318 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1725. April 2008
M E D I Z I N
Artikel vor 30 Jahren
So begrüßenswert die Erstellung dieses Registers ist, um- so überraschender ist es, dass kein Bezug genommen wird auf die Göttinger und die Darmstädter epidemiologischen Studien, die seit fast 40 Jahren vorliegen. Diese sind viel- fach in Fortsetzungen veröffentlicht worden (1–3). Sie beschäftigen sich mit den Verläufen, dem Erkrankungsal- ter, der Erwerbsfähigkeit, der Alters- und Geschlechtsver- teilung, den MS-auslösenden oder -verschlimmernden Faktoren und den prognostischen Kriterien. Unsere For- schungen in Göttingen und in Darmstadt wurden zunächst von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vom Stifter- verband für die Deutsche Wissenschaft und bis heute von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gefördert. Auf dem Gebiet der epidemiologischen MS-Forschung wurden im- merhin zwei Habilitationsschriften, etliche Einzelarbeiten und viele Doktorarbeiten verfasst. Ein besonderes Anlie- gen war es, verlässliche Prävalenz-, Inzidenz- und Morta- litätsraten in verschiedenen Gebieten Deutschlands zu er- arbeiten. Auf die methodischen Schwierigkeiten wurde mehrfach eingegangen. So haben wir besonders am An- fang gründliche Feldstudien bevorzugt. Unsere Ergebnis- se decken sich durchaus mit den jetzt veröffentlichten Da- ten. Somit bringen diese trotz großen Aufwands kaum neue Erkenntnisse. Unsere Arbeiten wurden in den ver- schiedensten deutschen, aber auch in internationalen Jour- nalen veröffentlicht. Warum sie in dem jetzt vorgelegten Literaturverzeichnis nicht aufgeführt sind, lässt nur ver- muten, dass man eine solide Literaturrecherche nicht durchgeführt hat. Denn sonst wäre man wohl auf unsere Arbeiten gestoßen. Im übrigen habe ich vor gut 30 Jahren im Deutschen Ärzteblatt einen längeren Artikel zur Epide- miologie der MS veröffentlicht, die dort beschriebene weltweite Verteilung dieser Krankheit war damals sogar als Titelbild außen abgebildet.DOI: 10.3238/arztebl.2008.0318a
LITERATUR
1. Firnhaber W: Multiple Sklerose – Methodik und Ergebnisse einer geome- dizinischen Untersuchung. Fortschr Med 1972; 90: 14.
2. Lauer K, Firnhaber W: Epidemiological investigations into multiple sclero- sis in Southern Hesse I-III. Acta Neurol Scand 1984: 70: 257–73; 1985:
72: 397–402.
3. Firnhaber W, Lauer K: Multiple Sclerosis in Europe – an Epidemiological Update. Alsbach/Bergstraße: Leuchtturm-Verlag 1994; 1–27.
Prof. Dr. med. Wolfgang Firnhaber Mangoldweg 25, 64287 Darmstadt E-Mail: M.W.Firnhaber@t-online.de
Prof. Firnhaber erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Schlusswort
Der Leserbrief weist auf die frühen epidemiologischen Studien in Hessen und Südniedersachsen hin, die wich- tige Ergebnisse zur Prävalenz der MS in umschriebe- nen Gebieten in einem populationsbezogenen Ansatz erbracht haben. Selbstverständlich sind uns die seiner- zeit richtungsweisenden Veröffentlichungen bekannt, was sich unter anderem daran ablesen lässt, dass diese in neueren Übersichtsarbeiten zur Epidemiologie der MS in Text und Grafik aufgeführt sind (1, 2). Wie in der Diskussion unserer Arbeit nur kurz ausgeführt werden konnte, handelt es sich bei dem MS-Register aber nicht um eine populationsbezogene Untersuchung. Eine sol- che ist bei der verwendeten Methodik eines zentrums- bezogenen Ansatzes unter den jetzigen Versorgungs- strukturen flächendeckend für Deutschland nicht zu er- reichen. Angesichts des begrenzten Umfangs, der uns zur Verfügung stand, mussten wir leider auch auf eine breite Diskussion der bisher durchgeführten epidemio- logischen Studien verzichten – dabei hätten nicht nur die Ergebnisse aus Darmstadt und Göttingen, sondern auch aus Rostock und Halle, dem Ruhrgebiet und dem Vogtland und anderen Regionen Deutschlands Erwäh- nung finden müssen. Stattdessen ist es das Ziel des MS- Registers, die Versorgungssituation von MS-Betroffe- nen möglichst umfassend für Deutschland zu beschrei- ben, im Gegensatz zu dem Anliegen des Autors, ver- lässliche Prävalenz-, Inzidenz- und Mortalitätsraten in einem regional umschriebenen Gebiet zu erarbeiten.
Wir freuen uns, dass einige unserer Ergebnisse frühere Befunde aus regionalen Untersuchungen bestätigen konnten, denken aber, dass gerade die hier vorgestell- ten Daten zu Diagnose und Therapie einen wichtigen und innovativen Beitrag zur Optimierung der Versor- gungssituation für MS-Patienten in Deutschland dar- stellen. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0318b
LITERATUR
1. Flachenecker P, Zettl UK: Epidemiologie. In: Schmidt RM, Hoffmann F, eds.: Multiple Sklerose. München: Urban & Fischer 2006; 11–7.
2. Flachenecker P: Epidemiology of neuroimmunological diseases. J Neurol 2006; 253 (suppl 5): 2–8.
Priv. Doz. Dr. med. Peter Flachenecker Neurologisches Rehabilitationszentrum Quellenhof Kuranlagenallee 2
75323 Bad Wildbad
E-Mail: peter.flachenecker@quellenhof.de
Interessenkonflikt
PD Dr. Flachenecker wurde honoriert für Vorträge von den Firmen Bayer-Sche- ring, Merck-Serono, Biogen, Sanofi-Aventis, Novartis.
zu dem Beitrag
Multiple-Sklerose-Register in Deutschland
Ausweitung des Projekts 2005/2006
von Priv.-Doz. Dr. med. Peter Flachenecker et al. in Heft 7/2008