• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Aspekte zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Calciumantagonisten und Betarezeptorenblockern" (27.04.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Aspekte zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Calciumantagonisten und Betarezeptorenblockern" (27.04.1984)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Aspekte zur Therapie

von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Calciumantagonisten

und Betarezeptorenblockern

Wolfgang Schneider, Wulf-Dirk Bussmann und Martin Kaltenbach Aus dem Zentrum der Inneren Medizin, Abteilung für Kardiologie (Leiter: Professor Dr. med. Martin Kaltenbach),

im Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt

D

ie koronare Herzkrankheit (KHK) ist mit ihren verschie- denen Manifestationsfor- men, ihrer unterschiedlichen Pro- gnose und den heutigen Therapie- möglichkeiten, auch oder gerade in der Praxis, eines der wichtigsten ärztlichen Anliegen. Nitrate? Calci- umantagonisten? Betablocker?

Prazosin? Welche Präparate wer- den am besten gewählt, vor allem auch in Kombination? Mit Schwer- punkten auf den Wirkungen der Calciumantagonisten haben Krä- mer und Kübler/Heidelberg in Heft 29/1983 schon eine ausführliche Darstellung gegeben. Das Problem wurde unter anderen Aspekten auch im Rahmen der Arteriosklero- se-Serie von Lichtlen/Hannover in den Heften 34/1983 und 35/1983 be- handelt. Die mit diesem Beitrag vorgelegte Darstellung der Frank- furter Gruppe um Professor Kal- tenbach bringt in unserer Sicht nochmals klare Zusammenfassun- gen und Dosierungsempfehlun- gen, besonders auch unter Berück- sichtigung etwaiger unerwünsch- ter Wirkungen. Wir schließen mit dem vorliegenden Beitrag die Diskussion über Calciumantago- nisten und Betablocker bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor- läufig ab. Rudolf Gross

Calciumantagonisten und Be- tarezeptorenblocker stellen wichtige Medikamente für die Therapie kardiovaskulärer Er- krankungen dar, vor allem für die stabile, belastungsindu- zierbare Angina pectoris und die arterielle Hypertonie.

Beim Vorliegen vasospasti- scher Prozesse sollte jedoch auf Betablocker zugunsten anderer Pharmaka verzichtet werden, ebenso bei instabiler Angina. Bei suffizienter Myo- kardfunktion stellt die Korn- binationstherapie kein kli- nisch relevantes Problem dar.

1. Einleitung

Die seit nunmehr über 20 Jahren für die therapeutische Anwen- dung zur Verfügung stehenden Betarezeptorenblocker sowie die in den letzten Jahren eingeführ- ten Calciumantagonisten stellen wirksame Medikamente für den kardiovaskulären und angiologi- schen Bereich dar. Koronare Herzkrankheit (KHK) und arteriel- le Hypertonie sind die klinisch wichtigsten Anwendungsgebiete.

Bei beiden Krankheitsgruppen

reicht eine Monotherapie häufig nicht aus, und so stellt sich in der Praxis oft die Frage nach einer Kombinationsbehandlung.

Eine kurze Betrachtung der Wirk- mechanismen der beiden Sub- stanzgruppen sollte der Beurtei- lung einer Kombinationstherapie vorausgehen.

2. Betarezeptorenblocker Die Wirkung der Betarezeptoren- blocker (Tabelle 1) bei der koro- naren Herzkrankheit beruht auf einer Verminderung des myokar- dialen Sauerstoffbedarfes über ei- ne Reduktion der Herzfrequenz, des systolischen Blutdruckes in Ruhe und unter Belastung sowie der Kontraktilität des Herzmus- kels (6, 30, 38)*). Dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer adren- ergen Eigenwirkung der Betare- zeptorenblocker (intrinsische sympathomimetische Aktivität — ISA) kommt, insbesondere bei der Kombinationstherapie, eine, wenn auch untergeordnete, klini- sche Bedeutung zu. Eine ISA wei-

") Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

(2)

Relative Kardio- selektivität

Intrinsische

sympathomimetische Wirkung (ISA)

Gebräuchliche orale Dosen (mg)

Handelsname Freiname

Acebutolol Alprenolol Atenolol Bunitrolol Bupranolol Carazolol Metipranolol Metoprolol Oxprenolol Penbutolol Pindolol Propranolol Sotalol Timolol Toliprolol

