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Archiv "Neurobiologische Aspekte der Akupunktur und ihre Konsequenzen" (13.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

U BERSICHTSAU FSATZ

D

ie Aufklärung des neuro- biologischen Wirkmecha- nismus der Akupunktur würde diese nicht nur vom Odium der Scharlatanerie befreien, son- dern vor allem ihren gezielten the- rapeutischen Einsatz überhaupt erst ermöglichen. Die ernsthaften und ernst zu nehmenden Befür- worter der Akupunktur haben da- her, ebenso wie ihre dezidierten Kritiker, in den letzten Jahren er- hebliche Anstrengungen unter- nommen, Belege für oder gegen eine somatische Wirkweise dieses Therapieverfahrens zu erarbeiten.

Über einige Aspekte der Aku- punktur konnte man sich bereits einigen, über andere nicht. Zum Teil hängt dies damit zusammen, daß derzeit unter dem Begriff Akupunktur so verschiedene For- men der Nadelung verstanden werden, daß ein „Aneinander-Vor- beireden" eher die Regel als die Ausnahme ist. Dazu kommt, daß die bisherigen Experimente und kontrollierten Studien weder den neurobiologischen Wirkmecha- nismus eindeutig erhellten noch mit Erfolgsraten glänzten, die zu- mindest für bestimmte Indikatio- nen eine deutliche Überlegenheit der Akupunktur gegenüber ande- ren Therapieverfahren wahr- scheinlich machten.

Im folgenden wird zunächst dar- auf eingegangen, über welche Aspekte der Akupunktur allgemei- ne Einigkeit erzielt ist. Anschlie-

ßend wird erörtert, welche For- men der Akupunktur derzeit von seiten der Befürworter besonders empfohlen werden und welche Wirkmechanismen ihnen zugrun- de liegen könnten. Schließlich seien aus der Sicht des Neurophy- siologen einige Schlußfolgerun- gen gezogen und Vorschläge für das weitere Vorgehen angeboten.

Übereinstimmung zwischen Befürwortern und Kritikern in sechs Punkten

Zwischen denjenigen Befürwor- tern der Akupunktur, die sich wis- senschaftlicher Denk- und Ar- beitsweisen bedienen, und den mit den gleichen Methoden arbei- tenden Kritikern dieses Verfah- rens hat sich international in min- destens sechs Punkten ein weit- gehender Konsens herausgebil- det, der für die Aufklärung der Wirkweise der Akupunktur eine gute, sich in naher Zukunft wahr- scheinlich weiter verfestigende Basis darstellt:

Einigkeit besteht darüber, daß das traditionelle Gebäude der chi- nesischen Akupunkturlehre nur noch als kultur- und medizinhisto- rischer Spiegel des Wissensstan- des und der Mythen seiner Entste- hungszeit aufzufassen ist und an seine Stelle eine neurobiologische Fundierung der Akupunktur treten muß, wenn diese einen festen Platz

Die intensive Elektroaku- punktur neuroanatomisch definierter Reizareale hat anscheinend, im Gegensatz zu den klassischen chinesi- schen Nadelungsverfahren, eine über Placeboeffekte hinausgehende analgeti- sche Wirkung. Eine gleich wirksame Hemmung und Analgesie kann durch trans- kutane elektrische Hypersti- mulation derselben Reiz- areale ausgelöst werden.

in der wissenschaftlichen Medizin erhalten soll (1, 2, 5).

E)

Damit im Zusammenhang nei- gen sich alle Kontroversen über Existenz, Größe, Aufbau, Struktur und Bedeutung der Akupunktur- punkte mit dem Konsens dem En- de zu, daß sie bestenfalls unge- fähre Anhaltspunkte für ein opti- males Nadelungsareal bieten, schlimmstenfalls menschlicher Phantasie entspringen und kei- nesfalls mit physikalischen, phy- siologischen oder histologischen Methoden nachzuweisen sind (Li- teratur bei 5, 7).

