solcherart differenzierte Beurteilung der Aus- gabenentwicklung bei Heil- und Hilfsmitteln.

Danach stehen den Ausgabensteigerungen, die wesentlich mit der Mengenentwicklung zu erklären sind, auch gewisse Leistungs- verbesserungen gegenüber. Diese sind auch eine Folge des veränderten, insbesondere al- ters- sowie umwelt- und arbeitsweltbeding- ten Krankheitsspektrums. Maßgeblichen Einfluß haben neue Diagnose- und Behand- lungsmöglichkeiten sowie erhebliche techni- sche Neuerungen. Mitentscheidend ist schließlich, daß viele Leistungsverbesserun- gen, insbesondere im Bereich der Rehabili- tation, gesundheitspolitisch von allen Betei- ligten gewollt sind.

Im Interesse der notwendigen Beitragssatz- stabilität hält die Konzertierte Aktion kurz- und mittelfristig folgende Maßnahmen für geboten:

10 Ebenso wie in anderen Leistungsberei- chen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen auch die Leistungserbringer für Heil- und Hilfsmittel ihren Beitrag leisten, um die Ausgabenentwicklung mit der Ent- wicklung der Grundlohnsumme in Einklang zu bringen. Dazu ist notwendig, die Mengen- und Strukturkomponente in die Vereinbarun- gen zwischen Krankenkassen und Erbringern

von Heil- und Hilfsmitteln mit einzubeziehen.

Führen medizinisch nicht begründbare Men- genentwicklungen und Strukturveränderun- gen zu einem Uberschreiten des Grundlohn- summenanstiegs, sollten diese bei der Preisgestaltung aufgefangen werden.

(i) Die Steuerung über den Preis allein reicht für längerfristig anhaltende und durch- greifende Kostendämpfungserfolge nicht aus. Die den Krankenkassen zur Ausgaben- dämpfung durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeiten sind aber sehr begrenzt. Ärz- te, Leistungserbringer von Heil- und Hilfs- mitteln und Krankenkasssen müssen des- halb zur Erreichung dieses Zieles stärker zu- sammenwirken. In wichtigen Teilbereichen bestehen jedoch keine gesetzlichen Schieds- verfahren, und die Selbstverwaltung kann — hierdurch mitbedingt — Interessenkonflikte vielfach nicht lösen.

(E) Um die Kassenärzte in ihrer wirtschaft- lichen Verordnungsweise zu unterstützen, erscheinen folgende Maßnahmen sinnvoll:

Die Krankenkassen sollten Heil- und Hilfs- mittelverordnungen detaillierter erfassen und arztbezogen zusammenstellen, ähnlich wie dies im Zusammenhang mit der Wirt- schaftlichkeitsprüfung bei Arzneimitteln ge- schieht. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten dafür Sorge tragen, daß den Kassen- ärzten im Rahmen der kassenärztlichen Fort- bildung neben Kenntnissen über die durch die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln verursachten Kosten verstärkt auch solche über Fragen einer wirtschaftlichen Verord- nungsweise und einer ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln vermittelt werden. Dazu sollten die Krankenkassen Hilfsmittelkataloge zur Verfügung stellen.

C) Ziel dieser Maßnahmen sollte es sein, über eine umfassende Information der Kas- senärzte unter Beachtung der Heil- und Hilfs- mittel-Richtlinien eine wirtschaftliche Ver- ordnungsweise zu fördern. Ergänzend dazu sollten die Krankenkassen ihre Versicherten auf das Erfordernis einer wirtschaftlichen In- anspruchnahme und pfleglichen Nutzung

dieser Leistungen der Krankenversicherung hinweisen.

• Vorrangig sind folgende Maßnahmen:

—Verstärkte Beachtung von Wirtschaftlich- keit und medizinischem Nutzen in bestimm- ten Bereichen, z. B. bei der Hörgerätever- sorgung und der physikalischen Therapie,

—im Interesse größerer Wirtschaftlichkeit Standardisierung von Leistungen, z. B. im Bereich der Hilfsmittelversorgung.