Prent®/Neptal®

Aptin®

Tenormin®

Stresson®

Betadrenol®

Conducton®

Disorat®

Beloc®/Lopressor®

Trasicor®

Betapressin®

Visken®

Dociton®

Sotalex®

Temserin®

Doberol®/Synorytmal®

2x 200-400 4x 50-100 1-2x50 3x10-20 4x20-50 3x5-10 2-3x10-20 2x50-100 2-3x 40-80 2x10-20 2-3 x 5-10 3-4 x 10-40-80 1-2x80-240 1x5-50 3x25-100

0 +

+

0

0 0

0 0

0 0

0

0 ++

0

0 +++

0 0

0 0

0--+

0 0 Herz-Kreislauf-Erkrankungen

sen z. B. die Verbindungen Alpre- nolol (Aptine), Acebutolol (Prent®) und Pindolol (Visken®) auf. Der unspezifischen Membranwirkung (lokalanästhetische Wirkungs- komponente) der Betarezepto- renblocker scheint dagegen im therapeutischen Dosierungsbe- reich keine große Bedeutung zu- zukommen.

Die relative Kardioselektivität ein- zelner Substanzen, beispielswei- se Metoprolol (Beloc®, Lopre- sor®), Atenolol (Tenormin®), Ace- butolol (Prent®), ist kein absolutes qualitatives Merkmal. So treten auch bei den sogenannten 6-1-se- lektiven Blockern im höheren Do- sisbereich Effekte einer 13-2-Blok- kade auf (22). Im vaskulären Be- reich erhöhen die Betarezepto- renblocker den Tonus der glatten Muskulatur. z. B. in den Arteriolen der Skelettmuskulatur und in der Lungenstrombahn. Am gesunden Koronargefäßsystem ist unter Ru- hebedingungen nicht mit einer nennenswerten Änderung des Ge- fäßwiderstandes nach Gabe von Betablockern zu rechnen. Unter Belastungsbedingungen kann je- doch eine Zunahme des Gefäßwi-

derstandes verzeichnet werden (22) (Tabelle 2). Die Betarezepto- renblocker — am besten unter- sucht ist hier Propranolol (Doci- ton®) —sind bei der stabilen, bela- stungsinduzierten Angina pecto-

ris gut wirksam (1, 14, 36).

Die Anwendbarkeit dieser Sub- stanzen bei der Angina pectoris ist jedoch limitiert: einerseits we- gen möglicher nachteiliger Wir- kungen beim Vorliegen koronar- spastischer Prozesse, wobei eine weitere Verstärkung der Vasokon- striktion auftreten kann; in diesem Zusammenhang sei darauf hinge- wiesen, daß vasospastische Vor- gänge auch bei Patienten mit typi- scher Belastungsangina und nachgewiesenen koronarskle- rotischen Veränderungen auftre- ten und eine im Einzelfall mehr oder weniger wichtige Rolle spie- len (11, 24). Im weiteren müssen die für die Betablockertherapie bekannten Kontraindikationen be- rücksichtigt werden: manifeste Herzinsuffizienz, sinuatriale und atrioventrikuläre Blockierungen 2.

und 3. Grades sowie Asthma bron- chiale bzw. schwere Bronchialob- struktion.

3. Calciumantagonisten

In den zellulären Funktionsabläu- fen spielen die Calciumionen an mehreren Stellen eine wichtige Rolle (4). Im elektrophysiologi- schen Funktionsablauf einer de- polarisierten Zelle kommt es im Anschluß an den schnellen Natri- umeinstrom zu einem Einstrom von Calciumionen durch sog.

langsame Kanäle. Diese werden gegenwärtig in potentialabhängi- ge Kanäle, die durch die Mem- brandepolarisierung aktiviert wer- den, und in rezeptorabhängige Kanäle eingeteilt. Das in die Zelle eindringende Calcium aktiviert nun seinerseits die Freisetzung des intrazellulär gebundenen Cal- ciums aus den Speichern des sarkoplasmatischen Retikulums, wodurch es zu einer Bindung von Ca' an ein Ca"- Rezeptorprotein (Calmodulin) kommt. Calmodulin aktiviert die Myosin-Leichtkettenkinase, ein Enzym, das die Phosphorylierung von Myosin katalysiert, wodurch dann die Interaktion zwischen Ak- tin- und Myosinmolekülen und so- mit der Kontraktionsvorgang zu- stande kommt.

