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C U LT U R A L H E R I TAG E Gemeinsam.Kulturgut.Retten

L A N D S C H A F T

Sehnsuchtsorte – Gärten F O K U S

Das DAI im Corona-Modus

TITELTHEMA

1 • 2020

Archäologie Weltweit – Achter Jahrgang – Berlin, im August 2020 – DAI

RESILIENZ

www.dainst.org

Magazin des Deutschen Archäologischen Instituts

Vom Umgang mit Krisen

ARCHÄOLOGIE WELTWEIT 1 • 2020TITELTHEMA RESILIENZ

Wenn wir unser kulturelles Erbe erhalten wollen, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Wie Sie uns helfen können, sehen Sie hier:

W W W. T W G E S . D E

Gesellschaft der Freunde des  Deutschen Archäologischen Instituts

Theodor Wiegand Gesellschaft e. V.

Wissenschaftszentrum Bonn Ahrstraße 45, 53175 Bonn

Delia Schulz Tel.: +49 228 30 20 Fax: +49 228 30 22 70 twg@wzbonn.de

Theodor Wiegand Gesellschaft Deutsche Bank AG, Essen IBAN DE20 3607 0050 0247 1944 00 BIC DEUTDEDEXXX oder Sparkasse KölnBonn IBAN DE88 3705 0198 0029 0058 08 BIC COLSDE33XXX

Ihre Spenden sind steuerbegünstigt.

Vielen Dank!

T W G

Neueinrichtung des Nationalmuseums Cherchell

Als Sitz der Könige von Mauretanien und römische Provinzhauptstadt erlebte Cherchell im heuti- gen Algerien bis in die Spätantike hinein eine große kulturelle Blüte. Davon zeugt der in Nord- afrika einmalige Bestand von ca. 400 Skulpturen und farbenprächtigen Mosaiken, die im archäo- logischen Museum von Cherchell ausgestellt sind. Das Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete, denkmalgeschützte Museum und viele der Exponate wurden bei Erdbeben in den 1980er-Jahren schwer beschädigt.

Seit 2008 engagiert sich das Deutsche Archäologische Institut mit Mitteln aus dem Kulturerhalt- Programm des Auswärtigen Amts bei der Neueinrichtung des Museums.

Die Skulpturen wurden in Zusammenarbeit mit algerischen Mitarbeitern restauriert und auf erd- bebensicheren Sockeln neu aufgestellt. Neben der Aus- und Fortbildung von regionalen Spezialis- ten auf dem Feld der Statuen-Restaurierung und Sockelung wurde auch die Museumspädagogik mit weiteren Ideen bereichert. Gemeinsam wurde ein neues Ausstellungskonzept entwickelt, das die lokale Bevölkerung einbezieht. Die Zusammenarbeit stärkt das Interesse für die ausgestellten Exponate sowie das Bewusstsein für ihre historische und kulturgeschichtliche Bedeutung als kul- turelles Erbe Algeriens.

Unterstützen Sie dieses und ähnliche Projekte durch Ihre Spende!

Foto: Gauss

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ARCHÄOLOGIE WELT WEIT

Orte und Regionen in dieser Ausgabe

Rom, Italien – Landschaft, Seite 28 Pompeji, Italien – Landschaft, Seite 32 Pergamon, Türkei – Landschaft, Seite 34 Córdoba, Spanien – Landschaft, Seite 36

Uruk, Irak – Das Objekt, Seite 38

Athen, Griechenland – Titelthema, Seite 42 Epidauros, Griechenland – Titelthema, Seite 52 Alsónyék, Ungarn – Titelthema, Seite 58

Tayma, Saudi-Arabien – Titelthema, Seite 62 Kroatien – Alltag Archäologie, Seite 74 Istanbul, Türkei – Standort, Seite 80 Berlin, Deutschland – Panorama, Seite 82

U N S E R CO V E R B I L D zeigt Herakles, einen der berühmtesten Helden der griechischen Mythologie. Verschiedene Quellen überliefern, wie Herakles sich zwölf Herausforderungen – dem sogenannten Dodekathlos – stellen musste. Für eine der Aufgaben musste er die goldenen Äpfel im gut bewachten Garten der Hesperiden pflücken. Er überredete den Titanen Atlas, dies für ihn zu übernehmen – im Gegenzug musste Herakles an seiner statt das schwere Himmelsgewölbe schultern. Herakles meisterte die Herausforderung mit Geschick und mit Unterstützung (im wahrsten Sinne des Wortes) der Göttin Athene, die hinter ihm steht.

Im 5. Jahrhundert v. Chr. schmückte die Darstellung der zwölf Aufgaben des Herakles den Zeus-Tempel in Olympia. Im gleichen Jahrhundert erlebte Athen eine krisenreiche Zeit.

Die Stadt wurde von den Persern erobert und zerstört, lag dann im Krieg mit Sparta, wurde belagert und von einer Seuche heimgesucht. Wie die Athener mit diesen Krisen umgingen, was es mit Resilienzforschung in der Archäologie auf sich hat und wie sich Infektions- krankheiten im Neolithikum ausbreiteten, lesen Sie im TITELTHEMA.

Wie das DAI die Corona-Krise der letzten Monate erlebt hat und wie sich Heraus- forderungen gemeinsam bewältigen lassen, berichten wir ab Seite 10.

Foto: D-DAI-ATH-Olympia-0469

Moderne Archäologie erforscht alle Facetten menschlichen Le- bens. Dies umfasst auch die Auswirkungen von klimatischen Ver- änderungen auf die Umweltbedingungen, in denen Menschen in der Vergangenheit lebten, die sie aber auch beeinflussten. Die ar- chäologische Forschung liefert hochauflösende Daten zu lokalen oder regionalen Auswirkungen klimatischer Veränderungen in einer großen zeitlichen Perspektive. Im Zusammenspiel mit vielen verschiedenen Disziplinen kann die Archäologie zu Erkenntnissen über den Klimawandel beitragen.

Die Archäologie und das kulturelle Erbe sind aber auch Betroffene des aktuellen Klimawandels. Die Erderwärmung mit ihren sehr unterschiedlichen lokalen Auswirkungen bringt ein breites Spek- trum der Bedrohung des kulturellen Erbes der Vergangenheit mit sich. Im Bereich des Kulturerhalts stehen wir wachsenden Heraus- forderungen gegenüber, die nur interdisziplinär, gemeinsam und in Netzwerken gelöst werden können. Dazu bedarf es jedoch einer Bestandsaufnahme und gemeinsamer Diskussionen der Herausforderungen. 

Die ursprünglich für das Frühjahr 2020 zu diesen Themen geplan- te Konferenz „Ground Check – Cultural Heritage and Climate Change“ wird nun in Form einer Online-Veranstaltungsreihe durchgeführt.

Die Veranstaltungreihe des Deutschen Archäologischen Instituts und des Archaeological Heritage Network soll die beiden The- menschwerpunkte, d. h. die Erforschung des Klimawandels in sei- nen konkreten lokalen und regionalen Auswirkungen in einer langfristigen Perspektive wie auch die Auswirkungen des Klima- wandels auf unser kulturelles Erbe heute in den Blick nehmen und die internationale Zusammenarbeit intensivieren.

Ground Check –

Kulturerbe und Klimawandel

Die erste von fünf Online-Diskussionsrunden wird am 23. Septem- ber mit einer Einführung in das Thema durch die Präsidentin des DAI, Prof. Dr. Dr. h.c. Friederike Fless, eröffnet. Wöchentlich disku- tieren dann internationale Expertinnen und Experten zum Thema Kulturerbe und Klimawandel. Beendet wird die Reihe durch die Abschlussveranstaltung am 29. Oktober.

WANN UND WO?

Termine: 23.09., 30.09., 07.10., 14.10., 21.10. & 29.10. – jeweils ab 18:00 Uhr

Die Veranstaltungsreihe findet auf der Online-Plattform Zoom statt. Die Anmeldung vorab ist erforderlich.

Arbeitssprache ist Englisch.

Weitere Informationen und Anmeldung:

http://www.konferenz.archernet.org

Das Archaeological Heritage Network wird durch das Auswärtige Amt unterstützt.

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EDITORIAL

EDITORIAL

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, die Strategien einer Gesellschaft mit Krisen umzugehen, sind, wie die aktuelle Corona- Pandemie zeigt, vielfältig. Das Spektrum reicht von strikter staatlicher Reglementie- rung über mehr oder weniger verbindliche Empfehlungen bis hin zur Eigenverantwor- tung des Individuums. Das weltweit arbei- tende DAI erlebte in den vergangenen Monaten eine fast unüberschaubare Viel- falt an Vorgaben und entwickelte für sich passende Wege zwischen Schutz, Weiter- arbeit und Fortsetzung unserer internatio- nalen Zusammenarbeit.

Jede Form eines Krisenmanagements setzt jedoch voraus, dass man die sich anbah- nende Krise überhaupt erkennt. Erst dann ist es möglich, Entscheidungen zu treffen, um den Ausgang einer Krise zu beeinflus- sen.

Zur Bewältigung der Corona-Pandemie wird aktuell immer wieder in die Vergan- genheit geblickt. Die spanische Grippe von 1918 und die Hongkong-Grippe von 1968–1970 dienen als wichtige Referenz- ereignisse. Der Blick in die Vergangenheit erlaubt es nämlich, die großen Pandemien der Vergangenheit von ihrem Ausgang her zu analysieren. Es tritt dabei auch her-

vor, wie widerstandsfähig, wie resilient eine Gesellschaft gegenüber der Krise war.

Auch die Antike kannte mehrere Epide- mien, die ganze Städte, Landstriche oder sogar weite Teile des Imperium Romanum betreffen konnten. Wie antike Gesellschaf- ten darauf reagierten, aber auch mit ande- ren Krisen umgingen, steht im Mittelpunkt unserer aktuellen Ausgabe von Archäolo- gie Weltweit. Da eine der Reaktionen auf eine solche Pandemie in der Antike im Rückzug ins Private bestand, wird der Gar- ten als Thema aufgegriffen. Vom kleinen pompejanischen Haus bis hin zur großen römischen Villa wurden Gärten und damit ein Lebensraum als Rückzugsort gestaltet.

