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Archiv "Weltärztebund: Zwischen Sacharbeit und Selbstkritik" (04.07.2003)

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ie 164. Sitzung des Vorstands (Council) des Weltärztebundes (World Medical Association, WMA) in Divonne-les-Bains vom 15.

bis 18. Mai verlief über weite Strecken außerhalb gewohnter Bahnen und frei von der üblichen Selbstzufriedenheit.

Dieser Verlauf deutete sich schon bei der Wahl des Vorsitzenden an. Entge- gen der üblichen Perpetuierung von Amtsperioden wurde der bisherige Vorsitzende, Dr. R. Smoak, nach nur ei- ner Amtsperiode von seiner entsenden- den Organisation, der American Medi- cal Association (AMA), nicht zur Wie- derwahl vorgeschlagen. In einer Stich- wahl setzte sich Dr. Y. Blachar (Israel) gegen Dr. M. Aärima (Finnland) als neuer Präsident des Councils durch.

Die Wiederwahl des Vizepräsidenten Dr. T. J. Moon (Südkorea) erfolgte, wie gewohnt, problemlos.Auch der künftige Vorsitzende des Ausschusses „Medizi- nische Ethik“ musste durch eine Stich- wahl bestimmt werden: Dr. J. G. Snaedal (Island) gaben die Wähler den Vorzug gegenüber Dr. T. K. S. Letlape (Südafri- ka). Die Vorsitzenden des Ausschusses

„Planung und Finanzen“, Dr. Y. D. Co- ble (AMA) und des Ausschusses

„Sozialmedizinische Angelegenheiten“, Dr. H. Hoshi (Japan) wurden durch Akklamation gewählt, die Wiederwahl des Schatzmeisters, Prof. Dr. Dr. h.c.

K. Vilmar, begleitete eindrucksvoller Beifall.

Zur Kommentierung der im Verlauf der Sitzung auch von namhaften Dele-

gierten kritisierten Deklaration von Helsinki 2000 waren, eher ungewöhn- lich, drei externe Sachverständige ein- geladen worden: Dr. Bernard Schwetz, US Department of Health and Human Services, Prof. Dr. Juhana Idanpään- Heikkillä, Generalsekretär des Council for International Organizations of Me- dical Sciences (CIOMS), und Prof. Dr.

Alex Capron, Leiter der Arbeitsgruppe

„Ethik“ bei der Weltgesundheitsorgani- sation (WHO). Die Experten befassten sich nahezu ausschließlich mit Artikel 30 der Deklaration und führten aus, dass Ergebnisse einer einzigen Studie in aller Regel der Bestätigung durch wei- tere Forschung bedürfen, dass Indika- tionen und Kontraindikationen, Wir- kungen und Nebenwirkungen, auch bei Langzeitgebrauch, nicht so klar durch eine einzige Studie festgestellt werden können, dass die in Artikel 30 enthalte- ne Forderung wissenschaftlich begrün- det wäre. Hinzu kommt, dass die Zulas- sung einer Substanz zur medizinischen Versorgung immer von der Entschei- dung einer nationalen Behörde ab-

hängt, eine vorzeitige Anwendung er- hebliche haftungsrechtliche Probleme birgt. Zum Artikel 19 wurde ange- merkt, dass Forschung ohne unmittel- bar erkennbaren Nutzen für eine Popu- lation wertvollen Wissenszuwachs lie- fern könne. Einige Experten rieten da- zu, die Frage des Nutzens für die Po- pulation beziehungsweise der Weiter- behandlung nach Studienabschluss in dem jeweiligen Forschungsprotokoll zu klären und die Studienteilnehmer auf dieser Grundlage aufzuklären. Dann bedürfe es weder einer zum jetzigen Zeitpunkt untunlichen Änderung des Textes oder einer „Note for Clarifica- tion“, die eben keine Klarstellung, son- dern eine materielle Änderung des Textes sein müsse – als eine solche materielle Änderung der Deklaration klassifizierte ein Experte auch die zu Artikel 29 (Einsatz von Placebos) ver- abschiedete „Klarstellung“. Die Ar- beitsgruppe „Helsinki“ soll nun prüfen, ob der angesprochene Sachverhalt durch eine klarstellende Fußnote oder durch Textänderung bereinigt werden kann.

