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Archiv "Gesundheitsstatistik als politische Waffe mißbraucht" (05.02.1976)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Gesundheitsstatistik als politische Waffe mißbraucht

Erfahrungen

mit dem Notarztwagen

AUS DEN

BUNDESLÄNDERN

FORUM:

Probleme der Fremdbetreuüng von Kindern

BRIEFE AN DIE REDAKTION

BEKANNTMACHUNGEN

PERSONALIA

FEUILLETON:

Das Relief

der Bauchwandgrenzen an antiken Skulpturen

In der Broschüre „Verraten und Verkauft?" (Berlin 1974) erhebt eine

„Arbeitsgemeinschaft unabhängi- ger Ärzte Deutschlands" [die Füh- rung dieser Bezeichnung ist dieser kleinen Oppositionsgruppe, die bisher zweimal bei Deutschen Ärz- tetagen für einige Publicity sorgte, inzwischen rechtsverbindlich ver- boten — Die Red.] schwere Vor- würfe gegen das Gesundheitswe- sen der Bundesrepublik*):

(S. 14): „Im internationalen Ver- gleich schneidet das bundesdeut- sche Gesundheitswesen schlecht, teils sogar sehr schlecht ab. Ein Blick in die Statistik beweist das."

(S. 20): „In Deutschland ist die Bevölkerung im Krankheitsfall schlechter versorgt, als es dem Ent- wicklungsstand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Schlim- mer noch: In der Bundesrepublik

Deutschland sterben jährlich eini- ge 10 000 Bürger, die leben könn- ten, wenn ihnen ärztliche Hilfe in einer Qualität zur Verfügung stän- de, wie sie in zivilisierten Nachbar- ländern üblich ist."

Diesen Vorwürfen muß nachgegan- gen werden. Zu ihrer Überprüfung werden wir — wie die „Arbeitsge- meinschaft" — Statistiken des Jah- res 1971 heranziehen. Um die Nachprüfbarkeit unserer Aussagen zu erleichtern, wird auf das amtli- che Zahlenmaterial des Statisti- schen Bundesamtes (95-109)**), der Vereinten Nationen und der

*) Die Zahlen mit Seitenangabe zu Beginn der Zitate beziehen sich im folgenden auf die Seiten der Broschüre „Verraten und Verkauft?"

**) Diese Zahlenangaben beziehen sich — auch im folgenden — auf die Nummern der Veröffentlichung im Literaturver- zeichnis dieser Stellungnahme, das beim Verfasser erhältlich ist.

Gesundheitsstatistik

als politische Waffe mißbraucht

Behauptungen einer extremen ärztlichen Oppositionsgruppe — analysiert anhand der Beispiele

„Müttersterblichkeit" und „Säuglingssterblichkeit"

Horst Fass!

Bei Angriffen auf die ärztliche Versorgung und das Gesundheitswe- sen der Bundesrepublik werden ständig die gleichen Behauptun- gen wiederholt. Typisch dafür sind etwa die Aussagen der soge- nannten AUA in einer Broschüre „Verraten und Verkauft?". Eine .

Analyse der Behauptungen ergibt jedoch: hier wird mit Statistiken politisch manipuliert. Zu diesem Ergebnis kcfmmt ein Gutachten, das von der „Gesundheitspolitischen Gesellschaft" in Auftrag gege- ben und vom Verfasser dieses Artikels erstattet wurde. Unser Bei- trag befaßt sich mit einem Ausschnitt dieses Gutachtens: den stark- diskutierten Fragen „Müttersterblichkeit" und "Säuglingssterblich- keit".

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 5. Februar 1976 345

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Gesundheitsstatistik als politische Waffe

Weltgesundheitsorganisation (124 bis 142) zurückgegriffen. Vergli- chen werden (soweit für 1971 be- reits Daten vorliegen) vor allem eu- ropäische Staaten, die USA und Japan. Es sind hochentwickelte Länder mit gesetzlich vorgeschrie- bener Registrierung der sog. Be- völkerungsbewegung (Geburt, Hei- rat, Tod usw.), mit ausführlichen Todesursachenstatistiken und re- gelmäßigen Volkszählungen.

Die "Arbeitsgemeinschaft" ver-

sucht nun in ihrer Broschüre im- mer wieder den Eindruck zu er- wecken, das relativ schlechte Ab- schneiden der Bundesrepublik im internationalen Vergleich der Ge- sundheitsstatisti ken sei ausschließ- lich auf das Versagen des ärztli- chen Versorgungssystems zurück- zuführen. Und: "Ein Blick in die Statistik beweist das."

Hierzu ist zu sagen:

0

Es ist unzulässig, Unterschiede zwischen den Krankheits- und To- desursachenstatistiken der vergli- chenen Länder einseitig auf die Or- ganisation der ärztlichen Versor- gung zurückzuführen.

Dazu sind die zum Vergleich her- angezogenen Industrienationen ge- schichtlich, sozial und in der Zu- sammensetzung ihrer Bevölkerung zu unterschiedlich geformt.

