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Archiv "Die wirtschaftliche Rezession limitiert den Reformaktionismus (Teil 2)" (02.04.1981)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 14 vom 2. April 1981

Die Spielräume für einen übertrie- benen sozial- und gesundheitspoli- tischen " Reformaktion ismus " sind deutlich enger geworden. Ein Kon- zept der bloßen Leistungsauswei- tung , der Anspruchsförderung durch den Gesetzgeber . und die Rechtsprechung sowie der Austei- lung sozialer Wohltaten auch an Bessersituierte kann in jeder Hin- sicht nicht aufgehen. Darauf wies Dr. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer und des Deut- schen Ärztetages, bei der berufspo- litischen Hauptveranstaltung wäh- rend des XXIX. Internationalen Fortbildungskongresses der Bun- desärztekammer in Davos vor mehr als 250 Ärztinnen und Ärzten hin.

Spektrum der Woche Aufs. ätze ·Notizen

Die wirtschaftliche Rezession limitiert den Reformaktionismus

• Fortsetzung von Seite 646

Krankenhauswesens; er sprach sich für eine Konsolidierung der Haushalte der Sozialleistungsträ- ger und für die konzertierte Ab- stimmung über neue Prioritäten beim Ausbau des Sozialleistungs- systems aus.

..,. Doch wenn heute ein Scher- benhaufen zu beklagen sei, hek- kenschnittartige Sparmaßnahmen vollzogen würden und dirigistisch in die gewachsene soziale Selbst- verwaltung eingegriffen werde, das bewährte Kassenarztrecht an allen Ecken und Enden bekleistert werde, so dürfe man nicht den Schuldigen bei einzelnen Grup- pen und den "Leistungsanbie- tern" im Gesundheitswesen su- chen,. betonte Dr. Vilmar. Bereits in der Phase wirtschaftlicher Pro- sperität sei abzusehen gewe- sen, daß ein Konzept der bloßen Leistungsausweitung, der An- spruchsförderung durch den Ge- setzgeber ·und die Rechtspre- chung und der Austeilung sozialer Wohltaten auch an Bessersituierte in jeder Hinsicht nicht aufgehen konnte.

Die Ärzteschaft habe frühzeitig da- vor gewarnt, mit vordergründigen Motiven -etwa unter Hinweis auf ein vermeintliches Schutzbedürf- nis oder auf partielle "Unterver- sorgungen" - unter dem Postulat

"mehr sozialer Gerechtigkeit" im- mer höhere Leistungsansprüche an das Gesundheitswesen und die soziale Sicherung zu stellen. Auch neue Schichten von Beitragszah- lern zu mobilisieren wirke nur pal-

liativ, führe zudem zur Staatsver- drossenheit und nehme jeden An- sporn für eine selbstverantwortli- che Vorsorge und individuelle Ge- staltung der Zukunftsvorsorge. Ei- ne kurzatmige Sozialpolitik kalku- liere falsch, wenn sie nur deswe-

gen immer mehr Personenkreise

in das soziale Sicherungsnetz ein- beziehe, um neue Beitragszahler zu gewinnen - dabei vergesse sie, daß diese auch Leistungen bean- spruchten und daß bei wachsen- der Arbeitslosigkeit immer weni- ger Erwerbstätige für immer mehr zeitweilig oder dauernd Nichter- werbstätige sorgen müßten.

Zudem sei zu fragen, ob die So- zialpolitik nicht in eine Schieflage gerate, wenn höchst private und individuelle oder familiäre Bedürf- nisse der Sorge der Allgemeinheit auferlegt werden - wie Absichten, einen Rechtsanspruch auf Absi- cherung des Pflegerisikos zu ga- rantieren, deutlich bewiesen.

Preissteigerungen und Mengenzuwachs

Die Politik der sozialen Sicherung bei immer knapper werdenden Ressourcen spielt sich derzeit auf dem Hintergrund dieser Ausga- benentwicklung ab: Nach Anga- ben des Statistischen Bundesam- tes erhöhten sich die Ausgaben der im Gesundheitswesen er- brachten Leistungen von 70,3 Mil- liarden DM im Jahr 1970 (= 6,4 Prozent des Bruttosozialproduk- tes) auf rund 190 Milliarden DM in

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1980 (= 13,7 Prozent des Brutto- sozialproduktes). 1970 betrug der

"Gesundheitsaufwand" je Ein- wohner noch 1160 DM, 1980 war er fast auf das Dreifache, nämlich auf 3086 DM, emporgeschnellt. Im vergangenen Jahrzehnt seien 42 Prozent der Ausgabensteigerun- gen im Gesundheitswesen ursäch- lich durch Preissteigerungen her- vorgerufen worden, aber 58 Pro- zent seien durch reinen Mengen- zuwachs (also Quantitäts- und/

oder Qualitätsänderungen) zu- stande gekommen.

