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Archiv "HAUSGEBURT: Vielzahl gedanklicher Irrtümer" (20.03.1992)

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Anerkennung unbestreitba- rer Erfolge der Medizin ein- zutreten, wenn dies manch- mal da und dort in Verges- senheit zu geraten droht.

Es darf nicht sein, daß Ärzte, insbesondere Geburts- helfer, sich zum Anwalt ge- fährlicher Fehlentwicklun- gen, regressiver Tendenzen

„zurück zur Natur" machen, auch wenn, vom Laien aus ge- sehen, der eine oder andere Aspekt daran plausibel er- scheinen mag ...

Dr. med. Michael Ar- mann, Riekertstraße 12, W-7400 Tübingen 1

Vielzahl

gedanklicher Irrtümer

Als Hebamme war ich sehr überrascht, eine derartig positive Reaktion zum Zu- wachs der Hausgeburtenrate im Deutschen Arzteblatt zu lesen. Die Verfasser dieses Artikels begehen jedoch eine Vielzahl gedanklicher Irrtü- mer: Den Hinweis, daß die Krankenkassen die zuneh- menden Kosten der Neona- talmedizin nicht mehr mittra- gen würden, im gleichen Atemzug mit der Behauptung zu nennen, daß die Geburt ein zunächst natürlicher Vor- gang sei, der ohne medizini- sche Intervention stattfinden kann, unterstützt noch zu- sätzlich die Position der Krankenkassen.

Eine solche Haltung ist je- doch insofern bedenklich, als daß eine Vernachlässigung der Neon atalmedizin sehr viel kostenintensivere Spät- folgen zu produzieren ver- mag.

Die Geburt schlicht als ei- nen natürlichen Vorgang zu bezeichnen, erscheint grotesk angesichts der Tatsache, daß sie auch Zeitpunkt höchster Gefahr für Mutter und Kind darstellt. Wer im täglichen Umgang mit diesem Gesche- hen befaßt ist, weiß um die

„natürlichen" Gefahren, die unvorhersehbar und sehr plötzlich eintreten können, und um die „natürlichen"

Schäden, die daraus resultie- ren können. In vielen Berei-

chen hat sich die moderne Gesellschaft von der grausa- men Natur zum Glück losge- sagt.

Es erscheint paradox, in- tensivmedizinisch zu thera- pieren, aber lediglich „natür- lich" vorsorgen zu wollen.

Jegliches Unterlassen möglicher Sicherheitsmaß- nahmen unter der Geburt entzieht dem Kind das unver- äußerliche Recht auf Ge- sundheit dafür, daß soge- nannte bewußte Eltern ein romantisches Geburtserleb- nis als Form ihrer Selbstver- wirklichung zelebrieren kön- nen, oder etwa, daß größen- wahnsinnig gewordene Gynä- kologen und Hebammen ihre berufliche Entfaltung auf Ko- sten anderer ausleben.

Der potentielle geburts- hilfliche Notfall ist optimal nur in einem Krankenhaus der Maximalversorgung zu beherrschen (Anwesenheit von Gynäkologen, Anästhesi- sten, Hebammen und gegebe- nenfalls Pädiatern).

Daß diese Grundvoraus-, setzung nicht einmal an allen deutschen Krankenhäusern gegeben ist, ist ein unhaltba- rer Zustand und sollte ange- sichts der wiederaufflammen- den Diskussion um den § 218 unsere soziale und zivilisierte Gesellschaft nachdenklich stimmen.

Eine weitere Zunahme von Hausgeburten würde auch eine Zunahme unkalku- lierbarer Pathologie während der Geburt bedeuten, die bis- her ja nur „zu Lasten" der großen Kliniken gegangen ist.

Wir können auf das Ab- wandern der Patienten nur in der Art reagieren, daß wir die positiven Aspekte der Haus- geburtshilfe in den Klinikall- tag einbringen und so den Frauen auch dort die Mög- lichkeit der Entspannung, Angstfreiheit und der indivi- duellen Entfaltung geben.

Nur so können wir unserer höchsten Pflicht, nämlich die Gesundheit von Mutter und Kind sicherzustellen, gerecht werden.

