Notfalltherapie zu schaffen. Wenn die vorhandene Rechtsunsicherheit nicht aufgelöst werden könne, wird die klini- sche Forschung im Bereich der Notfall- medizin in Deutschland weiter an Be- deutung verlieren.
Der Arbeitskreis befasste sich auch mit der EG-Richtlinie Good Clinical Practice 2001/20, die bis Mai 2003 in na- tionales Recht implementiert sein muss.
Die EG-Richtlinie führt zu einer Stär- kung und Erweiterung der Aufgaben von Ethik-Kommissionen. Der Arbeits- kreis hat folgende Forderungen erar- beitet, die bei der Implementierung der Richtlinie in nationales Recht berück- sichtigt werden sollen:
Beschränkung der Anwendung der EG-Richtlinie auf Arzneimittelfor- schung und nicht auf die gesamte Breite der biomedizinischen Forschung;
Festlegen des so genannten Arzt- vorbehalts, das heißt, nur ein Arzt kann Studien durchführen und leiten;
Qualitätsanforderung an die Funktion des klinischen Prüfers nach innerstaatlichen Kriterien;
Gesprächspartner für Ethik-Kom- missionen muss der Arzt bleiben, gege- benenfalls im Auftrag des Sponsors;
klare Regelungen für die Teilnah- me von nichteinwilligungsfähigen Pati- enten an klinischen Studien;
Beibehaltung und Ausbau des eta- blierten Systems der öffentlich-rechtli- chen Ethik-Kommissionen;
bei Multicenterstudien sollte das bewährte System der Mehrfachbefas- sung beibehalten bleiben, das heißt, je- de Ethik-Kommission muss das Recht haben, Prüfprotokoll, vorliegendes Vo- tum und lokale Gegebenheiten zu bera- ten, unter Wahrung der gesetzlich vor- gegebenen Fristen (siehe weiter unten);
Ethik-Kommissionen müssen das Recht einer eigenständigen Prüfung der wissenschaftlichen Dignität haben; alle von der Ethik-Kommission für notwen- dig angesehenen Unterlagen müssen dieser vorgelegt werden; eine bindende Vorbeurteilung der wissenschaftlichen Relevanz und Aussagekraft zum Bei- spiel durch Behörden widerspricht den Aufgaben und dem Selbstverständnis der Ethik-Kommissionen;
Recht der Ethik-Kommissionen, die Einrichtung eines DSMB (Data Safety Monitoring Board) zu fordern;
Etablierung eines effizienten Sy- stems zur Dokumentation und Beurtei- lung von SAE in Kooperation mit Behörden, Sponsor, LKP und Ethik- Kommissionen;
Berücksichtigung einer angemes- senen Kostenordnung;
klare Abgrenzung zwischen der Aufgabenstellung von Behörden und Ethik-Kommissionen.
Schließlich wurden rechtliche und in- haltliche Rahmenbedingungen vorge- stellt, damit bei Multicenterstudien Qualitätssicherung sowie die wesentli- chen Aufgaben von Ethik-Kommissio- nen angemessen umgesetzt werden können. Auf breite Zustimmung stieß folgende Handlungsoption: Nach dem Zuständigkeitsprinzip des Leiters der klinischen Prüfung wird die votierende Ethik-Kommission festgelegt, die ein bundesweit gültiges Votum erteilt. Die lokalen Ethik-Kommissionen können sich in den Beratungsvorgang einbrin- gen, um zum Beispiel auf besondere Ri- siken hinzuweisen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge zu unterbreiten.
Ein solches Verfahren trägt zur Vertrau- ensbildung in der Öffentlichkeit bei und stärkt die Motivation potenzieller Studienteilnehmer. Die votierende Ethik-Kommission wird innerhalb der vorgegebenen Fristen auf Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen so- wie ihrer eigenen Beratung ein bundes- weit gültiges Votum erstellen.
Abschließend wurden Konsequen- zen besprochen, die sich aus der Novel- lierung von Strahlenschutz- und Rönt- genverordnung ergeben. Den Ethik- Kommissionen kommt eine Gutachter- funktion zu. Ihr Votum (Stellungnah- me) wird dem Bundesamt für Strah- lenschutz vorgelegt, das die Geneh- migung für die Studie erteilt; die Über- wachung der Studiendurchführung er- folgt durch Landesbehörden. Es ist ein Versicherungsschutz nach Atomgesetz und atomrechtlicher Deckungsvorsor- geverordnung nachzuweisen, wodurch kaum realisierbare Bedingungen ge- schaffen wurden. Eine Lösungmöglich- keit kann durch eine Freistellungsver- pflichtung der Bundesländer erfolgen, einzelne Bundesländer haben dies be- reits getan.