Ohne dem statistischen Gehalt dieser Zahlenangaben des Bun- desarbeitsministeriums auf den Grund zu gehen, ist, das gab auch Vilmar zu, die Größenordnung doch beeindruckend; sie gibt zu Überlegungen Anlaß.

Die einseitige Interpretation von Ministerialdirektor Holler, das Ge- sundheitswesen stecke in einer

"tiefen Strukturkrise", wies Dr. Vil- mar entschieden und argumenta- tiv zurück. Die bereits 1972 einge- leitete sogenannte K-Gesetzge- bung (Krankenhausfinanzierungs- gesetz; Krankenversicherungs- Weiterentwicklungsgesetz und

Krankenversicherungs-Kosten- dämpfungsgesetz) sei mit dem Ar- gument über die parlamentari- schen Hürden gebracht worden, das Gesundheitswesen sei rege- lungs- und planungsbedürftig.

Und obendrein seien viele regle- mentierende Maßnahmen mit dem (falschen) Etikett versehen wor- den, das Ganze diene der Stär- kung der sozialen Selbstverwal- tung und dem PatientenwohL Das Gegenteil sei der Fall: Lücken und Fehlsteuerungen, Strangulierun- gen und unerträglich werdende Eingriffe in die ärztliche Hand- lungs- und Entscheidungsfreiheit seien gang und gäbe.

..,.. Vilmar warnte seine Kollegen davor, sich zu Erfüllungsgehilfen des Staates stempeln zu lassen.

Wenn gespart werde, so sollten nicht die Ärzte Leistungsbe- schränkungen geduldig verant-

warten, sondern "Roß und Reiter"

nennen. Aus guten Gründen seien deshalb auch die geplanten Nega- tivlisten für Pharmaka von ärztli- cher Seite abgelehnt worden, ebenso wie wissenschaftlich be- mäntelte Personalbedarfsberech- nungsverfahren für das Kranken- haus- allesamt Projekte, um den staatlichen Sparrotstift noch radi- kaler führen zu können.

Die kürzlich vom Bremer Gesund- heitssenator, Herbert Brückner (SPD), verbreitete Äußerung des Direktors der Weltgesundheitsor- ganisation, der Gesundheitszu- stand der Bevölkerung in der Bun- desrepublik Deutschland sei

"skandalös", wies der Ärztepräsi- dent entschieden zurück. Wortrei- che Rückzugsgefechte Brückners, der zugleich Vorsitzender der Ar- beitsgemeinschaft der Sozialde- mokraten im Gesundheitswesen (ASG) ist, hätten zumindest in der Publizistik Schaden hinterlassen.

Folgen

des medizinischen Fortschritts Die rapiden medizinischen, medi- zinisch-technischen Fortschritte und die weitgehend auf Eigenin- itiative ausgebauten ambulanten Versorgungssysteme bieten im- mer mehr Möglichkeiten, um menschliche Leiden und Gebre- chen dauerhaft zu behandeln und zu lindern. Vilmar: "Es ist ein- leuchtend, daß ein noch so hoher Fortschritt nicht automatisch die wünschenswerten Heilungschan- cen vergrößert; die Zahl der Dau- erkranken wächst sprunghaft, die der zivilisationsgeschädigten Pa- tienten, die der Behinderten, Alten und Gebrechlichen relativ und überdurchschnittlich im Vergleich zum Wachstum der Bevölkerung."

Wenn auch die Heilungschancen leider begrenzt seien, dürfe dar- aus den Ärzten oder dem gesam- ten System doch kein Vorwurf ge- macht werden, lautete die Antwort Viimars an einseitige oder gar bös- willig-verzerrende Darstellungen in der Öffentlichkeit. Er verwahrte

Spektrum der Woche Aufsatze · Notizen Vilmar: Bericht zur Lage

sich gegen Bestrebungen, die Trasse einer immer mehr dem Staatszugriff und der behördli- chen Kontrolle ausgesetzten Me- dizin zu verbreitern.

Gesundheitspolitik werde heute leider vielfach als bloße Machtpo- litik verstanden und mißbraucht.

Experimente gegen den sachver- ständigen Rat der Ärzteschaft und wie immer geartete Modellversu- che teilweise außerhalb geltenden Rechts (auch im Bundesland Bre- men sind oder werden solche in- szeniert) gebe es heuer zuhauf. Ei- ne ideologische Kehrtwendung in der amtlichen Sozial- und Gesund- heitspolitik sei nicht zu erkennen.