In der römischen Kultur bildete die Villa als Ort des Otium, der freien Zeit und Muße, das Gegenstück zur geschäftigen Betrieb- samkeit, dem Negotium.

Eine spannende Lektüre in einer solchen Mußestunde wünscht Ihnen

Ihre

Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless Prof. Dr. Dr. h. c. Friederike Fless

Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts Foto: Kuckertz

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INHALT

INHALT

NACHRICHTEN

FOKUS Das DAI im Corona-Modus – Zusammen Krisen bewältigen

CULTURAL HERITAGE

Gemeinsam.Kulturgut.Retten –

Ein Standpunkt von Friederike Fless und Katja Piesker

LANDSCHAFT Sehnsuchtsorte – Gärten und gestaltete Natur

DAS OBJEKT

Die Büste des Ismael Ibn Jasim –

„Ehrenwächter“ der Orient-Abteilung

TITELTHEMA Widerstehen –

Reaktionen auf Krisen in frühen Kulturen Keine Resilienz ohne Herausforderungen –

oder: die Suche nach den Ressourcen der Widerständigen Individuelle Bitten um Hilfe –

Traumheilung und Körperteilvotive

Von den Herausforderungen der Sesshaftigkeit

Was DNA-Analysen über prähistorische Epidemien verraten Gesellschaften im Krisenmodus? –

Resilienz von Ökosystemen und Siedlungen in extremen Klimazonen

IM PORTRÄT Burkhard Vogt Ricardo Eichmann

ALLTAG ARCHÄOLOGIE

Was macht eigentlich ein Grabungstechniker? – Feldarchäologie in Theorie und Praxis

STANDORT Die Abteilung Istanbul – Von den ältesten bis zu den jüngsten Zeiten…

PANORAMA

Wissenschaftlich publizieren – Print. Online. Open Access IMPRESSUM

TITELTHEMA

WIDERSTEHEN

Reaktionen auf Krisen in frühen Kulturen

FOKUS

DAS DAI IM CORONA-MODUS

Zusammen Krisen bewältigen

CULTURAL HERITAGE

GEMEINSAM.KULTURGUT.RETTEN

Ein Standpunkt von Friederike Fless und Katja Piesker

LANDSCHAFT

SEHNSUCHTSORTE

Gärten und gestaltete Natur

PANORAMA

WISSENSCHAFTLICH PUBLIZIEREN

Print. Online. Open Access

10

28 40

74 20

ALLTAG ARCHÄOLOGIE

WAS MACHT EIGENTLICH EIN GRABUNGSTECHNIKER?

Feldarchäologie in Theorie und Praxis

4 10

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38

40 48 52 58 62

68 74

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Am 4. August kam es im Hafen von Beirut zu einer verheerenden Explosion, die mehrere Hundert Menschen tötete, Tausende ver- letzte und massive Schäden in weiten Teilen der Stadt verursachte.

Als Teil internationaler Hilfseinsätze ist auch ein Team des Tech- nischen Hilfswerks (THW) aufgebrochen, um vor Ort Unter- stützung zu leisten. Begleitet wurde das THW-Team von einem Kulturgutschutz-Experten. Christoph Rogalla von Bieberstein koordiniert am Deutschen Archäologischen Institut das Projekt KulturGutRetter, das Rettungsmodule und Mechanismen zur schnellen Hilfe für den Schutz und Erhalt von Kulturgütern in Krisensituationen entwickelt. An dem Projekt beteiligt sich ne- ben dem DAI das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz (RGZM) und perspektivisch auch das THW. Bei dem Einsatz ging es darum, die Kolleginnen und Kollegen in den lokalen Museen konkret bei der Sichtung der Schäden zu unterstützen und erste Maßnahmen zum Schutz umzusetzen.

Zusätzlich entsandte die Orient-Abteilung des DAI in Absprache mit ICOMOS Lebanon und dortiger Antikenverwaltung umge- hend den Statiker Axel Seemann (Mitglied des Baudenkmalaus- schusses des DAI) sowie den ortskundigen Architekten Henning Burwitz, um bei der Evaluation der Schäden an denkmalgeschütz- ten Gebäuden und an den Ausgrabungsstätten im Stadtgebiet zu helfen.

Das Deutsche Archäologische Institut kooperiert seit langem in wissenschaftlichen Projekten mit dem Libanon und ist den liba- nesischen Institutionen sowie den Kolleginnen und Kollegen vor Ort eng verbunden. Die Forschungen konzentrieren sich auf das 80 Kilometer von Beirut entfernte Baalbek, wo Vorderasiatische und Klassische Archäologen, Bauhistoriker, Geodäten, Geologen und Geophysiker auf internationaler Ebene zusammen an der Erforschung der antiken Stadt arbeiten.

EXPONATE AUS DER REICHEN ARCHÄOLOGISCHEN GESCHICHTE DES LIBANON WERDEN IM NATIONAL- MUSEUM VON BEIRUT AUFBEWAHRT. Die Sammlung – hier ein Bild aus dem Jahr 2010 – beinhaltet Objekte von der Steinzeit bis zur Osmanischen Zeit. Foto: picture alliance / imageBROKER | Egmont Strigl

NACHRICHTEN

Kulturgutschutz-Experte des DAI begleitet THW-Team nach Beirut

Arabische Übersetzung Handbuch Bauaufnahme und „Sicherheitsleitfaden Kulturgut – SiLK“

Im August stellten das Archaeological Heritage Network (ArcHer- Net) und das Architekturreferat des DAI gemeinsam die mithilfe der Förderung des Auswärtigen Amts gerade erschienene ara- bische Übersetzung des an der TU München erarbeiteten Hand- buchs der Bauaufnahme vor. In einer Online-Diskussionsrunde sprachen Prof. Dr. Alexander von Kienlin und Dipl.-Ing. Tobias Busen von der TU München mit Dr. Dr. hc. Margarete van Ess und Dr.-Ing. Ulrike Siegel, die am DAI das Weiterbildungsformat IGEF- CH durchführen, sowie Wassim Alrez (DAI), der das Handbuch ins Arabische übertragen hat, über die Möglichkeiten, die Methodik der Bauforschung aus der Ferne und in der Ferne zu vermitteln.

Wichtiger Baustein dabei ist das 2015 unter der Federführung von Prof. Dr.-Ing. Manfred Schuller erstmals erschienene Handbuch, das schrittweise und mit illustrierten Anleitungen einen kompak- ten Einstieg ins Thema bietet. Für die Übertragung ins Arabische wurden die Arbeitsbeispiele und Fachbegriffe zum Teil an die spe- zifischen Gegebenheiten angepasst.

Das Handbuch in arabischer Übersetzung ist online unter https://www.ub.tum.de/tumuniversitypress/titel/bauaufnahme- arabische-ausgabe und als print on demand bei der TUM.Univer- sity Press erhältlich.

Bereits im Juli wurde im Rahmen der virtuellen Veranstaltung

„Gemeinsam.Kulturgut.Retten“ nach Grußworten der Staats- ministerin für internationale Kulturpolitik des Auswärtigen Amts, Michelle Müntefering MdB, des Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, und des Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Dr. Matthias Kleiner, die arabische Übersetzung des „Sicherheitsleitfadens Kulturgut - SiLK“ präsentiert.

SiLK ist ein Projekt der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen (KNK) mit Förderung des Bundesamts für Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz. Der zunächst für Deutschland entwickelte Sicherheitsleitfaden unterstützt Museen, Bibliotheken und Archi- ve dabei, ihre Einrichtung im Bereich Sicherheit zu überprüfen. Er dient als Evaluations- und Beratungsinstrument, um Risiken ein-

Informationen zu kommenden Veranstaltungen des

Archaeological Heritage Network: https://www.archernet.org/

Sicherheitsleitfaden Kulturgut – SiLK – Zugang in Deutsch, Englisch und Arabisch:

http://www.konferenz-kultur.de/SLF/index1.php

Screenshot:

Boecker Foto: Mühlhaus/

TU München;

Grafik: Denkinger

KulturGutRetter ist eine Initiative des Archaeological Heritage Network im Rahmen des Projekts „Stunde Null“.

Mehr dazu lesen Sie auf S. 26.

Die Aufgaben und Ziele der

KulturGutRetter stellte Christoph Rogalla von Bieberstein bei der Online-Veranstaltung „Gemeinsam.Kulturgut.Retten“ mit Staatsministerin Michelle Müntefering im Juli 2020 vor.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung und weitere Informationen zum Projekt sind auf den Seiten des Archaeological Heritage Network verfügbar:

https://www.archernet.org/2020/07/14/virtuelle- veranstaltung-gemeinsam-kulturgut-retten-mit- staatsministerin-michelle-muentefering-mdb/

zuschätzen und präventiv Katastrophen zu verhindern. Er bietet Anschauungsmaterial (z. B. Notfallpläne) und führt thematisch ge- gliedert weiterführende Informationen u. a. zu Fachpublikationen, Gesetzen und Richtlinien sowie eine Linksammlung auf.

Die arabische Übersetzung entstand in Kooperation mit dem Archaeological Heritage Network und dem DAI mit Mitteln des Auswärtigen Amts und soll das Angebot auch dem arabisch- sprachigen Kulturraum erschließen.

Die Veranstaltungen bilden den Auftakt zu einer Reihe von On- line-Diskussionen des Archaeological Heritage Network zu Aspek- ten des Capacity Building, das durch die Corona-Pandemie vor besonderen Herausforderungen steht. Präsentiert und diskutiert werden sollen gemeinsam mit Partnern des ArcHerNet Fragen der Vermittlung online, hands on und zum Zusammenspiel von Fernlehre und Lehre in der Ferne.