(i) Die Befürworter der Akupunk- tur weisen zunehmend deutlicher, zum Teil in sehr dezidierter Form darauf hin, daß das ausschließ- liche oberflächliche Einstechen von Nadeln in einer beliebigen Anzahl und für eine beliebige Zeit keine somatischen analgetischen Effekte hat (2). Sie finden mit die- ser Ansicht bei den Kritikern Zu- stimmung, die seit längerem the- rapeutische Erfolge und Verände- rungen somatischer Parameter bei dieser Nadelungsform als sug- gestiv evoziert ansehen (7, 9).

13

Übereinstimmung zeichnet sich auch darin ab, daß die exoti- scheren modernen Formen der Akupunktur, wie zum Beispiel die Laserakupunktur, keinen zusätz- lichen Nutzen haben und daher überflüssig sind, und daß die Ohr-

Neurobiologische Aspekte der Akupunktur

und ihre Konsequenzen

Robert Franz Schmidt

Aus dem Physiologischen Institut,

Lehrstuhl II, Schwerpunkt Neurophysiologie, (Vorstand: Professor Dr. med. Robert F. Schmidt)

der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 7 vom 13. Februar 1985 (67) 413

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Neurobiologische Aspekte der Akupunktur

akupunkturals Suggestivmethode angesehen werden muß, da selbst sehr engagierte Befürworter der Akupunktur keinen Anhalt für ei- nen somatischen Wirkmechanis- mus finden können (4).

0

Zustimmung in beiden Lagern findet weiterhin die von Baum (1) in diesem Heft ausführlich darge- stellte und belegte Feststellung, daß sich die Akupunktur weder als Anästhesieverfahren noch in der Therapie von Organ- oder System- erkrankungen in der wissen- schaftlichen Medizin bewährt hat und daß nach den Mißerfolgen des letzten Jahrzehnts die diesbe- züglichen Anwendungen weitge- hend kontraindiziert sind.

9

Unbestritten ist schließlich, daß es bei der Behandlung von Schmerzen für die Anwendung von Suggestivmethoden einen breiten Raum gibt, der immer dann ausgenutzt werden sollte, wenn diese ausreichen oder keine besseren Behandlungsverfahren zur Verfügung stehen (5, 7).

Selbst ohne den Nachweis eines neurobiologischen Wirkmecha- nismus bleibt also die Anwendung von Akupunktur in der Schmerz- therapie eine Methode, die in ih- rer Wirksamkeit zahlreichen an- deren Suggestivmethoden nicht nachsteht - sie aber auch nicht übertrifft (zum Beispiel 4).

Welche Akupunkturform ist wirksam?

Entsprechend den Punkten 5 und 6 wird im folgenden ausschließ- lich über die Akupunktur als Ver- fahren zur Linderung von Schmer- zen diskutiert. Wie unter 3 und 4 bereits erwähnt, sind die "klassi- sche" Akupunktur sowie die Ohr- akupunktur und andere "exoti- sche" Verfahren dafür nur als Suggestivmethoden geeignet. Um mit der Akupunktur eine darüber hinausgehende analgetische Wir- kung zu erzielen, sind nach An- sicht ihrer Befürworter folgende Bedingungen einzuhalten (Litera- tur bei 2, 5):

~ Die Nadeln müssen in tiefe, vorzugsweise tendo-muskuläre Strukturen mit reicher afferenter Innervation eingestochen werden.

~ Als Einstichsteilen sind beson- ders Punkte zu wählen, die vom selben Segment wie das schmer- zende Areal, oder von benachbar- ten Segmenten innerviert werden.

~ Es muß unbedingt das charak- teristische "Nadel u ngsgefü h I"

auftreten, das auch nach eigener Erfahrung des Verfassers eine un- angenehme bis schmerzhafte, in der Regel vom Nadelungspunkt im tiefen Gewebe ausstrahlende Mißempfindung ist.

~ Das "Nadelungsgefühl'.' muß durch drehende und hebend-sen- kende Bewegungen der Nadeln oder besser durch elektrische Reize des Gewebes über die Na- deln induziert werden und einige Zeit (zum Beispiel 20 Minuten, aber auch kürzer) andauern.

Soweit elektrische Reize verwen- det werden, was der Manipulation vorzuziehen ist, da sich Frequenz, Intensität und Dauer der Reize festlegen lassen, wird dieses Ver- fahren als Elektroakupunktur be- zeichnet.