Im mitteleuropäischen Raum, vor allem in Deutschland, haben beide Weltkriege, die Weltwirtschaftskri- se von 1929 bis 1934 und die Aus- treibungen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges tiefe Spuren in der Bevölkerung hinterlassen.

Die in jüngster Zeit zu beobachten- de Stagnation der durchschnittlichen Lebenserwartung der Männer ge- rade in den vom Krieg besonders betroffenen Ländern (z. B. der Bun- desrepublik, der UdSSR) wird auf eine jahrzehntelange durch Krieg, Wiederaufbau, aber auch übermä- ßigen Nikotin- und Alkoholkonsum verursachte Mehrbelastung zurück- geführt (15, 16).

Die allgemeinen Lebensbedingun- gen (Klima, Ernährung, Wohnkom- fort usw.) beeinflussen mit großer Wahrscheinlichkeit die Krankheits- und die Sterbewahrscheinlichkeit ebenfalls. Hinweise geben z. B. die von Land zu Land unterschiedlich stark ausgeprägten jahreszeitli- chen Krankheitshäufigkeilen und -rhythmen, Nord-Süd- oder Ost- West-Unterschiede besonders bei den Infektionskrankheiten (Grippe, Krankheiten der Verdauungsorga- ne).

Auch die politischen, religiösen und weltanschaulichen Einstellun- gen variieren von Land zu Land. Sie bewirken allgemeine Verhaltens- unterschiede, die wiederum Ein- fluß auf die generelle gesundheitli- che Lage nehmen (z. B. Einstellung zur Schutzbedürftigkeit der Intim- sphäre, der Schwangerschaftsun- terbrechung, der Frauenarbeit, zur Wünschbarkeil von Kindern, zu Vorsorgeuntersuchungen usw.).

8

Mit Statistiken läßt sich nichts

"beweisen".

Man kann mit Hilfe statistischer Verfahren große Datenmassen zu- sammenfassend beschreiben (z. B.

durch sogenannte statistische Pa- rameter wie Mittelwerte, Prozent- zahlen, Streuungsmasse, Maßzah- len für Art und Stärke von Zusam- menhängen).

Man kann weiterhin mit ihrer Hilfe unbekannte Parameter schätzen (z.

B. die Zahl der illegalen Abtreibun- gen). Schließlich ist es möglich, mit statistischen Verfahren wissen- schaftlich sauber vorformulierte Annahmen (Hypothesen z. B. über den Zusammenhang zwischen ho- hem Blutdruck und Herzinfarktan- fälligkeit) rechnerisch zu testen und diese Hypothesen ablehnen, wenn bestimmte Grenzwerte über- schritten werden. Selbst dann muß eine meist nicht geringe Irrtums- wahrscheinlichkeit in Kauf genom- men werden. - "Beweise" im Sin- ne der klassischen Logik oder Na- turwissenschaften sind allein des- wegen statistische Untersuchungs- ergebnisse niemals.

Nie vergessen werden darf ferner, daß bei der statistischen Auswer- tung stets ein Teil der Information verlorengeht, sei es, weil sie in ih- rer Bedeutung verkannt (und zu Unrecht ausgeschieden werden) oder bewußt geopfert werden müs- sen (weil eine Auswertung sonst zu umständlich würde). Jedes Land hat sein eigenes und für Außenste- hende meist unbekanntes lntorma- tionsverlustmuster. Statistiken aus verschiedenen Ländern dürfen da- her niemals unbesehen als bare Münze übernommen und miteinan- der verglichen werden. Vor jedem Vergleich von statistischen Daten muß geprüft werden, ob sie über- haupt miteinander vergleichbar sind (48).

..,.. Vergleichbar sind statistische Informationen, die beobachtungs- gleich sind, aus strukturgleichen Bevölkerungen stammen und re- präsentationsgleich sind, wenn sie auf Stichproben aus der Bevölke- rung fußen.

Beobachtungsgleich sind Informa- tionen, die vollständig und auf glei- che vorgeschriebene Weise festge- halten (dokumentiert), gesammelt, statistisch ausgewertet und veröf- fentlicht werden. Strukturgleich sind Bevölkerungen, die hinsicht- lich wesentlicher Merkmale unge- fähr gleich zusammengesetzt sind und auf die allgemeine Einflüsse ungefähr gleich stark einwirken (z. B. Besetzung der verschiedenen Altersklassen, Geschlechtsverhält- nis, sozioökonomische Struktur, kli- matische Exposition, Einstellungen und Lebensgewohnheiten, Auslän- deranteil). Repräsentationsgleich sind Bevölkerungsstichproben, wenn sie ein maßstabgetreues, wenn auch verkleinertes Abbild der be- obachteten Gesamtbevölkerung un- ter Risiko liefern.

..,.. Ist nur eine dieser Vorausset- zungen nicht erfüllt, so ist eine Schätzung der wahren Verhältnisse ih der Bevölkerung oder ein objek- tiver Vergleich zwischen den Ge- sundheitsverhältnissen verschiede- ner Staaten nicht mehr ohne weite-

res möglich. C>

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Gesundheitsstatistik als politische Waffe

Die Zahlen weisen sog. „systemati- sche statistische Fehler" auf, die — im Gegensatz zum sogenannten

„Zufallsfehler" — durch noch so große Beobachtungszahlen nicht ausgeglichen werden können. Nur intensive Hintergrundsforschung kann zur ungefähren Abschätzung ihrer Größenordnung und Tendenz führen (21, 24).