Allerdings seien derzeit wohl auch keine massiven Änderungen des Kassenarztrechtes zu befürchten.

Doch müsse die Ärzteschaft nach wie vor höllisch auf der Hut sein.

Gedankenspiele des Bundesar- beitsministers, die Ersatzkassen in die Bestimmungen des zweiten Buches der Reichsversicherungs- ordnung (RVO) einzubeziehen, finden verständlicherweise bei der Ärzteschaft keine Zustimmung;

der Weg in die Einheitsversiche- rung, die Einheitskrankenkasse, wäre mit der möglichen Konse- quenz geebnet, auch ein Einheits- honorar zu schaffen. Auch unter dem Stichwort "mehr Risikoaus- gleich zwischen den Kassenarten"

könne sich ein beabsichtigter gro- ßer Finanzausgleich verbergen - als eine Vorstufe zu einer Einheits- versicherung

Gegenoffensiven

Dr. Vilmar versicherte dem Audito- rium, die Ärzteschaft sei gewapp- net, solchen Gesetzesvorhaben durch Gegenoffensiven zuvorzu- kommen. Dies gelte auch für Ver- suchungen, die berufsständischen Altersversorgungswerke der Heil- berufe (die zumeist auf dem soge- nannten Kapitaldeckungsverfah- ren basieren) in die Überlegungen zur Sanierung (und Umstrukturie- rung) der gesetzlichen Rentenver- sicherung einzubeziehen. Sollten DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 14 vom 2. April1981 683

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Vilmar: Bericht zur Lage

die Politiker entgegen allen Be- teuerungen an den berufsständi- schen Versorgungswerken rüh- ren, werde dies auch verfassungs- rechtliche Gefechte nach sich zie- hen. Nicht auszudenken wären die Verschiebungen innerhalb der Volkswirtschaft, wollten „Refor- mer" etwa die investierten, gebun- denen Kapitalbeträge der Alters- versorgungswerke oder der be- trieblichen Altersversorgung an- deren Zwecken zuführen.

Einseitig

ausgerichtete Forschung Die „Forschungs"aktivitäten im Gesundheitswesen, wie sie seit geraumer Zeit von der Regierung verstärkt betrieben werden, seien ebenso mit Argwohn zu beurteilen und wenn auch nicht umzupoolen, so doch von ärztlicher Seite recht- zeitig auf ihre Zielrichtung hin zu analysieren. Vilmar äußerte den begründeten Verdacht, daß nicht jedes strukturpolitische For- schungsprojekt, insbesondere so- weit es die gesetzliche Kranken- versicherung und das Kranken- hauswesen berührt, tatsächlich auch dem Allgemeinwohl und ei- ner Verbesserung der gesundheit- lichen Versorgung der Bevölke- rung, einer wünschenswerten evo- lutionären Erneuerung des Sy- stems diene.

Das 450-Millionen-Programm „im Dienste der Gesundheit" habe be- reits jetzt viel Leerlauf und be- zwecke vielfach nur die Vollbe- schäftigung professioneller „For- scher" und Forschungsbetriebe.

Bereits im Zeitpunkt der Projekt- vergabe entlarven sich viele struk- turpolitische Forschungsthemen als bloße Zweckforschung, „um im Stile der Salamitaktik" (Vilmar) tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, wissenschaftlich bemäntelt und begleitet, leich- ter politisch durchsetzen zu kön- nen.

Die Bereitstellung öffentlicher Mit- tel für den Ausbau von Tumorzen- tren in Höhe von 15 Millionen DM

sei zwar begrüßenswert, aber nur ein Tropfen auf den „heißen Stein". Vilmar warnte vor allzu großen Hoffnungen, durch die In- stallierung von Krebskatastern und der staatlich inszenierten Er- fassung von weitverbreiteten Krankheiten bereits alle Probleme beheben zu können, den Medizin- betrieb gar unter einen „Zwang zur Heilung" zu stellen.

Es könne auch nicht angehen, sich nach den Krebskranken etwa auch der Rheumatiker, Diabetiker, Nierenkranken oder etwa aller Fußkranken nach dem gleichen politischen System anzunehmen — nur weil dadurch in opportunisti- scher Weise Wahlbürger bis zum Ende der Legislaturperiode bei der Stange gehalten werden sollten.

Nicht immer seien ausländische Beispiele auch nachahmenswerte Vorbilder; die negativen Erfahrun- gen im Gesundheitswesen der Ostblockstaaten, Finnlands oder Italiens müßten zur Kurskorrektur veranlassen.