Es ist unbestritten, daß eine Reihe sorgfältiger Untersuchungen zu dem Schluß geführt hat, daß diese Elektroakupunktur analgetische Wirkungen ausüben kann, die über Placeboeffekte hinausgehen (Literatur bei 2, 5, 7).

Entsprechendes darf angenom- men werden, wenn das "Nade- lungsgefühl" durch Manipulation der Nadeln erzeugt wird. Von den eben genannten Bedingungen ist bei klinischer Anwendung der Elektroakupunktur die segment- gerechte Lokalisation der Nadeln der am wenigsten kritische Punkt, während das Auftreten des "Na- delungsgefühls", am besten bei gleichzeitigem reizinduziertem Zucken der angestochenen Mus- kulatur, als eine Conditio sine qua non angesehen wird.

414 (68) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

Mechanismen der Akupunktur Elektroakupunktur:

Das charakteristische, für einen analgetischen Effekt notwendige

"Nadelungsgefühl" weist unmiß- verständlich darauf hin, daß wäh- rend seines Auftretens Salven af- ferenter Impulse aus dem gereiz- ten Gebiet in das Zentralnervensy- stem (ZNS) geleitet werden. Sie lösen dort, wie afferente Salven aller Art, sowohl Erregungs- wie Hemmprozesse aus. Diese Pro- zesse spielen sich auf allen Ebe- nen des ZNS ab, von den ersten Synapsen der primär afferenten Fasern bis zum sensorischen und assoziativen Kortex. Die hemmen- den Vorgänge werden unter dem Begriff afferente Hemmung zu- sammengefaßt (6, 8).

Das "Nadelungsgefühl" und die begleitenden Muskelzuckungen zeigen außerdem an, daß neben dicken auch dünne markhaltige (Gruppe 111 oder A delta) und marklose (Gruppe IV oder C) affe- rente Fasern erregt werden und daß diese Erregung dünner Affe- renzen für die analgetischen Ef- fekte ausschlaggebend ist, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens rufen afferente Impulse in dicken Afferenzen aus Muskeln und Sehnen (Gruppen Ia, lb, II Fa- sern) keinerlei direkten bewußten Empfindungen hervor, während die Reizung der dünnen Afferen- zen zu Mißempfindungen und Schmerzen führt (7, 8). Zweitens sind afferente Salven in dicken Muskel- und Sehnenafferanzen ohne deutliche hemmende Wir- kung auf das nozizeptive System (6, 10).

~ Der analgetische Effekt der Elektroakupunktur ist also zurück- zuführen auf eine afferente Hem- mung der nozizeptiven Meldun- gen aus dem schmerzenden Kör- perareal, die durch die evozierte zentripetale Aktivität in dünnen Afferenzen tieferen Gewebes, be- sonders von Skelettmuskeln und ihren Sehnen hervorgerufen wird.

(3)

Mit dieser Feststellung ist eher die Problemstellung eingeengt als die Wirkweise der Elektroakupunktur

"erklärt". Denn es ist im einzelnen

weder bekannt, auf welcher Ebe- ne des zentralen Nervensystems welcher Teil der afferenten Hem- mung stattfindet, noch welche der funktionell sehr unterschied- lichen feinen Muskel- und Sehnenafferenzen daran teilha-

ben, noch inwieweit nervöse (zum

Beispiel hemmende Synapsen und Reflexwege) und humorale Faktoren (zum Beispiel En- dorphine) an dieser afferenten Hemmung beteiligt sind.

Alle bisher vorgelegten Hypothe- sen haben sich nämlich als zu gro- be Vereinfachungen oder als ex- perimentell nicht haltbar erwie- sen. Dies gilt zum Beispiel für die Gate-Controi-Theorie, die selbst von ihren Erfindern seit längerem nicht mehr als Teilmechanismus der Akupunktur herangezogen

wird (5), da sie von Anfang an

nicht mit den experimentellen Da- ten zu vereinbaren war (6, 7).