Tabelle 1: Eigenschaften der gebräuchlichen Betablocker

(3)

GRUPPE 1:

CH3O CH3O

Verapamil (Isoptin®)

0 NO2

o

- H 3

H3C \0 CH30 CH 3O

CN CH3

N OCH 3

OCH3 OCH3

Gallopamil (Procarum®)

H3C N CH3 Nifedipin (Adalat®) CH3O

Diltiazem (Dilzem®)

Fendilin (Sensit®)

Prenylamin (Segontin®) CN CH

3

OCH 3 OCH 3

OCOCH3 0

NN

(CH3 CH3

GRUPPE 11:

N H

Darstellung 1: Strukturformeln der Calciumantagonisten

Calciumantagonisten (Tabelle 3) können nun sowohl „vor" der Zel- le über die Calciumkanäle als auch in der Zelle selbst pharma- kologisch wirksam werden. Über die praktische Bedeutung der ver- schiedenen möglichen Angriffs- punkte herrscht noch keine end- gültige Klarheit. Am Herzen kommt es jedenfalls unter Calci- umantagonisten zu einer Verrin- gerung der Amplitude und der Dauer des Aktionspotentials und zu einer Hemmung der intrazellu-

lären Bereitstellung des Ions für den Kontraktionsprozeß.

Am Gefäßsystem einschließlich der Herzkranzgefäße bewirken die Calciumantagonisten über ei- ne relaxierende Wirkung auf die glatte Gefäßmuskulatur eine Va- sodilatation im venösen und arte- riellen Stromgebiet, wobei insbe- sondere auch Widerstandsgefäße dilatiert werden können.

Über die Einflußnahme auf den langsamen Calciumkanal werden auch für die elektrophysiologi- schen Funktionsabläufe so wichti- ge Strukturen wie Sinus- und AV- Knoten in ihrem Erregungsprozeß beeinflußt, während Areale, deren Erregung lediglich vom schnellen Natriumkanal abhängt (Myokard, His-Purkinje-System), praktisch nicht beeinflußt werden (33).

Die klinische Wirksamkeit der Cal- ciumantagonisten wird auf die fol- genden vier Mechanismen zu- rückgeführt (9, 13):

0

Reduktion des Sauerstoffbe- darfes des Herzens durch eine myokardial-zelluläre Wirkung.

© Indirekte Senkung des Sauer- stoffbedarfes des Myokards durch eine Senkung der äußeren Herz- arbeit (Abnahme der Nachlast durch Senkung des arteriellen Blutdruckes).

® Verbesserung des Sauerstoff- angebotes an das Herz durch Dila- tation epikardialer Kranzarterien, präexistenter Kollateralen und Anastomosen.

(4)

Tonus der glatten Muskulatur I Gefäße

Bronchialsystem Uterus

Betai -Rezeptor Wirkung

Agonist Antagonist

I Frequenz

I

Kontraktionskraft

Leistungsgeschwindigkeit Betat-Rezeptor

Herz

}

1.

Verapamil Isoptin® 5 i. v.

Verapamil Isoptin® 320 oral Nifedipin Adalat® 20 buccal Nifedipin Adalat® 1 i. v.

Perhexilin-

maleat Pexid® 200 oral

Perhexilin-

maleat Pexid® 400 oral

Fendilin Sensit® 50 oral 0

Fendilin Sensit® 300 oral 0

50 oral Procorum®

Gallopamil

Handels- name

Applika- tionsform

Anti- anginöse Wirkung Generic

name

Dosis (mg)

Prenylamin Segontin® 240 oral 0

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Tabelle 2: Beta,- und Beta 2-Rezeptoren an verschiedenen Strukturen, modifiziert nach Erdmann (8)

Tabelle 3: Antianginöse Wirksamkeit verschiedener Calciumantagonisten, beurteilt aufgrund der Beeinflussung der belastungsinduzierten ST-Senkung im Doppelblind- versuch. Bei den ersten Substanzen erfolgte die Prüfung im Akutversuch, d. h. nach einmaliger Gabe des Medikaments. Bei den letzten beiden Substanzen erfolgte die Prüfung nach Dauertherapie über 2 Wochen und nach zusätzlicher Gabe des Medi- kaments 1 bis 2 Stunden vor der Belastungsuntersuchung

® Verbesserung der Ischämieto- leranz.