NACHRICHTEN

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Am 27. und 28. Februar 2020 besuchte Bundespräsident Dr. Frank- Walter Steinmeier den Sudan. Dabei besichtigte er das National- museum in Khartum und informierte sich über den langjährigen deutschen Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Landes.

Unter anderem stellte das Deutsche Archäologische Institut vier seiner aktuellen Projekte vor. Im Beisein des Bundespräsidenten wurde auch eine digitale Kopie des Friedrich-Hinkel-Forschungs- archivs an die National Corporation for Antiquities and Museums (NCAM) des Sudan übergeben. Das Archiv bildet den Grund- stock für ein dringend benötigtes nationales Denkmalregister des Sudan.

Dank der großzügigen Förderung durch das Qatar Sudan Ar- chaeological Project (QSAP) und des Auswärtigen Amts war es möglich, das wertvolle Archiv des deutschen Sudanforschers Dr.  Friedrich W. Hinkel zu erschließen. Sein wissenschaftlicher Nachlass zur Archäologie und Baugeschichte des antiken Sudan

ist über nahezu 50 Jahre gewachsen – von 1960 bis zu seinem Tod im Jahre 2007 – und bildet seine Forschungen sowie Arbeiten zum Kulturerhalt des Landes ab. 2009 wurde das Material an das Deutsche Archäologische Institut übergeben. In Kooperation mit der NCAM und dem CoDArchLab der Universität zu Köln wurden 34.000 Fotografien, 12.000 Diapositive, über 500 topographische Karten, 4000 Zeichnungen, 20.000 Karteikarten sowie 288 wis- senschaftliche Materialsammlungen digitalisiert und der wissen- schaftlichen Öffentlichkeit im Rahmen der iDAI.world online zu- gänglich gemacht.

Der erste Besuch eines Bundespräsidenten im Sudan seit 1985 ist ein Zeichen der Solidarität und Unterstützung für die weitere Transformation des Landes.

VOM

SCHERBENPUZZLE ...

NACHRICHTEN

Digitales Forschungsarchiv zum antiken Sudan im Beisein von Bundespräsident Steinmeier in Khartum übergeben

FRIEDRICH W. HINKEL (1925–2007) forschte über 40 Jahre im Sudan und trug mehr als 70.000 Fotos, Karten und Dokumente von archäologischen Stätten im Sudan zusammen. Sein Archiv ist das größte privat-akkumulierte Forschungsarchiv mit dem Fokus auf den Kulturgütern des antiken und historischen Sudan.

Weitere Informationen zum Friedrich-Hinkel-Forschungsarchiv:

https://arachne.dainst.org/project/hinkel Foto: D-DAI-Z-Arch-FWH-F-KB-sw-365-67

SAMI MOHAMED ELAMIN ABBAS (National Corporation for Antiquities and Museums, 3. v. li.), BUNDESPRÄ- SIDENT FRANK-WALTER STEINMEIER und ARCHERNET-KOORDINATORIN ALEXANDRA RIEDEL bei der Übergabe des Forschungsarchivs.

Foto: Wolf

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Dieser Pferdekopf aus Terrakotta bekrönte als sogenannter Akroter vor über 2500 Jahren den Südtempel von Kalapodi in Griechenland.

Die Abteilung Athen des DAI gräbt seit 1974 in Kalapodi. Dabei wurden zwei nebeneinander gelegene Tempelanlagen freige- legt. Der südliche Tempel weist mehrere Bauphasen auf, die eine kultische Nutzung seit mykenischer Zeit belegen. Von der älteren Forschung wurde Artemis als die im Heiligtum verehr- te Hauptgottheit vermutet. Neuere Forschungen lassen jedoch vermuten, dass hier Apollon verehrt wurde.

480 v. Chr. wurde der Südtempel durch die Perser zerstört. Dabei gelangte auch der Pferdekopf in den Boden. Seine herkömmli- che Rekonstruktion stellte sich als schwierig heraus, da große

Partien fehlten. Deswegen digitalisierte der wissenschaft- licher Illustrator Oliver Bruderer die vorhandenen Fragmente per Structure-from- Motion-Verfahren und setzte sie virtuell zusammen.

Mitunter minimale Reste von Farbspuren gaben Hinweise auf die Orientierung der einzelnen Teile im antiken „3D-Puzzle“. Die fehlenden Partien wurden digital ergänzt und mit Hilfe archäo- logischer Expertise nach dem Vorbild zeitgenössischer Darstel- lungen gestaltet.

Das Ergebnis zeigt den Pferdekopfakroter, wie ihn die antiken Tempelbesucher in Kalapodi gesehen haben könnten.

NACHRICHTEN

... ZUM PFERDEKOPF

Virtuell zusammengesetzt und ergänzt zeigt die 3D-Rekonstruktion von Oliver Bruderer einen fein gearbeiteten Pferdekopf.

Vor etwa zwei Jahrtausenden war die antike Hafenstadt Caesarea Mauretaniae, gelegen an der Nordküste des heutigen Algeriens, 65 Jahre lang Residenzstadt der mauretanischen Könige. Das Nationalmuseum von Cherchell birgt Funde höchster Qualität aus dieser Blütephase der Stadt sowie aus den folgenden Jahr- hunderten unter römischer Herrschaft. Dieser Bestand ist in Nord- afrika einzigartig. Die Funde sind, u. a. durch zwei Erdbeben in den 1980er-Jahren, schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Seit 2008 engagiert sich das Deutsche Archäologische Institut mit Mitteln aus dem Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts bei der Neueinrichtung des Museums. Das Projekt erfolgt in enger Kooperation zwischen dem Archäologischen National- museum von Cherchell, dem Kulturministerium in Algier sowie der Abteilung Rom des DAI. Ziel des Projekts ist die Fertigstellung der gesamten permanenten Ausstellung des Museums. Neben der Restaurierung von Skulpturen in Zusammenarbeit mit algeri- schen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgte auch deren erd- bebensichere Neuaufstellung. Das Projekt soll das Interesse der

Ortsansässigen für ihr Museum nachhaltig steigern, gleichzeitig aber auch zu einer höheren Frequentierung des Museums selbst wie auch seiner Internetpräsenz beitragen.

Um Kompetenzen vor Ort zu stärken, werden regionale Fachleu- te auf dem Feld der Statuen-Restaurierung und -Sockelung wie auch im Bereich Museumspädagogik weitergebildet und Studie- rende in die Neu-Organisation der Ausstellung einbezogen. Die Beschriftungen der Museumsräume sowie sämtlicher Objekte er- folgte in französischer und arabischer Sprache. Weitere Sprachen sollen per QR-Code abrufbar gemacht werden. Zusätzlich zum klassischen Ausstellungskonzept ist das Museum auch virtuell be- suchbar. In die Entwicklung des Konzepts, das in Kooperation mit dem Industriemuseum Lauf entstanden ist, wurden Fragen, Anre- gungen und Wünsche der Bevölkerung Cherchells aufgenommen.

Ziel ist es, das Bewusstsein für die archäologischen Exponate und ihre historischen und kulturgeschichtlichen Bedeutung als kultu- relles Erbe Algeriens zu stärken.

Seit Beginn der 1980er-Jahre hat die Archäologin Christa van Hees-Landwehr in Verbindung mit dem DAI die antiken Skulp- turen von Caesarea Mauretaniae dokumentiert, wissenschaft- lich bearbeitet und veröffentlicht. Sie hat sich maßgeblich für die Neueinrichtung des Museums eingesetzt. Nach ihrem Tod im Jahr 2012 hat Ulla Kreilinger die Koordination des Projekts vor Ort übernommen.

Einblick in das Museum bietet das virtuelle 3D-Modell:

https://skfb.ly/6u79y

Weitere Informationen: http://www.musee-cherchell.dz/

Neueinrichtung des Nationalmuseums Cherchell (Algerien)

BLICK IN DIE FERTIGGESTELLTE NORD- GALERIE DES MUSEUMS. Foto: Kreilinger

DAMALS UND HEUTE: Aufnahme der Ostgalerie des Museums aus den 1930er- Jahren. Foto: picture alliance / arkivi

DER HAUPTEINGANG DES MUSEUMS. Foto: Kreilinger

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FOKUS

FOKUS

DAS DAI IM CORONA-MODUS

Zusammen Krisen bewältigen

ie Corona-Pandemie zwingt uns alle dazu, umzudenken und neue Wege und Formen des Arbeitens,

Forschens und Kommunizierens zu finden. Auch wenn die Möglichkeit, Grabungen und Feldprojekte durch- zuführen, stark eingeschränkt ist, und die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DAI im Homeoffice

arbeiten, so heißt das nicht, dass sie nicht weiter forschen.

ARCHÄOLOGIE WELTWEIT hat Stimmen von Beschäftigten des DAI gesammelt, die berichten, wie sie an verschiedenen Standorten des Instituts

die Situation der letzten Monate erlebt haben und was sie für die kommende Zeit planen.

D

DIE GRABUNG DAHSCHUR (ÄGYPTEN) IM LOCKDOWN.

Zum Schutz wurde der Grabungsschnitt verfüllt.

Foto: Eller

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Aufgrund der Corona-Krise mussten im Frühjahr die weltweiten DAI-Standorte für den Publikumsverkehr geschlossen werden.

Der digitale Newsroom #DAI4all (https://www.dainst.blog/DAI 4all/) informiert über die aktuelle Situation an den verschiedenen Standorten des DAI und berichtet, welche neuen Ansätze und For- mate unter den neuen Bedingungen entstehen. Vieles wurde in die virtuelle Welt verlagert: Das DAI hat Online-Events, Web-Semi- nare sowie digitale Fernpraktika durchgeführt und den Austausch der Beschäftigten auf eine eigene Videokonferenzplattform ver- lagert.