Auch die Vqrstellung, daß die Frei- satzung körpereigener Stoffe, wie des Serotonins oder der Endor- phine, kausal mit dem analgeti- schen Effekt verknüpft sei, hat sich bisher nicht auf eine gesi- cherte Basis stellen lassen (3).

~ Bei dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnis darf allerdings an- genommen werden, daß der klei- nere Teil der durch Elektroaku- punktur hervorgerufenen afferen- ten Hemmung spinaler Natur ist, während der größere durch die Aktivierung der deszendierenden Hemmsysteme des Hirnstamms erfolgt (2, 5, 1 0).

Für eine solche Annahme spricht unter anderem, daß eine Reizung außerhalb des zuständigen Seg- ments oder der benachbarten Segmente ebenfalls erfolgreich sein kann, vor allem wenn die so- matotopische Organisation der Hemmsysteme des Hirnstammes bei der Wahl des Reizareals be- rücksichtigt wird.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Neurobiologische Aspekte der Akupunktur

Klassische Akupunktur:

Für einen neurobiologischen Wirkmechanismus gibt es human- und tierexperimentell trotz zahl- reicher Untersuchungen keine Anhaltspunkte. Aus neurophysio- logischer Sicht ist dies nicht ver- wunderlich: Erstens vernachläs- sigt eine Nadelung nach chinesi- schen Akupunkturkarten häufig den segmentalen und somatatopi- schen Aufbau der afferenten Hemmsysteme, und zweitens evo- zieren viele Nadelungsmethoden, insbesondere bei oberflächlicher und/oder unbewegter Nadel so wenig afferente Aktivität, daß die- se für eine angemessene Aktivie- rung der afferenten Hemmsyste- me nicht ausreicht. Wie gesagt (Punkt 3), klinische Beobachtun- gen durch Befürworter der Aku- punktur stimmen damit überein.

Ohrakupunktur:

Neurobiologische Resultate, die den von Nogier (Literatur in 4) vor- geschlagenen Wirkmechanismus stützen könnten, wurden bisher nicht bekannt. Zwar werden Ohr- akupunkturen in der Regel mit elektrischer Reizung durchge- führt, aber die evozierte sensori- sche Aktivität kann anscheinend die afferenten Hemmsysteme nicht ausreichend aktivieren, weil sie gering ist und segmental-so- matatopisch von der falschen Stelle kommt. Auch dies ist in Übereinstimmung mit den Ergeb- nissen kontrollierter klinischer Studien (zum Beispiel 4).

Elektroakupunktur

entspricht einer transkutanen Hyperstimulations-Analgesie Die Tatsache, daß für den analge- tischen Effekt der Elektroaku- punktur das Auftreten des "Nade- lungsgefühls" unabdingbar ist, hat Melzack und Mitarbeiter ver- anlaßt, einen Vergleich dieser Me- thode mit der Wirkung transkuta- ner Hyperstimulation durchzufüh- ren (Literatur in 5). Die Autoren verstehen darunter eine transku-

tane elektrische Nervenstimula- tion (TENS). die im Gegensatz zur üblichen schmerzlosen Form von so hoher Intensität ist, daß da- durch dem "Nadelungsgefühl"

vergleichbare Mißempfindungen und Schmerzen (sowie Muskel- zuckungen), also auch entspre- chende afferente Salven in dün- nen Afferenzen auftreten. Ihre Se- rie kontrollierter Studien läßt kei- nen Zweifel, daß beide Reizfor- men zu vergleichbaren analgeti- schen Effekten führen. Weder für das Ausmaß noch für die Dauer der Schmerzlinderung ergaben sich signifikante Unterschiede. Ähnliches scheint nach ihren und anderen Erfahrungen für andere Formen der Reizung feiner Affe- renzen, wie Eispackungen sowie Nadelungen von "Triggerpunk-

ten" und "Motorpunkten" zu gel-

ten (Literatur in 5).

~ Diese Befunde führten zu dem auch aus neurophysiologischer Sicht plausiblen Schluß, daß nicht die Nadelung selbst, sondern die Erregung tiefer, im einzelnen noch nicht bekannter Populatio- nen feiner Afferenzen aus Skelett- muskeln und ihren Sehnen, mög- licherweise auch aus Gelenken, für die analgetischen Effekte der Elektroakupunktur entscheidend ist. Damit stellt die Hyperstimula- tions-Analgesie eine gleichwerti- ge, nichtinvasive Alternative zur Elektroakupunktur dar.

