FÜR SIE GELESEN
Nifedipine bei
labiler Angina pectoris
138 Patienten mit labiler Angina pec- toris wurden in einer prospektiven, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie neben der herkömmlichen Medikation zu- sätzlich mit dem Präparat Nifedipin (in der BRD: z. B. Adalat®) behan- delt.
Die Patienten der beiden Gruppen unterschieden sich weder in Hin- sicht auf die Dosierung der konven- tionellen antianginösen Medikation noch in bezugauf das Alter vor Myo- kardinfarkt oder auf andere Risiko- faktoren.
~ Therapieversager (plötzlicher Tod, Myokardinfarkt oder Bypass- Operation innerhalb von 4 Monaten) traten bei 43 von 70 Patienten unter Placebowirkung und bei 30 von 68 Patienten mit zusätzlicher Gabe von Nifedipin auf.
~ Anhand der Kaplan-Meier-Über- lebenskurve konnte ein Vorteil zu- gunsten der zusätzlichen Nifedipin- Behandlung nachgewiesen werden (P=0,03).
Der Vorteil erwies sich besonders bei Patienten mit erhöhter ST-Strek- ke während eines Angina-pectoris- Anfalls (P=0,02). 4 Nifedipin-Patien- ten sowie 1 Placebo-Patient baten aufgrundvon Nebenwirkungen, wie vorübergehende Hypertonie oder Diarrhoe, um das Absetzen des Me- dikamentes.
Die Verfasser der Studie kamen zu der Schlußfolgerung, daß die zusätz- liche Gabe von Nifedipin bei Vorlie- gen einer labilen Angina pectoris als wirksam und sicher angesehen wer-
den kann. Lng
Gersteriblith, G.; Ouyang, P.; Achuff, S. C.;
Bulkley, B. H.,Becker, L. C., Mellits, E. D.;
Baughman, K. L., Weiss, J. L.; Flaherty, J. T.; Kallman, C. H.; Llewellyn, M.; Weissfeldt, M. L.: Nifedipine in unstabl!1 Angina, The New Eng- land Journal of Mediclne, 306 (1982) 885-889.
Dr. G. Gerstenblith, The Johns Hopkins Hospi- tal, 600 N. Wolfe St., Baltimore, MD 21205, U.S.A.
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ
Qualitätssicherung
in der operativen Gynäkologie
"Postoperative Studie - Gyn. 80"
Günther Stark, Harald Schmidt und Lutwin Beck
Aus der Frauenklinik im Klinikum Nürnberg (Vorstand: Professor Dr. med. Günther Stark) und der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf (Direktor: Professor Dr. med. Lutwin Beck)
Zur Qualitätssicherung in der operativen Gynäkologie wurden auf freiwilliger Basis von 85 Frauenkliniken innerhalb eines Jahres insge- samt über 57 000 operative Eingriffe anhand eines Erhebungsbogens erfaßt. Registriert wurden 16 Operationen, 16 Komplikationen, 6 Risi- kofaktoren. Jede Klinik erhielt nach Abschluß der Erhebung ihre eigenen Ergebnisse und die der Gesamtstudie. Sie konnte somit prüfen, ob ihre Ergebnisse vom allgemeinen Durchschnitt abweichen.
Anhand der Risikofaktoren ließ sich ersehen, ob z. B. die Zusammen- setzung des eigenen Krankengutes die Ursache der Abweichung war.
Das Problem der Qualitätssicherung in der Medizin wird heute allgemein diskutiert. ln vielen Fächern, wie zum Beispiel in der Labormedizin, im Röntgenbereich und in der Zyto- logie, wird sie auch bereits prakti- ziert. Die Durchführung in den klini- schen Fächern, und hier insbeson- dere in den operativen Fächern, ist schon wesentlich schwieriger.
1) wurden über einen Zeitraum von einem Jahr Daten gesammelt über:
Auf dem Nürnberger Symposion
"Qualitätssicherung in der Gynäko- logie" im Oktober 1977 wurde von den teilnehmenden gynäkologi- schen Klinikchefs beschlossen, eine Studie durchzuführen, die sich mit den Komplikationen in der operati- ven Gynäkologie beschäftigt. Die Er- fassung der Komplikationen dürfte eine entscheidende Möglichkeit sein, eine Aussage zur Qualität der medizinischen Leistung zu machen.