Dialog mit allen Gruppen Dr. Karsten Vilmar unterstrich die Bemühungen, mit allen Gruppie- rungen der Gesellschaft, mit Par- teien und Verbänden ins Gespräch zu kommen. Sowohl die Gremien der Bundesärztekammer als auch der Kassenärztlichen Bundesver- einigung hätten nach der Bundes- tagswahl ihre Positionen den Spit- zen der Bundestagsparteien ver- deutlicht. Auch mit den Sozialpart- nern sei man im Gespräch (aller- dings ist die Resonanz beim DGB und den DGB-Gewerkschaften bisher noch „frostig").

Gering beurteilt der Ärztepräsi- dent die Chancen, in der Novelle zum Krankenhausfinanzierungs- gesetz grundsätzliche Änderun- gen durchzusetzen. Die KHG-No- velle konzentriert sich — von eini- gen „Nebenabsichten" abgesehen

— voraussichtlich auf Maßnahmen zur Kostendämpfung.

Kostendämpfung im Krankenhaussektor

Vilmar befürwortete ein gleichge- wichtiges und abgerundetes Kon- zept einer globalen Kostendämp- fung, falls es sich auch auf bisher ungezügelte Sektoren, wie etwa den Krankenhausbereich, Heil- und Hilfsmittel und vor allem den Zahnersatz erstrecke. Bei der Pfle- gesatzgestaltung müsse neben dem tagesgleichen Satz auch eine leistungsbezogene Gliederung der Tagesvergütungssätze der Kran- kenhäuser erörtert werden. Nur so könne leistungsbezogen geurteilt und gewirtschaftet werden. Dem Krankenhaus müsse künftig die politisch bedingte Vorhaltung von Krankenhausbetten, etwa für den Katastrophenschutz, das Ret- tungswesen und die Intensivmedi- zin, besonders erstattet werden.

Die Ärzteschaft drängt darauf, daß strukturelle Änderungen, etwa im Sinne der Westerländer/Saar- brücker Beschlüsse des Deut- schen Ärztetages nicht durch ge- setzliche Regelungen verbaut wer- den. Die Krankenhausbedarfspla- nung müsse auch für ein moderni- siertes, kooperatives Belegarztwe- sen (etwa nach dem Modell von NRW) offen sein.

Grundsätzlich begrüßt wird auch der KHG-Vorschlag, das wirt- schaftliche Interesse der Hospitä- ler zu stärken. Erzielt das Kranken- haus Überschüsse, sollten diese zweckgebunden belassen werden, andererseits sollen Verluste nicht mehr durch die öffentliche Hand

„weggesteuert" werden, allenfalls wenn dies vom einzelnen Haus nicht zu vertreten ist. Die Offerte des Bundesarbeitsministerium- Sprechers Albert Holler, bei der Krankenhausbedarfsplanung und -finanzierung, bei der Personal- festsetzung würde der medizini- sche Sachverstand künftig „nicht zu kurz kommen", beantwortete Dr. Vilmar mit der Feststellung, man könne nur auf Taten bauen.

Die globale Kostensteuerung dür- fe nicht abermals auf dem Rücken 684 Heft 14 vom 2. April 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Vilmar: Bericht zur Lage

einzelner Gruppen und der Selbst- regulierungskräfte der Kranken- häuser ausgetragen werden.

Krankenhausambulanzen

— Schnee von gestern

Eine ambulatorische Öffnung der Krankenhäuser für die vor- und nachstationäre Versorgung bringe wieder ein Stück Ideologie ins Spiel. Zwar seien Polikliniken und Ambulatorien noch nicht oder nicht mehr in Erwägung gezogen, die institutionelle Öffnung der Krankenhäuser beträfe aber alle Krankenhäuser; dies sei der über- holte „Schnee von gestern", nur eben mit einem anderen gesetzli- chen Terminus ummäntelt.

Weitere Novellierungsvorhaben

a) Arzneimittelgesetz

Das Arzneimittelgesetz, so betonte Vilmar, sei grundsätzlich nicht no- vellierungsbedürftig. Ärztlicher- seits zu begrüßen sei aber, daß künftig Patienten- und Arztinfor- mation getrennt werden. Bei einer vernünftigen Selbstbeschränkung sei für eine wirksame Arzneimittel- therapie eine ausreichende Bemu- sterung des Arztes nach wie vor notwendig. Die Musterlagerung bei Ärzten sei nicht so unfachmän- nisch, wie sie öffentlich angepran- gert werde.

