vergessen werden, dass die Frischzellentherapie, die in den 30er-Jahren von dem Schweizer Arzt Niehans ein- geführt wurde, nicht nur oh- ne erwiesene Wirksamkeit, sondern infolge nicht vorhan- dener Therapiesicherheit auch gefährlich ist. Bereits bis zum Jahr 1955 war es bei der Frischzellentherapie zu 80 schweren Komplikationen gekommen, von denen 30 tödlich verlaufen waren.
Frischzellen aktivieren das Immunsystem, allerdings auf eine unvorhersehbare Weise, die den Patienten auch ge- fährden kann. Außerdem sind sie auch hormonell wirk- sam, wenn sie aus Hormon- drüsen stammen. Auch gibt es von der WHO Verlautba- rungen, nach denen die In- jektion von Organbestandtei- len und Zellen von Schafen und Ziegen als für Menschen gefährlich und nicht tolerabel eingestuft wird.
Daher bleibt zu hoffen, dass die rein formale Entschei- dung des Bundesverfassungs- gerichts (es ging hier offen- bar um eine Kompetenzüber- schreitung des Gesundheits- ministers) zum Verbot der Frischzellentherapie nicht zu einer Aufwertung dieser Therapieform führt.
Dr. med. Rainer Hakimi, Hallesche Nationale, KV aG, Reinsburgstraße 10, 70178 Stuttgart
Jede Art von Zellthera- pie ist abzulehnen
Das unglückselige Urteil des BVG, mit dem das nach lan- gem Kampf durchgesetzte Frischzellenverbot aufgeho- ben und als Ländersache be- zeichnet wurde, hat die Zell- therapeuten wieder Ober- wasser gewinnen lassen, aber auch der in ihrem Sinn tätige Jurist R. Wimmer kann ob- jektiv keine Berechtigung für ihre Freigabe begründen.
Ihm genügt es nämlich nicht, dass die Injektion dieses un- appetitlichen Gewebebreis als „bedenklich“ angesehen wurde, damit sei er eben nicht „gefährlich“! Sie hätte einen hohen therapeutischen
Effekt, ihr Wirkmechanis- mus sei allerdings „wissen- schaftlich noch nicht voll er- klärbar“. Hier soll also für die Paramedizin wieder ein- mal die leider üblich gewor- dene Beweisumkehr maß- geblich sein, wonach nicht etwa die Zelltherapeuten vor Anwendung ihrer ominösen Methode eine auch nur eini- germaßen plausible Begrün- dung mit experimentellen Grundlagen und statistisch sicheren Ergebnissen vorle- gen, sondern die Schulmedi- zin möge doch bitte nachwei- sen, ob das Verfahren etwas taugt oder nicht. Als ob es nicht bereits Dutzende von Publikationen gäbe, die die Unsinnigkeit und vor allem die gar nicht seltenen tödli- chen Folgeerscheinungen dokumentiert hätten. In dem von der Stiftung Warentest herausgegebenen Werk „Die andere Medizin“ wird festge- stellt, dass „30 Todesfälle nach dem Spritzen von Frischzellen dokumentiert sind, dass gespritztes Fremd- eiweiß allergische Reaktio- nen bis hin zum tödlichen Schock auslösen kann und dass sich, auf lange Zeit gesehen, Autoimmunkrank- heiten entwickeln können, bei denen das Abwehrsystem körpereigenes Gewebe zer- stört“. Fazit: „Jede Art von Zelltherapie ist abzulehnen, weil ihr mögliches Risiko den nicht erwiesenen Nutzen überwiegt.“
Nun liegt der Schwarze Pe- ter also bei den Länderre- gierungen, die offenbar auch nicht allzu große Eile zu Entscheidungen erkennen lassen und verständlicher- weise auch die Ärzteschaft in den Entscheidungsprozess einbinden wollen. Leider ha- be ich bislang noch keinen Bericht darüber gefunden, dass Landesärztekammern in dieser Hinsicht die längst fällige Initiative ergriffen hätten. Das wird weiterhin aufmerksam zu verfolgen sein.
Prof. Dr. med. Hans Hermann Marx, Florentiner Straße 20/6050, 70619 Stuttgart
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 46½½½½17. November 2000
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