Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008 A425
S E I T E E I N S
D
ie Tarifverhandlungen für die rund 55 000 Ärz- tinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäu- sern kommen nicht voran. Entgegen ihrer Ankündigung legte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberver- bände (VKA) auch zur dritten Verhandlungsrunde kein konkretes Tarifangebot auf den Tisch. Allmählich wird jedoch deutlich, welche Ziele die Arbeitgeberseite in den Verhandlungen mit dem Marburger Bund (MB) verfolgt: Sie hofft auf einen „Dreiklang aus Entgelter- höhung, Arbeitszeitverlängerung und Ausbau der Leis- tungsorientierung“ (VKA-Hauptgeschäftsführer Man- fred Hoffmann). Diese drei Punkte seien am 20. und 21. Februar ausgiebig diskutiert worden, bestätigt MB- Verhandlungsführer Lutz Hammerschlag – „allerdings, ohne dass wir uns in einer dieser Sachfragen entschei- dend nähergekommen wären“. Angesichts der Misstöne könnte es erneut zu Ärztestreiks kommen.Maßstab für eine Entgelterhöhung der Ärzte soll nach VKA-Vorstellungen das Angebot für die übrigen Be- schäftigten in kommunalen Krankenhäusern sein. De- nen hat man fünf Prozent mehr Lohn (gestaffelt in drei Stufen) angeboten – bei einer gleichzeitigen Verlänge- rung der Arbeitszeit um eineinhalb auf 40 Wochenstun- den. Der MB hingegen fordert nach Entgeltgruppen ge- staffelte Einkommensverbesserungen zwischen 8,3 Pro- zent (für Fachärzte ab dem vierten Jahr) und 14,3 Prozent (für Fachärzte ab dem 16. Jahr). „Letztlich wollen wir nur nachholen, was wir mit anderen Krankenhausträgern schon lange tarifiert haben“, erläutert Hammerschlag.
Eine Verlängerung der regulären Arbeitszeit für die Kli- nikärzte lehnt er ab. In der letzten Tarifrunde 2006 sei diese für die Ärzte bereits von 38,5 auf 40 Wochenstun- den erhöht worden: „Bevor wir über eine weitere Ver- längerung der Wochenarbeitszeit reden, sollten zunächst einmal in allen Krankenhäusern geeignete Zeiterfas- sungsgeräte installiert sein.“ Nur dann sei gewährleistet, dass den Ärzten Mehrarbeit auch entsprechend honoriert werde. Weit auseinander liegen die Vorstellungen auch bei der Einführung einer leistungsorientierten Vergütung.
Es sei unverständlich, dass ausgerechnet bei den Ärzten als Leistungsträgern dieses Vorhaben bislang blockiert werde, meint VKA-Hauptgeschäftsführer Hoffmann.
Hammerschlag argumentiert, dass der Kern einer ärztli- chen Leistung als solche nicht messbar sei: „Wann ist ei- ne ärztliche Leistung eine gute Leistung?“, fragt er.
Die nächste Verhandlungsrunde zwischen MB und VKA ist für den 13. und 14. März terminiert. „Dies wird die letzte Chance für die Arbeitgeber sein, den Tarif- konflikt friedlich zu lösen“, betont Hammerschlag. Der MB habe ein großes Interesse, die Tarifrunde am Ver- handlungstisch und nicht auf der Straße zu lösen. Dafür sei allerdings ein verhandlungsfähiges Angebot der Ar- beitgeber überfällig. Die VKA verweist auf die schwie- rige wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser.
Erneute Arbeitskampfmaßnahmen der Ärzte an den kommunalen Kliniken rücken näher. Ärztesprecher di- verser Krankenhäuser haben sich bereits getroffen und mögliche Aktionen diskutiert. Doch wie vielverspre- chend wäre ein erneuter Streikaufruf des MB? Gelingt es wirklich noch einmal, wie im Jahr 2006 mehrere Tau- send Ärzte für einen Arbeitskampf zu mobilisieren? Es wäre wünschenswert, aber Geschichte wiederholt sich in der Regel nicht. Und gegen wen richtet sich der Un- mut der Ärzte eigentlich? Gegen die Klinikarbeitge- ber? Für deren Verhalten haben manche von ihnen an- gesichts der knappen Budgets und der nicht nachvoll- ziehbaren „Sanierungsabgabe“ vielleicht sogar Verständ- nis. Oder doch eher gegen die Politik, weil sie viel zu wenig Geld für die stationäre Versorgung bereitstellt?
Politische Streiks sind in Deutschland aber verboten.
Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik
TARIFVERHANDLUNGEN
Dreiklang mit Misstönen
Jens Flintrop