45 Leistungserbringer von Heil- und Hilfs- mitteln und Krankenkassen sollten gemein- sam geeignete Maßnahmen zur Ausgaben- dämpfung in Einzelbereichen prüfen. Dazu gehören insbesondere Überlegungen, wie in den einzelnen Bereichen Anreize für Lei- stungserbringer und Versicherte geschaffen bzw. verstärkt werden können, um ein wirt- schaftliches Angebot und eine wirtschaft- liche Leistungsinanspruchnahme zu fördern.

Das gilt zum Beispiel bei der Abgabe von Kontaktlinsen und der Refraktionierung durch Augenoptiker. Bei Hörgeräten schei- nen eine Änderung des Preisbildungssy- stems und eine qualifizierte Begutachtung (z. B. durch den Vertrauensärztlichen Dienst oder andere Prüfinstitutionen) erforderlich.

In geeigneten Fällen sollte die Intensivierung sachverständiger Prüfungen von zu erbrin- genden bzw. erbrachten Hilfsmitteln durch Vertrauensärztlichen Dienst oder andere Prüfinstitutionen erwogen werden.

• Die Zahl der Leistungserbringer, vor al- lem im Bereich der physikalischen Therapie, geht schon heute vielfach über den Bedarf hinaus. Bedarfsprüfungen scheinen zumin- dest für Neuzulassungen unumgänglich. So- weit die den Krankenkassen zustehenden Möglichkeiten für eine sinnvolle Bedarfs- steuerung nicht ausreichen, müssen sie durch gesetzgeberische Maßnahmen verbes- sert werden.

(;) Die Krankenkassen sollten verstärkt ge- meinsam die ihnen gesetzlich gebotenen Möglichkeiten nutzen, Vereinbarungen über eine kostengünstigere Versorgung ihrer Ver- sicherten zu treffen. Zu erwägen sind hier in erster Linie Ausschreibungen. Ebenso er- scheinen vermehrt vertragliche Regelungen zur Wiederverwendung hierzu geeigneter Hilfsmittel erforderlich.

() Die Weitergabe von Steuererleichterun- gen ist bei vertraglich vereinbarten Preisen sichergestellt. Insoweit wäre die Abschaf- fung der Umsatzsteuer auf Heil- und Hilfs- mittel ein wirksames Instrument, den Aus- gabenanstieg zu bremsen.

(j) Die Mengenentwicklung bei Heil- und Hilfsmitteln wird auch durch unangemesse- ne Werbung negativ beeinflußt. Auswüchse der Werbung sind zu beschneiden. ❑

Zehn-Punkte-Programm zur Kostendämpfung im Bereich Heil-/Hilfsmittel

Erklärung der Konzertierten Aktion vom 17. November

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (19) 3523

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

NACHRICHTEN

Aus Bund und Ländern

Konzentration und Effizienz gefordert

BONN. Die Bundesregie- rung bezeichnet in ih- rem Raumordnungsbericht 1986 die Gewährleistung einer guten medizinischen Versorgung als ein Haupt- ziel künftiger Anstrengun- gen im Bereich von Ge- sundheits- und Raumord- nungspolitik.

Der Bericht fordert, die Trä- gerdesGesundheitswesens stärker zu konzentrieren und die Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsleistungen zu verbessern. In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht der Bundesregie- rung vor allem die kassen- ärztliche Versorgung durch eine regionale Uberversor- gung vornehmlich in eini- gen attraktiven Ballungs- räumen gefährdet. Hier müsse das geltende Recht, das nur Maßnahmen gegen Unterversorgung vorsieht, ergänzt werden. Deshalb habe die Bundesregierung

durch Gesetz die Möglich- keit von Zulassungsbe- schränkungen eingeführt.