Frauke Wagener, Michel- bacher Straße 2, W-3550 Marburg/Lahn

AMBULANZEN

Zu dem Beitrag „Streit um Hamburgs Überweisungsambulan- zen — Keine Ermächtigung für ärzt- lich geleitete Einrichtungen" in Heft 4/1992:

Ein Eklat

Die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereini- gung in Hamburg, abrupt die Klinikambulanzen nicht mehr zu ermächtigen, ist ein Eklat, der sicher zu einer spürbaren Verschlechterung der ambu- lanten Patientenversorgung führen wird, und dies dürfte nicht im Auftrag der KV lie- gen. Die zwischenzeitige Ver- tagung der Entscheidung mindert zwar die Folgen, än- dert sie aber nicht grundsätz- lich. Die Problematik sollte auch aus dem Blickwinkel der Kostenexplosion betrachtet werden.

Die Verknüpfung von sta- tionärer und ambulanter ärzt- licher Tätigkeit ist als beson- ders glückliche Lösung anzu- sehen, die ausgebaut und nicht abgeschafft werden soll- te. Die jahrzehntelangen Er- fahrungen in Ostdeutschland, wo diese Verknüpfung ohne organisatorische Schwierig-

Diskussion überfällig

„Nach drei Dezennien Tä- tigkeit in eigener Praxis sollen hier einige Aspekte angespro- chen werden: Die meisten Überweisungen in eine Kran- kenhausambulanz sind über- flüssig, weil die entsprechen- de ärztliche Versorgung durch die Kassenärzte ..gesi- chert ist. Die meisten Über- weisungen landen bei Azubis der jeweiligen Klinik; selten wird ein Oberarzt zugezogen oder gar ein hochqualifizier- ter Chefarzt gefragt.

Mit Bestimmtheit werden vom Praktiker oder auch In- ternisten Patienten an die anonymen Adressen der Kli- niken verwiesen aus der Furcht heraus, bei einer Überweisung an den nieder- gelassenen Facharzt diese Pa- tienten zu verlieren: Hier greift zweifelsfrei die durch

keiten erfolgen konnte, spre- chen dafür. Limitiert wurde die ambulante Ausweitung der stationären Tätigkeit nur dadurch, daß dem Kliniker gegen seinen Willen mehr und mehr Hausarztaufgaben zugeschoben wurden. Wenn es jedoch genügend niederge- lassene Kollegen gibt, und da- von muß heute im ganzen Deutschland ausgegangen werden, so droht diese Ge- fahr nicht, und der überwie- gend klinisch tätige Arzt kann sich ganz auf seine speziellen ambulanten Aufgaben kon- zentrieren .

Die Tätigkeit der Klinik- ärzte in speziellen Ambulan- zen hat eine Beratungsfunkti- on der ausschließlich ambu- lant tätigen Ärzte, die nach unserer Erfahrung dankbar angenommen wird, zumal keine Konkurrenz auftritt.

Die ambulante Versorgung als grundsätzliche Aufgabe der niedergelassenen Ärzte wird dadurch nicht angeta- stet, nur werden bestimmte Möglichkeiten der klinischen Versorgung in die Ambulanz herübergebracht.

Dr. med. Eckart Wunder- lich, Friedrichstraße 39, 0-8010 Dresden

Arztschwemme entstandene Existenzangst vieler soge- nannter Kollegen, die eine zum Teil windige fachüber- greifende Diagnostik und Be- handlung ausüben.

Anzuschuldigen sind hier- bei auch die Kliniken selbst, welche durch Anforderung eines Überweisungsscheines und Wiederbestellung der Pa- tienten die Scheinzahl hoch- treiben, auch wenn es sich um bereits entlassene Patienten handelt. Recht böse Reaktio- nen beweisen dies, wenn der unwillige Facharzt auf sol- chen Anforderungen den Vermerk macht: „Auf Wunsch der Klinik".

Ebenfalls anzuschuldigen sind die Patienten selbst, die in einer Apparategläubigkeit und in der Hoffnung, im Krankenhaus die modernsten Aspekte zu kosten, eine Überweisung zur Klinikam- A1 -972 (8) Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992

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bulanz fordern, ja ganz im Gegensatz zum sonstigen Be- nehmen halbtägige Wartezei- ten friedlich akzeptieren.