Bei einer Beurteilung der derzeit auf dem Markt erhältlichen Calci- umantagonisten ist zu berück- sichtigen, daß eine in vitro nach- gewiesene Wirkung nicht unbe- dingt auch eine klinisch-therapeu- tische Wertigkeit belegt. Vom praktischen Standpunkt lassen sich unseres Erachtens zwei Gruppen von Calciumantagoni- sten definieren (9, 13), Abb. 1:

Gruppe 1: Gute klinische Wirk- samkeit**):

1.1 Verapamil (Isoptin®; Cardibel- tin®), welches wegen seiner nega- tiv dromotropen Wirkqualitäten auch bei Rhythmusstörungen, vor allem im supraventrikulären und atrioventrikulären Bereich, einge- setzt werden kann. Die Herzfre- quenz wird dagegen bei intakter Sinusknotenfunktion in der Regel nicht gesenkt, während bei Vorlie- gen einer Sinusknotendysfunk- tion erhebliche Bradykardien bis zur Asystolie auftreten können.

1.2 Gallopamil (D 600; Proco- rum®), welches in seiner Molekül- struktur dem Verapamil nahe ver- wandt ist und auch über negativ dromotrope Eigenschaften ver- fügt und wahrscheinlich stärker als dieses wirksam ist.

1.3 Nifedipin (Adalat®), welches keine negativ dromotropen Eigen- schaften besitzt.

1.4 Diltiazem (Dilzem®). Diese Substanz ist als schwächer wirk- sam einzustufen als die drei vor- genannten Verbindungen. Nega- tiv dromotrope Eigenschaften sind nicht vorhanden.

Gruppe 2: Trotz hoher Dosis ist oft keine ausreichende antianginöse Wirksamkeit erreichbar, bzw. eine Höherdosierung ist wegen uner- wünschter Nebenwirkungen nicht möglich:

") gemeint ist hier in erster Linie die antiangi- nöse Wirkung

(5)

2.1 Perhexilin (Pexid®), welches über negativ dromotrope Wirk- qualitäten verfügt (35).

2.2 Fendilin (Sensit®) (13).

2.3 Prenylamin (Segontin®) (13).

4. Praktische Richtlinien 4.1 Angina pectoris — stabile Angi- na pectoris mit und ohne vasospa- stische Komponente

Bei Patienten, die eine bela- stungsinduzierbare Angina pecto- ris mit stabiler Symptomatik auf- weisen, wird heute in der Regel ein Nitratester zur Anfallskupie-

rung oder zur Langzeitanwen- dung das Pharmakon der ersten Wahl darstellen. Die Nitrate kön- nen sinnvollerweise mit Calci- umantagonisten, am günstigsten vom Verapamiltyp mit negativ dro- motroper Wirkqualität, jedoch auch mit einem Betarezeptoren- blocker kombiniert werden. Die Daueranwendung der genannten Calciumantagonisten setzt die vorherige Durchführung eines Te- stes (z. B. 160 mg Verapamil oder 50 mg Gallopamil oral und EKG- Kontrolle 90 Minuten nach Ein- nahme) voraus. So können Patien- ten, die unter diesen Medikamen- ten zu höhergradigen Leitungs- störungen (2. und 3. Grades) nei- gen, ausgeschlossen werden.

Bei der kleinen Patientengruppe, die Nitrate nicht verträgt, stellt sich die Frage einer primären Therapie mit Calciumantagoni- sten und/oder Betarezeptoren- blockern. Wird Nifedipin allein an- gewandt, so kommt es nicht sel- ten zu einer unökonomischen Re- flextachykardie aufgrund der aus- geprägten peripheren (arteriolä- ren) Vasodilatation (27). Hier kann die Kombination mit einem Beta- blocker, der den reflektorischen Frequenzanstieg antagonisiert, als sinnvoll erachtet werden. So fand sich in einer klinischen Stu- die bei Patienten mit schwerer An- gina pectoris unter kombinierter Therapie mit 240 bis 480 mg Pro-