DER UMZUG IN DIE VIRTUELLE WELT

Die Schließung der Standorte betrifft besonders die physischen Infrastrukturen wie Bibliotheken und Archive, die weltweit von vielen Forscherinnen und Forschern genutzt werden. Dank der iDAI.welt (https://idai.world/), dem Portal für digitales archäo- logisches Wissen, das seit 2019 online ist, kann das DAI in die- ser Situation einen großen Teil seiner Ressourcen bereits open access und vernetzt zur Verfügung stellen und wichtige Tools

FOKUS

(https://www.dainst.blog/DAI4all/elibrary/)  ins Leben gerufen.

Die Liste umfasst eine Vielzahl von Open-Access-Quellen und temporär freigeschaltete Ressourcen aus dem Bereich der Archäo- logie und Altertumswissenschaften, die ohne finanzielle oder lizenzrechtliche Hürden abrufbar sind. Die Auflistung ist mehr- sprachig und wird ständig erweitert.

E-Learning-Formate wie die iDAI.tutorials (https://tutorials.

idai.world/) bieten Kurse zur archäologischen Feldarbeit, zum Kulturerhalt oder Museumsmanagement an. Die Tutorials sind und Tutorials anbieten. Darüber hinaus werden die Angebote

der DAI E-Ressourcen ständig vergrößert:

https://www.dainst.blog/DAI4all/dai-e-ressourcen/

Die DAI-Bibliotheken stellen fast eine Million Bücher zu verschie- denen thematischen Schwerpunkten zur Verfügung. Neben den physischen Bänden halten sie auch zahlreiche elektronische Medien wie  E-Books und E-Journals bereit. Als besonderen Ser- vice in der aktuellen Situation haben die Bibliotheken für die internationale Wissenschaftscommunity die eLibrary-Serviceliste PROF. DR. DIRCE MARZOLI leitet die ABTEILUNG MADRID des DAI.

Um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, schloss sie den Standort wenige Tage, bevor Mitte März in Spanien der offi- zielle Lockdown begann, der über drei Monate andauerte:

„Spanien war im Notzustand und in Madrid war die Situation beson- ders verheerend. Im Land erkrankten über 200.000 Menschen am Virus, über 25.000 starben. Im Homeoffice haben wir trotz der großen Belastung improvisierte Wege der Zusammenarbeit, der Kommuni- kation, der Solidarität und der Disziplin gefunden. Über Videokon- ferenzen trafen wir uns täglich. Vorstellungsgespräche haben wir erstmalig im DAI virtuell durchgeführt. Eine Veranstaltung für Nach- wuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen, die für Ende März geplant war, wurde mithilfe der spanischen Kooperationspartner kurzfristig in ein virtuelles Format umgewandelt. Doch wird die virtu- elle Welt die physische nie ersetzen können!

Die Aufarbeitungskampagne in Valencina de la Concepción (Sevilla) mussten wir schlagartig unterbrechen, die Kampagne in Munigua (Sevilla) aufschieben. Aber Archäologen mit Felderfahrung sind flexi- bel, meist unprätentiös und erfindungsreich. Diese Eigenschaften ha- ben uns in den bedrückenden Zeiten geholfen. Wir haben Publikatio- nen vorbereitet und Bibliotheks- sowie Archivarbeiten durchgeführt.

Doch für die Öffentlichkeit sind die Bibliothek und das Archiv weiter geschlossen und damit ihrer Essenz beraubt.

Ich danke dem Madrider Team für seinen Einsatz, der Zentrale des DAI für mannigfache Hilfe, der deutschen Botschaft in Madrid für wichtigen Rat, aber der größte Dank gebührt unserer Präsidentin für die besondere Unterstützung in diesen schwierigen Zeiten, … die noch nicht vorüber sind.“

MIT DER VORTRAGSREIHE

„JUEVES FENICIO-PÚNICOS“

startete die Madrider Abteilung gemeinsam mit Madrider Universität Autó- noma und der Universität Complutense die Online- Veranstaltungen des DAI in der COVID-Zeit.

Screenshot: Marzoli DIE ABTEILUNG MADRID, hier María Dolores Pro, nutzt die Zeit der Bibliothekschlie- ßung, um u.a. Buchbinde- arbeiten durchführen zu lassen. Foto: M. Latova

Fern und doch nah dran!

FABIOLA HEYNEN hat als eine der ers- ten FERNPRAKTIKANTINNEN DES DAI über sechs Wochen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Instituts ken- nengelernt:

„Jede Woche gab es für uns Kurse zu verschiedensten Themen aus dem Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Immer als Video- konferenz, denn so konnten nicht nur die Referentinnen und Referen- ten in ganz Deutschland verteilt sein, sondern auch wir Studierenden.

In den Kurseinheiten haben wir unter anderem die Geschichte des DAI kennengelernt und hatten hier die Chance, uns mit Präsidentin Friederike Fless persönlich auszutauschen. Und wir konnten von ein-

schlägigen Expertinnen und Experten aus dem Wissenschaftsjour- nalismus und der Wissenschaftskommunikation lernen.

Dazu kamen Arbeitsaufträge, wie das Erstellen von Blog- und Social- Media-Posts oder langfristige Projekte, zum Beispiel eine Newsletter- Konzeption.

Perfekt war die hohe Flexibilität, da wir unsere Zeit selbst managen konnten. In der einen Woche konnte ich vom Schreibtisch in Wien an einer Website designen, und in der Woche darauf vom Sofa in Köln Bilder kuratieren.

Sechs Wochen Praktikum waren für mich die ideale Weiterbildungs- möglichkeit in einer Zeit, in der das Studieren dank Corona manch- mal schwierig war. Und Kontakte zu anderen jungen Archäologinnen und Archäologen habe ich auch knüpfen können, ganz kontaktlos natürlich.“

Der Bauforscher DR. MORITZ KINZEL wurde im Frühjahr zum Zweiten Direktor der ABTEILUNG ISTANBUL gewählt. Er berichtet aus dem Homeoffice in Kopenhagen:

„16:00 Uhr – Istanbuler Zeit – auf dem Bildschirm flackern die kleinen Bilder aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf – die tägliche Tee- Dienstbesprechung der Abteilung Istanbul… Seit Beginn der Corona- Krise und dem Beschluss, die Beschäftigten ab März ins Homeoffice zu schicken, haben wir die tägliche Besprechung beibehalten. Sie hat uns allen dabei geholfen, eine Struktur in den ansonsten so eigen- artig zeitlosen Mobilarbeitsalltag zu bringen. Die Verkürzung der Distanzen von Schlafen, Essen und Arbeiten auf ein Minimum hat den Charme eines Klosteraufenthaltes – ohne den Aspekt der inneren Einkehr, da um einen das Familienleben herumwirbelt. Anstelle von persönlichen Gesprächen nur digitale Kommunikation. Die Nutzung der vielfältigen Online-Werkzeuge zeigt dabei durchaus, dass auch in Zukunft auf manche Dienstreise verzichtet werden könnte, aber ebenso, wie wichtig tatsächlich der persönliche Austausch für ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis und Miteinander ist. Mein Einstieg als Zweiter Direktor hätte nicht unwirklicher sein können. So musste auch meine Familie sich damit arrangieren, dass es statt des Blicks auf den Bosporus, vorerst der Blick auf den Öresund im hellen Licht des nordischen Sommers bleiben würde.

Die von der Abteilung geplanten Frühjahrsführungen, fachwissen- schaftlichen Kurse, Workshops und Konferenzteilnahmen mussten abgesagt werden. Alternativ haben wir kurzfristig abteilungsinterne Fotoarchive mit Bildbeständen aus Syrien digitalisiert und aufge- arbeitet. Im Rahmen des Projekts ‚Stewards of Cultural Heritage‘

wurden dann diese Bildbestände um Geschichten und Erinnerungen von syrischen Flüchtlingen in der Türkei ergänzt. Ebenso wurden die Online-Seminare ‚Discovering Greek & Roman Cities‘ des Instituts für Klassische Archäologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel auf Initiative unserer Abteilung sowie der Archäologischen Abteilung der Celal Bayar Üniversitesi (Manisa) ins Türkische übertragen. All diese Projekte konnten bislang erstaunlich gut im digitalen Arbeitsleben umgesetzt werden. Ich freue mich aber sehr darauf, wenn es mög- lichst bald wieder einen realen Çay bei uns an der Abteilung geben könnte.“

Foto: A. Kinzel

Foto: privat 1995 nahm die EURASIEN-ABTEILUNG

des Deutschen Archäologischen Insti- tuts ihre Arbeit auf. Aufgrund der ak- tuellen Lage musste die Feier des 25-jährigen Jubiläums auf 2021 verschoben werden, wie KATRIN BASTERT-LAMPRICHS berichtet:

„25 Jahre erfolgreiche Arbeit, wenn das kein Grund zum Feiern ist – oder besser: gewesen wäre. Unsere Planungen für das Jubiläumsjahr waren abgeschlossen. Durch die coronabedingten Einschränkungen musste vieles abgesagt, verschoben oder in die digitale Welt verlagert werden. So wurden aus Aufklebern Schutzmasken mit Jubiläums- logo. Die Broschüre „25 Jahre Eurasien-Abteilung“ muss im Home- office fertiggestellt werden. Die für dieses Jahr geplante internatio-

nale Konferenz muss ins nächste Jahr verschoben werden. An ihre Stelle tritt bis dahin eine digitale Vortragsreihe, in der die Beschäf- tigten der Abteilung wöchentlich über ihre aktuellen Forschungen sprechen. Ein Blog stellt ergänzend jede Woche zwei besondere Funde oder Fundplätze der Abteilung

vor und vervollständigt so das digitale Angebot im Rahmen der Feierlichkei- ten. Wir hoffen aber, alle Kollegen und die Freunde der Abteilung im Sommer 2021 bei der geplanten Konferenz be- grüßen zu können.“

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kostenfrei und in mehreren Sprachen verfügbar. In Kooperation mit internationalen Partnern produziert das DAI auch MOOCs (Massive Open Online Courses), darunter „ONLAAH online: Learn- ing on African Archaeology and Heritage“ mit dem Blick auf afrika- nische Archäologie und afrikanisches Kulturerbe.

