• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Grundsätzliches Umdenken notwendig" (31.10.2014)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Grundsätzliches Umdenken notwendig" (31.10.2014)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 44

|

31. Oktober 2014 755

M E D I Z I N

DISKUSSION

Zur Lebensstiländerung motivieren

Die Übertragung der doch sehr ernüchternden Ergeb- nisse einer singulären Gesundheitskampagne (1) an einer Bundeswehrdienststelle auf andere Betriebe können wir seitens der Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz der BASF nicht nachvollzie- hen. Nach unserer nun fast 150-jährigen Erfahrung kommt es bei Gesundheitsförderung in erster Linie darauf an, Mitarbeiter zu begeistern und zu motivie- ren, einen Einstieg ins Thema zu finden, und dann nachhaltig deren Lebensstil zu ändern. Teilnahme - raten von weniger als 50 % und am Ende der Bun- deswehr-Studie von etwas über 15 % sprechen aus unserer Sicht dafür, dass mit dem von den Autoren gewählten Ansatz die Zielgruppe nicht erreicht wur- de. Jeder einigermaßen gebildete Mensch weiß, wie eine gesunde Ernährung aussehen sollte, dass regel- mäßiger Sport gesundheitsförderlich ist und dass Rauchen zu schweren Erkrankungen führt. Die Kunst erfolgreicher Gesundheitsförderung ist es aber gerade, Ratio in Emotion zu übersetzen und den Mitarbeiter durch Spaß, Wettbewerb oder Anreize zu motivieren, sein Verhalten dann auch wirklich zu ändern. Zahlreiche, allesamt von uns publizierte (www.basf.com/arbeitsmedizin) aber in der vorlie- genden Arbeit leider unerwähnte Ansätze im Setting Arbeitsplatz zeigen, dass es auch anders, nämlich er- folgreich geht.

Selbst an sich als belastend eingeschätzte Arbeits- formen, wie Schichtarbeit, haben vermutlich durch ein konsequentes und integriertes Gesundheits ma - nagement bei der BASF Ludwigshafen keine nega - tiven Gesundheitseffekte, so dass umgekehrt auf die Wirksamkeit der bei uns angebotenen präventiven Maßnahmen geschlossen werden könnte (2).

Entscheidend sind aber vielmehr auch die Lang- zeiteffekte erfolgreicher Gesundheitsförderung. So konnten wir anhand einer Langzeitbeobachtung über mehr als 10 Jahre mit einer Kohorte von mehr als 31 000 Probanden zeigen, dass sich eine signifikante Reduktion der Mortalität bei Teilnehmern von Ge- sundheitsförderungsprogrammen erreichen lässt (3).

Unstreitig ist Mortalität in der Medizin das härteste Kriterium. Beim Kriterium tot oder nicht tot gibt es schließlich keinen Interpretationsspielraum.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0755a

Grundsätzliches Umdenken notwendig

Die Ergebnisse der sauber referierten Modellstudie über eine breit angelegte betriebliche Fitness- und Gesundheitskampagne im Jahr 2011 (1) untermauern explizit die Erfahrungen auch aus anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung: Um möglichst viele Ver- sicherte als adhärente Produzenten ihrer Gesundheit tatsächlich zu erreichen, ist in erster Linie ein grund- sätzliches Umdenken in unseren professionellen Versorgungssystemen/bei uns Gesundheitsexperten selbst notwendig. Wir sollten uns die Erfahrungen und die erprobte Effizienzregel der Marketingspezia- listen zunutze machen, die Menschen erfolgreich er- reichen und langfristig binden.

Nicht ein buntes Füllhorn von – statistisch gese- hen durchaus sinnvollen – gesundheitsförderlichen Angeboten ist für Betriebe geeignet. Angebotsorien- tierte Prävention und Gesundheitsförderung sind nicht nur teuer und aufwendig. Es lässt sich sogar ein kontraproduktiver Effekt vermuten.

In der evidenzbasierten Praxis erweist sich die professionelle Spiegelung des konkreten individuel- len Bedarfs als ein messbar hoch effektiver und zu- dem nachhaltiger Ansatz zum Mitmachen, und zwar des Bedarfs an nur ganz bestimmten Angeboten. Sie sollen speziell zu den höchst persönlichen Gesund- heitsressourcen des Mitarbeiters passen beziehungs- weise darauf zugeschnittenen sein – so wünscht es sich der an seiner Vitalität, Arbeits- und Leistungsfä- higkeit oder seinem biofunktionalen Alterszustand Interessierte. Es ist heute mit vertretbarem Aufwand möglich, diese (be)handlungsrelevanten biopsycho- sozialen Stärken und Ressourcen für Gesundheit und Altern auf personaler Ebene zu identifizieren (www.bmg.bund.de/praevention/betriebliche-gesund heitsfoerderung/best-practice-nordrhein-westfalen/

projekte-kombination-von-handlungsfeldern/karl-mayer- bleibt-fit-vital-check.html).