Mit Gewißheit aber kommt die Schrotschußdia- gnostik der jungen Assisten- ten . . . wesentlich teurer, als sich jeder KV-Abhängige je- mals getrauen würde. Zum Beispiel großzügige Röntgen- untersuchungen mit bis zu 20 Aufnahmen, Medikamente außerhalb des Festsatzes und Behandlungsempfehlungen außerhalb jedes wirtschaftli- chen Bereiches .. .

Dr. med. Ottmar Bengert, Mittelweg 15, W-2000 Ham- burg 13

PSYCHOTHERAPIE Zu dem Leserbrief „Kurios"

von Prof. Suchenwirth in Heft 7/1992:

Ergänzung

Der Zuschrift stimme ich zu, möchte jedoch eine Er- gänzung anbringen: Wie so häufig, wird bei der Aufzäh- lung wichtiger Vertreter der Psychotherapie/Psychosoma- tik der eigentliche „Vater der Psychosomatik", Dr.

med. Georg Groddeck (1866-1934), nicht erwähnt.

Mit seiner bereits 1917 er- schienenen Schrift „Psychi- sche Bedingtheit und psycho- analytische Behandlung orga- nischer Leiden" begründete er das, was später unter dem Namen „Psychosomatik" von den von Suchenwirth aufge- führten Klinikern und vielen anderen fortgeführt und wei- terentwickelt wurde. Grod- decks entscheidende Rolle wurde lange totgeschwiegen, und erst seit etwa zwei Jahren erscheinen die Gesammelten Werke dieses höchst originel- len Arztes und Schriftstellers.

Eine zusätzliche kleine Korrektur: Es muß J. H.

Schultz heißen (nicht I. H.), denn der Begründer des auto- genen Trainings hieß mit Vornamen Johannes Hein- rich.

Prof. Dr. med. W. Geinitz, Blumenthalstraße 41, W-6900 Heidelberg

PERSPEKTIVE

Zu dem Beitrag „Geburtenkon- trolle: Mutiger Vorstoß — aus der CSU" von Kurt Gelsner in Heft 3/1992:

Verstand einsetzen

Professor W. Pförringers Gedanken zur Überbevölke- rung der Welt sind im Kon- text zu den bisher von den C- Parteien ausgehenden Signa- len höchst beachtenswert.

Die jetzige „Biomasse Mensch" übertrifft die Sum- me aller anderen Säugetiere auf diesem kleinen Planeten.

Prof. Paul E. Ehrlich (USA) äußerte in Chicago, daß jedes Jahr 90 Millionen Menschen mehr ernährt werden müssen und daß 24 Milliarden Ton- nen Muttererde sowie Billio- nen Liter Grundwasser weni- ger zur Verfügung stünden.

Abholzung der Regenwälder und Reisanbau tragen zur weltweiten Erwärmung der Erdatmosphäre bei.

Mehr als eine Milliarde Menschen hungern heute.

Morgen wird jeder dritte Mensch verhungern.

Trotzdem propagieren Religions-Obere ungehemm- te Vermehrung, und Wirt- schafts-Wachstums-Ideolo- gen setzen auf das Prinzip:

„Nach uns die Sintflut, laßt den Ur-Enkeln doch die Sor- gen".

Die Hungernden werden die Satten überfallen und be- rauben. Es sei denn, daß der Verstand der Menschen es ermöglicht, sich noch in die- sem Jahrhundert mit der ge- rechten Verteilung der Welt- Armut an Ressourcen so zu befassen, daß kein weiteres Wachstum von Menschen- massen und Industrieproduk- ten diesen Planeten endgültig zum Kippen bringt.

Gen-Forscher fanden jetzt ein Enzym, das die Lebens- dauer (zumindest von Faden- würmern) verdoppelt. Damit könnten Menschen so um 130 Jahre alt werden.

Goethe sagte vor fast zwei Jahrhunderten zu Ecker- mann: „In wenigen Jahren wird in Europa jeder jeder- mannes Krankenwärter sein!"