Ferner könne in einer ver- besserten Zusammenarbeit von ambulanter und statio- närer Versorgung ebenso ein Beitrag zur Kostensta- bilisierung gesehen wer- den wie im Ausbau einer präventiven Gesundheits- beratung. Die anerkannt gute Arbeit von Selbsthil- feeinrichtungen soll be- sonders auf lokaler und re- gionaler Ebene weiter un- terstützt werden. rei

Ärzte-Image

noch an der Spitze

ALLENSBACH. Nach einer Repräsentativerhebung des Instituts für Demosko- pie Allensbach üben die Ärzte für 76 Prozent der Be- völkerung den „angese- hensten Beruf" aus. 1981 waren noch 81 Prozent und 1971 sogar 84 Prozent der Befragten dieser Meinung.

Auf der beruflichen Presti- geskala folgen den Ärzten

erst mit weitem Abstand die Pfarrer mit 46 Prozent;

auch sie hatten früher ein höheres Ansehen: 1978 bei 48 Prozent und 1968 sogar bei 51 Prozent der Bevölke- rung.

Das Image der Hochschul- lehrer hat sich gegenüber der letzten Untersuchung um drei Prozentpunkte auf 39 Prozent verbessert, liegt jedoch deutlich unter den 49 Prozent der Bevölke- rung, in deren besonderem Ansehen die Professoren sich 1971 sonnten. Die Apotheker, auf Platz acht der Ansehensleiter, können nur noch bei 23 Prozent der Bevölkerung auf be- sonderen Respekt rech- nen, gegenüber 30 Prozent in 1981. Am Ende der Skala rangieren die Journalisten mit 18 Prozent und damit erst auf Platz 11 der 16 Be- rufe umfassenden Frageli- ste.

Ein noch schlechteres An- sehen haben die Grund- und Hauptschullehrer (17 Prozent), die Politiker (16), die Studienräte (15), die Of- fiziere (neun) und die Buchhändler (acht). EB

Chemie-Unfälle:

Ärzte bieten Unterstützung an

DÜSSELDORF. Ihre große Bestürzung über die sich häufenden Unfälle in der chemischen Industrie und die Folgen für die Umwelt hat die Kammerversamm- lung der Ärztekammer Nordrhein in einer Ent- schließung zum Ausdruck gebracht.

Die chemische Industrie solle nur Anlagen und Pro- duktionsverfahren verwen- den, für die nach dem Stand des Wissens und der Technik optimale Schutz- maßnahmen für Mensch und Umwelt nachgewiesen werden können, heißt es darin. Anlagen und Verfah- ren, die solchen Anforde- rungen nicht genügen, müßten sofort gestoppt werden. In der Entschlie- ßung hat die Kammerver- sammlung die Unterstüt- zung und sachkundige Mit- arbeit der nordrheinischen Ärzteschaft bei der Durch- setzung dieser Forderun- gen angeboten. Ä-No

Verwunderung

KÖLN. Zu dem Bescheid über die Einschränkung der Anwendungsgebiete von Metamizol-haltigen Monopräparaten (Heft 47, Seite 3267) und über die Entscheidung, diese Mittel nicht der Verschrei- bungspflicht zu unterstellen, stellt die Bundesärzte- kammer in einer Pressemitteilung fest:

Die Ärzteschaft nimmt mit Verwunderung zur Kenntnis, daß ein Arzneistoff, dessen Anwendung auf akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen; Koliken; Tumorschmerzen; son- stige akute oder chronische Schmerzen, soweit an- dere therapeutische Maßnahmen kontraindiziert sind; hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht, beschränkt wurde, nach Ansicht ei- nes Sachverständigenausschusses des Bundesmi- nisteriums für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit nach wie vor ohne ärztliche Verschrei- bung erhältlich sein soll. Die Ärzte und ihre Patien- ten haben kein Verständnis dafür, daß ein Arznei- stoff einerseits mit strengsten Indikationsbeschrän- kungen versehen ist, andererseits aber für jeder- mann frei erhältlich sein soll. PdÄ

Jahresaktion von „Brot für die Welt"

