Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 48|
30. November 2012 A 2405 der Onkologe zu bedenken: „Rea-listisch betrachtet stehen wir in der Stammzellforschung für die Rege- nerative Medizin erst am Anfang eines langen Weges.“
Immunmodulation möglich Mit aller Vorsicht berichtete des- halb die Pädiaterin und Diabetolo- gin Dr. med. Katharina Warncke von der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus München-Schwabing und Mitglied der Diabetes-For- schergruppe am Helmholtz-Zen- trum München über immunmodula- torische Verfahren zur adjuvanten Therapie des Diabetes mellitus Typ 1. Kinder würden derzeit im Rahmen einer Studie ihrer Arbeits- gruppe mit Zellen aus dem Blut ih- rer eigenen Nabelschnur behandelt, erklärte sie. Es enthalte sehr viele Zellen, die die falsche Reaktion des Immunsystems korrigieren könn- ten. Ob die Therapie jedoch lang- fristig wirke, könne jetzt noch nicht abgeschätzt werden, sagte Warn- cke. Bisher hätten sie die Kinder jedoch gut vertragen; Nebenwirkun - gen verursache sie nicht. „Die Stu- die ist ein wichtiger weiterer Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Toleranzinduktion bei Autoimmun- erkrankungen“, betonte die Ärztin.
Die Unterstützung der Politik bei ihrer Forschung sicherte Prof. Dr.
Martin Neumann den Wissenschaft- lern zu. „Es gibt keine Alternative zu einer Politik, die auf Forschung, Entwicklung und Innovation setzt“, sagte der forschungspolitische Spre- cher der FDP-Bundestagsfraktion.
Unterstützung durch den Gesetz- geber benötigen die Wissenschaft- ler beispielsweise in Bezug auf Biobanken. „Wir müssen bei der gesetzlichen Regelung von Bio - banken die Individualrechte der Spender wahren und gleichzeitig die Forschung fördern“, erklärte Kohler. Problematisch sei, dass ne- ben einigen großen Biobanken noch etwa 10 000 kleine Projekte exis- tierten, bei denen dieselben stren- gen Bestimmungen wie für die gro- ßen Biobanken angesetzt würden.
Die Forscher plädieren daher für ab gestufte Regelungen.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
„STERBEN IN DEUTSCHLAND“
Leben mit dem Tod
Die meisten Deutschen kennen inzwischen den Begriff
„Hospiz“. Das ist eines der teilweise überraschenden Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung.
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ass Tod und Sterben nicht mehr tabuisiert werden, da- für gibt es inzwischen viele Belege.So widmete beispielsweise die ARD im November dem „Leben mit dem Tod“ eine eigene Themen- woche. Dr. med. Birgit Weihrauch, bis vor kurzem Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativ- verbands (DHPV), konnte Mitte November beim 92. Aachener Hos- pizgespräch dies auch anhand eini- ger Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsbefragung „Sterben in Deutschland – Wissen und Ein- stellungen zum Sterben“ des DHPV untermauern. Und diese Ergebnisse seien selbst für den Hospiz- und Palliativverband teilweise überra- schend, betonte Weihrauch.
Alternativen bieten
58 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Gesellschaft mit dem Thema zu wenig befasse. Immerhin 89 Prozent erklärten, dass sie schon einmal vom Begriff „Hospiz“ gehört hätten, und 66 Prozent konnten den Begriff sogar richtig definieren. Das hält Weihrauch für „unglaublich viel“, auch im Vergleich zum Begriff
„palliativ“, den nur 32 Prozent der Befragten richtig zuordnen konnten.
Auf jeden Fall gehe aus diesen Er- gebnissen aber hervor, dass sich un- sere Gesellschaft in den letzten 30 Jahren seit dem Beginn der Hospiz- bewegung deutlich verändert habe, was den Umgang mit Sterben und Tod angehe, sagte Weihrauch. Den- noch wüssten viele Menschen im- mer noch nicht, wozu man ein Hospiz wirklich benötige, schränkte Thomas Sitte, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Palliativstiftung in Fulda, ein. „Wir müssen dazu kom- men, dass jeder weiß, dass er sich auf die Hospizbewegung und Pallia- tivversorgung verlassen kann.“
Denn nur dann könne man verzwei-
felten Menschen Alternativen bie- ten. Sitte betonte: „Ich begleite, aber ich will das Sterben nicht beschleu- nigen, sondern nur erleichtern.“ Nie- mand sollte aus Verzweiflung „in die Schweiz fahren wollen“ oder um as- sistierten Suizid bitten.
66 Prozent der Befragten gaben an, zu Hause sterben zu wollen. 18 Prozent wollen in einer Einrichtung zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen sterben. Die tatsächlichen Zahlen sähen aller- dings anders aus, berichtete Weih- rauch. Die meisten Menschen (47 Prozent) stürben nach wie vor im Krankenhaus, rund 30 Prozent in einer stationären Pflegeeinrichtung und etwa 25 Prozent zu Hause.
Weihrauch fordert deshalb, den Auf- bau ambulanter Versorgungsstruktu- ren weiter voranzubringen, um es Menschen zu ermöglichen, dort zu sterben, wo sie dies möchten. Eine zentrale Rolle bei der Betreuung von Menschen in der letzten Lebenspha- se komme dabei dem Hausarzt zu, der auch beim Abfassen von Pa - tientenverfügungen eine beratende Funktion einnehmen könne. Dass Patientenverfügungen zunehmende Bedeutung erlangen, ist ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Danach ha- ben 26 Prozent der Befragten bereits eine Patientenverfügung verfasst.
Die Palliativmedizin hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen. Darin waren sich die circa 250 Teilnehmer der Aachener Hospizgespräche einig.
Dennoch gibt es nach wie vor zahl - reiche Defizite. So forderte der Präsi- dent der Deutschen Ge sellschaft für Palliativmedizin, Prof. Dr. med. Frie- demann Nauck, eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage.
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Gisela Klinkhammer
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Die Umfrage im Internet:www.aerzteblatt.de/122405