b) Gesundheitssicherstellungsgesetz

Auch zum Entwurf eines Gesund- heitssicherstellungsgesetzes, der nur schleppend beraten werde, gibt es von seiten der Ärzteschaft einige Einwendungen: Es dürfe nicht zu einer speziellen Fortbil- dungspflicht und einer Unterhöh- lung der Befugnisse der Ärztekam- mern in diesem Sondergesetz kommen, es fehle überhaupt eine Erfassung des medizinischen As- sistenzpersonals für die gesund- heitliche Sicherung im Span- nungs-, Verteidigungs- und Kata- strophenfall. Das Haftpflichtpro-

blem sei überhaupt nicht oder nur unzureichend geregelt.

c) Allgemeine Pflegeversicherung

Eine allgemeine soziale Pflegever- sicherung, zumal wenn sie bei der gesetzlichen Krankenversiche- rung angesiedelt würde, sei kaum finanzierbar. Aufgrund in- und ausländischer Erfahrungen müßte der durchschnittliche Beitragssatz der GKV von derzeit 12 auf 16,1 Prozent anwachsen. Die Politiker müßten sich fragen lassen, ob sie auf diese geradezu „plumpe Wei- se" die Länderetats für die soziale Sicherung der Pflegebedürftigen entlasten wollten und künftig

„Nächstenliebe als Sachleistung auf Krankenschein" verordnen lassen wollten. Hier werde ver- sucht, noch eins der letzten Reser- vate der Familien- und Nachbar- schaftsbande abzuschneiden und auf die gesellschaftliche Ebene zu transportieren.

d) Gebührenordnung für Ärzte

Die Essentials der Ärzteschaft für die Novellierung der Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) lauten:

Die Abdingbarkeit (und zwar in schriftlicher Form) müsse ebenso wie der Multiplikator erhalten blei- ben. Sie stimmt auch den Absich- ten zu, die Transparenz durch Auf- listung der einzelnen GOA-Positio- nen zu verbessern und Kostenneu- tralität (auch um den PKV-Markt zu schützen) bei der Umbewer- tung und Neustrukturierung zu be- achten.

Erfahrungen

mit der „Konzertierten Aktion"

Trotz dreijähriger Praxis sei kei- neswegs gesichert, ob die „Kon- zertierte Aktion im Gesundheits- wesen" bereits ihre Bewährungs- probe bestanden habe. Bei ge- samtwirtschaftlich vorgegebenen Ausgabensteigerungsraten (für 1981 stehen im Gesundheitssektor 3,5 Milliarden DM für Mehrausga-

ben zur Verfügung) seien die Ein- wirkungs- und Mitwirkungsmög- lichkeiten begrenzt. Die Ärzte- schaft werde sich aber nicht in die Rolle zwingen lassen, das System zum Kippen zu bringen und die

„Konzertierte Aktion" platzen zu lassen. Der von der Bundesregie- rung dem Parlament Ende des Jahres vorzulegende Erfahrungs-

bericht werde zeigen, inwieweit die Ausgabenentwicklung der GKV mit der allgemeinen Wirt- schaftsentwicklung gleichzog oder davon abwich. Spätestens in der Herbstrunde der „Konzertier- ten Aktion" würden die Verbände Gelegenheit haben, aus ihren Er- fahrungen Konsequenzen zu zie- hen, um den Gesetzgeber aus der Rolle des Handelnmüssens zu drängen.

Resümee:

keine Resignation,

keine Selbstzerfleischung

Vilmar resümierte: Die Ärzteschaft hat keinen Grund zur Resignation;

sie kann auf ein gutes Image in der Bevölkerung verweisen. Lei- stungsbereitschaft und aufopfe- rungsvoller Einsatz in der freien Praxis wie im Krankenhaus dürf- ten aber von den Politikern nicht mit Füßen getreten werden. Die Manövriermasse des Staates, um große Versprechungen im Ge- sundheits- und Sozialwesen zu machen, ist heute deutlich gerin- ger geworden. Dies gibt der Ärzte- schaft die Chance, mit allen Grup- pen in einen vernünftigen, frucht- baren Dialog einzutreten. Die Ärz- teschaft bietet ihre Bereitschaft an, bei den anstehenden Problem- lösungen aktiv mitzuwirken — und zwar so zeitig, daß später zu bekla- gende Schäden vermieden wer- den. Konfrontationsstellungen, Verteilungskämpfe zwischen den Gruppen, Selbstzerfleischungen im innerärztlichen Lager unter- bleiben; sie nützten niemandem, am wenigsten den Ärzten und Pa- tienten, am ehesten aber noch den Systemveränderern, die ohne Al- ternative nur warteten, bis der So- zialstaat einen Kollaps erleidet. HC 686 Heft 14 vom 2. April 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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