Prof. Dr. med. Ignaz Wessler Ethik-Kommission der LÄK Rheinland-Pfalz
T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002 AA2845
Schlusswort
Mit großem Interesse haben wir die vielfältigen und widersprüchlichen Re- aktionen auf unseren Artikel im DÄ re- gistriert. Die Freizeitregelung nach Be- reitschaftsdiensten ist eine Errungen- schaft, die nicht infrage gestellt wird. In dem vorgestellten Modell „48 + 12“
werden 48 Stunden maximale wöchent- liche Arbeitszeit für die Patientenver- sorgung einschließlich der Dienstzeiten und zusätzlich 12 Stunden maximale wöchentliche Arbeitszeit für Forschung und Lehre vorgesehen. Zahlreiche Le- serreaktionen zeigten die Unkenntnis, dass in der wöchentlichen Höchstar- beitszeit die Bereitschaftsdienstzeiten zu berücksichtigen sind.
Die Vorschläge zum Arbeitszeitmo- dell „48 + 12“ werden von einer breiten Mehrheit der operativ Tätigen an der Medizinischen Hochschule Hannover getragen. Die teilweise in den nicht- operativen Disziplinen umgesetzten Schichtarbeitsmodelle halten wir für die Lösung der Probleme in den opera- tiven Fächern für ungeeignet, da auf ab- sehbare Zeit nur ein limitierter Pool hoch qualifizierter und ausreichend er- fahrener Chirurgen vorhanden sein wird, um die operative Qualität zu si- chern.
Die ausführlichen und teilweise kontroversen Diskussionen innerhalb der Ärzteschaft bezüglich des Arbeits-
zu dem Beitrag
Bedrohliche
Konsequenzen in den chirurgischen Fächern
von
Dr. med. Harald Schrem Dr. med. Lutz Mahlke Dr. med. Stefan Machtens Dr. med. Christian Hagl in Heft 19/2002
und den Leserbriefen dazu in Heft 33/2002
DISKUSSION
zeitgesetzes (unter anderem auch an der MHH) zeigen, neben durchaus un- terschiedlichen Standpunkten insbe- sondere der Vertreter der konservati- ven Fächer im Vergleich zu Vertretern der operativen Fächer, zahlreiche ge- meinsame Einschätzungen der Situati- on. Hierbei handelt es sich insbeson- dere um die erforderliche Entlastung der angestellten Ärzte von Aufgaben, die nicht dem unmittelbaren ärztli- chen Tätigkeitsbereich angehören und leicht an nichtärztliches Fachpersonal delegiert werden könnten (zum Bei- spiel DRG-Verschlüsselung, Routine- blutentnahmen, Organisation von Un- tersuchungen). Weiterhin werden ge- meinsam die Realisierung einer struk- turierten und berechenbaren Fach- arztweiterbildung mit verlässlichem Rotationsplan und Curriculum gefor- dert. Ein breiter Konsens besteht in der Ärzteschaft darüber, dass drin- gend mehr Geld in das Krankenhaus- wesen investiert werden muss, um die gesetzlichen Vorgaben wenigstens an- nähernd erfüllen zu können.
Eine Prozessoptimierung und selbst- kritische Analyse der Arbeitsabläufe im klinischen Alltag ist Gemeingut aller angestellten Ärzte, wie sich dies auch in zahlreichen Leserreaktionen auf unse- ren Artikel zeigte. Insbesondere der Ar- tikel von Meiser et al. im DÄ 27/2002 zeigte, dass an einer Herzchirurgischen Universitätsklinik in München nur mit größter Mühe und vielen Abstrichen ei- ne weitgehende Annäherung an die Be- stimmungen des Arbeitszeitgesetzes in der Patientenversorgung erreicht wer- den konnte. Ein schlüssiges Konzept für die studentische Lehre und die For- schungsaktivität einer Universitätskli- nik im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes sind die Autoren schuldig geblieben.
Forschung und Lehre sind nicht das Hobby selbstausbeuterischer Univer- sitätsärzte, sondern zentrale Aufgaben einer Universitätsklinik, die als regulä- re Dienstaufgaben und als Arbeitszeit zu betrachten sind.