Quellen systematischer Fehler in Gesundheitsstatistiken sind z. B.:

O Uneinheitlichkeit der Begriffs- bestimmungen (Definitionen)

O Differente statistische Ansätze O Unvergleichbarkeit der Bezugs- größen

O Unterschiede in der Organisa- tion, der Datenerfassung, -zusam- menführung und -auswertung (Do- kumentation und, Statistik)

O Widereinanderlaufende Zielset- zungen und Motivationen

Ursachenaussagen und darauf auf- bauende Kritik mit Hilfe internatio- nalen Vergleiches amtlicher Ge- sundheitsstatistiken sind unzuläs- sig, solange keine Zeichen dafür zu erkennen sind, daß die Ver- gleichbarkeit der zum „Beweis"

herangezogenen Daten einer auch nur angedeuteten Fehleranalyse unterzogen wurde.

• Zu bemerken ist, daß die Ko- sten-/Nutzenanalyse ärztlicher oder sozialmedizinischer Maßnahmen, erst recht ganzer Gesundheitssy- steme, noch in den Anfängen steckt. Auch von daher gesehen, sind die apodiktischen Urteile der

„Arbeitsgemeinschaft" verfrüht und unangebracht.

Damit soll die Diskussion jedoch nicht abgewürgt werden. Jedes so- ziale oder medizinische Siche- rungssystem bedarf der ständigen Überwachung und Erfolgskontrolle.

Es muß aber unter allen Umstän- den verhindert werden, daß auf

*) korrekt: „Lebendgeborene"

Grund des Eindrucks einiger aus dem Zusammenhang gerissener und geschickt geordneter Zahlen- reihen (z. B. auf S. 14 der Broschü- re) oder in ihrer Unsinnigkeit für den Laien undurchschaubarer Quotienten (S. 18) das Anliegen derjenigen, die Verbesserungen unseres Gesundheitswesens an- streben, nicht ernst genommen wird. Weder das eine Extrem, der- artige Gesundheitsstatistiken seien praktisch unbrauchbar (weil inter- national nicht vergleichbar) noch das andere, nämlich ihre kritiklose Übernahme als Grundlage weitrei- chender sozial- und medizinpoliti- scher Entscheidungen ist sinnvoll.

Im folgenden wird versucht, die Aussagen der „Arbeitsgemein- schaft" an zwei typischen Beispie- len im einzelnen vor dem Hinter- grund des vollständigen internatio- nalen Datenmaterials auf ihre Ver- allgemeinerungsfähigkeit zu prü- fen.

1. Müttersterblichkeit

Die „Arbeitsgemeinschaft" schreibt (S. 14): „Unter Müttersterblichkeit werden alle Todesfälle summiert, die mit Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett in ursächlichem Zu- sammenhang stehen, bezogen auf 100 000 Lebendgeborene des glei- chen Zeitraumes. 1971 starben in der Bundesrepublik 50 Frauen pro 100 000 Lebendgeburten"*). Dage- gen war die Sterblichkeit in

Schweden 21

Frankreich 29

England 34

USA 37

Geht man von 778 526 Lebendge- borenen im Jahr 1971 aus (Anga- ben des Statistischen Bundesam- tes 1973), heißt das, daß 1971 rund 400 Frauen infolge einer Geburt oder Schwangerschaft gestorben sind. Herrschten in der Bundesre- publik schwedische Gesundheits- verhältnisse — vor denen die Ge- sundheitsfunktionäre immer wieder energisch warnen — so wären nicht 400, sondern nur etwa 160 Mütter gestorben."

Aus den weiteren Ausführungen der „Arbeitsgemeinschaft" geht hervor, daß sie diese Zahlenunter- schiede für „echt" ansieht und al- lein auf Versagen des deutschen Gesundheitssystems (in erster Li- nie der Ärzte) zurückführt.

Stellungnahme

Statistiken über die Müttersterb- lichkeit werden in der Fachliteratur übereinstimmend als unzuverlässig bezeichnet (16, 25, 29, 44, 109, 110, 111, 138).

Die Zeichen einer Schwanger- schaft sind — zumindest zu Beginn

— diskret und werden daher be- sonders bei plötzlichen Todesfällen

leicht übersehen. Der ursächliche Zusammenhang zwischen den To- desumständen und einer oft länger zurückliegenden Schwangerschaft ist oft nicht eindeutig, vor allem bei verzögertem Krankheitsausbruch oder chronischen Verläufen. Will- kürliche Zuordnungen bei der sta- tistischen Auswertung lassen sich daher kaum vermeiden, besonders bei den Spätfolgen einer Schwan- gerschaft.

Zahlreiche Untersuchungen (18, 30, 57, 74, 76, 83, 88, 106, 107, 126, 127) wiesen ferner die Abhängigkeit der Müttersterblichkeit nicht nur von der Organisation des Gesundheits- wesens, sondern von zahlreichen weiteren Einflußfaktoren nach: Alter der Mutter; Familienstand (verhei- ratet — unverheiratet); Parität (Ge- burtenzahl); Soziale Schicht und wirtschaftliche Verhältnisse.