Nach einem bewußt einfach gehalte- nen Erhebungsbogen (Darstellung
~ 16 operative Eingriffe,
~ 16 Komplikationen,
~ 6 Risikofaktoren.
Mehrfachankreuzungen waren er- laubt bzw. notwendig.
Diese "Postoperative Studie - Gyn.
80", die auf freiwilliger Basis durch- geführt wurde, ergab folgende Zahlen:
Beteiligte Kliniken Gesamt-
Betten-Zahl Größenordnung der Bettenzahl
Prozent der er- faßten gyn. Betten in der Bundesrepublik
85
= 7560
=30-270
10%
C>
Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 45 vom 12. November 1982 37
Komplikations-Erfassung bei operativen und diagnostischen Eingriffen , Li_
Eingriffe LLJ
l 1
Komplikationen1 Konisation
2 Probelaparotomie + evt. PE 3 Abd. Hysterektomie 4 Adnex-Operation 5 Erw. Radikaloperation 6 Lymphonodektomie 7 Vag. Hysterektomie 8 Kolporrhapie 9 Kolpokleisis
10 Diagn. Laparoskopie + evt. PE 11 Sectio
12 Vulvektomie einfach
a Keine Komplikation b Verstorben
c Verlegung zur Intensivstation d Verletzung des Darmes e Verletzung der Blase f Verletzung des Ureters g Verletzung großer Blutgefäße h Reoperation wegen Blutung i Relaparotomie wegen Ileus
Relaparotomie wegen Peritonitis k Fisteln
I Temp. > 38 ° C exilier über 7 Tage
n
7
13 Interruptio 14 Ablatio mammae 15 Radium-Einlage 16 Tubensterilisation
radikal
Laparoskopie abdominal vaginal
Stat. Aufenthalt p. Op. > 4 Wochen wegen
m Wundheilungsstörungen 98 n
n Herz- Kreislaufkomplikationen 30 o Lungenembolie
p Andere Lungenkomplikationen 41 I
7—
q Bein- oder Beckenvenenthrombose 42 Risikofaktoren
19
20
22
23
24
25
Bettenzahl der geb. / gyn. Klinik:
Anschrift der Klinik (soweit gewunschtl levtl Stempelabdruck,
Mehrfachankreuzungen möglich bzw. notwendig
1 Ohne Risikofaktoren II bis VII II Cardio-respiratorisch
III Störung der Blutgerinnungsfaktoren IV Diabetes (insulinbed.)
✓ Hb < 8g%
VI Malignom VII Alter > 70 Jahre
43
44
45
46
47
49 12
26
28'.
29 7
30
31
33 •
34
35 •
36
37
Darstellung 1: Erhebungsbogen für die prospektive Studie Zur Fortbildung
Aktuelle Medizin Operative Gynäkologie
Erfaßte opera-
tive Eingriffe =57 362 Bei den Komplikationen wurden nur die aufgeführt, die zu einer erhebli- chen Schädigung beziehungsweise Beeinträchtigung der Patientin oder zu einer nochmaligen späteren Be-
handlung führten.
Weiterhin sind nur Fälle erfaßt, bei denen infolge von Komplikationen der Krankenhausaufenthalt länger als vier Wochen dauerte. Es sollte vermieden werden, jede banale Komplikation aufzuführen.
