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Archiv "Die endoskopische Behandlung des Karpaltunnelsyndroms: Komplikationen untertrieben" (06.10.1995)

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MEDIZIN

In diesem Sinne sollte man schon eine Lanze für alle handchir- urgisch ausgebildeten Kollegen bre- chen, da die allumfassende chirurgi- sche Behandlung des Karpaltunnel- syndroms, ob nach klassischer oder endoskopischer Methode, unter Hinzunahme aller bei Komplikatio- nen und Revision erforderlichen Eingriffe sicher Aufgabe der Hand- chirurgie ist.

Wenn die endoskopische Be- handlung im Rahmen der minimal in- vasiven Chirurgie sicher auch beim Karpaltunnelsyndrom eine interes- sante Entwicklung ist, so gibt es bis heute kein hervorragendes Argu- ment, das diese Methode über den klassischen Eingriff hinaushebt.

Auch muß man vor falsch ver- standener „minimal invasiver" Chir- urgie warnen, wenn manche Chirur- gen jetzt das CTS über einen „mini- malen" Hautschnitt klassisch operie- ren wollen.

Die endoskopische Technik bringt vielen Patienten ein „Plus", al- le vorangehenden Überlegungen soll- ten aber in die präoperative Beratung eingehen — und jeder Chirurg kann sich auch selbst fragen, wie er bei sei- nem eigenen Karpaltunnelsyndrom operiert werden möchte!

Dr. J. Bahm

Klinik für Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum der RWTH Aachen Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

Keinerlei Vorteile

Ich sehe — im Gegensatz zu ande- ren Kollegen — in diesem Verfahren absolut keinen Vorteil. Wir haben schon seit vielen Jahren den Eingriff offen so minimalisiert, daß wir ledig- lich einen etwa zwei Zentimeter lan- gen Schnitt am Daumenballenrand bis zur ersten Handgelenksfalte durch- führen, wobei man dann unter Sicht durch Mobilisierung der Haut über dem Karpaltunnel ulnarseitig das Band mit einer feinen Schere problem- los durchtrennen kann, so daß keines- wegs gegenüber der endoskopischen Behandlung eine größere Traumatisie-

DISKUSSION

rung stattfindet. Die Ergebnisse sind — wie überhaupt bei allen Karpaltunne- loperationen — ausgezeichnet. Es gibt keine Komplikationen, und die Wie- derherstellung der Arbeitsfähigkeit ist nach kurzer Zeit gegeben und unter- scheidet sich sicherlich nicht von der endoskopischen Methode. Der in Lo- kalanästhesie durchgeführte Eingriff dauert 10 bis 15 Minuten.

So reizvoll das endoskopische Operieren auch für den Neurochirur- gen ist und sicherlich eine Herausfor- derung für die nächsten Jahre dar- stellt, sehe ich jedoch im endoskopi- schen Operieren des Karpaltunnel- syndroms keinerlei Vorteile. Nach den in dem Artikel vorgelegten Bil- dern erscheint mir die Durchtren- nung nach distal, die wir bis zur Hohl- hand subkutan durchführen, nicht optimal. Dies ist sicherlich ein diskus- sionswürdiger Punkt, wobei ich im übrigen die in den Zukunftsaussich- ten diskutierten Punkte 1 bis 3 in ab- solut gleicher Weise wie Herr Brock beurteile.

Prof. Dr. Palleske Neurochirurgische Klinik Städtische Kliniken Dortmund Münsterstraße 240

44145 Dortmund

Komplikationen untertrieben

Die Autoren versuchen, Vor- und Nachteile der endoskopischen sowie der offenen Behandlung des Karpaltunnelsyndromes gegeneinan- der abzuwägen, und kommen zu dem Ergebnis, daß die endoskopische Spaltung eine Alternative zur offe- nen Operation sei und in Zukunft zur Routinemethode werde. Bedauerli- cherweise argumentieren sie in Er- mangelung einer Kontrollgruppe we- niger mit gesicherten Daten als mit Statements für die endoskopische Operationstechnik.

Hierdurch wird eine Sicherheit vor allem hinsichtlich der Komplika- tionsfreiheit suggeriert, die nicht den Tatsachen entspricht.