zu dem Beitrag

Ergebnisse einer betrieblichen Gesundheitskampagne:

Wie viel kann man erreichen?

von Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk, Dr. med. Ulrich Rohde,

Nadine D. Hartmann, BSc Philipp A. Preuß, Dipl.-Sportl. Alexander Sievert, Dr. phil. Alexander Witzki in Heft 18/2014

LITERATUR

1. Leyk D, Rohde U, Hartmann ND, Preuß PA, Sievert A, Witzki A:

Results of a workplace health campaign—what can be achieved?

Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 320–7.

2. Oberlinner C, Lang S, Nasterlack M, Yong M: Schichtarbeit und Gesundheit in einem Großunternehmen der chemischen Industrie.

Deutsche Medizinische Wochenschrift 2013; 10: 466–72.

3. Ott MG, Yong M, Zober A, et al.: Impact of an occupational health promotion program on subsequent illness and mortality experience. Int Arch Occup Environ Health 2010; 83: 887–94.

Prof. Dr. med. Stefan Lang Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz BASF SE, Ludwigshafen stefan.lang@basf.com

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

(2)

756 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 111

|

Heft 44

|

31. Oktober 2014

M E D I Z I N

Die gespiegelten Ressourcen können dann unter Alltagsbedingungen mit Hilfe der einschlägigen bewe- gungswissenschaftlichen beziehungsweise psycholo - gischen Kompetenzen gezielt und überprüfbar mobi - lisiert werden (2). Damit erreichen wir gemeinsam belastbare Interventionserfolge und/oder bewirken Lebensstiländerung (Fraunhofer Innovationsforen „De- mografie + Gesundheitsressourcen“: www.age-plus- health.eu/2010/index.html).

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0755b LITERATUR

1. Leyk D, Rohde U, Hartmann ND, Preuß PA, Sievert A, Witzki A:

Results of a workplace health campaign—what can be achieved?

Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 320–7.

2. Pöthig D, et al.: Präventionsdiagnostik. Gesundheitsförderung – ein neues Betätigungsfeld für Ärzte? Dtsch Arztebl 2009; 106:

A1611–4.

PD Dr. med. habil. Dagmar Pöthig

Europäische Vereinigung für Vitalität und Aktives Altern eVAA e.V.

Im GerontoLabEurope, Leipzig poethig@evaaa.de

Interessenkonflikt

Die Autorin unterhält persönliche Beziehungen zu dem Unternehmen age + fitness GmbH & Co. KG. Sie erhielt Honorare für Beratertätigkeit von der Firma vital.services GmbH.

Schlusswort

Wir danken beiden Autoren für ihre Diskussionsbei- träge zu dem gesundheitspolitisch wichtigen Thema der betrieblichen Gesundheitsförderung. Entgegen der einleitenden Worte von Prof. Lang sehen wir kei- nen nennenswerten Unterschied in unseren Positio- nen. Für die Bundeswehr war und ist die Erhaltung und Förderung der Gesundheit des zivilen und des militärischen Personals von zentraler Bedeutung.

Dabei geht es keineswegs um die Durchführung sin- gulärer Maßnahmen, sondern darum, dass Mitarbei- ter und Mitarbeiterinnen aus nahezu allen Berufs-, Bildungs- und Altersgruppen, unter fordernden phy- sischen wie auch psychischen Einsatzbelastungen im In-/Ausland gesund bleiben und eine ausreichende Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit besitzen (1).

Mit der klassischen Gesundheitsvorsorge ist es längst nicht getan: Während Vorsorgeuntersuchun- gen, Impfschutz et cetera recht einfach zu realisieren sind, ist eine deutliche und nachhaltige Verbesserung des Bewegungs- und Ernährungsverhaltens wesent- lich schwieriger zu erreichen (1). Ohne eine moderne ressourcenorientierte und interdisziplinäre Präven - tionsforschung und die praktische Umsetzung in den Alltag lassen sich allenfalls einzelne, kurzfristige Erfolge erzielen. Aus diesem Grund wird künftig die wissenschaftliche Expertise im Institut für Prä- ventivmedizin der Bundeswehr in Koblenz gebün- delt.