Schlußfolgerungen

Der heutige Stand der Erkenntnis über die Wirkweise der verschie- denen Nadelungsverfahren läßt sich von seiten der Neurophysio- logie wie folgt zusammenfassen:

~ Für die klassische Akupunktur und ihre Spielarten gibt es nach wie vor keine Anhaltspunkte für einen primär neurobiologischen Wirkmechanismus.

~ Die Elektroakupunktur (und in geringerem Ausmaß andere, ein deutliches "Nadelungsgefühl" er- zeugende Nadelungsmethoden) Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 7 vom 13. Februar 1985 (71) 415

(4)

DEUTSCHES XRZTEBLATT

Neurobiologische Aspekte der Akupunktur

haben einen über eine Placebo- wirkung hinausgehenden analge- tischen Effekt, falls die Reizorte entsprechend der segmentalen und somatatopischen Organisa- tion des Nervensystems ausge- wählt werden. Diese Analgesie beruht auf der afferenten Hem- mung des nozizeptiven Einstroms durch die reizevozierte zentripe- tale Aktivität in Nervenfasern tie- fer Gewebe.

..,. Die transkutane elektrische Hy- perstimulation wirkt auf dem glei- chen Wege analgetisch wie die Elektroakupunktur, nämlich über afferente Hemmung. ln beiden Fällen geschieht dies vor allem durch die Aktivierung der deszen- dierenden Hemmsysteme des Hirnstammes.

Vorschläge

Für die praktische Anwendung der verschiedenen Nadelungsver- fahren zur Linderung von Schmer- zen ergeben sich daraus folgende Vorschläge:

1. Alle Nadelungsmethoden, bei denen die Nadeln entsprechend den Vorstellungen und Prinzipien der klassischen chinesischen Akupunkturlehre eingestochen werden und ihre derselben chine- sischen Tradition verhafteten Wei- terentwicklungen, also alle For-

men der Akupunktur im eigent- lichen Sinne, sind weiterhin als überwiegend oder ausschließlich suggestiv wirkende Behandlungs- methoden anzusehen.

2. Die Einführung der Elektroaku- punktur in die analgetische Thera- pie erscheint denkbar. Dennoch ist Zurückhaltung angebracht, da bisher weder allgemein anerkann- te Indikationen zu ihrer Anwen- dung, noch gesicherte Erkennt- nisse über die jeweils optimale Anwendungsform vorliegen.

3. Da sich die Elektroakupunktur für ihre Begründung und Anwen- dung moderner neurobiologi- scher Erkenntnisse der westli-

chen Medizin bedient, ist ihr Na- me irreführend. Sie sollte schleu- nigst umbenannt werden, zum Beispiel in "tiefe elektrische Ge- webs-Stimulation" (TEGS).

4. Aus theoretischer Sicht und in der klinischen Praxis erscheint die transkutane elektrische Hy- perstimulation der TEGS gleich- wertig. Die Hyperstimulation hat aber wichtige zusätzliche Vorteile (zum Beispiel keine Verletzungs- und Infektionsgefahr durch die Nadelung, jederzeitige Anwen- dung durch den Patienten oder Hilfspersonal entsprechend ärzt- licher Anweisung, beliebige Ab- stufung der Reizung auch in den Bereich der normalen TENS hin- ein). Ihre Anwendung ist daher der TEGS mindestens so lange unbedingt vorzuziehen, bis in kontrollierten klinischen Studien signifikante Vorteile der TEGS wahrscheinlich gemacht worden sind.