pranolol (Dociton®) und 30 bis 60 mg Nifedipin (Adalat®) pro Tag ei- ne signifikant stärkere Abnahme der Zahl der Angina-pecto- ris-Anfälle, des zusätzlichen Ver- brauchs an Nitroglycerin sowie der Ischämiereaktion im Bela- stungs-EKG (ST-Streckensen- kung) als unter alleiniger Therapie mit jeder der Einzelsubstanzen (16, 23). Bedeutsame Nebenwir- kungen wurden dabei nicht gese- hen. In einer weiteren kontrollier- ten Studie mit einem vergleichba- ren Patientenkollektiv (ausge- schlossen waren Personen mit er- heblicher Bradykardie, Überlei- tungsstörungen und deutlicher linksventrikulärer Funktionsstö- rung), kam es bei Einnahme von 480 mg Verapamil und 160 bis 320 mg Propranolol pro Tag ebenfalls zu einer stärkeren Verlängerung der ergometrischen Belastungs- zeit, verglichen mit der jeweiligen Monotherapie (21). In der Regel wird aber derzeit die Kombination von Calciumantagonisten mit ne- gativ dromotropen Eigenschaften und Betablockern nur selten an- gewandt.

Zusammenfassend nehmen in der Kombinationsbehandlung der An- gina pectoris heute die Nitrate und bestimmte CalciuMantagoni- sten eine führende Stellung ein.

Bei der primären oder sekundä- ren Gabe von Betablockern ist zu bedenken, daß möglicherweise eine auf diese Substanzen un- günstig ansprechende vaso- spastische Komponente vorliegt.

4.2 Instabile Angina pectoris Die instabile Angina pectoris ist definiert durch eine innerhalb we- niger Wochen neu aufgetretene Angina pectoris oder eine ur- sprünglich stabile Angina, bei der die Intensität oder die Häufigkeit der Anfälle oder beides zugenom- men haben (progressive oder Crescendoangina), bzw. eine An- gina, die nachts oder im Liegen (Angina decubitus) auftritt. Offen- sichtlich kommt dem Koronar- spasmus bei dem klinischen Bild

der instabilen Angina pectoris ei- ne größere Bedeutung zu, als frü- her geglaubt wurde. Da die dem Spasmus zugrunde liegende überwiegende Alpha-Stimulation durch Betarezeptorenblocker noch verstärkt werden kann, soll- ten diese Medikamente eher ver- mieden werden, da eine weitere Verstärkung der Vasokonstriktion auftreten kann.

Die hochdosierte (häufig intrave- nöse) Nitrattherapie, meist in Kombination mit Calciumantago- nisten, in Verbindung mit einer Antikoagulation (Heparin) stellt bei den meisten Patienten die konservative Therapie der Wahl dar. Bei einer kleinen Gruppe von Kranken mag die zusätzliche niedrig dosierte Betablockergabe einen Zugewinn an therapeuti- scher Effizienz bringen. Dies wird man im Einzelfall vorsichtig erpro- ben müssen; grundsätzlich sollte jedoch diese Betablockergabe nicht ohne vorherige Verabrei- chung von antispastischen Phar- maka erfolgen.

4.3 Variant-Angina

Patienten, die an einer Variant-An- gina (Prinzmetal-Angina) leiden, haben ihre Anfälle vorzugsweise aus Ruhe heraus oder nachts. Ei- ne Abhängigkeit von Parametern, die für den myokardialen Sauer- stoffbedarf verantwortlich sind (Blutdruck, Herzfrequenz, Kon- traktilität), besteht nicht (32). Als ursächlich verantwortlich sieht man einen Koronarspasmus an.

Die spastischen Vorgänge spielen sich dabei sowohl an angiogra- phisch unauffälligen, häufiger je- doch an mäßig bis stärker athero- matös veränderten Gefäßen ab.

Medikamentös sollten beim Vor- liegen solcher spastischer Vor- gänge in erster Linie Calciumant- agonisten angewandt werden (15, 28, 34, 39). Selbstverständlich können auch Nitrate mit ihrer dila- tierenden Wirkung auf die epikar- dialen Kranzarterien sinnvoll ein- gesetzt werden. Da Betablocker

(6)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

über ein Überwiegen der alpha- adrenergen Stimulation die Quer- schnittsfläche einer organischen Stenose beim Vorliegen spasti- scher Vorgänge erheblich redu- zieren und bei exzentrischen Ste- nosen zu einer kritischen Tonus- vermehrung des normalen Gefäß- stückes allein führen können, soll- ten diese Substanzen hier nicht angewendet werden. Diese Beur- teilung bezieht sich auch auf die Kombinationstherapie (5).