Im Vergleich zu anderen Gesundheitsinitiativen beteiligten sich zu Beginn mit 48 % aller Mitarbei - ter viele Personen an der Modellstudie (2). Gemes- sen an dem Kriterium „kurzfristiger Erfolg“ ist nicht

nur diese Beteiligung, sondern auch die Bewertung durch die Mitarbeiter als sehr positiv einzustufen (2, 3). Das eigentliche Problem praktisch aller Kam- pagnen besteht vor allem darin,

die Zielgruppen, die besonders von Gesund- heitsförderung profitieren, zu erreichen

möglichst viele Personen zu einem Umdenken für eine gesunde und leistungsfördernde Le- bensweise zu motivieren

die Personen zu befähigen, diese Verhaltensän- derungen langfristig zu etablieren (1).

Mit Blick auf diese Problematik freuen wir uns über die in den Diskussionsbeiträgen enthaltenen Hinweise zu möglichen Strategien, die zu nachhalti- gen Verbesserungen des Bewegungs- und Ernäh- rungsverhaltens führen (4).

Spaß am Sport ist ein wichtiges Unterscheidungs- merkmal zwischen sportlich Aktiven und Inaktiven (2, 5). Die Ausführungen von Prof. Lang zur Bedeu- tung der Motivation des Einzelnen unterstreichen unsere eigenen Aussagen (2).

Frau PD Dr. Pöthig fordert zu Recht das Um - denken von Akteuren, die an der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen beteiligt sind, wie auch sub- stanzielle Änderungen in den Versorgungssystemen.

Ein wichtiger Zugang, um den Einzelnen für nachhal- tige Gesundheitsförderung zu gewinnen, ist sicherlich die individualisierte bedarfsorientierte Angebotsge- staltung und das Vermitteln von Erfolgserlebnissen.

Wer tägliche Anforderungen im Beruf und im priva- ten Bereich besser bewältigen kann, wird eher bei einem gesundheits- und leistungsfördernden Lebensstil bleiben.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0756

LITERATUR

1. Leyk D, Franke E, Hofmann M, et al.: Gesundheits- und Fitness- förderung in der Bundeswehr: Von ressourcenorientierter Präven- tionsforschung zur Umsetzung in die Fläche: Wehrmed Mschr 2013; 57: 162–6.

2. Leyk D, Rohde U, Hartmann ND, Preuß PA, Sievert A, Witzki A:

Results of a workplace health campaign—what can be achieved?

Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 320–7.

3. Witzki A, Rohde U, Rüther T, et al.: Erkenntnisse aus der Gesund- heits- und Fitness-Initiative an einer großen Dienststelle für die künftige Präventionsarbeit in der Bundeswehr. Wehrmed Mschr 2013; 57: 171–6.

4. Leyk D: The preventive and therapeutic roles of regular physical activity. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 713–4.

5. Leyk D, Witzki A, Sievert A, et al.: Importance of sports during youth and exercise barriers in 20- to 29-year-old male nonathletes differently motivated for regular physical activities.

J Strength Cond Res 2012; 26: 15–22.

Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz

Laborabteilung IV

Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie, Koblenz Deutsche Sporthochschule Köln

Institut für Physiologie und Anatomie Leyk@dshs-koeln.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die 1974 erneut aufgenommenen umfangreichen Untersuchungen über die Strahlen- exposition der Bevölkerung durch Anwendung ionisierender Strahlen in der Medizin zeigten, daß bei ein

Durch ein Nicht- bestehen dieser Prüfung würde für viele Studenten ein soziales und fi- nanzielles Desaster entstehen, zu- mal sich, zumindest bei den Ulmer

Ich habe aus Neugier mein Soft- waremodul (in Doccomfort) für unse- re hausärztliche Praxis schon in die- sem Quartal scharf geschaltet und die Flüche meines Kollegen und unserer

April 1978 werden für die Universität Münster über 400 Studenten im Praktischen Jahr erwartet, ohne daß sich die Zahl der zur Verfügung ste- henden Wohnmöglichkeiten erhöht

Trotz der Möglichkeit, alle Angebote während der Ar- beitszeit wahrzunehmen, persönlicher Einladung durch das Leitungspersonal (und dessen aktiver Teilnahme) sowie die

Nach Meinung der Kranken- hausträger wäre es noch besser, die derzeitig geltende Regelung (volle Finanzierung über den Pfle- gesatz) in eine Dauerlösung umzu-

Die gängi- gen Bezeichnungen „(persön- lich-)ärztlich“ und „(medizi- nisch-)technisch“ für die er- sten beiden Gebührenrahmen stammen nicht aus der GOÄ, sondern sind in

Nach Abschluß der Be- handlung wollten rund sechzig Prozent der Pa- tienten mit dem Pflaster weiterbehandelt werden, gegenüber 13,6 Prozent, die einer oralen Therapie den