Literatur

(1) Baum. J.: Die Akupunktur: Probleme der wissenschaftlichen Anerkennung und Einsatz- möglichkeiten, Dt. Ärztebl. 82, Heft 5 (1985)- (2) Chang, H.-T.: Neurophysiological basis of acupuncture, Scientia Sinica 21 (1978) 829-846; Acupuncture analgesia today, Chine- se Medical Journal 92 (1979) 7-16; Neurophy- siological interpretation of acupuncture anal- gesia, Endeavour 4 (1980) 92-96- (3) Chap- man, C. R.; Benedetti, C.; Colpitts, Y. H.; Ger- lach, R.: Naloxone fails to reverse pain thres- holds elevated by acupuncture: acupuncture analgesia reconsidered, Pain 16 (1983) 13-31- (4) Melzack, R.; Katz. J.: Auriculotherapy fails to relieve chronic pain, JAMA 251 (1984) 1041-1043- (5) Melzack, R.; Wall, P. D.: The Challenge of Pain, New York. Basic Books (1983) 1-447- (6) Schmidt, R. F.: Control of the access of afferent activity to somatosensory pathways. ln: Handbock of Sensory Physiolo- gy, Vol. 2, Somatosensory System, Heidelberg, Springer (1973) 151-206- (7) Schmidt, R. F.;

Struppler, A.: Der Schmerz, Ursachen, Diagno- se. Therapie, 2. Aufl., Piper, München (1983) 1-304-(8) Schmidt. R. F.; Thews, G. (Hrsgb.):

Physiologie des Menschen, 21. Auf I., Springer, Heidelberg (1983) 1-798 - (9) Sweet, W. H.:

Some current problems in pain research (in- cluding needle puncture, "acupuncture"), Pa in 10 (1981) 297-309 - (1 0) Willis. W. D.:

Control of nociceptive Iransmission in the spi- nal cord, Progress in Sensory Physiology 3 (1982) 1-159

Anschrift des Verfassers: Professor Dr. med. Robert F. Schmidt

Physiologisches Institut der Universität, Lehrstuhl II

Röntgenring 9, 8700 Würzburg 416 (72) Heft 7 vom 13. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

FÜR SIE GELESEN

Alkoholische Hepatitis:

Behandlung mit Steraiden

in einer randomisierten, doppel- blind durchgeführten Multicenter- Studie wurde die Wirkung des Glukokortikoids Prednisolon oder des anabolen Steraids Oxandro- lon bei 132 Patienten mit mäßig ausgeprägter und bei 131 Patien- ten mit schwer verlaufender alko- holischer Hepatitis über 30 Tage untersucht.

Die Prednisolon-Therapie wurde mit 60 mg!Tag begonnen und langsam auf 5 mg!Tag am Ende des Behandlungsintervalls redu- ziert. Oxandrolon wurde in einer Dosis von 80 mg!Tag konstant über 30 Tage verabreicht. Wäh- rend dieser 30 Tage wurde kein statistisch signifikanter Unter- schied zwischen der Predniso- lon-, Oxandrolon- oder der Place- bo-Gruppe bezüglich der Letalität nachgewiesen.

Bei den Patienten mit mäßig aus- geprägter alkoholischer Hepatitis starben 13 Prozent, während in der Gruppe der Patienten mit schwerer alkoholischer Hepatitis 29 Prozent verstarben. Obwohl keines der beiden Steroide die Kurzzeit-Letalität beeinflußte, fand sich unter der Oxandrolon- Therapie eine Verbesserung der Langzeit-Letalität. Dies war be- sonders auffällig bei Patienten mit nur mäßig ausgeprägter Erkran- kung. So fand sich bei den Patien- ten, die den Beginn der Therapie zwei Monate überlebt hatten, eine 6-Monats-Letalitätsrate von 3,5 Prozent unter Oxandrolon, vergli- chen mit 19 Prozent unter Place- bo. Kein solcher Langzeiteffekt konnte unter Prednisolon erzielt werden. Damit wurde einmal mehr die Unwirksamkeit von Glukokorti- koiden bei der alkoholischen He- patitis nachgewiesen. siz

Mendenhall, C. L.: Aderson, S.; Garcia-Pont, P.

etal., and the Veterans Administation Coopera- tive Study on Alcoholic Hepatitis. New England Journal of Medicine 111 (1984) 1466-1470. Dr.

C. L. Mendenhall at the VA Medical Center (151 F), 3200 Vine Street, Cincinnati, OH 45220. USA

Referenzen

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