4.4 Hypertonie

Während die arterielle Hypertonie schon seit langem ein klassisches Anwendungsgebiet für die Beta- rezeptorenblocker darstellt, ist der therapeutische Wert der Cal- ciumantagonisten für diesen Be- reich erst in den letzten Jahren zunehmend erkannt worden. Die Calciumkonzentration in Serum und Gefäßwand ist für den Tonus der glatten Muskulatur von großer Bedeutung, und Zusammenhänge zwischen Hyperkalzämie, Höhe des Blutdruckes und endogener Katecholaminsekretion sind nach- weisbar (3, 19, 31). Die drucksen- kende Wirkung der Calciumant- agonisten, die sich im großen und kleinen Kreislauf nachweisen läßt, erklärt sich über die Tonusvermin- derung im Bereich der arteriellen Widerstandsgefäße (12). Die anti- hypertensive Wirkung der Calci- umantagonisten hängt dabei vom Ausgangsblutdruck ab. So ist die Drucksenkung bei hohen Aus- gangswerten wesentlich ausge- prägter als bei niedrigen Werten, und bei normotensiven Menschen ist oft überhaupt nicht mit einer Druckabnahme zu rechnen (2, 31).

Interessante Aspekte bei der Ver- wendung von Calciumantagoni- sten, insbesondere im Hinblick auf eine antihypertensive Kombi- nationstherapie, bietet die Be- trachtung der hormonellen Situa- tion: so wird unter starken arterio- lären Vasodilatatoren (z. B. Nifedi- pin) ein deutlicher Anstieg der Plasmareninaktivität und der Ka- techolamine beschrieben (31). Al- dosteron wird unter Daueranwen-

dung nicht erhöht gefunden, und auch initial erhöhte Noradrenalin- spiegel normalisieren sich unter chronischer Therapie (26, 31).

Verapamil soll einen geringeren Anstieg der Plasmarenininaktivität bedingen, möglicherweise erklärt durch die ausbleibende Reflexta- chykardie (31). Patienten, die ein niedriges Ausgangsrenin aufwei- sen, sprechen offenbar besser auf Calciumantagonisten an als sol- che mit hohen Werten, die ihrer- seits bekanntermaßen gut auf Be- tarezeptorenblocker reagieren (7). Calciumantagonisten können nun bei der antihypertensiven Therapie , gut mit Betablockern

kombiniert werden. Einmal kann durch die Betablockade die un- ökonomische reflektorische Ge- genregulation mit Tachykardie und Vasokonstriktion gemildert werden, wie auch die damit in Zu- sammenhang stehende Aktivie- rung des Reninsystems deutlich gebremst wird (2).

In einer klinischen Studie bei Hy- pertonikern fand sich die Kombi- nationstherapie aus 160 bis 240 mg Propranolol pro Tag und 30 bis 90 mg Nifedipin pro Tag einer Monotherapie mit jeder der bei- den Einzelsubstanzen überlegen.

Das Absetzen jeder der beiden Komponenten führte dabei zu ei- nem Blutdruckwiederanstieg (40).

Den Calciumantagonisten kommt eine dosisbezogene antihyperten- sive Wirkung zu, wie am Beispiel des Nifedipin gut nachgewiesen werden konnte (2). Als Tagesdo- sen für die antihypertensive (Korn- binations-)Therapie werden 160 bis 360 (bis 480) mg Verapamil, 50 bis 100 mg Gallopamil oder 30 bis 90 mg Nifedipin empfohlen (25).

Über die Langzeitresultate bei der Therapie der Hypertonie mit Cal- ciumantagonisten gibt es bisher nur wenige Daten, die sich meist auf Kombinationstherapien mit Betablockern und Diuretika bezie- hen, so daß die isolierte Dauer- wirksamkeit von Calciumantago- nisten noch nicht als ausreichend gesichert angesehen werden kann (2, 10, 31). Insgesamt sollten

Calciumantagonisten wegen ihres sinnvollen Angriffes im Pathome- chanismus der Hypertonie, ihrer Nebenwirkungsarmmut und ihrer guten Kombinierbarkeit mit ande- ren Antihypertensiva frühzeitig, d. h. auf der ersten oder zweiten Stufe der antihypertensiven The- rapie, angewandt werden.