Nach eingehender Diskussion wurde eine Resolution verabschiedet, die für den Konfliktfall zwischen ethischer Überzeugung und Gesetz – ein uraltes, schon in der griechischen Antike for- muliertes Thema der Menschheit! – auch für den Arzt den Vorrang ethi- scher Normen postuliert. Die Frage nach verbindlichen ethischen Normen – sie könnten übrigens auch die Forde- rung einer Öffnung als zu restriktiv empfundener Gesetze begründen – blieb offen. Eine Bemerkung, Ethik in der Medizin könne nicht von den Ärz- ten alleine und wohl auch nicht mit Gel- T H E M E N D E R Z E I T

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A1858 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003

Dokumente der WMA in deutscher Sprache können beim Auslandsdienst der Bundesärztekammer, Herbert-Lewin- Straße 1, 50931 Köln,Telefon: 02 21/40 04-3 69, angefor- dert werden.

Weltärztebund

Zwischen Sacharbeit und Selbstkritik

Der Vorstand hat eine Resolution verabschiedet, die im

Konfliktfall zwischen ethischer Überzeugung und Gesetz für

den Arzt den Vorrang ethischer Normen postuliert. Daneben

beschäftigte man sich allerdings auch kritisch mit Verbandsinterna.

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tung für die gesamte Welt beschrieben, müsse vielmehr von der Gesellschaft formuliert werden, fand teils Zustim- mung, überwiegend allerdings nach- drückliche Ablehnung.Weitere Themen des „Ethik-Ausschusses“ waren Patien- tentestament, Beziehungen zwischen Ärzten und Wirtschaftsunternehmen, biologische Waffen, Probleme der Be- achtung der Menschenrechte und Schärfung des Blicks der Ärzte für Hin- weise auf Folterungen sowie bessere Betreuung von Menschen, die gefoltert wurden. Weltweit soll ein Tag der Ethik in der Medizin begangen werden. Die WMA hat, für zunächst drei Jahre, eine Arbeitsgruppe „Ethik in der Medizin“

unter Leitung von Prof. Dr. J. Williams (Kanada) gebildet.

Ebenso wie im Ausschuss „Ethik“

wurden auch vom Komitee „Sozialme- dizinische Angelegenheiten“ Beschluss- vorlagen zur weiteren Erörterung an Arbeitsgruppen oder an die nationalen Ärzteorganisationen weitergeleitet. Ei- nige Projekte wurden aufgegeben, da es in mehrjähriger Beratung nicht gelang, einen Konsens zu finden. Hierzu gehören „Ärzteautonomie“ und „Si- cherung der Gesundheitssysteme“. Ge- gen den Verzicht auf dieses Projekt wandten sich Vertreter aus so genann- ten Entwicklungsländern, hätten sie doch in einer solchen

Erklärung eine Unter- stützung für ein ver- bessertes System der ärztlichen Versorgung in ihren Ländern be- grüßt. Einige Dele- gierte sahen in einem

solchen Engagement den vorrangigen oder auch ausschließlichen Sinn eines Weltärztebundes!

Im Zusammenhang mit der Sitzung des Ausschusses „Planung und Finan- zen“ wurde in einer für das Gremium ungewöhnlich offenen und selbstkriti- schen Weise die Planung künftiger Stra- tegien erörtert. Mehrere Delegierte for- derten die rückhaltlose Offenlegung al- ler Finanzquellen einschließlich finan- zieller Spenden und der Bekanntgabe der Bedingungen, unter denen Zuwen- dungen erfolgen. Der Generalsekretär, Dr. D. Human, verwies in diesem Zu- sammenhang auf die in der Geschäfts- ordnung der WMA niedergelegten Be-

dingungen für die Entgegennahme von Drittmitteln. Er betonte, dass Spenden- gelder niemals für die Arbeitssitzungen von Gremien der WMA verwendet würden. Allerdings sei mit ihrer Hilfe das Rahmenprogramm – Galadinners, Ausflüge – bei der Generalversamm- lung der WMA in Washington 2002 fi- nanziert worden. Der Präsident des Councils habe ausdrücklich auf diese Art der Finanzierung hingewiesen, die spendenden Pharmaunternehmen hät- ten entsprechende Hinweisschilder bei den von ihnen finanzierten Veranstal- tungen angebracht.