Die Tutorials und MOOCs stehen Archäologie-Interessierten zur ei- genen Weiterbildung zur Verfügung. Um Studierende der archäo- logischen Fächer in dieser für sie schwierigen Zeit zu unterstützen, hat das DAI außerdem erstmalig Fernpraktika zu verschiedenen Themenbereichen angeboten, die sehr gut angenommen worden sind. Die Studierenden lernten das Forschungsdatenmanagement, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die wissenschaftlichen Archive des DAI kennen oder arbeiteten an einem webbasierten Geoinformationssystem zur Topographie Pergamons mit. Ange- leitet wurden sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DAI sowie von externen Fachleuten. Mit großem Engagement unter-

WAS MACHEN ARCHÄOLOGINNEN UND ARCHÄOLOGEN, WENN SIE NICHT GRABEN KÖNNEN?

Laufende Grabungen, die abgebrochen, Feldforschungsprojekte, die verschoben werden mussten. Die Corona-Krise brachte gro- ße Einschnitte für die Arbeit der Forscherinnen und Forscher des DAI mit sich. In vielen Bereichen ließen sich pragmatisch gute Lösungen finden. Ohnehin geht archäologische Arbeit viel Zeit am heimischen Schreibtisch oder in der Bibliothek einher, um Grabungsbefunde und -funde auszuwerten und die Ergebnisse zu veröffentlichen.

Mayke Wagner, Wissenschaftliche Direktorin der Eurasien-Abtei- lung und Leiterin der Außenstelle Peking, hatte gemeinsam mit dem Palastmuseum Peking und der TU Berlin eine Sommerschule zur Bauforschung geplant. „Dass unser Kooperationsprojekt zur Weiterbildung von jungen Bauforscherinnen und Bauforschern in diesem Jahr nicht stattfinden kann, ist äußerst schade. Um den Kontakt zu unseren Partnern zu halten, weichen wir ins Digi- tale aus und bereiten eine Ausstellung zum Thema „Europäisch- Chinesische Technikgeschichte im Vergleich, hier: Vergleich der Holzbautechniken“ vor. Diese soll zunächst digital sein und aus stützten die Praktikantinnen und Praktikanten auch den Beitrag

des DAI zur virtuellen Langen Nacht der Ideen des Auswärtigen Amtes, für die sie interaktive Vermittlungskonzepte zur Geschich- te der Archäologie entwickelten.

Bei der Langen Nacht der Ideen, die in diesem Jahr zum ersten Mal virtuell stattfand, stellte das DAI außerdem sein „Ground Check“-Programm mit dem Schwerpunkt ‚Archäologie und Klima‘

vor. Unter dem Motto „Archäologie der Zukunft für eine Zukunft der Kulturen“ sprach die Präsidentin des Instituts mit den Direk- torinnen und Direktoren verschiedener Standorte in Form einer digitalen Podiumsdiskussion über „Krisen in der Antike – Bewäl- tigung, Resilienz und ‚neue Normalität‘“. Beide Programmpunkte stehen, wie auch virtuelle Touren durch die digitale Welt des DAI, weiterhin online zur Verfügung:

https://www.dainst.blog/lange-nacht-der-ideen/videos/

3D-Rekonstruktionen von Holzbauwerken bestehen“, erzählt sie.

„Hier in Berlin konnten wir Anfang Februar noch unser Ground- check-Projekt mit dem internationalen Workshop „Archaeology in East Asia: Bridge Building to Natural Sciences” anschieben. Nur unser Kollege Professor Long aus Ningbo (China) fehlte, er durfte zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr reisen, aber unsere Partner aus Japan, Taiwan und Russland durften kommen. Das Treffen diente auch dazu, Feldforschung zu planen. Das haben wir auch gemacht, aber schon mit flexiblen Zeithorizonten und Plan B für dieses Jahr. Aufbauend auf Vorarbeiten und Beprobungen im ver- gangenen Jahr konnten wir uns deshalb auf Laborarbeiten und die Auswertung der Proben in Berlin verlegen.“

Mehr zum Projekt Groundcheck in Nordostasien: Wandel von Klima und Ernährungskulturen seit der letzten Eiszeit:

https://www.dainst.blog/bridging-eurasia/groundcheck- in-nordostasien-wandel-von-klima-und-

ernaehrungskulturen-seit-der-letzten-eiszeit/

FOKUS

VIRTUELLE LANGE NACHT DER IDEEN 2020 – Unter dem Motto „Archäologie der Zukunft für eine Zukunft der Kulturen“ beteiligte sich das DAI am 19. Juni an der Aktion des Auswärtigen Amtes. Dr. Jörg Linstädter, Zweiter Direktor der KAAK, sprach über „Archäologie & Klima – Das

‚Ground Check‘-Programm des DAI im Jahr 2020“. Screenshot: Boecker

Der Vortrag ist online abrufbar:

https://www.dainst.blog/lange-nacht-der- ideen/videos/

DR. DR. H.C. MARGARETE VAN ESS ist Wissenschaftliche Direktorin der ORIENT-ABTEILUNG. Sie leitet die Außenstelle Bagdad und die Ausgra- bungen in Uruk/Warka.

„Der Lockdown Mitte März unterbrach mehrere Forschungsaufent- halte im Orient. Ohnehin krisenerprobt, bestehen seit Langem digita- le Kommunikationswege zu den Arbeitskollegen in den Gastländern.

Die Organisation des persönlichen Lebens während des Lockdowns war in vielen Ländern schwieriger als in Deutschland. Abends je- doch besteht trotz häufiger Stromausfälle und Unwägbarkeiten des Internets reger inhaltlicher Austausch über die gemeinsamen Pro-

jekte. Regelmäßige Veranstaltungen mit vielen Personen lassen sich so nur bedingt organisieren, die individuelle Arbeit aber geht voran, beschränkt sich jedoch auf die Arbeit am Computer. Die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter der Orient-Abteilung sind privilegiert, haben doch fast alle Projekt-Laptops und ungehinderten Zugang zu den Servern des DAI. Es bedurfte lediglich der Unterstützung durch die engagierte IT-Abteilung des DAI, und der Bibliothekarin, die pragma- tisch die Versorgung mit Literatur sicherstellte. Dem wissenschaft- lichen Arbeiten im Homeoffice, Videokonferenzen, Vorträgen und Podcasts sind so fast keine Grenzen gesetzt. Wir vermissen jedoch die praktische Arbeit, die Feldforschung und den direkten Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen sowie lokalen Freunden.“

PROF. DR. BURKHARD VOGT

ist Erster Direktor der KOMMISSION FÜR ARCHÄOLOGIE AUSSER- EUROPÄISCHER KULTUREN (KAAK) in Bonn. Er und die Beschäf- tigten der KAAK forschen in den Ländern Asiens, Afrikas, Latein- amerikas und Ozeaniens.

„Die KAAK ist als weltweit tätige Institution von den Auswirkungen der Corona-Pandemie in vielfältiger Weise betroffen. Eigentlich sind immer eine oder mehrere Expeditionen in Übersee. Ein Gra- bungsteam war in Honduras im Einsatz, weitere Mitarbeiter auf der Osterinsel (Chile) und in Ägypten. Bisweilen ist nicht auszuschließen, dass die Einschätzung derartiger Gefährdungssituationen durch die Behörden der Gastländer wider Erwarten sehr positiv ausfällt. Die Entscheidung, laufende Forschungsunternehmungen abzubrechen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurzfristig zurückzuholen, musste deshalb von uns getroffen werden, was sich organisatorisch nicht leicht gestaltete. Es zeigte sich, dass die Übermittlung von In- formationen teilweise problematisch war, Angaben etwa zu noch bestehenden Flugverbindungen unzuverlässig waren oder sich Flug-

linien bei der Vermittlung von Rückflügen bisweilen wenig kooperativ verhielten. Wenn man in Ländern arbeitet, in denen die Gesundheits- systeme nicht sehr hoch entwickelt sind, dann musste es uns auch ein Anliegen sein, entsprechende lokale Kapazitäten nicht noch zusätz- lich zu belasten. Tatsächlich sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter gesund nach Hause zurückgekehrt. Unsere Kooperationspartner haben für unsere Entscheidung sehr viel Verständnis aufgebracht.

Danach unterlagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KAAK dem Lockdown. Dazu wurde zunächst – auch auf Veranlassung des Bundeslandes NRW und der Stadt Bonn – das Dienstgebäude für die Öffentlichkeit und für die Belegschaft geschlossen. Lediglich der Ver- waltungsleiter war als Anlaufstelle anwesend. Seitdem arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Homeoffice und wid- men sich dabei vor allem der Publikation von Forschungsergebnissen und verschiedenen Archivierungsarbeiten. Gelegentlich nehmen wir aktiv an Videokonferenzen teil und versuchen, soweit es die aktuellen Kapazitäten in unseren Gastländern erlauben, den Kontakt zu unse- ren Kooperationspartnern aufrechtzuerhalten.“

NATHALIE WEILBÄCHER

studiert Klassische Archäologie an der FU Berlin. Sie hat im Frühjahr ein FERNPRAKTIKUM ZUM FORSCHUNGS- DATENMANAGEMENT am DAI absol- viert. Die Fernpraktika sind ein neuer Ansatz der Nachwuchsförderung, sie wurden speziell mit Blick auf die durch die Corona-Einschränkun- gen für viele Studierende schwierige Situation konzipiert:

„Das Medium Fernpraktikum war mir noch unbekannt, als das Deutsche Archäologische Institut uns Studierenden ein solches er- möglichte, um trotz Corona-Krise praktische Erfahrungen in einem neuen Feld zu sammeln. Das sechswöchige Programm im Bereich

Forschungsdatenmanagement bestand aus Online-Kurseinheiten sowie Aufgaben, die eigenständig bearbeitet werden sollten. Zu die- sen individuellen Arbeitspaketen gehörte das Interpretieren sowie Digitalisieren von Grabungsdokumenten der vergangenen Ausgra- bungen in Kalapodi (Griechenland). Als großen Vorteil dieses Fern- praktikums betrachte ich die Möglichkeit, dass wir intensive Einblicke in die verschiedenen Bereiche des Forschungsdatenmanagements des DAI erhalten konnten und dies sogar von verschiedenen Stand- orten aus (Berlin, Athen). Die selbstständige Einteilung der Arbeits- zeit führte zu effektiven Arbeitsprozessen. Das Zusammenspiel aus Lehreinheiten und eigenständiger Umsetzung harmonierte, so dass erfolgreich fundiertes Wissen vermittelt wurde und von nun an an- gewendet werden kann.“

Foto: privat

Foto: Wagner

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VIRTUELLER EINBLICK in die Archive und die Geschichte des DAI – Die Praktikantinnen und Praktikanten der Abteilung Athen im wöchentlichen Gespräch. Screenshot: Sporn

DIE ABTEILUNG ATHEN konnte die Grabung in Kalapodi in Mittel- griechenland im Sommer 2020 wiedereröffnen. Foto: Sporn

telefonisch oder über Videokonferenzen ab. Nachdem das DAI schnell eine eigene Plattform für Videokonferenzen aufgesetzt hatte, funktionierte auch hier die Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen in Griechenland und in Deutschland sehr gut.