4.5 Herzinsuffizienz

Beim Vorliegen einer manifesten Herzinsuffizienz auf der Grundla- ge einer irreversiblen myokardia- len Funktionsstörung sollte eine Monotherapie mit Betablockern und ebenso eine Kombinations- therapie von Betablockern und Calciumantagonisten unterblei- ben. Nifedipin (Adalat®), der stärk- ste arterioläre Vasodilatator unter den Calciumantagonisten, zeigt einen kontraktilitätsmindernden Effekt in vivo nur nach intrakoro- narer Verabreichung bzw. nach Vorbehandlung mit einem Betare- zeptorenblocker bei vorgeschä- digtem Myokard. Bei einer Herzin- suffizienz auf ischämischer Grundlage kann Nifedipin durch eine Senkung der Nachlast sogar zu einer Verbesserung der links- ventrikulären Funktion führen (18). Diese günstigen Akuteffekte konnten allerdings bislang nicht für die chronische Behandlung mit 80 mg dieser Substanz pro Tag gesichert werden (18).

Bei suffizientem Myokard führt auch die Kombinationstherapie mit Calciumantagonisten und Be- tablockern in der Regel nicht zu einer hämodynamischen Ver- schlechterung: So fand sich bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit die nuklearmedizi- nisch bestimmte Auswurffraktion des linken Ventrikels (Radionu- klidventrikulographie) nach Vera- pamil (Isoptin®) nur leicht vermin- dert und nach Propranolol (Doci- ton®) nicht beeinflußt.

Die Kombinationstherapie mit bei- den Substanzen führte in Ruhe zu einer Abnahme der Auswurffrak- tion um 10 Prozent, während die-

(7)

ser Parameter unter Belastung gegenüber der unbehandelten Gruppe sogar gleichblieb (20). In anderen klinischen Studien fand sich nach Gabe von Verapamil (Isoptin®) bei propranolol (Doci- ton 8)-vorbehandelten Koronarpa- tienten die linksventrikuläre Funk- tion (Auswurffraktion bzw. Herz- zeitvolumen) entweder nur leicht vermindert (29), unverändert (17) oder sogar verbessert (37).

Schlußfolgerungen

0 Eine Kombination aus Calci- umantagonisten und Betablok- kern kann bei der Behandlung von Koronarpatienten mit stabiler Angina pectoris sinnvoll sein, wenn die Schwere der Symptoma- tik eine Kombinationsbehandlung erforderlich macht und Nitrate nicht vertragen werden. Es sollten dabei ein Calciumantagonist ohne negativ dromotrope Eigenschaf-

ten (z. B. Nifedipin) und eher ein Betablocker mit intrinsischer sym- pathomimetischer Eigenaktivität angewandt werden.

fp

Bei der vasospastischen Angi- na pectoris (Variant-Angina) sollte auf Betarezeptorenblocker — in der Regel auch in Kombination mit Calciumantagonisten, die das Medikament der Wahl darstellen — verzichtet werden. Einer Kombi- nationstherapie aus Nitraten und Calciumantagonisten ist eindeutig der Vorzug zu geben.

I)

Auch bei der instabilen Angina sollten in erster Linie Nitrate und Calciumantagonisten angewandt werden. Bei einer zusätzlichen Gabe von Betarezeptorenblok- kern im Einzelfall sollte an die mögliche Mitbeteiligung von Ko- ronarspasmen gedacht werden.

(3

Die Calciumantagonisten stel- len eine wertvolle Bereicherung

der antihypertensiven Therapie- möglichkeiten dar und sollten we- gen ihrer im Vergleich zu anderen Antihypertensiva geringeren Ne- benwirkungen frühzeitig berück- sichtigt werden. Eine Kombina- tion mit Betablockern stellt hier eine sinnvolle Therapie dar.

0 Bei ausreichender myokardia- ler kontraktiler Funktion bereitet die negativ-inotrope Wirkung von Calciumantagonisten und Beta- blockern bei oraler Darreichung in aller Regel keine Schwierig- keiten.

Literatur im Sonderdruck, zu be- ziehen bei den Verfassern.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Wolfgang Schneider Zentrum der Inneren Medizin am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7

6000 Frankfurt am Main 70

FÜR SIE GELESEN

Zollinger-Ellison- Syndrom: Operation oder Dauermedikation?

Ein Gastrinom mit bevorzugter Lokalisation im Pankreas ist in sel- tenen Fällen Ursache therapiere- sistenter peptischer Ulzera. Auf- grund ihrer Erfahrungen an 53 Pa- tienten mit einem Zollinger-Elli- son-Syndrom kommen die Auto- ren der Mayo-Klinik in Rochester, USA, zu dem Schluß, daß eine kurative operative Behandlung nur in wenigen Fällen möglich ist.