Zahlreiche Delegierte wünschten eine Präzisierung der Aufgaben und Ziele der WMA. Soll

sie sich auf Ethik in der Medizin und Menschenrechte be- schränken, soll sie ihr Interessenfeld erwei-

tern auf Gesundheitsversorgung, Um- welt sowie Sicherheit, Qualität und Ethik der täglichen ärztlichen Arbeit, soll sie die Frage der Verteilungsgerech- tigkeit zu ihrem Anliegen machen? Kri- tisiert wurde als Monokultur, dass die WMA im Wesentlichen nur wegen der Deklaration von Helsinki bekannt sei, die in ihrer letzten Fassung unverändert eine ungewöhnlich scharfe interna- tionale Kritik hervor- rufe. Andere Grup- pen, wie CIOMS oder die WHO, seien der WMA auch auf die- sem Gebiet, was die Praktikabilität ange- he, deutlich überle- gen. Mit diesen und ähnlichen Gruppen müsse man zusammenarbeiten, um Sachverstand auf möglichst breiter Ba- sis heranzuziehen, guter Wille alleine reiche offenbar nicht aus. Der General- sekretär soll in Zukunft in stärkerem Maße als bisher die Umsetzung aller Deklarationen der WMA bei den Mit- gliedsorganisationen analysieren, damit man verlässliche Angaben über die Ef- fektivität des Verbands gewinnt.

In einigen Regionen der Welt bilden sich überregionale Ärzteorganisatio- nen, so in der Karibik und Mittel- und Südamerika. Die Repräsentanten die- ser Vereinigungen regten an, auf der Grundlage dieser Formationen die im-

mer wieder von der WMA diskutierte Einrichtung kontinentaler Regionalse- kretariate vorzunehmen.

Besondere Beachtung fand der Vor- schlag von Dr. R. F. Corlin (AMA), durch eine Analyse die Gründe für die unzureichende Repräsentanz ärztlicher Organisiationen in der WMA abzu- klären. Zu prüfen sei, wie viele der in den zurzeit bestehenden 195 Staaten gebildeten Ärzteverbände die Bedin- gungen für eine Mitgliedschaft erfüllen, zu erforschen seien die Gründe für ein Abseitsstehen. Es sei für die Zukunft der WMA wichtig zu wissen, warum nur 81 nationale Organisationen Mitglieder seien, von denen nur 70 die statuten- gemäßen Beiträge zahlen und daher stimmberechtigt sind.

Beunruhigend sei auch, dass die Sach- arbeit im Wesentli- chen nur von etwa 20 Mitgliedsver- bänden getragen werde. Bei gegen- wärtigen und künftigen Mitgliedern sei der Organisationsgrad der Ärzte- schaft in dem jeweiligen Land zu prü- fen: Besteht eine freiwillige oder ge- setzlich vorgeschriebene Mitgliedschaft mit lückenloser Erfassung? Auf dieser Grundlage sollten dann die Angaben der nationalen Ärzteorganisationen über die der WMA gemeldeten Mit- glieder – zwischen drei Prozent und 40 Prozent der Berufsangehörigen eines Landes! – bewertet werden. Der An- spruch der WMA, die Ärzte der Mit- gliedsorganisationen oder gar der ganzen Welt zu repräsentieren, müsse nachvollziehbar begründet sein. De- taillierte Kenntnisse über die Mit- gliedschaftsverhältnisse dürften auch die Beitragszahlungen erhöhen, sodass die WMA der Gefahr einer zunehmen- den Abhängigkeit von Sponsoren, ins- besondere der pharmazeutischen In- dustrie, begegnen könne. Die WMA müsse attraktiv werden, Beitrittswilli- ge und derzeitige Mitglieder müssten klare Entscheidungsgrundlagen für ei- ne mit doch erheblichen Beitragszah- lungen verbundene Mitgliedschaft in der WMA haben. „Man muss wissen, was man für sein Geld bekommt“, sag- te Dr. Corlin – ein gewiss ungewöhn- liches Statement bei einer WMA- Sitzung! Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003 AA1859

„Man muss wissen, was man für sein Geld bekommt.“

Zahlreiche Delegierte

wünschten eine

Präzisierung der

Aufgaben und Ziele.

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