21 Prozent ihrer endoskopisch operierten Patienten wurden nachun- tersucht; dies entspricht allenfalls ei-

ner Beobachtungsstudie, wobei nicht einmal bekannt ist, ob sie prospektiv konzipiert wurde. Entscheidender Nachteil ist die fehlende Kontroll- gruppe. Anatomische Untersuchun- gen an endoskopischen Spaltungen des Retinaculum flexorum ergaben, daß auch bei erfahrenen Operateuren in 5 bis 50 Prozent der Fälle (5, 6, 8) in- komplette Spaltungen des Retinacu- lum flexorum gefunden wurdeh. We- sentlicher als diese experimentell nachgewiesene Unsicherheit ist je- doch die beängstigend hohe Zahl an publizierten klinischen Komplikatio- nen (4, 7). Eine Umfrage bei 30 Mit- gliedern der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie ergab allein, daß ih- nen innerhalb von zwei Jahren 38 Pati- enten zugewiesen wurden, von denen 20 Patienten eine inkomplette Spal- tung des Retinaculum flexorum auf- wiesen, zwei eine Durchtrennung des Hohlhandbogens, vier die Durchtren- nung einzelner Fingemerven, sechs die eines N. ulnaris, vier eines N. me- dianus und zwei einer Beugesehne.

Allen Fällen war ein endoskopischer Eingriff vorausgegangen! Keiner, der auch nur andeutungsweise die fatalen Folgen einer Nervendurchtrennung im Bereich der Handwurzel kennt, darf diese Gefährdung verschweigen.

Ohne die theoretischen Vorteile einer Innovation in Frage zu stellen, sind die bisher beschriebenen Argu- mente — allein hinsichtlich der Sicher- heit — ausreichend schwerwiegend, um dieses, von den Autoren als „Al- ternative zum offenen operativen Vorgehen" beschriebene, Verfahren sehr kritisch zu betrachten und es kei- neswegs allgemein als Alternative zu bezeichnen. Die Lernkurve — und dies wird auch von den Verfechtern der endoskopischen Spaltung nicht be- stritten — ist ungleich höher als bei der offenen Spaltung.

Ob mit dieser Methode Behand- lungsergebnisse verbessert werden, läßt sich adäquat nur mit kontrollier- ten Studien beantworten.

Die Autoren zitieren hierfür die Studien von Agee et al. (1) und Brown et al. (3). Im ersten Fall wird das operative Vorgehen bei der offe- nen Behandlung nicht einmal be- schrieben, in der zweiten Studie wird eine 10 bis 11 Zentimeter lange Haut- inzision gewählt.

A-2662 (80) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

(2)

MEDIZIN

Diese heute offenkundig immer noch angewandte Inzision wird von erfahrenen Handchirurgen jedoch nur noch sehr selten bei speziellen In- dikationen eingesetzt und stellt kei- nen Maßstab dar.

Wird bei der offenen Spaltung die heute übliche kurze Inzision (le- diglich im Bereich der Hohlhand pe- ripher der Raszetta) mit dem endo- skopischen Vorgehen verglichen, dann ergeben sich ganz andere Er- gebnisse.

Eine noch nicht abgeschlossene kontrollierte Studie in meiner Abtei- lung, bei der die Inzisionslängen bei kurzer und langer Schnittführung im Bereich der Hohlhand (2,5 cm versus 4,5 cm) mit dem endoskopischen Ver- fahren nach Agee verglichen werden, ergibt beispielsweise bei der offenen Behandlung eine Arbeitsunfähigkeit von im median 16,5 Tagen (Agee 17 Tage, Brown 14 Tage) sowie einen gleichen Patientenkomfort hinsicht- lich Sensibilität, Kraft, Narben, Schmerzen, Patientenzufriedenheit.

Auch ökonomische Gesichts- punkte als Kriterium einer Technolo- giebewertung müssen genannt wer- den, wenn eine klinische Vergleich- barkeit der Methoden vorliegt.

Brown et al. (3) errechneten eine Differenz von 491 Dollar zugunsten der offenen Behandlung. Diese Diffe- renz entstand durch die Kosten des endoskopischen Einmalbesteckes so- wie des gesamten zeitlichen Mehrauf- wandes.

Die zusätzlichen Kosten für das Instrumentarium wurden hierbei nicht berücksichtigt.

Gründe für die beschriebenen — und längst nicht alle bekannten — kli- nischen Fehlschläge bei der endosko- pischen Behandlung des Karpaltun- nelsyndromes mögen in der verlän- gerten Lernkurve liegen und die Er- gebnisse bei längerer Routine in Ex- pertenhand zu immer sicheren Resul- taten führen; die Lernkurve wird für jeden Anfänger immer wieder begin- nen müssen, wenn dieses endoskopi- sche Verfahren beim heutigen Stand zur Routinemethode erhoben und dann von jedem eingesetzt wird.