Um Praktikanten eine Möglichkeit zu geben, trotz der schwierigen Situation einen Einblick in unsere Tätigkeit zu bekommen und auch in ihrer Phase des Rückzugs in die eigenen vier Wände eine Beschäf- tigung zu haben, haben wir ein Fernpraktikum zum Archiv und der Institutsgeschichte aufgelegt. Die zehn Teilnehmerinnen und Teilneh- mer haben verschiedene Arbeitspakete erarbeitet und den Fortschritt in wöchentlichen Sprechstunden mit den Organisatoren der Abtei- lung zur Diskussion gestellt. Ich freue mich, von den Teilnehmern sehr positive Rückmeldungen zu bekommen! Ferner wurde eine Reihe von Videoaufzeichnungen von Vorträgen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abteilung über die digitalen Medien der breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Nachdem Archäologen ja nicht nur graben, konnten viele Forsche- rinnen und Forscher der Abteilung Athen die Zeit nutzen, um an Forschungsprojekten und deren Publikation weiterzuarbeiten, die Konzentration und Ruhe erfordern. Gleichzeitig wurde aber auch an Drittmittelanträgen gearbeitet und im Allgemeinen war sehr viel mit der Organisation des Krisenmanagements zu tun.“

„Der Abbruch der Feldarbeit war ein Desaster für uns, da gibt es nichts zu beschönigen“, ergänzt Stephan Seidlmayer, Erster Direk- tor der Abteilung Kairo. „Was Ägyptologen dann tun? Sie machen Hausaufgaben: alte Grabungsdokumentation ordnen, die Meta- daten zu den Digitalisaten schreiben, Publikationsmanuskripte vorbereiten – es ist ja nicht so, als gäbe es nichts zu tun. Trotzdem, ein Fach, das so aus der Tiefe auch der eigenen Geschichte lebt, ist schwer getroffen, wenn es vom Stöbern in analogen Bibliotheken abgeschnitten ist. Für eine begrenzte Zeit ist eine solche Situa- tion produktiv zu nutzen; sie gibt Gelegenheit, und zwingt, nötige

Dinge zu tun, die sonst liegen bleiben würden. Ein paar Lösungen und Möglichkeiten wird man in die Zukunft mitnehmen, auch das ist gut. Eine Entwicklung, die für uns dauerhaft von Bedeutung sein wird, ist die Ergänzung unserer wissenschaftlichen Vortrags- und Lehrtätigkeit um eine digitale Komponente. Digitale Vor- träge und Veranstaltungen geben uns die Möglichkeit, über Kairo hinaus auch die Kolleginnen und Kollegen an anderen Orten, wie Alexandria, Mansura, Aswân und ebenso die Universitäten im gan- zen Land anzusprechen und einzubeziehen. Aber entscheidend ist, dass wir die Krise auch wieder hinter uns lassen können.“

PROF. DR. KATJA SPORN

leitet die ABTEILUNG ATHEN. Sie blickt auf arbeitsreiche Monate zurück:

„Mitte März überschlugen sich auch in Athen die Ereignisse. Täglich gab es eine Reihe von COVID-19-Neuinfektionen, die zwar im Ver- hältnis zu anderen Ländern in absoluten Zahlen nicht hoch waren, gemessen an den Kapazitäten des griechischen Gesundheitssystems allerdings schon. Am 13. März haben wir unsere Präsenzbibliothek für den Besucherverkehr geschlossen und zwei Tage später auch den Mitarbeitern Telearbeit ermöglicht. Die Aufarbeitungskampagne in Olympia wurde kurzfristig abgebrochen und alle Teilnehmenden nach Hause geschickt, also zumeist zurück nach Deutschland. Auch einige Beschäftigte der Abteilung sind nach Deutschland ins Home- office gegangen, die meisten blieben aber in Athen, wie im Übrigen auch die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Athen.

Die Abteilung war während der ganzen Zeit der Ausgangssperre aller- dings nie vollständig geschlossen, sondern blieb stets mit einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt. Es war in Griechenland zu jedem Zeitpunkt möglich, zur Arbeitsausführung eine Ausgangs- genehmigung innerhalb der Stadt Athen zu bekommen. Nachdem auch viele zentrale Bereiche im griechischen Kultusministerium wei- terhin regelmäßig besetzt blieben, haben wir eher mehr als weniger zu tun gehabt. Die Kommunikation lief dabei entweder per E-Mail,

Klappe auf für die Einführung in die DIGITALE VORTRAGSREIHE DER

„FREUNDE DER ARCHÄOLOGIE IN EUROPA E.V.“, des Fördervereins der RGK, durch die Erste Vorsitzende A. Wilcke. Foto: Brose

BEI DER REVISION DER BIBLIOTHEK DER RGK wird jeder der mehr als 190.000 Bände händisch überprüft. Foto: Szabo

youtube-Kanal des DAIs bereitgestellt (https://www.youtube.com/

user/dainst). Dort finden sich auch Mitschnitte von Vorträgen, die Forscherinnen und Forscher der RGK auf Fachkonferenzen hielten.

Diese wurden in Form einer digitalen Vortragsreihe auf unserer Face- book-Seite verlinkt.

Zwei wichtige Bausteine der RGK sind das Referat für Prospektions- und Grabungsmethodik und ihre Bibliothek. Beide sind in ihren regulären Rollen massiv eingeschränkt. Während die Feldforschun- gen eingestellt sind, entwickelt das Referat technische Methoden und Geräte für die archäologische Feldforschung weiter, erarbei- tet neue Lager- und Archivierungsstrategien – und hat einen Film erstellt, in dem die derzeit genutzten Ansätze präsentiert werden:

https://www.youtube.com/watch?v=GE7o3WzaWu8.

Die Bibliothek, die nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im ganzen Rhein-Main- Gebiet und weit darüber hinaus eine zentrale Anlaufstelle ist, bleibt aus gegebenem Grund geschlossen. Eine bittere Pille, nicht nur für das Haus. Die Chance, dass alle Bücher an ihrem Platz sein sollten, wird aber genutzt und eine Bibliotheksrevision durchgeführt. Dafür wird – selbstverständlich unter Einhaltung der gebotenen Abstands- und Hygienevorschriften – jedes der über 190.000 Bücher von A bis Z einzeln überprüft.

Die Redaktion der RGK hat sich als besonders resilient in dieser Zeit erwiesen und arbeitet mehr oder weniger unverändert weiter, da die meisten Abläufe bereits vor der Pandemie digital verliefen. Ein neuer Band der Limesforschungen zur Umwehrung des römischen Legionslagers von Mainz ist gerade erschienen (https://www.dainst.

org/-/limesforschungen); eine weitere Monographie und beide von der RGK herausgegebenen Zeitschriften sind auf dem Weg. So geht es also hinter geschlossener Tür weiter, fast wie gewohnt. Die Arbeit des Hauses ist anders geworden, aber deswegen nicht weniger.“

DR. CHRISTOPH RUMMEL

ist Wissenschaftlicher Referent an der RÖMISCH-GERMANISCHEN KOMMISSION (RGK) mit Sitz in Frankfurt, die viele ihrer Aktivitäten ins Internet verlegt hat:

„Anfang März funktionierte die RGK noch weitgehend im Alltags- modus. Dann ging alles sehr schnell: Von der Direktion bis zu den stu- dentischen Hilfskräften mussten Dienstreisen vorzeitig abgebrochen werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kehrten aus dem Ausland nach Deutschland zurück, einige davon direkt in freiwillige Quaran- täne, die meisten anderen ins Homeoffice. Seitdem erstreckt sich die RGK weit über ihren eigentlichen Standort in Frankfurt am Main hinaus – von der Ostsee bis ins Breisgau und von Hamburg nach Sachsen. Die Erste Direktorin leitet die RGK seit Mitte Juni von der Forschungsstelle Budapest aus, die Zweite Direktorin hält die Stel- lung in Frankfurt. Von hier koordiniert auch der unermüdliche Krisen- stab die Arbeit der Kommission, die in alternierende A- und B-Teams aufgeteilt wurde, um physischen Kontakt zu vermeiden. Dafür treffen sich die Beschäftigten nun via Videokonferenzen wesentlich häufiger im digitalen Raum.