Das Todesursachenmuster (d. h.

die Verteilung der Müttersterbefälle auf die einzelnen Todesursachen) hat sich innerhalb der einzelnen Länder in den vergangenen zwan- zig Jahren nicht wesentlich geän- dert (Tabelle 1). Allerdings beste- hen deutliche Unterschiede zwi- schen den Ländern (58).

Der Einzelnachweis der Todesursa- chen weist in der Bundesrepublik ein gehäuftes Vorkommen von Schwangerschaftstoxikosen (z. B.

Eklampsien) und von Embolien

348 Heft 6 vom 5. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Tabelle 1: Müttersterbefälle in ausgewählten Ländern nach Diagnosen 1956 - 1966

A 115-A 120 A 115 A 116 A 117 A 118 A 119 A 120

-C (SS N -C

CO N

cc

N cc

cc N N C

cc

N C

o o d) , o 0, o 0 ,

c s(t"

3 (1) 0 CtS J _0

cc N

Land Jahr C

o 1/4,,

o 0)

CD C 7- (1)

3 CD 0 CO --I sa

o

(i)

a.) 0 RS JD

167 159 117 139,2

97,7 65,1 BR Deutschland 1956

(einschl. Berlin-West) 1961 1966

1191 989 684

19,5 15,7 11,1

290 181 121

197 194 107 33,9 17,9 11,5

23,0 19,2 10,2

61 63 56

84 50 38 7,1 6,2 5,3

9,8 4,9 3.6

392 342 245

45,8 33,8 23,3

England und Wales 24

18 19

15,4 11,3 10,0 1956

1961 1966

399 274 223

57,0 33.8 26,2

50 30 20

7,1 3,7 2,4

120 59 43

17,1 7,3 5,1

57 43 27

8,1 5,3 3,2

3,4 2,2 2,2

401 5,7 108 32 3,9 92 29 3,4 85

Frankreich 218

194 107 21

18 21 31

30 28 72

64 40

27,1 23,2 12,4 36

29 28

66 44 44

2,6 2,2 2,4 3,9

3,6 3,3 444

379 268 1956 1961 1966

9,0 7,7 4,6 8,2

5,3 5,1 55,3

45,4 31,2

4,5 3,5 3,3

3,9 325 2,5 364 2,8 268

Italien 1956

1961 1965

1036 983 764

118,6 105,7 77,1

74 65 66

8,5 7,0 6,7

317 308 232

36,3 33,1 23,4

259 205 148

29,6 22,1 14,9

27 18 22

3,1 1,9 2,2

34 23 28

37,2 39,2 27,0 4

2 1

Schweden 1956

1961 1966

37 22 14

34,3 21,1 11,3

3,7 2,9 0,8

11 7 3

10,2 6,7 2,4

3,7 1,0 3,2

1,0 1,6

17 11 4

15,7 10,5 3,2 4 0,9

1 4

1 2

USA 11,7

12,9 10,7 1956 1702 40,9 174

1961 1573 36,9 164 1966 1049 29,1 119

4,2 468 11,2 367 3,8 290 6,8 252 3,3 205 5,7 156

8,8 70 5,9 95 4,3 48

1,7 136 2,2 220 1,3 135

3,3 487 5,2 552 3,7 386

Japan 23

22 6

47,7 36,6 29,1 1956 2838 170,4 99

1961 1914 120,4 65 1966 1266 93,0 35

5,9 1091 65,5 712 42,8 113 6,8 4,1 694 43,7 482 30,3 69 4,3 2,6 471 34,6 281 20,6 77 5,7

1,7 795 1,4 582 0,4 390

Quelle: Das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland, Band 1.4 (1970), S. 117

Erläuterungen: A 115-A 120 = Müttersterbefälle insgesamt; A 115 = Infektion in der Schwangerschaft, bei Entbindung und im Wochenbett; A 116

= Toxikosen in der Schwangerschaft und im Wochenbett; A 117 = Blutungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett; A 118 = Fehlgeburt ohne Sepsis und Toxikose; A 119 = Fehlgeburt mit Sepsis; A 120 = Sonstige Komplikationen in der Schwangerschaft, bei Entbindung und im Wochenbett; Entbindung ohne Angabe der Komplikationen

aus. Das spräche für Mängel in der Schwangerenvorsorge und Wöch- nerinnenbetreuung. Internationale Vergleiche sind jedoch nicht mög- lich, da ähnlich tief gegliederte Sta- tistiken aus anderen Ländern nicht vorliegen (99).

Folgende systematische verzerren- de Einflüsse beeinträchtigen die in- ternationale Vergleichbarkeit der Müttersterbeziffern.

1, Definitionsunterschiede

Nach Definition der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) werden Todesfälle durch „Komplikationen in (also während) der Schwanger- schaft, bei der Entbindung und im Wochenbett" als Müttersterbefälle bezeichnet. Einige Staaten veröf- fentlichen die Müttersterbefälle weiter untergliedert in direkt oder indirekt gestationsbedingte*) und

gestationsunabhängige Sterbefälle.