Komplikationsrate sowie Zahl und Qualität der bisher vorhandenen Studien rechtfertigen es in keiner Weise, von einer „Alternativmetho-

DISKUSSION

de" oder sogar einem „kleinen Ein- griff" zu sprechen.

Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Peter Brüser Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie Malteser Krankenhaus Bonn Von-Hompesch-Straße 1 53123 Bonn

Schlußwort

Die weit überdurchschnittliche Anzahl von Zuschriften zeigt in sehr eindrucksvoller Weise, daß die ange- sprochene Thematik einerseits ein sehr breites Interesse weckt und an- dererseits durchaus kontroverse Aspekte aufweist. Die Autoren sind über das rege Interesse verständli- cherweise erfreut und den Kollegen, die sich die Mühe gemacht haben, zur Feder zu greifen, dankbar.

Die kritische Analyse der Zu- schriften läßt drei Hauptaspekte er- kennen: (1.) die medizinisch kontro- versen Fragen, (2.) die berufspoliti- schen Interessen und (3.) die davon nicht ganz unabhängigen wirtschaftli- chen Gesichtspunkte.

(1.): Es wird prinzipiell nicht an- gezweifelt, daß die endoskopische Durchtrennung des Ligamentum car- pi transversum technisch einfach ist.

Daß sie auch auf lange Sicht Erfolg bringen kann, dürfte inzwischen als nachgewiesen gelten. Strittig bleiben Punkte wie die Indikationsstellung bei

„Grenzfällen", die Notwendigkeit ei- ner Neurolyse des Nervus medianus, die Gefahr der Verletzung nicht neu- raler Strukturen innerhalb des Kar- paltunnels, die Notwendigkeit der Freilegung des Astes zur Daumenbal- lenmuskulatur und einige mehr. Mit zunehmender Erfahrung werden auch diese Fragen eine Antwort finden.

(2.): Der „berufspolitische Kampf" über die Frage, wer (Neuro- chirurg, Orthopäde, Handchirurg, Allgemeinchirurg usw.) das Ligamen- tum carpi transversum zu spalten be- fugt ist, ist überflüssig und durch- schaubar. Das Karpaltunnelsyndrom ist — und daran zweifelt niemand — ein Nervenkompressionssyndrom. Dem-

entsprechend wurde seine erste klare pathophysiologische Erklärung (und autoptische Bestätigung) von zwei Neurologen, Pierre Marie und Char- les Foix, im Jahre 1913 gegeben. Es waren pikanterweise auch diese Neu- rologen, die die Spaltung des Liga- mentum carpi transversum als Thera- pie erstmals vorgeschlagen haben.

Selbstverständlich bleibt es jedem Be- troffenen überlassen, ob er sein Ner- venkompressionssyndrom von einem Nervenchirurgen, einem Handchirur- gen, einem Allgemeinchirurgen oder einem Orthopäden behandeln läßt.

(3.): Selbstverständlich (und lei- der!) werden ärztliche Entscheidun- gen in zunehmendem Maße von öko- nomischen Überlegungen geprägt.

Bei allem Verständnis für die nieder- gelassenen Kollegen und für diejeni- gen, die an nicht universitären Anstal- ten tätig sind, muß gemeinsames An- liegen aller Ärzte sein, eine Entschei- dungsbefugnis zu erlangen, die frei von pekuniärer Unterjochung ist. Im spezifischen Falle ist zu erwähnen, daß fast jedes Krankenhaus über Endo- skopiesysteme verfügt, daß das eigent- liche Instrumentarium (mit Ausnah- me der „Einmalmesser") über viele Jahre wiederverwendet werden kann und daß die Einmalmesser nur einen Bruchteil des „Katalogpreises" ko- sten, wenn sie in größerer Menge ge- kauft werden. Die Verfasser sind der Auffassung, daß sich die endoskopi- sche Behandlung des Karpaltunnel- syndroms unaufhaltsam durchsetzen wird schon wegen ihrer Einfachheit, ihrer großen Erfolgsrate, ihrer Risiko- armut — hauptsächlich aber wegen ih- rer großen Attraktivität für den Pati- enten. Wir wissen zwar, daß es immer Indikationen geben wird für eine offe- ne Spaltung des Ligamentum carpi transversum. Wir sind aber ebenso da- von überzeugt, daß diejenigen, die die endoskopische Spaltung des Ligamen- tum carpi transversum ihren Patienten nicht anbieten können, sehr bald die- ses Gebiet werden aufgeben müssen.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Mario Brock Direktor der Neurochirurgischen Klinik

Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin

A-2664 (82) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

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