Die Auswertung aller operativen Ein- griffe ergab im Durchschnitt:
Gesamtkompli-
kationsrate = 4,36%
Häufigkeiten der einzelnen Komplikationen Mortalität (Mittelwert
über alle Eingriffe) = 0,13%
Folgende Komplikationen wurden am häufigsten registriert:
Wundheilungs-
störungen = 1,32%
Re-Operationen
wegen Blutungen = 0,5 % Temperaturen über
38° C über 7 Tage = 0,36%
= 0,30%
Die beobachteten Risikofaktoren er- gaben folgende Verteilung:
Malignom = 5,8%
= 0,01-1,32%
Verletzungen der Blase
Kard iorespi ra- torische
Erkrankungen = 2,0%
Alter > 70 Jahre = 1,1%
Diabetes
(insulinbedürftig) = 0,4%
Hb <8,0 g% = 0,3%
Blutgerinnungsstörungen 0,3%
Unterteilt man nach Schweregra- den, dann ergeben sich folgende Komplikationsraten:
Radikal-
operationen = 26-33%
Große
Operationen = 7-15%
Mittlere
Operationen = 3-5%
Kleine
Operationen = 0— 1%
Um zu sehen, ob es große Unter- schiede zwischen den verschiede- nen Klinikgrößen gibt, haben wir drei Gruppen von Klinikgrößen ge- bildet:
1. unter 70 Betten 2. 70-110 Betten 3. über 110 Betten
In allen drei Klinikgruppen war der Prozentsatz der sechs häufigsten
38 Heft 45 vom 12. November 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Operative Gynäkologie
Anzahl der
Kliniken X= 0% M = 4%
% Komplikationsrate
Anzahl der
Kliniken M = 9% X= 24%
% Komplikationsrate
35
Darstellung 2: Vaginale Hysterektomie und Kolporrhaphie -
Häufigkeit gleicher Komplikationsraten in den erfaßten Kliniken
- M: Mittelwert aller Kliniken-X: Wert der Klinik, die zur Selbst-
überprüfung aufgefordert wurde
Darstellung 3: Abdominale Hysterektomie und Exstirpation der Adnexe - Häufigkeit gleicher Komplikationsraten in den Klini- ken - M: Mittelwert aller Kliniken-X: Wert der Klinik, die zur Selbstüberprüfung aufgefordert wurde
Operationen etwa gleich. Nennens- werte Unterschiede, bezogen auf die Komplikationsrate, haben sich bei diesen sechs Operationen zwischen den verschieden großen Kliniken nicht ergeben.
Um statistische Vergleiche zwischen den einzelnen Kliniken bei den ver- schiedenen operativen Eingriffen durchführen zu können, wurden nur die 16 häufigsten Eingriffe ausge- wertet.
Jede Klinik- versehen mit einer Co- de-Nummer - bekam folgende Un- terlagen zugeschickt:
0
alle Einzelergebnisse ihrer durch- geführten Operationen;f) den jeweiligen Mittelwert der Ge- samtkomplikationsrate aller Kliniken für den jeweiligen Eingriff;
8
die Streuung der Gesamtkompli- kationsrate für diesen Eingriff in den einzelnen Kliniken;8
die eigene Komplikationsrate;0
eine graphische Darstellung der Ergebnisse der 16 Operationen.Als Beispiele sind in den Darstellun- gen 2 und 3 zwei typische Operatio- nen aufgeführt.
Alle Kliniken hatten somit die Mög- lichkeit,
..,.. aufgrund der vorliegenden Zah- len der Gesamtstudie selbst zu kontrollieren, in welcher Weise sie (entweder positiv oder negativ) vom allgemeinen Durchschnitt ab- weichen.
Durch die gleichzeitige Auflistung der Risikofaktoren besteht die Mög- lichkeit zu prüfen,
..,.. ob eine erhöhte Komplikations- rate, etwa durch die Zusammenset- zung des jeweiligen Krankengutes (z. B. Häufung von Risikofaktoren), die Ursache sein könnte.
Die "Postoperative Studie - Gyn.
80" dürfte ein erster Schritt sein zur Qualitätssicherung in der op~rativen
Gynäkologie.
Die Einzelauswertung der Ergebnis- se wird uns Hinweise geben, wie der weitere Weg in diesem Bereich sein wird.
Literatur
Stark, G.: "Nürnberger Symposion - Proble- matik der Qualitätssicherung in der Gynäkolo- gie'", Demeier-Verlag (1981)- Stark, G.: "Pro- blematik der Qualitätssicherung in der Gynä- kologie", Verhandlungen der Deutschen Ge- sellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 43. Versammlung, 30. 9.-3. 10. 1980, Seite 574-584, Springer Verlag (1981)
Anschriften der Verfasser:
Professor Dr. med. Günther Stark Vorstand der Frauenklinik am Klinikum Nürnberg Flurstraße 7-9
8500 Nürnberg
Professor Dr. med. Lutwin Beck Direktor der Frauenklinik der Universität Düsseldorf Moorenstraße 5
4000 Düsseldorf
Dr. rer. nat. Harald Schmidt Abteilung Biomedizinische Technik der Frauenklinik
der Universität Düsseldorf Moorenstraße 5
4000 Düsseldorf
40 Heft 45 vom 12. November 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B