Die Kriterien für die Zuweisung zu diesen Gruppen sind aber noch nicht international verbindlich fest- gelegt (136, 139).

Werden z. B. in einem Land nur die direkt schwangerschaftsbezogenen Todesfälle als Müttersterbefälle ausgewiesen, die indirekten dage- gen der entsprechenden Grund- krankheit zugeordnet (z. B. einer

„Lungentuberkulose", einer „Inne-

*) Direkt gestationsbedingte Müttersterbe- fälle: durch Infektionen der Ge- schlechtsorgane, Blutungen und sonsti- ge Komplikationen während der Schwangerschaft, bei der Entbindung und im Wochenbett; infolge von Eingriffen, durch Unterlassen notwendiger Maßnah- men oder durch Fehlbehandlungen. In- direkt gestationsbedingte Sterbefälle:

durch Verschlimmerung bereits beste- hender oder durch Neuauftreten anderer Krankheiten oder Verletzungen (Unfäl- le), die den Schwangerschaftsverlauf er- schwerten. Gestationsunabhängige Ster- befälle: durch äußere Gewalt (z. B. Un- fall) verursachte Todesfälle.

ren Verletzung der Beckenorgane bei Verkehrsunfall"), so kann allein aus der formalen Anwendung die- ser Zuordnungsvorschriften eine deutliche und nur durch Einzelfall- analyse aufdeckbare Verschiebung der Müttersterbeziffern resultieren.

Dies gilt besonders für die Staaten, in denen bei der Registrierung der Sterbefälle nicht ausdrücklich nach dem Bestehen einer Schwanger- schaft gefragt werden muß.

Der Leichenschauschein als wich- tigster Informationsträger der To- desursachenstatistik ist in dieser Hinsicht international nicht einheit- lich. In der Bundesrepublik ist der Arzt verpflichtet, bei verstorbenen Frauen zu dokumentieren, ob in den letzten drei Monaten eine Schwan- gerschaft bestanden hatte (dies bei Tod gleich welcher Ursache, also auch bei Selbstmorden, Unfällen, Infektionskrankheiten usw.). Damit

(5)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Gesundheitsstatistik als politische Waffe

folgt die Bundesrepublik dem Prin- zip des zeitlichen Zusammenhan- ges (51).

Diese zusätzliche Information wird auf den Leichenschauscheinen (z. B. der USA oder Großbritanni- ens) nicht verlangt. Hier wird die Schwangerschaft nur dann regi- striert, wenn nach Meinung des Arztes oder des Leichenbeschau- ers (coroner) ein nachgewiesener ursächlicher Zusammenhang zwi- schen Schwangerschaft als wichti- ger Begleitumstand angesehen wurde. Nur dann gelangt die Schwangerschaft zur Kenntnis des Beamten des zuständigen statisti- schen Zentralamtes, der die Ver- schlüsselung und damit die eigent- liche Zuordnung des Falles in der Todesursachenstatistik vornimmt (9, 24).

Die Kenntnis einer im definierten Zeitraum bestehenden Schwanger- schaft wird im Zweifelsfall die Zuordnung eines Sterbefalls nicht unbeeinflußt lassen, vor allem dann nicht, wenn im Todesursachenfeld des Leichenschauscheins nicht — direkt — schwangerschaftsbeding- te Todesursachen aufgeführt wer- den (z. B. Nierenerkrankungen, Bluthochdruckerkrankungen, Em- bolien usw.). Im Einzelnachweis 1971 der Bundesrepublik sind ca.

50 Todesfälle enthalten, die „wäh- rend" der Schwangerschaft aufge- treten sind, bei denen ein kausaler Zusammenhang zum Teil unsicher gewesen sein wird.

Die „Scientific Group of Health Statistics Methodology Related to Perinatal Events" der Weltgesund- heitsorganisation (138) (im folgen- den kurz „WHO-Arbeitsgruppe" ge- nannt) empfiehlt daher — um diese Willkür etwas zu steuern und im In- teresse der internationalen Ver- gleichbarkeit —, bei der nächsten Revision der Internationalen Klas- sifikation der Krankheiten, Verlet- zungen und Todesursachen (lCD) folgende Definition des „Mütter- sterbefalles" einzuführen.

„Tod jeder Frau, die an irgendeiner (!) Ursache stirbt, während sie

schwanger ist oder innerhalb 42 Tagen nach Beendigung der Schwangerschaft stirbt, unabhän- gig davon, wie lange die Schwan- gerschaft bestand und wo sie loka- lisiert war (letzteres bezieht sich z. B. auf Bauchhöhlenschwanger- schaften)")."

Die Bundesrepublik folgt damit be- reits weitgehend dem empfohle- nen internationalen Vorgehen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor entsteht dadurch, daß die Frist für den zeitlichen Zusammenhang zwi- schen Entbindung und Tod interna- tional nicht einheitlich gehandhabt wird. Während sie in Frankreich nur auf sieben Tage lautete, ist sie mangels sicherer Nachbeobach- tungsmöglichkeiten in einigen Ent- wicklungsländern sogar auf 48 Stunden verkürzt. An sich müßten derartige Besonderheiten in den Veröffentlichungen eindeutig aus- gewiesen werden. Z. Z. geschieht derartiges jedoch nicht!

