Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Erziehung, die nicht nur zu Wissen, sondern zu gesundheitsdienlichem Verhalten verhelfen soll, ist mehr als Gesundheitsaufklärung. Was muß der Arzt tun, wenn er die ihm von Gesunden und Kranken angebotene Rolle eines Erziehers annimmt? Wo- her kommen die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen — aus der eigenen Erziehung, aus den Er- fahrungen mit Schulen und mit eige- nen Kindern? Sicher kommen sie nicht aus der Ausbildung zum Arzt, denn dort werden sie nicht gelehrt.
Ist es zuviel gesagt, wenn ich be- haupte, daß die meisten von uns ihre Erziehereigenschaften der Tatsache verdanken, daß sie durch ihre Pa- tienten erzogen worden sind und sich von ihnen haben erziehen las- sen? Das reicht aber nicht aus. Wir müssen uns von den Erziehungswis- senschaften belehren lassen.
Ein Vorschlag
für unsere Begrifflichkeit
Was läßt sich von einem solchen Programm verwirklichen? Ich möch- te einen Vorschlag für unsere Be- grifflichkeit auf dem Gebiet „medizi- nische Aufklärung" machen, der auch in den gesundheitserzieheri- schen Anspruch eingeht. Erziehung verstehe ich nicht als die Erreichung eines idealen Ziels, sondern als die Anstrengung und Bemühung, dem Menschen bei der Verwirklichung von Werten zu helfen, zur Herstel- lung und Bewahrung von Gesund- heit als Voraussetzung, sich selbst zu vervollkommnen.
Die Bereitschaft der Ärzte, zu Ge- sundheit zu erziehen, sollte sich in diesen Grenzen halten. Gesundheit ist keine ideale Verfassung von Dau- er. Gesundheit ist ein optimaler Zu- stand in einem bestimmten Augen- blick. Wir können keinen neuen Menschen machen. Wir können nur bereitliegende Kräfte in den Men- schen wecken, um Ziele, die sie uns andeuten, zu verwirklichen.
Auf dem Wege, Erzieher zur Ge- sundheit sein zu können, werden wir Ärzte noch viel hinzulernen müssen.
Gesundheitserziehung
Die gegenwärtigen Grenzen liegen in den Zufälligkeiten unseres Ver- mögens und in der Unzulänglichkeit unserer Anstrengungen im Verhält- nis zu dem, was heute unter Kon- sumverhalten und Lebensqualität verstanden wird.
So endet unser Diskurs mit ge- mischten Gefühlen, nicht nur über den gegenwärtigen Zustand, son- dern auch die zukünftige Entwick- lung. Die Einführung bestimmter Techniken der Verhaltensmodifika- tionen neben der gesundheitlichen Aufklärung bedeutet für den Arzt ei- ne Möglichkeit und Notwendigkeit von Eingriffen in das Leben der ihm anvertrauten Menschen. Aufgrund seiner Ausbildung liegt das Eingrei- fen des Arztes in den menschlichen Organismus nahe. Erziehung be- deutet aber nicht Eingriff in die Le- bensgewohnheiten des Menschen, sondern Hinleitung des Menschen zu sich selbst.
Gesundheitserziehung wird durch den Einfluß der durch Werbung ge- weckten Bedürfnisse und Verhal- tenszwänge auf vielfache Weise ge- fährdet. Dieser Konflikt wird da- durch gesteigert, daß das Gesund- heitsverhalten dem Menschen An- strengungen auferlegt und manchen Verzicht von ihm fordert.
Der Weg zum Gesundheitsverhalten ist nicht nur eine Lustpartie. Er ist mit mancherlei Unlustgefühlen und durch Lustverzicht belastet. Diese Paradoxie ist nicht auflösbar.
(Gekürzte Fassung eines auf der Ar- beitstagung „Der Arzt als Gesund- heitserzieher" (I) in Bad Nauheim gehaltenen Referates.)
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Fritz Hartmann Medizinische Klinik
im Zentralklinikum Hannover Karl-Wiechert-Allee 9 3000 Hannover 61
BRIEFE AN DIE REDAKTION
ARBEITSLOSIGKEIT
In Heft 34/1977 erschien ein Appell von Dr. med. Rolf Schlögell — Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe — u.
a. auch an Ärzte und Zahnärzte gerichtet, weitere Ausbildungsplätze für Jugendli- che zur Verfügung zu stellen.
Hohe Personalkosten berücksichtigen
Unter den Betriebskosten der Pra- xen sind die Personalkosten am
höchsten und besonders gravie- rend. Dr. Schlögells Aufruf würde zweifellos auf fruchtbareren Boden fallen wenn: 1. Auch für die Bereit- stellung zusätzlicher Arbeitsplätze Prämien gezahlt würden. 2. Die Kas- senhonorare eine günstigere Rela- tion zur Inflationsrate aufweisen würden (seit 1975 praktisch unver- ändert). 3. Die seit Jahren geforder- ten steuerlichen Entlastungen für die Freien Berufe endlich Wirklich- keit würden. ..
Dr. med. Dr. med. dent.
Fritz Weichold Sunderweg 88 a 4330 Mülheim/Ruhr
LEKTÜRE
Ein höchst persönlicher Beitrag zur
„Öffentlichkeitsarbeit".
Radikal-Lösung
Die gegenwärtige Situation der Ärz- te und des Gesundheitswesens ha- ben mich veranlaßt, die von mir abonnierten Zeitungen und Illu- strierten unter folgender Begrün- dung zu kündigen: „1. Drohende Gebührenlegung für Auslegung von Zeitungen und Illustrierten im War- tezimmer; 2. Minderung des Ein- kommens durch die Bundesregie- rung; 3. Permanente Hetze und Un- sachlichkeiten in fast allen Illustrier- ten und Zeitungen gegen die Praxis- Ärzte. Ich bitte um kurze Bestäti- gung der Kündigung."
Dr. med. Michael Lührs Arzt für Allgemeinmedizin
—Sportmedizin- Riesenfeldstraße 74 8000 München 40
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 12. Januar 1978 89