„Bebauen und Bewahren" lau- tet das Motto der 28. Aktion

„Brot für die Welt", die von den evangelischen Kirchen veranstaltet wird. Erinnert wer- den soll an die bedrohten Le- bensgrundlagen in Natur und Umwelt, eine der Hauptursa- chen für den Hunger in vielen Teilen der Welt. Wie man bei- spielsweise in der afrikani- schen Sahelzone durch An- pflanzen von rasch wachsen- den Eukalyptusbäumchen (un- ser Bild rechts) das Vordrin- gen der Wüste zu stoppen ver- sucht, wächst auch in anderen Regionen der Dritten Welt das Bewußtsein für die lebensbe- drohenden ökologischen Zu- sammenhänge. Die Sammel- aktion „Brot für die Welt" un- terstützt in Afrika, Asien und

Lateinamerika viele Projekte im Kampf gegen Hunger und Armut Das Spendenkonto lautet: „Brot für die Welt": 500 500 500, be .

allen Banken, Sparkassen, Volksbanken und beim Postscheck- amt Köln. Foto: Brot für die Welt/Gartung

3524 (20) Heft 50 vom 10. Dezember 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(11)

Aus Bund und Ländern

Sozialberatung im Krankenhaus intensivieren

MAINZ. Ihr 60jähriges Be- stehen feiert in diesem Jahr die Deutsche Vereinigung für den Sozialdienst im Krankenhaus e. V. Die ge- meinnützige Vereinigung will den Ausbau des Sozial- dienstes im Krankenhaus fördern. Sie empfiehlt für diesen Dienst einen Sozial- arbeiter je 200 Planbetten. Der Sozialdienst im Kran- kenhaus hilft Patienten, die im Zusammenhang mit ih- rer Erkrankung persön- liche oder soziale Proble- me haben. Staatlich aner- kannte Sozialarbeiter/So- zialpädagogen, die der Schweigepflicht unterlie- gen, beraten in sozialen und sozialrechtlichen Fra- gen, sofern sie mit dem Krankenhausaufenthalt zu- sammenhängen. Ziel ist, dem Patienten den Zugang zu Sozialleistungen, insbe- sondere der Nachsorge und Rehabilitation zu er- leichtern.

Kontaktadresse: Deutsche Vereinigung für den Sozial- dienst im Krankenhaus

e. V., Langenbeckstraße 1,

6500 Mainz (Universitätskli- nikum}, Telefon: 0 61 31/ 22 42 22 oder 17 71 29. EB

AIDS-Aufklärung im Kino

BERLIN. Aufklärungsspots zum Thema AIDS, die von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales produziert wurden, werden in Berliner Kinos gezeigt.

Gesundheitssenator Ulf Fink erklärte zu dieser neu- en Form der AIDS-Aufklä- rung: Da fast 70 Prozent der Kinobesucher jünger als dreißig Jahre seien, wolle man auf diesem We- ge die jugendlichen Ziel- gruppen ansprechen. LPD

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Alternative Methoden in der Fortbildung

KÖLN. Der Deutsche Senat für ärztliche Fortbildung

nimmt zu dem in der Öffentlichkeit erhobenen Vor- wurf Stellung, die große Zahl sogenannter alternati- ver Heilmethoden werde in der Fortbildung der Ärz- te nicht berücksichtigt.

.,.. Grundlage der ärztlichen Fortbildung ist die wis- senschaftliche Heilkunde. Nach den hierfür gelten- den Normen muß eine jede diagnostische und the- rapeutische Methode den Nachweis der Richtigkeit beziehungsweise Wirksamkeit erbringen, bevor sie anerkannt und in der Fortbildung berücksichtigt werden kann.

.,.. Zum Schutz der Bevölkerung vor Fehlbehand- lung, Täuschung und Schädigung ist diese Siche- rung zwingend erforderlich. PdÄ

Klinik Golzheim wird ausgebaut

DÜSSELDORF. Der Umbau der Paracelsus-Kiinik Geiz- heim hat begonnen. Nach langwierigen Auseinander- setzungen zwischen Lan- des- und Kommunalpoliti- kern und unter Einschal- tung einer "Bürgerinitiati-

ve" hat das Land 15 Millio-

nen DM für den Umbau be- willigt.