Die WHO-Arbeitsgruppe stellt in ih- rer Veröffentlichung ausdrücklich fest: In der Statistik muß sich jede zeitliche und sachliche Grenzzie- hung an den Zielsetzungen der Statistik und den Gegebenheiten orientieren, also operationell und damit letztlich willkürlich erfolgen.

Ein Mindestmaß an Sicherheit kann nur erreicht werden, wenn man sich auf einheitliches Vorgehen einigt, einmal akzeptierte Definitionen bei- behält und Abweichungen offen ausweist.

2. Ungleichheit der Bezugsgrößen Zur Erleichterung der internationa- len Vergleichbarkeit werden die Müttersterbefälle meist auf die Zahl der im Berichtsjahr und -gebiet Le- bendgeborenen bezogen. Als ande- re Bezugsgrößen werden teilweise benutzt (z. B. im Demographic Yearbook der Vereinten Nationen [114, 115]): die Zahl der im Be-

*) „Death of any woman dying of any cau- se while pregnant or within 42 days of termination of pregnancy, irrespective of the duration and the site of pregnan- cy"

richtsjahr und -land lebenden Frau- en oder die Zahl der Frauen im ge- bärfähigen Alter (zwischen 15 und unter 45 Jahren).

Die nach Ansicht der WHO-Arbeits- gruppe optimale Bezugsgröße für den internationalen Vergleich der Müttersterbefälle wäre die Zahl der im Berichtszeitraum Schwangeren und bis 42 Tage nach der Entbin- dung stehenden Frauen (2, 49).

Diese Gruppe umfaßt die meisten Unter-Risiko-Stehenden. Weil diese Frauen aber nicht exakt erfaßt wer- den können, muß ein operationeller (willkürlicher) Kompromiß getrof- fen werden. Die WHO-Arbeitsgrup- pe empfiehlt als Bezugsgröße die Zahl der im Berichtsjahr Lebend- geborenen. Damit treten jedoch folgende Störeinflüsse in die Stati- stiken der Müttersterblichkeit ein:

Die Geburtenziffern sind vor allem in der Bundesrepublik in den letz- ten Jahren rapide gesunken. Bei einer Nachbeobachtungszeit von drei Monaten wird dadurch ein un- bekannt großer Teil der Spätfolgen von Schwangerschaften des vor- hergehenden Jahres auf die in der Bundesrepublik z. T. mehr als 10 Prozent niedrigeren Geburtenzif- fern des folgenden Jahres bezo- gen. Rechnerischer Ausgleich ist zwar möglich. Der Vergleich der angepaßten Zahl setzt aber exakte Monatsgeburtenzahlen aus allen anderen Vergleichsländern voraus.

Wesentlicher ist folgender Störfak- tor: Der Begriff „lebendgeboren"

wird international nicht einheitlich gebraucht. Dies macht sich z. B. in deutlichen Unterschieden in den Verhältnissen von Lebend- zu Tot- geburten bemerkbar.

Damit sind die Bezugsgrößen (die Zahlen im Nenner) von Land zu Land nicht mehr strukturgleich.

Als praktikablen Kompromiß schlägt daher die WHO-Arbeits- gruppe vor, Müttersterbefälle grundsätzlich auf 1000 Lebend- und Totgeburten zu beziehen, so- fern die Totgeburten 1000 g und mehr wiegen oder eine Tragzeit

350 Heft 6 vom 5. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(6)

Tabelle 2: AltersspezIfische Sterbeziffern (auf 100 000 Elnwohner gleichen Alters und Geschlechts 1971)

weiblich Alter 15-24 25-34 35-44

Österreich Belgien (1970) Frankreich Bundesrepublik Deutschland Luxemburg Niederlande Schweiz Griechenland Italien Portugal Spanien Jugoslawien Bulgarien Tschecho- slowakei DDR Ungarn Polen Rumänien Dänemark Finnland Irland Norwegen Schweden England und Wales Nordirland Schottland

60,7 46,4 58,8 61,1 37,0 39,3 50,3 44,0 45,3 60,0 45,9 59,5 51,6 48,4 52,7 48,5 49,7 71,3 43,3 49,0 47,0 35,5 41,8 40,9 36,5 32,7

79,1 79,7 77,3 78,7 106,2 54,8 61,2 68,9 67,9 97,6 73,6 95,8 80,7 67,7 83,6 82,9 83,7 110,5 69,1 72,0 82,6 57,6 57,0 61,0 60,6 69,1 87,8

178,7 172,8 171,8 177,1 188,3 128,9 140,5 126,3 145,2 196,9 155,1 187,5 161,5 172,3 177,3 199,5 178,9 199,7 186,5 162,2 142,8 122,2 143,9 159,3 176,7 189,0 160,5

Japan 53,6

Quelle: Demographic Yearbook 1972

von 28 Wochen oder mehr haben.