Die im Juni 2000 verabschiedete und ab dem 1. August 2004 in der Europäi- schen Union gültige EU-Richtlinie 2000/34/EG ermöglicht für eine Reform des deutschen Arbeitszeitgesetzes ei- nen Spielraum von maximal 58 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit im ärztlichen
Bereich. Dies kommt der von uns vor- geschlagenen Lösung „48 + 12“ mit ma- ximal 60 Stunden wöchentlicher Ar- beitszeit bereits sehr nahe. Die aktuell sich verschärfende Wettbewerbslage um ärztliche Arbeitskräfte und die er- forderliche Umsetzung des EuGH-Ur- teiles vom 3. Oktober 2000 zur Wertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeits- zeit wird dazu führen, dass auch auf na- tionaler Ebene eine Reform des Ar- beitszeitgesetzes unumgänglich wird.
Die geplante Novelle der Approbati- onsordnung für Ärzte sieht eine obliga- te Ausweitung der praktischen studenti- schen Lehre mit einer Steigerung der Lehrzeiten am Krankenbett um circa 300 % vor. Diese Maßnahme wird mit ei- ner erheblichen zusätzlichen zeitlichen
Belastung für die ärztlichen Mitarbei- ter an Universitätskliniken einhergehen.
Ohne eine Vergrößerung des Spielrau- mes für die maximal zulässige wöchentli- che Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz wird die Ausdehnung der studentischen Lehre am Krankenbett in diesem Umfang nicht ohne erhebliche Abstriche in der Kran- kenversorgung und der Facharztweiter- bildung in den operativen Fächern an Universitätskliniken einhergehen.
Mit dem Modell „48 + 12“ wäre es möglich, pro Woche eine maximale Ar- beitszeit von 12 Stunden für ein um- schriebenes Forschungsprojekt mit Zielvereinbarungen und Erfolgskon- trollen oder für ein umschriebenes stu- dentisches Lehrprojekt mit Evaluation durch die Studenten zusätzlich zu ma- ximal 48 Stunden Arbeitszeit für die Patientenversorgung vorzusehen. Hier- durch wäre es möglich, Leistungen in Forschung und Lehre gezielt zu hono-
rieren und mehr Transparenz bezüg- lich der Erwartungshaltungen an eine Forschungs- oder Lehrtätigkeit an Universitätskliniken zu erreichen. Be- reits bei den Einstellungsverhandlun- gen könnte dann vereinbart werden, ob und in welchem Umfang und mit welchem Inhalt Leistungen in For- schung und/oder Lehre im Einzelfall vom einzustellenden Arzt beziehungs- weise vom Arbeitgeber gewünscht wer- den. Teilzeitarbeitsplätze müssen an Universitätskliniken für Ärztinnen und Ärzte hierbei ebenso möglich sein wie eine rein klinische beziehungsweise rein wissenschaftliche Tätigkeit. Auch hier- durch könnte für den engagierten ärzt- lichen Nachwuchs eine Verbesserung der Attraktivität des ärztlichen Berufs- bildes an einer Universitätsklinik durch berufliche Planungssicherheit und Trans- parenz erreicht werden.
Das Modell „48 + 12“ berücksichtigt bereits die Forderungen des deutschen Wissenschaftsrates, der Deutschen For- schungsgemeinschaft und der Kosten- träger für die Krankenversorgung nach mehr Transparenz für die differenziellen Leistungen in Forschung, Lehre und Pa- tientenversorgung an Universitätsklini- ken. Die Einführung eines Wissen- schaftstarifvertrages, wie zum Beispiel in Österreich für universitäre Kliniken im Rahmen einer Betriebsvereinbarung umgesetzt, ist dringend geboten. Nur auf diesem Wege ist in Zukunft eine lei- stungsfähige Forschung und Lehre an deutschen Universitätskliniken langfri- stig möglich. Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen, der Berufsver- band der Deutschen Urologen, die Deutsche Gesellschaft für Urologie und die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie haben sich öffentlich hinter dieses Denkmodell ge- stellt und politische Unterstützung zum Ausdruck gebracht.
Dr. med. Harald Schrem,Assistentensprecher der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie Medizinische Hochschule Hannover
Dr. med. Lutz Mahlke,Assistentensprecher der Klinik für Unfallchirurgie
Medizinische Hochschule Hannover
Dr. med. Stefan Machtens,Assistentensprecher der Klinik für Urologie und Kinderurologie
Medizinische Hochschule Hannover
Dr. med. Christian Hagl,Assistentensprecher der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie Medizinische Hochschule Hannover T H E M E N D E R Z E I T
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A2846 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4325. Oktober 2002
Ein breites Leserecho löste der Beitrag über das Modell „48 + 12“ aus. Abbildung: DÄ-Titel 33