Die derzeitige Situation hat die Arbeit des Hauses grundsätzlich ver- ändert: Feldforschungsprojekte wurden abgebrochen und eingestellt, wichtige Konferenzen wie die Jahrestagung der European Associa- tion of Archaeologists (EAA) finden entweder virtuell (https://www.e- a-a.org/EAA2020virtual) oder gar nicht statt, die Rolle der RGK als Knotenpunkt in einem europa- und weltweiten Archäologienetzwerk musste in den virtuellen Raum verlagert werden. Dorthin wander- ten auch viele unserer Aktivitäten: Der Theorie-Lesezirkel, den die RGK gemeinsam mit dem RGZM in Mainz im Rahmen des Verbunds Archäologie Rhein-Main (VARM) ausrichtet, findet nun digital statt (https://varm.hypotheses.org/1888). Die öffentlichen Abendvorträge, die der Förderverein der RGK (https://www.facebook.com/freunde.

rgk) organisiert, sind nach einer Pause in einem Aufnahmestudio gefilmt worden und werden demnächst als digitale Reihe über den

FOKUS

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DER BEREICH UM DAS KOLOSSEUM, sonst einer der touristischen Hotspots Roms, war im Frühjahr menschenleer. Foto: Colombi

DER EINGANGSBEREICH DES DAI ROM mit Besucher- lenkung und Händedesinfektion. Foto: Gauss

PROF. DR. ORTWIN DALLY

leitet die ABTEILUNG ROM des DAI. In Italien traten früh sehr strik- te Beschränkungen in Kraft:

„Am 9. März musste das DAI Rom nach einer entsprechenden Verfü- gung der italienischen Regierung vorläufig geschlossen werden. Es hatte sich schon vorher abgezeichnet, die Zahl der an COVID-19 er- krankten Menschen in Oberitalien war seit Januar kontinuierlich und sehr rasch angewachsen. Die Regierung hatte ursprünglich vorge- habt, besonders stark betroffene Regionen in Oberitalien abzuriegeln.

Nachdem dieses Vorhaben aber publik geworden war und manche Menschen die Region verlassen hatten, wurde sehr zügig entschie- den, weitgehende Einschränkungen für die Bewegungsfreiheit im gesamten Land anzuordnen. Diese strenge Phase des Lockdowns hat hier dann drei Monate angedauert. Erst wieder Anfang Juni konnten wir das Institut auf einem internen Level, jedoch noch nicht für die große Zahl an Leserinnen und Lesern, die wir normalerweise in der Bibliothek haben, wiedereröffnen. Auch jetzt, im Sommer, sind in ei- nem Rotationsprinzip im Schnitt 50% der Beschäftigten im Haus. Die Totalschließung hat bedeutet, dass wir alle uns nur in Ausnahme- fällen von unseren Wohnungen wegbewegen durften, das heißt zum Einkaufen und für gelegentliche Kontrollbesuche des Instituts, die aber auch durch ein Begleitschreiben des Botschafters unterstützt werden mussten angesichts vieler Kontrollen in der Stadt.

So wie uns ist es auch allen anderen hochrangigen Kultureinrich- tungen in Rom ergangen. Museen, Archive, Bibliotheken sowie alle 37 in der Unione Internazionale degli Istituti di Archeologia, Storia e Storia dell’Arte in Roma versammelten überwiegend europäischen Akade-mien und Forschungsinstitute mussten komplett schließen.

Damit war auch von heute auf morgen nicht nur das lebendige Trei- ben in den Straßen Roms beendet, sondern auch der persönliche Diskurs, eigentlich ein herausstechendes Merkmal des Kultur- und Wissenschaftsstandorts Rom. In Reaktion auf diese Umstände haben sich die Beschäftigten der Abteilung Rom, unterstützt durch das IT- Referat der Zentrale, zunächst intern organisiert, um aus dem Home- office digital arbeiten zu können. In einem zweiten Schritt konnten dann hausinterne Diskussionsplattformen entwickelt werden, über die wir uns in den letzten Wochen wissenschaftlich ausgetauscht haben, zum Beispiel zu laufenden Forschungsvorhaben wissen- schaftlicher Hilfskräfte. Diese Formate sind dann schließlich in einer weiteren Ebene vernetzt worden mit entsprechenden Aktivitäten anderer Partner und Freunde. Beispielsweise hat Bibliotheksdirektor

Dr. Thomas Fröhlich für das DAI Rom gemeinsam mit der Univer- sità degli Studi di Cassino e del Lazio Meridionale in Kooperation mit der Direzione Generale Educazione, Ricerca e Istituti Culturali, Ministero per i Beni e le Attività Culturali e per il Turismo ein Web- Seminar zur automatisierten Aufarbeitung von Keramik organisiert.

Die Lage war ja für alle gleich. Das hat auf der Ebene der Akademien und Forschungseinrichtungen in Rom dazu geführt, dass sich deren Leitungen einmal wöchentlich virtuell zu einem Pranzo, einem Mittag- essen, verabredet haben. Hierbei ging es nicht nur um die Bewältigung gemeinsamer administrativer Herausforderungen, sondern auch um die Entwicklung von Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie die Bereitstellung von Online-Ressourcen für Forscherinnen und Forscher.

Die drastischen Maßnahmen der italienischen Regierung sind ver- ständlich gewesen und wurden auch von den Menschen mit einer bewundernswerten Disziplin mitgetragen, hat doch Italien schon zu einem frühen Zeitpunkt vergleichsweise viele kranke und tote Men- schen zu beklagen gehabt. Gerade in Rom konnte man – wenn man denn überhaupt einmal draußen war – über Wochen eine Stadt ohne Menschen erleben. Berühmte Stätten wie das Pantheon oder das Kolosseum, die unter normalen Umständen jährlich von bis zu fünf Millionen Menschen besucht werden, waren auf einmal menschen- leer. Noch immer ist es so, dass man an bestimmten Tagen in das Kolosseum gehen kann, und dort fast alleine ist. Diese Eindrücke haben nicht nur die einmalige historische Tiefenerstreckung Roms und die Schönheit dieser Stadt ganz neu vor Augen geführt, sondern auch ihre Verletzlichkeit sichtbar gemacht und sehr nachdenklich gestimmt. Denn unter normalen Umständen ist ein wesentliches Merkmal des Gastlandes Italien, dass man gerne draußen isst, in eine Bar geht und auch draußen viel miteinander kommuniziert. Insofern spürt man auch, dass das Fehlen von direkten Kontakten ein Verlust ist. Deshalb arbeiten wir daran, Formate zu entwickeln, wie etwa ab dem Herbst kleinere Vortragsveranstaltungen mit einem hybriden Format, das heißt eine sehr begrenzte Anzahl von Teilnehmenden verbunden mit einer gleichzeitigen Durchführung der Veranstaltung online. Hinzutreten sollen online präsentierte Führungen über ausge- wählte Grabungen, aber auch filmische Berichte über Projekte und Grabungen von engen Kooperationspartnern sowie Online-Diskus- sionen unter anderem auch in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft.“

„Auch wir halten digital Kontakt ‚nach draußen‘“, so Mayke Wagner, „Wir sind in unser eigenes digitales Bild- und Textar- chiv der Außenstelle Peking gestiegen und machen die Wis- sensschätze, die sich dort in den zehn Jahren seit der Grün- dung angesammelt haben, auf unserem Blog zugänglich:

https://www.dainst.blog/bridging-eurasia/. Außerdem verfolgen wir die Sonderprogramme, die die chinesischen Museen im Inter- net für ihre virtuellen Besucher anbieten. Eine besondere Empfeh- lung ist die Online-Ausstellung des Seidenmuseums Hangzhou zur ‚Welt der Webstühle‘ (http://www.museum24h.com/360/

shenjimiaosuan/). Frau Chen, unsere Mitarbeiterin vor Ort, hat sich der redaktionellen Arbeit an unserem großen Band zum Silk Road Fashion-Projekt „Silk Road Fashion: People • Materials • Techniques”

gewidmet. Was sie – ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen an den anderen Standorten – bei der Organisation von Arbeit, Büro und Familie geleistet hat, ist unglaublich.“

Das ist ein Punkt, der auch Stephan Seidlmayer wichtig ist: „Der laufende Betrieb der Liegenschaft, der Verwaltung, die Kontakte zu den Behörden wurden durch unsere ägyptischen Kräfte vor Ort aufrechterhalten. Sie waren einmal mehr – wie schon in Krisen- situationen zuvor – eine entscheidende Säule der Abteilung.

Ihnen gilt unser besonderer Respekt und Dank.“

DAI MACHT SCHULE

Ein Stück Ägpyten im Klassenzimmer oder ein Tempel zum Selberbasteln? Das DAI hat einige Online-Lernprodukte und Inhalte für kleine (und große) Entdecker zusammengestellt:

https://www.dainst.blog/DAI4all/category/daimachtschule/

Zu den Lernmaterialien gehören auch die Bände der Reihe „Mitmach- und Ent- deckerbücher zu Ostasiatischen Archäologie“, die u. a. Chinas große Mauern erklärt.

Christof Schuler (links) und sein Team in der Dienstbesprechung – KLEINER KREIS, GROSSER ABSTAND.

Foto: Hanel

PROF. DR. CHRISTOF SCHULER

ist Erster Direktor der KOMMISSION FÜR ALTE GESCHICHTE UND EPIGRAPHIK (AEK) in München. Im Rückblick ist er froh, wie gut die Beschäftigten der Kommission die Krise gemeistert haben:

„Die ersten Wochen im März, bis in Bayern am Freitag, dem 20.3. – zwei Tage früher als in den übrigen Bundesländern – allgemeine Aus- gangsbeschränkungen verhängt wurden, waren eine verrückte Zeit, die sich ins Gedächtnis eingebrannt hat. Täglich veränderte sich die Lage, die Infektionszahlen schossen nach oben, die ersten Todesfälle wurden gemeldet. Bayern und vor allem München entwickelten sich rasch zum Hotspot der Corona-Pandemie in Deutschland. Ab dem 16. März schloss der Freistaat Schulen, Universitäten und Bibliotheken.

An der AEK hatten wir am 12. und 13.3. eine internationale Tagung mit Gästen aus sechs Nationen und am 16.3. wichtige Vorstellungs- gespräche geplant, die wir schließlich rechtzeitig abgesagt haben.