Wir Forscher und Medizi- ner können uns damit einer ungeahnten Zukunftsper- spektive erfreuen. Das aller- dings nur, wenn die Men- schen nicht weiterhin soviel fressen, saufen, rauchen und kiffen würden.

Dr. med. Günter Neu- meyer, Koppelweg, W-2114 Hollenstedt-Emmen

BELEGÄRZTE

Zu dem „seite eins"-Beitrag

„Blutauffrischung" in Heft 6/1992:

Kostenverschiebung

Das vom Kollegen Hahn angesprochene Einsparvolu- men, das im übrigen erst ein- mal statistisch sicher bewie- sen werden müßte, im statio- nären Bereich bei Vermeh- rung der Belegabteilungen würde lediglich dem ambu- lanten Sektor zugute kom- men, da die von ihm ange- sprochenen Voruntersuchun- gen ja schließlich den durch- führenden niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen vergütet werden müssen. Es läge also keine Kostenerspar- nis, sondern lediglich eine Kostenverschiebung vor.

Im übrigen funktionieren die meisten belegärztlichen Abteilungen nur deshalb, weil in den betreffenden Kranken- häusern hauptamtliche Ab- teilungen bestehen und bei Notfällen im belegärztlichen Bereich die in den hauptamt- lichen Abteilungen tätigen Kollegen einspringen. Mir sind persönlich viele derarti- ge Fälle bekannt, in denen die belegärztlichen Kollegin- nen und Kollegen nicht so rasch erreichbar waren re- spektive ihre Tätigkeit auf- nehmen konnten, daß auftre- tende bedrohliche Komplika- tionen hätten in dieser Zeit behoben werden können. Wir haben es in unserem Hause daher kollegialerweise so ge- regelt, daß bei Notfällen die hauptamtlichen Abteilungen einspringen.

Dr. med. D. Bauer, Jako- bi-Krankenhaus Rheine, Hörstkamp 12, W-4440 Rheine

SOZIALPOLITIK

Zu dem Beitrag „Gesundheits- und sozialpolitische Reformprojek- te '92: Kein Abschied von sturer Kostendämpfungspolitik?" von Dr.

rer. pol. Harald Clade in Heft 1-2/1992:

Zusammenhänge erkennen

Der Leitartikel kann von uns Ärzten nur begrüßt wer- den. Seit der damalige Sozial- politiker aus Rheinland- Pfalz, Dr. Heiner Geißler, das Schlagwort von der Kostenex- plosion prägte, kommen wir Arzte von den Vorwürfen nicht mehr los. Völlig verges- sen wird dabei die parallel da- zu laufende Gesundheitsex- pansion.

Wir haben seit langem die längste Lebenserwartung in der westlichen Welt, und in den letzten zehn Jahren ist sie nochmals um vier Jahre ge- stiegen.

In den Praxen häufen sich die Alten, welche, statt ge- storben zu sein, mit einem ho- hen Aufwand und therapeuti- schen und diagnostischen Maßnahmen ein längeres und lebenswerteres Leben führen können als in früheren Jahr- zehnten.

Ich bin seit über 50 Jahren Arzt, und von einem derarti- gen Gesundheitswunder, des- sen Segnungen ich auch am eigenen Leibe erfahren habe, konnte man damals noch nicht einmal träumen ...

So erfreulich die Aufnah- me der Gesundheitsuntersu- chungen im Gesundheits-Re- formgesetz ist, so provoziert der Gesetzgeber damit eine neue Kostensteigerung. Die Aufspürung der Risikofakto- ren kostet Geld, die Beseiti- gung der Risikofaktoren ko- stet Geld.

Und wenn die Risikofakto- ren beseitigt sind, sterben diese Bürger nicht mehr vor- zeitig, können aber trotzdem ihr Leben nicht ohne laufen- de ärztliche Betreuung been- den, und das kostet wieder Geld.

Sanitätsrat Dr. med.

Hans-Hugo Wrede, Haupt- straße 1, W-6573 Simmertal A1-974 (10) Dt. Ärztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992

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