Arzneimittel
Sparpaket in der Kritik
Fachleute warnen vor Belastung der Patienten und neuer Bürokratie.
D
ie Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) hat bei einer Anhörung im Gesund- heitsausschuss des Bundestags das geplante Gesetz zur Ver- besserung der Wirtschaftlich- keit in der Arzneimittelversor- gung kritisiert, besonders die geplante Bonus-Malus-Rege- lung. „Es vergrößert Bürokra- tie und Intransparenz, treibt Ärzte in die Ethikfalle und wird die Senkung der Arz- neimittelkosten bei gleich bleibender Qualität nicht be- wirken“, erklärte KBV-Vor- standsmitglied Ulrich Wei- geldt am 18. Januar.Die Bundesärztekammer äußerte bei der Anhörung ebenfalls Bedenken. Die vor- gesehenen Sanktionen beruh- ten auf statistisch unsicheren Schnellinformationen über
Verordnungen, hieß es.Außer- dem bringe eine solche Rege- lung Ärzte gegenüber den Patienten in den Verruf der
„honorarverbessernden Mi- nimaltherapie“. Hingewiesen wurde im Bundestag aller- dings darauf, dass einzelne Kassen und KVen bereits Bonus- und Malusregelungen erproben. So haben die AOK Sachsen und die dortige KV Ende 2003 einen Bonus-Ver- trag geschlossen, für den acht Wirkstoffgruppen ausgewählt wurden. Ergebnisse sollen im März vorliegen.
Die KV Hamburg hatte mit allen Kassen vor Ort eine Ziel- vereinbarung für 2005 getrof- fen. Dafür wurden für Wirk- stoffe aus 14 Arzneimittelgrup- pen Zielwerte für Tagesthera- piekosten festgelegt. Diese sollen jedoch nur dann greifen, wenn die vereinbarte Ausga- benobergrenze bei Medikamen- ten überschritten wird. Ergeb- nisse stehen ebenfalls noch aus.
Die KV Nordrhein hat den Kassen zugesichert, dass 2006 noch mehr günstige Generi- ka und weniger so genannte Scheininnovationen verord- net werden. Dabei wurden für mehrere Facharztgruppen
unterschiedliche Quoten fest- gelegt. Wird das insgesamt vereinbarte Ausgabenvolu- men für Arzneimittel über- schritten und dazu das indivi- duelle Richtgrößenvolumen des einzelnen Arztes, wird ein Malus von vier
Prozent auf das Gesamthonorar des Arztes fällig.
Dr. med. Leonhard Hansen, Vorstands- vorsitzender der KV Nordrhein,ver- teidigte solche re- gionalen Vereinba- rungen: Es mache einen Unterschied, ob punktuell prak- tikable Zielverein- barungen getroffen würden oder ob
bundesweit Tagestherapieko- sten vorgegeben würden wie im Gesetzentwurf vorgesehen.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen forderten ebenfalls Korrekturen am Gesetzentwurf. Sie befürch- ten, dass Patienten durch die vorgesehenen Veränderun- gen bei den Festbeträgen nur noch 45 Prozent der Ver- ordnungen ohne Aufschläge erhalten. Denn die Erstat-
tungsgrenzen sollen durch- gängig stark gesenkt werden, sodass etliche Firmen ihre Präparate womöglich anders als früher nicht zum oder un- ter dem Festbetrag anbieten werden. Der Bundesverband
der Betriebskrankenkassen hat deshalb als Alternative vor- geschlagen, die gesetzliche Zuzahlung für solche Arznei- mittel zu streichen, die deut- lich unter dem Festbetrag lie- gen: „Gelänge es, durch diese Regelung den Anteil der be- sonders günstigen Verord- nungen von heute zehn auf 30 Prozent zu erhöhen, würden rund 1,4 Milliarden Euro gespart werden.“ Rie A K T U E L L
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 4⏐⏐27. Januar 2006 AA153
Arzneimittelsicherheit
FDA reformiert Beipackzettel
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ine neue Gestaltung der Beipackzet- tel und andere Reformen sollen nach Absicht der amerikanischen Zulas- sungsbehörde FDA die Zahl der An- wendungsfehler senken, die in den USA jedes Jahr zu schätzungsweise 300 000 Komplikationen und 100 000 vermeidbaren Todesfällen führen. Un- tersuchungen haben gezeigt, dass nur zehn Prozent der Ärzte die Beipackzet- tel oder Fachinformationen zu den Me- dikamenten lesen, die sie verschreiben.Dabei steckt hinter diesen Produkten eine Menge Arbeit. Die Behörden ge- ben bis auf jede Einzelheit vor, wie die Hinweise zu Dosierung, Pharmakologie, Wirkung und Nebenwirkungen zu erfol-
gen haben. In den USA hat sich die Ge- staltung der Beipackzettel in den letzten 25 Jahren kaum geändert, mit der Aus- nahme, dass die Texte immer länger ge- worden sind. Hier möchte die FDA jetzt einen Schnitt machen. Die optische Auf- bereitung der Informationsmaterialien in Medikamentenpackungen und in der Werbung soll grundlegend reformiert werden. Seit fünf Jahren beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dieser Frage.
F
olgende Änderungen, die sicherlich auch die hiesige Behörde interessieren dürften, wurden beschlossen. Eine als„Highlights“ bezeichnete Sektion, die an den Anfang des Blattes gestellt werden soll, wird die wichtigsten Informationen zu dem Medikament zusammenfassen.
Ein Inhaltsverzeichnis soll eine raschere Orientierung im Text ermöglichen.
Außerdem soll jetzt das Datum der Zu- lassung angegeben werden, damit der Arzt weiß, wie lange ein Medikament
bereits eingesetzt wird. Schließlich sollen die Hersteller eine gebührenfreie Tele- fonnummer angeben, wo der Arzt weite- re Informationen erhalten kann.
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ach Presseberichten ist auch eine Reform der Werbeanzeigen geplant.Hier sollen die bandwurmartigen
„Pflichttexte“ am Schluss jeder Anzeige verkürzt werden. Verständlichkeit solle gegenüber der Vollständigkeit den Vor- zug erhalten, was von Anwaltsverbän- den sogleich kritisiert wurde. Doch die FDA vertritt die Ansicht, dass zu viele Warnungen den gleichen Effekt hätten wie zu wenige Warnungen. Beide wür- den in der Praxis nicht beachtet, wenn sie optisch nicht angemessen aufberei- tet würden. Ob dies gelungen ist, kann jeder Internet-User selbst beurteilen.
Die FDA hat einige neue Beipackzettel von fiktiven Präparaten ins Netz ge- stellt (www.fda.gov/cder/regulatory/
physLabel/default.htm). Rüdiger Meyer Akut
Besonders umstritten ist die Bonus-Malus- Regelung für ärztliche Verordnungen.
Foto:ddp