Am 14. November wurde nach eineinhalbjähriger Planungsphase der Grund- stein gelegt. Die Klinik Golzheim, erbaut im Jahr 1926, war 1976 von der (pri- vaten) Paracelsus-Kiiniken- gruppe des Osnabrücker Radiologen Dr. Hartmut Krukemeyer erworben wor- den (heute besitzt die Gruppe 47 Kliniken im ln- und Ausland).

Im Zuge des Neubaus wer- den die 150 Planbetten auf 120 zurückgenommen. Die Golzheimer Klinik wird ab Ende 1988 nur noch als rei- nes Urelogisches Fach- krankenhaus mit Intensiv-

medizin und Konsiliarärz-

ten aus dem internisti- schen Bereich betreut.

Neuer Ärztlicher Leiter der

Klinik Golzheim ist jetzt Dr.

Reiner Wienhöwer (49}, seit 1972 Oberarzt an der Kli- nik. Er wurde Nachfolger des in den Ruhestand ge- tretenen Professor Dr. Diet- mar Zoedler (65). HC Ausland

Gesundheitswesen braucht eigenes Regierungsressort

WIEN. Im Hinblick auf die Parlamentswahl hat sich der Präsident der Österrei- chischen Ärztekammer, Primarius Dr. Michael Neu- mann, dafür eingesetzt, auch in der neuen Legisla- turperiode ein eigenes Mi- nisterium für den Gesund- heitsbereich beizubehal- ten. Angesichts der vielen in Österreich ungelösten

gesund heilspolitischen Probleme würde die Ab- schaffung des Gesund- heitsministeriums einen klaren gesundheitspoliti- schen Rückschritt bedeu- ten. Dr. Neumann forderte, im Gegenteil die Kompe- tenzen des Gesundheits- ressorts zu erweitern, in- dem zum Beispiel die Zu- ständigkeit für die Kran- kenkassen, die bisher beim

NACHRICHTEN

Sozialministerium lag, ebenfalls dem Gesund- heitsministerium übertra-

gen wird. apm

Psychiatrie:

Reform der Reform

ROM. Der Gesundheitsaus-

schuß der italienischen Ab- geordnetenkammer hat et- was Erstaunliches gelei- stet: ln einjährigen Bera- tungen hat er aus dreizehn Entwürfen einen neuen Ge- setzestext gemacht, mit dem die schlimmsten Aus- wirkungen der Psychiatrie- Reform von 1978 gemildert werden könnten. Insbeson- dere darf es wieder psych-

iatrische Krankenhäuser

geben - 1978 waren sie verboten und durch Mini- Stationen in den allgemei- nen Krankenhäusern er- setzt worden.

ln den 19 Regionen Italiens sollen jetzt im Rahmen des staatlichen Gesundheits- dienstes "Departements für geistige Gesundheit"

eingerichtet werden, denen

die psychiatrische und so-

zialpsychologische Versor- gung der Bevölkerung ob- liegt. Dazu gehört unter an- derem die stationäre Be- handlung. Die Bettenzahl bleibt allerdings begrenzt, sie darf ein Bett pro zehn- tausend Einwohner nicht überschreiten. Die Depar- tements müssen auch, was es in vielen Teilen Italiens zur Zeit nicht gibt, einen 24-Stunden-Dienst sicher- stellen.

Auch bei der Zwangsbe- handlung, für deren Anord- nung nach wie vor die Bür- germeister auf ärztlichen Antrag zuständig bleiben, ist die bisherige zeitliche Begrenzung gefallen. Ein- bezogen werden können in die Versorgung auch die Universitäten. Wie viel von

diesem Entwurf nun in den

Pienardebalten im Abge- ordnetenhaus und im Se- nat übrig bleiben wird, bleibt abzuwarten. bt Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 50 vom 10. Dezember 1986 (23) 3525

Referenzen

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