Aus heutiger Sicht liegt dieser Schritt auf der Hand, aber damals fiel die Entscheidung nicht leicht. Glücklicherweise befand sich niemand von uns auf Dienstreise, so dass wir uns darum keine Sorgen machen mussten. Dagegen wurden sieben internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten an der Kommission von der Entwicklung über-

rascht. Einige waren erst kurz zuvor in München eingetroffen und sahen sich nun mit der Schließung der Bibliotheken und der Einstel- lung des Flugverkehrs konfrontiert. Wir haben uns natürlich bemüht, die Gäste besonders intensiv zu informieren und sie zu unterstützen, so gut es ging, bis sie nach und nach in ihre Heimatländer zurück- kehren konnten. Unproblematisch war für uns alle die Umstellung auf ‚Homeoffice‘, nicht zuletzt dank der sehr guten Unterstützung der Berliner IT-Abteilung. Was den Institutsbetrieb betrifft, wechselten sich Direktoren, Sekretariat und Verwaltung so ab, dass die Kommis- sion durchgehend besetzt blieb. Wir waren uns einig, dass wir das Beste aus der Situation machen und uns auf die Arbeit an Publika- tionen konzentrieren wollten. Als sich die Ausgangsbeschränkungen abzeichneten, haben wir deshalb für die Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter sowie die Stipendiatinnen und Stipendiaten ein System zur Bücherausleihe und ab Ende März ein Anmeldesystem eingeführt, das es allen ermöglichte, in festgelegten Zeitfenstern ohne Kontakte zu anderen an der Kommission zu arbeiten. Für die Besonnenheit und Solidarität, mit der die Kolleginnen und Kollegen diese schwierigsten Wochen der Krise gemeinsam durchgestanden haben, bin ich sehr dankbar.“

FOKUS

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CULTURAL HERITAGE

atastrophen, Kriege, Klima- wandel. Das kulturelle Erbe der Menschheit steht unter Druck.

Es erlebt Vernachlässigung, Beschädi- gung und Zerstörung. Nur gemeinsam lassen sich diese Herausforderungen meistern und das kulturelle Erbe wirksam und nachhaltig schützen und

erhalten. International zusammen- zuarbeiten, auf Forschung und Erfahrung aufzubauen, Wissen zu teilen sowie digital zugänglich zu machen und nachhaltige Strukturen zu entwickeln sind die Schlüssel dafür. 

K

CULTURAL HERITAGE

GEMEINSAM.KULTURGUT.RETTEN

Ein Standpunkt von Friederike Fless und Katja Piesker

GEMEINSAM VIEL BEWEGEN.

Transport schwerer Blöcke im Jemen.

Foto: Wagner

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abprallten (lat. resilire), also eine Resilienz bestand? Der diagnosti- sche Blick des Galen eignet sich auch heute, um die Phasen einer sich anbahnenden Krise und die Krise selbst, d. h. den Wende- punkt, erkennen zu können. Auf dieser Basis ist es möglich, auf ihren Ausgang Einfluss zu nehmen und richtig zu handeln.

Das Deutsche Archäologische Institut hat in den vergangenen Jahren mit zahlreichen nationalen und internationalen Partnern Wissen und Strukturen für die Bewältigung von Krisen aufgebaut, denen das kulturelle Erbe gerade in der jüngsten Zeit weltweit in besonders dramatischer Form ausgesetzt war und ist. Inten- tionelle Zerstörungen, Kriegs- und Umweltschäden, aber auch die Überbauung und Zerstörung ganzer Kulturlandschaften durch eine rapide Urbanisierung sind nur einige der Herausforderungen, auf die es zu reagieren gilt. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre sind hierzu nicht nur ein wachsendes Netzwerk von Expertinnen und Experten im Rahmen des Archaeological Heritage Network (ArcHerNet) und ein Programm zur Erforschung der Folgen des Klimawandels auf das kulturelle Erbe (Ground Check) entstanden, sondern auch ein nachhaltiges Konzept für die Zukunft. Es zielt darauf, einen Mechanismus zur schnellen Hilfe für Kulturerbe in Krisensituationen zu entwickeln. 

DIAGNOSTIK DER KRISE 

Wenn eine Krankheit den Punkt erreichte, an dem sich ihr Aus- gang entschied, nutzte der antike Arzt Galen den Begriff der krisis. Für ihn bezeichnete die Krise den Wendepunkt im Verlauf einer Krankheit. Heute verwenden wir den Begriff breiter und in geradezu inflationärer Weise für schwierige Situationen in allen Lebensbereichen wie Wirtschaftskrisen, politische Krisen oder Lebenskrisen. Dies trägt mit dazu bei, dass wir die Zeit, in der wir leben, als eine Zeit noch nie dagewesener und ständiger Krisen wahrnehmen. Durch die inflationäre Verwendung geht jedoch vor allem auch das diagnostische Potential des Begriffs der Krise verloren. Erst eine sorgfältige Analyse einer Krisensituation erlaubt es zu entscheiden, wie sich ihr Ausgang beeinflussen oder sogar steuern lässt. Dabei lohnt auch ein Blick in die Geschichte. Wel- che Faktoren führten in der Vergangenheit dazu, dass schwierige Situationen von einer Gesellschaft oder auch einem Individuum

IM IRAQI-GERMAN EXPERT FORUM ON CULTURAL HERITAGE (IGEF-CH) werden die Teilnehmenden zu Fragen der Denkmalpflege und des Kulturerhalts weitergebildet. Foto: Siegel

Mehr zum Programm:

https://www.dainst.org/project/2187035

DAS ARCHAEOLOGICAL HERITAGE NETWORK 2016 wurde im Beisein des heutigen Bundespräsidenten, Dr. Frank-Walter Steinmeier, das Archaeological Heritage Network gegründet. Es bringt die Kompetenzen deutscher Expertinnen und Experten zusammen und vernetzt diese international. Ziel war zunächst, auf die Zerstörungen des sogenannten Islamischen Staates im Irak und in Syrien durch konkrete Maßnahmen zu reagieren. Das Projekt „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise” wurde gestartet. Auf der Basis der Erfahrungen aus diesem Projekt und seinen einzelnen Modulen wurden die An- sätze und Zielrichtungen des ArcHerNet weiterentwickelt. So hat sich der Blick regional geweitet. Die gesamte MENA-Region und weitere Regionen Afrikas treten immer stärker in den Fokus des gemeinsamen Engagements. Gleichzeitig geht es zunehmend darum, nicht allein orts- oder länderspezifische Formate, sondern universell einsetzbare Formate zu entwickeln.

Das ArcHerNet wird vom DAI koordiniert und vom Auswärtigen Amt unterstützt.

Weitere Informationen sind verfügbar unter:

www.archernet.org www.culthernews.de WISSEN FÜR PRÄVENTION UND BEWÄLTIGUNG

Im Archaeological Heritage Network wurde 2016 die breite Exper- tise unterschiedlicher Institutionen zusammengebracht, um ge- meinsam aktuellen Herausforderungen für den Kulturerhalt und den Kulturgüterschutz zu begegnen. Mit dem Projekt „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“ lag der Fokus zu- nächst auf jener Region, die von den Zerstörungen durch den so- genannten Islamischen Staat und durch Kriege, wie im Irak, Syrien oder im Jemen, in besonderem Maße betroffen war. Ziel des Pro- jektes war es, deutsche Expertise zu bündeln und dann gemein- sam mit Partnern in der Region vor Ort Kompetenzen aufzubauen.

Dies geschah u. a. durch Trainingsmaßnahmen zur Dokumentation und zum Schutz von Baudenkmälern in verschiedenen Anrainer- staaten Syriens oder durch die Ausbildung syrischer Flüchtlinge zu Steinmetzen in Jordanien. Ein besonders wirksames Format wurde mit dem Iraqi-German Expert Forum (IGEF-CH) etabliert.

Nach einer einführenden Schulung zu theoretischen und prakti- schen Fragen der Denkmalpflege in Deutschland führen die Fach- leute der irakischen Antikenverwaltung eigenständig konkrete Projekte im Irak durch. Dabei werden sie individuell aus der Ferne betreut. Die Ergebnisse werden dann nach einem Jahr wieder ge- meinsam diskutiert. Bis zu 15 irakische Expertinnen und Experten werden auf diese Weise im Jahr weitergebildet. Der Aufbau von Kompetenzen soll dabei natürlich nicht allein für die Tage und Wochen einer Schulung greifen, sondern dauerhaft verfügbar sein, was nachhaltige Formate und Strukturen voraussetzt. So wurde mit dem Portal der iDAI.world ein Zugang zu Ressourcen geschaffen, die nun open access zur Verfügung stehen. Zu diesen Ressourcen gehören Übersetzungen wichtiger internationaler Standards sowie Online-Kurse. Diese vermitteln beispielswei- se den Umgang mit modernsten, aber auch mit traditionellen DAS SATELLITENBILD ZEIGT UNAUTORI-

SIERTE BAUMASSNAHMEN IN DER ANTIKEN STADT MARIB IM HEUTIGEN JEMEN. (Rot:

Oberflächlich sichtbare antike Strukturen.

Blau: Moderne Bebauungsflächen im antiken Siedlungsgebiet im November 2017) Google Earth Image © 2019 Maxar Techno- logies, Karte: Schoeneberg, Projekt Ancient Yemen Digital Atlas (AYDA)

CULTURAL HERITAGE

DIE OSMANISCHE BURG AR-RAHBA IM IRAK. Die Schäden sind durch unterschiedliche Prozesse bedingt, da über viele Jahrzehnte keine Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Im Rahmen des Weiterbildungsprogramms Iraqi-German Expert Forum on Cultural Heritage (IGEF-CH)

wurde die Burg bauforscherisch untersucht, die Schäden wurden analysiert und Erhaltungs- maßnahmen diskutiert.

Foto: Siegel

Referenzen

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