(Eine untere Grenze von 22 Wo- chen oder von 500 g wurde als nicht praktikabel angesehen).

Hingewiesen sei schließlich auf deutliche international unter- schiedlich stark ausgeprägte Strukturveränderungen in der Be- zugsgröße „Frauen im gebärfähi- gen Alter":

In der Bundesrepublik ist z. B. der Anteil der Geburten von Auslände- rinnen besonders hoch (1970) acht Prozent der Lebendgäburten).

Ebenso stieg der Anteil der durch Berufsarbeit zusätzlich belasteten Frauen und der unverheirateten Mütter in den letzten Jahren lau- fend an. Andererseits sank der An- teil der besonders gefährdeten äl- teren Gebärenden, die Gesamtzahl der Kinder pro Ehe und die Zahl der rasch aufeinanderfolgenden Geburten hier besonders schnell.

Die Einstellung zum Kind hat sich geändert, und damit hat sich die Bereitschaft, eine mit Risiken für die Mutter verbundene Schwanger- schaft auszutragen, wahrscheinlich ebenfalls erheblich, wenn auch nicht meßbar, verändert.

Die Effekte dieser weitgehend dem Einfluß nationaler Gesundheitssi- cherungssysteme entzogener de- mographischen, sozialen, weltan- schaulichen und sozio-ökono- mischen Gegebenheiten überla- gern sich. Sie haben in jedem der Vergleichsstaaten ihr eige- nes Wirkungsmuster und schrän- ken die Vergleichbarkeit statisti- scher Daten weiter ein.

3. Unterschiedliche Organisation und Zielsetzungen der Datenerfas- sung und -auswertung

Müttersterbefälle sind emotionell stark belastende Ereignisse. Das Außer-Kontrolle-Geraten eines an sich normalen Zustandes beunru- higt den Arzt. Seine Angaben auf dem Leichenschauschein geben u.

U. zu Rückfragen Anlaß. Die Hin- terbliebenen andererseits erwarten Diskretion (z. B. bei unehelichen Geburten oder Abortsterbefällen).

In Frankreich ist die Diagnosenein- tragung auf dem Leichenschau- schein von der Zustimmung der Angehörigen abhängig. Entspre- chend liegt der Anteil der als

„mangelhaft" bezeichneten Todes- ursachen (ICD 780 bis 796) bei den Frauen im gebärfähigen Alter deutlich höher als in der Bundesre- publik, die Zahl der Müttersterbe- fälle sinkt kompensatorisch (Pro- blem der „relativen Intensität").

Die internationalen Unterschiede verwischen sich noch mehr, wenn man auf eine Differenzierung nach Todesursachen verzichtet und die allgemeinen altersspezifischen Sterbeziffern der Frauen im fort- pflanzungsfähigen Alter miteinan- der vergleicht. Man erkennt dann z.

B. das nahe Zusammenliegen die- ser Zahlen in den Industrieländern, einen Anstieg von Nord nach Süd und von West nach Ost, der eher auf klimatische und regionale Ein- flüsse als auf die Wirksamkeit der in den Vergleichsstaaten ganz un- terschiedlich organisierten Ge- sundheitssystemen hinweist (Ta- belle 2).

Auch dort, wo eine sogenannte vertrauliche Todesursachenbe- scheinigung (wie in der Bundesre- publik) eingeführt ist, sind Dissi- mulationen um so mehr zu erwar- ten, je mehr die Beteiligten Repres- sionen befürchten. Damit muß be- sonders dann gerechnet werden, wenn Mütter- und Säuglingssterbe- ziffern von den aufsichtsführenden Instanzen als Indikator für die Qua- lität der ärztlichen Versorgung an- gesehen werden.

Der Inhalt der Angaben hängt dann sehr davon ab, wie intensiv die Routinenachprüfung des Leichen- schauscheins durch die dafür zu- ständigen Behörden betrieben wird. Dieser Effekt verstärkt sich, sobald bei Bekanntwerden eines Müttersterbefalles eine Ärztekom- mission tätig wird. Anfang der 30er Jahre wurde in einem Teil- bereich New Yorks der Versuch unternommen, die Todesursachen- angaben dadurch zu verbessern, daß bei Auftauchen von „Alters-

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

schwäche" oder sonstiger mangel- hafter Angaben die Leiche be- schlagnahmt und gerichtsmedizi- nisch obduziert wurde. Es gelang damals, den Anteil dieser mangel- haften Angaben innerhalb kürze- ster Zeit erheblich zu „senken"

(persönliche Mitteilung Koller).

Dies wird verständlich, wenn man sich vorstellt, daß der Arzt beim nächsten natürlichen Todesfall, bei dem er sich der Diagnose nicht ganz sicher ist, lieber eine weniger

„aufsehenerregende" Todesursa- che einsetzt, um sich peinliche Verzögerungen, Rückfragen oder Vorwürfe von seiten der Angehöri- gen zu ersparen.

Die Statistik der Abtreibungssterbe- fälle bietet besondere Probleme.

