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Archiv "SPD-Vorstand stellt die Weichen zu radikaler Strukturveränderung" (11.07.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

SPD-Vorstand stellt die Weichen zu radikaler Strukturveränderung

Programmentwurf zur Gesundheitspolitik für den Nürnberger Parteitag im August

"Das Gesundheitswesen erneuern

"

- das ist der Leitsatz Nr. 5 im Kapitel 111 des sozialpolitischen Programmentwurfs für den Nürnberger Parteitag der SPD vom 25

.

bis zum 29. August

1986;

Kapitelüberschrift:

"

Für strukturverändernde Reformen:

Umbau statt Abbau

"

. Was im Frühjahr von einer kleinen Ar- beitsgruppe der Partei als Entwurf vorgelegt worden war (da- zu DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

11/1986),

hat sich der SPD- Bundesvo

rstand am 16.

Juni im großen und ganzen zu eigen gemacht

;

in einem Beschlußantrag fordert er nun seinerseits den SPD-Parteitag auf

, sich diese Konzeption zu eigen zu ma-

chen

, die- wären ihre Initiatoren je in der Lage, sie zu verwirk-

lichen - das gesamte bestehende soziale Sicherungssystem in der Bundesrepublik Deutschland radikal verändern würde

.

D

er "vorstandsoffizielle" Pro- grammentwurf der SPD für die Sozial- und Gesund- heitspolitikhat eine stark propa- gandistische Komponente, denn er soll auf dem Parteitag vor der Bundestagswahl zwar diskutiert, aber keineswegs endgültig be- schl.ossen werden. Dies ist dem Parteitag 1988 unter Auswertung der Diskussionsergebnisse von 1986 vorbehalten. Doch darf schon heute aus dem vorliegen- den Text auf die gesundheitspo- litischen Zielsetzungen einer SPD-geführten Bundesregie- rung geschlossen werden, die sich- käme es 1987 dazu- zwei- fellos an den vom Nürnberger Parteitag Ende August 1986

zu

erwartenden Programmbe- schlüssen orientieren würde.

Entkleidet man die viereinhalb dem Gesundheitswesen gewid- meten Schreibmaschinenseiten der klingenden programmati- schen Hülsen (Beispiele: "Gera- de im Gesundheitswesen sind Reformen unabweisbar" - "Das Gesundheitswesen ist zu erneu-

ern" - "Die Vorsorge ausbauen"

- ,,Wir Sozialdemokraten sind

für eine Gesundheitspolitik, die die Krankheitsursachen be- kämpft"), so schälen sich als Kerne des sozialdemokratischen Programms heraus:

C> Die Erhaltung des Sachlei-

stungsprinzips,

C> die Ablehnung jeder über die

Beitragszahlung hinausgehen-

den Selbstbeteiligung der Versi- cherten an den Krankheitsko- sten,

C> die Einführung von "Lei-

stungskomplexen", an denen sich das Vergütungssystem der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung zu

orientieren habe,

C> direkte Vertragsbeziehungen

zwischen Krankenkassen und pharmazeutischer Industrie,

C> wie überhaupt das Gesund-

heitswesen einer umfassenden Bedarfs- und Leistungsplanung unterworfen werden soll, die der Krankenversicherung das Recht verleihen soll, so wörtlich,

~ "mit den Erbringern von Ge-

sundheitsleistungen durch Ver- träge die Bereitstellung des ent- sprechenden Versorgungsange- bots zu regeln".

Und weiter:

~ "Auf der Grundlage ihrer Be-

darfsplanung reserviert sich die Krankenversicherung aus dem Gesamtangebot an Gesund- heitsleistungen in Zusammenar- beit mit den jeweiligen Lei- stungserbringern denjenigen Teil, den sie benötigt, um ihre Mitglieder qualitativ hochste- ~ hend und wirtschaftlich zu ver- sorgen."

Ausgabe A 80. Jahrgang Heft 28/29 vom 11. Juli 1986 (13) 1997

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

SPD-Programmentwurf

Das ist ein Kernsatz des ganzen Gesundheitsprogramms, das un- ter dem Motto stehen könnte:

"Alle Macht den Kassen". Damit

sollen aber nicht bloß klassen- kämpferische Motive unterstellt sein; schließlich lehnt sich die SPD auch an den jüngsten Vor- schlag des "Sachverständigen- rates zur Begutachtung der ge- samtwirtschaftlichen Entwick-

lung" an, nach dem die Kranken-

kassen nur mit jenen Ärzten und· Zahnärzten Verträge abschlie- ßen sollen, die bereit sind, die angebotenen Preise zu schluk- ken.

Rückschritt ins

Wilhelminische Reich?