Bei 7 Patienten (16 Prozent) konn- te durch eine Resektion eines Tu- mors eine Heilung erzielt werden, wobei 5 der 7 Tumore in der Duo- denalwand lagen. Bei 16 von 18 Patienten konnte die Therapiere- sistenz der Ulzera durch hohe Do- sen von H 2-Blockern durchbro- chen werden. Unter einer Dauer- medikation traten auch keine Re- zidive mehr auf. Die 18 total ga-

strektomierten Patienten entwik- kelten alle im Laufe der Zeit er- hebliche metabolische Probleme, so daß die Autoren zu dem Schluß kommen, daß dieses Verfahren wieder zugunsten einer hochdo- sierten H 2- Bloc ke r be hand lu ng verlassen werden sollte. Lassen sich Metastasen ausschließen, sollte zunächst geklärt werden, ob eine primäre Tumorresektion in Frage kommt.

Malagelada, J.-R.; Edis, A. J.; Adson, M. A.; van Heerden, J. A.; Go, V. L. W.: Medical and surgi- cal options in the management of patients with gastrinoma. Gastroenterology 84 (1983)

1524-1532 — Gastroenterology Unit, Mayo Cli- nic, Rochester, Minnesota 55905, USA

Feststellung des

Geschlechts beim Feten

Bei 69 Prozent von 855 Feten im Alter von 15 oder mehr Schwan- gerschaftswochen konnte das Ge- schlecht mittels Ultraschall mit

99prozentiger Sicherheit festge- stellt werden. Eine definitive Dar- stellung der äußeren Genitalien wurde zwischen dem 4. oder 5.

Monat in einem Drittel, zwischen dem 5. und 6. Monat in zwei Drit- teln und bei über 90 Prozent der

Fälle später erreicht. Das Deszen- dieren der Hoden in das Skrotum ist nach der 26. Schwanger- schaftswoche festzustellen. Bei 62 Prozent der männlichen Feten sind zwischen der 28. und der 30.

Woche und bei 93 Prozent nach der 32. Woche die Hoden im Skrotum. Durch die große Span- ne, innerhalb derer die Ausrei- fung der primären Geschlechts- merkmale erfolgt, ist die Anwen- dung des Ultraschalls zur Ge- schlechtsbestimmung erheblich eingeschränkt. Dpe

Birnholz, J. C.: Determination of Fetal Sex, The New England Journal of Medicine 309 (1983) 942-944, Department of Diagnostic Radiology and Nuclear Medicine, Rush-Presbyterian-St.

Luke's Medical Center, 1753 W. Congress Pkwy., Chicago, IL 60612, U.S.A.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Rafflenbeul: Entspre- chend der schweren klini- schen Symptomatik mit An- gina-Beschwerden bei gerin- ger Belastung oder sogar in Ruhe muß die Therapie der instabilen

eine s~bjektive Besserung m1t 1rgendemer Nifedipindosie- rung erreicht , während die Angi- nahäufigkeit bei einem Patienten zunahm und eine objektive Ver-

In etwa 29 Prozent der Patienten mit instabiler Angina pectoris wird während des Anfal- les im 12-Kanal-EKG keine ST- Strecken-Veränderung erfaßt (24), während

Die Einstufung der klinischen Wirksamkeit ist in Abhängigkeit von der Untersuchungstechnik bei den verschiedenen Untersu- chern nicht einheitlich: bei aner- kannter antianginöser

Die Autoren kommen zu der Schlußfolgerung, daß eine unstabile Angina pectoris nach zwei Jahren ei- nen ähnlichen Folgezustand er- reicht, gleichgültig ob sie mit einer

Nach den Er- hebungen ist Eierverzehr zumindest für amerikani- sche Männer fast zum Charakteristikum eines Le- bensstils geworden: Verglichen mit denen, die nur ein Ei pro Woche

WANDONORM® sollte während Schwangerschaft oderStillzeit nurnach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung ange- wendet werden, da bisher keine klinischen Erfah- rungen am

Insgesamt wird je nach Zahl der betroffenen Gefäße und der regio- nalen Wandveränderungen des linken Ventrikels die jährliche Sterblichkeitsrate der stabilen An- gina pectoris