Einmal wird vermutlich die bundes- deutsche Statistik durch Spätfolgen der im Ausland (z. B. in Großbritan- nien) ambulant durchgeführten Ab- treibungen belastet. Einen weiteren undurchschaubaren Effekt hat die rein formelle Signieranweisung zu der Diagnose: (Todesfall durch)

„Schwangerschaftsunterbrechung aus ärztlicher Indikation" (ICD

(7)

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

THEMEN DER ZEIT

A. Aufgabe des

heutigen Rettungswesens

Oberstes Ziel ist es, Menschenle- ben zu erhalten. Der Laie und der Arzt müssen in einer Notfallsitua- tion wohlüberlegt und schnell han- deln. Das Personal der Rettungs- dienste soll intensiv in der Wieder- herstellung und Erhaltung der vita- len Funktionen ausgebildet sein.

Die Rettungswagen gemäß DIN 75 080 sind mit zwei Rettungssani- tätern zu besetzen. In Einzelfällen wird der Arzt am Einsatzort benö- tigt werden. Dann ist der Notarzt- wagen mit seiner für den ärztlichen Einsatz spezifischen Ausrüstung einzusetzen. Um die medizinische Hilfe durch die oft notwendige technische zu ergänzen, bedarf es der Kombination von Rettungs- dienst und Berufsfeuerwehr (Mün- chen, Frankfurt/M., Hamburg). Der Einsatz des Notarztwagens (NAW) hat zu gewährleisten: respiratori- sche, kardiale und zirkulatorische Reanimation, Erhaltung der vitalen Funktionen und die Vermeidung weiterer Schäden für den Patien- ten.

Sind dem Einsatz des NAW Gren- zen gesetzt, ist der arztbesetzte Rettungshubschrauber (RHS) ein- zusetzen. Mit den gleichen medizi- nisch-technischen Geräten wie der NAW ausgerüstet, ist er diesem an Reichweite und Geschwindigkeit überlegen. Dagegen ist der Einsatz eines RHS bei schlechtem Flugwet- ter, bei Nacht oder mangels eines geeigneten Landeplatzes nicht möglich.

Zum zukünftigen Rettungswesen gehört ein bundesweit einheitliches Notrufsystem. In den ländlichen Gebieten gilt es, den Sekundär- transport von Notfallpatienten von jedem beliebigen Ort aus in die nächste Klinik zu sichern.

B. Der Notarztwagen in Hamburg

Hamburg ist ein Stadtstaat mit 753 qkm Fläche und rund 1,8 Millionen Einwohnern. Es verfügt über 19 staatliche Kliniken, von denen eini- ge Schwerpunktkrankenhäuser sind.

Seit 1968 gibt es in Hamburg ei- Gesundheitsstatistik

640). Sie lautet: „Diese Positions- nummer darf nicht verwendet wer- den, wenn die Schwangerschafts- komplikation oder die sonstige Krankheit, die den Eingriff erfor- derlich macht, bekannt ist." (96) Das kann unter Umständen zu demselben Effekt führen, der vor Jahren bereits einmal bei der Dis- kussion der schwedischen Selbst- mordziffern vermutet wurde (52);

nämlich, daß in die (monokausale) Todesursachenstatistik nicht der Eingriff, sondern die am Anfang der zum Tode führenden Kausal- kette, also die vom Arzt angegebe- ne Indikation zur Abtreibung ein- geht (z. B. Depression, allgemeine Erschöpfung). Da diese Signierre- gel in dem Anhang zur internatio- nalen Klassifikation verbindlich vorgegeben ist, kann es durchaus sein, daß in Ländern mit legalisier- ter Abtreibung die Zahl der Ein- griffstodesfälle in Wirklichkeit viel höher liegt.

Solange keine Kenntnis über die nationalen Verschlüsselungsregeln und keine internationale Standardi- sierung im Detail für die Signie- rung in diesen Zweifelsfällen be- steht, muß die Verallgemeinerungs- fähigkeit auch dieses Teils der Müttersterbestatistik angezweifelt werden. Es dürfte erinnerlich sein, daß bei der Diskussion über die Neufassung des § 218 die niedrige- re Zahl der bei legalen Abtreibun- gen zu Tode gekommenen Frauen eine große Rolle gespielt hat.

Wird fortgesetzt

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Horst Fassl Abteilung für

Medizinische Statistik und

Dokumentation der Medizinischen Hochschule Lübeck

Ratzeburger Allee 160 2400 Lübeck

Erfahrungen

mit dem Notarztwagen

Einjähriger Einsatz „rund um die Uhr" in Hamburg

Manfred Schmidt

Berichtet wird über den Einsatz eines Notarztwagens im Jahr 1972/

73. Dabei werden über 1600 Einsätze ausgewertet. Die meisten der ärztlich indizierten Einsätze betrafen innere Erkrankungen, Unfälle und Verlegungen. Relativ geringfügig war die Zahl der Verkehrsun- fälle. Die Arbeit entstand in der Anästhesieabteilung des Universi- tätskrankenhauses Eppendorf (Direktor: Prof. Dr. med. Karl Horatz) und in der II. Anästhesieabteilung des Allgemeinen Krankenhauses Sankt Georg (Chefarzt Dr. med. G. Bergmann), beide in Hamburg.

352 Heft 6 vom 5. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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