Das wäre ein Rückschritt in die

"Steinzeit" der deutschen sozia-

len Krankenversicherung. Nur aus Vaters und Großvaters Er- zählungen mag manchem heuti- gen Arzt in Erinnerung sein, wie die Vor-Generationen heutiger Kassenärzte - buchstäblich mit dem Zylinder in der Hand - bei den Kassen antichambrieren mußten, um zu deren Bedingun- gen einen Einzelvertrag für die Behandlung der Kassenversi- cherten zu erhalten (Wir werden diese Zeiten noch bis zum Parteitag aus den Vorgänger-Or- ganen des Deutschen Ärzteblat- tes illustrieren).

Letztlich würde das SPD-Pro- gramm nicht nur die Aufhebung des gesetzlichen Auftrages an

·die Kassenärztlichen Vereini- gungen bedeuten, die ambulan- te ärztliche Versorgung sicher- zustellen, sondern auch die Auf- lösung der derzeitigen kassen- ärztlichen Selbstverwaltung.

Versteht sich, daß dasselbe auch für die Zahnärzte gälte, "die von den Krankenkassen vertraglich zur Versorgung der Versicherten verpflichtet werden". Honorare und Preise müßten grundsätz- lich gemeinsam von allen Kran- kenkassen mit den jeweiligen Leistungserbringern, auch mit

den "Pharmaanbietern", ausge-

handelt werden. Versteht sich, daß dabei "die Stellung der Krankenversicherung als Ver- handlungs- und Vertragspartner zu stärken" ist.

~Auffällig zurückhaltend äu- ßert sich der Entwurf zum Kran- kenhauswesen; es sollen "ent- sprechende Regelungen" auch für den Krankenhausbereich vorgesehen werden, "um den Krankenkassen, die ihn zu fi- nanzieren haben, auch hier ein Mitbestimmungsrecht zu si- chern ... "

Daß ansonsten viel von "staat- licher Orientierung", von "mit- telfristig ausgerichteten Gesund- heitsberichten", von der Gleich- stellung von Arbeitern und An- gestellten, von der Vereinheitli- chung der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessu ngsg ren- zen mit der Renten- und Arbeits- losenversicherung, auch von

Struktur-Losungen

Für die avisierte Strukturreform in der Krankenversicherung hat Anke Fuchs, MdB, stellvertre- tende Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion, in einem Streitgespräch über Gesund- heitspolitikein ganzes Maßnah- menbündel offeriert, wie es sich gefälliger jetzt auch im of- fiziellen SPD-Vorstandsantrag liest: Im Gleichklang mit den Forderungen der Ortskranken- kassen plädiert die Sozialex- pertin der SPD für eine "struk- turierte Budgetierung" sämt- licher Ausgabenkategorien der gesetzlichen Krankenversiche- rung. Darüber hinaus seien al- lein schon wegen des 200-Mil- liarden-DM-Volumens der

"Funktion Gesundheit" {politi-

sche) Zielvorgaben notwendig.

Wegen fehlender Zielvorgaben gäbe es bislang keine finanziel- le Orientierung; Interventionen

1998 (14) Heft 28/29 vom 11. J u I i 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

"institutioneller Verzahnung"

der Versorgungsbereiche die Rede ist, verwundert nicht mehr.

Wie man bei alledem program- matisch noch erwarten kann, da- bei dürfe "kein geschlossenes, statisches System" entstehen, bleibt ebenso unverständlich wie der apodiktische Satz: "Der Zugang der medizinisch-wissen- schaftlichen Innovation und der jüngeren Ärzte zur kassenärzt- lichen Versorgung muß gesi- chert bleiben."

So viel blinden politischen Glau- ben werden auch die jüngeren Ärzte nicht aufbringen, wenn künftig die Krankenkassen nach dem SPD-Programm eine "um-

fassende Bedarfs- und Lei- stungsplanung erstellen" dürf- ten und innerhalb dieser totalen Kassen-Planwirtschaft "Lei- stungsberechtigungsverträge'' nur mit jenen abschließen könn- ten, die sie selbst für erforderlich

halten... DÄ

und Kostenexplosionen seien so vorprogrammiert.

Die SPD-Sprecherin empfiehlt eine institutionalisierte Ge-

sund heitsberichterstattu ng durch die Regierung. Das Par- lament soll auf dieser Grundla- ge seine gesundheitspoliti- schen Ziele formulieren. Die politischen Zielvorgaben müß- ten mit den finanziellen Voraus- setzungen, Ressourcen und Konsequenzen verglichen wer- den. Allein daran müßten sich die im Gesundheitswesen täti- gen Gruppen orientieren. Auch der medizinische Fortschritt müsse mit dem gegebenen Vo- lumen finanzierbar bleiben. Der zentralen Orientierung müsse die regionale Strukturierung bis hinunter in die Kassenbezir- ke folgen (SPD-Stichwort "So- zialgemeinde"). EB

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