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Archiv "Bedrohliche Konsequenzen in den chirurgischen Fächern: Gratulation" (16.08.2002)

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versitäten die einzigartige Chance, end- lich auch die wissenschaftliche Tätigkeit zeitlich zu erfassen und adäquat zu ver- güten. Gerade mit einer klaren und auch vom zeitlichen Arbeitsrahmen vertret- baren Lösung zur Forschungstätigkeit könnten viele Ärzte und hier besonders wohl auch Ärztinnen gewonnen werden, welche sich angesichts der unzumutba- ren Arbeitszeitbelastung trotz Interesses bislang nicht an die Universitäten trau- ten. Denn wer kennt sie nicht, die Kom- militoninnen, die immer alles wussten und sich schließlich nach Studienab- schluss, trotz wissenschaftlichen Talents und Interesses, in die Kreiskrankenhäu- ser verzogen? Die Einrichtung von Ar- beitszeitkorridoren, welche ausschließ- lich für die wissenschaftliche Tätigkeit genutzt werden dürfen, wäre eine denk- bare Lösung . . .

Dr. med. Joachim Oertel,

Klinik für Neurochirurgie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Ferdinand-Sauerbruch-Straße 8, 17487 Greifswald

Cui bono?

Die Äußerung der vier Assistenzärzte der MHH verdiente es wenigstens, den Leitern der Staatlichen Ämter für Ar- beitsschutz in allen Bundeländern zur Kenntnis gebracht zu werden. Hinter der Fassade einer scheinbar sachlich- kritischen Auseinandersetzung blitzt hier eine merkwürdige Mischung aus Larmoyanz (wir dürfen nicht so viel arbeiten, wie wir wollen; „Mehrarbeit“

wird „kriminalisiert“; in der For- schung können wir nicht mehr kon- kurrieren), pharisäischem Altruismus (wer Patienten helfen will, darf keine festgelegte Arbeitszeit haben), Rea- litätsblindheit (wer gezwungen wird, nur 48 Stunden zu arbeiten, wird aus- gebeutet, wer hingegen 80 Wochen- stunden arbeiten muss, wird nicht aus- gebeutet) und Horrorszenarios auf (wenn Chirurgen nur 48 Stunden ar- beiten, wächst der „Tod auf der Warte- liste“).

Es ist ein Skandal, dass die Verwal- tung der MHH – und in dieser Verwal- tung sind außer Nicht-Medizinern, die gewinnorientiert wirtschaften, auch Mediziner tätig – von dem zuständigen Staatlichen Amt für Arbeitsschutz un- ter Androhung von Bußgeldern ge-

zwungen werden muss, das Arbeits- zeitgesetz endlich umzusetzen. Dass das Urteil des Europäischen Gerichts- hofes, der Prozess vor dem Bundesar- beitsgericht in Erfurt und die vielen Urteile von Arbeitsgerichten, die sich gegen eine zum Teil nicht bezahlte Ar- beitszeit von 70 bis 80 Wochenstunden (das nämlich ist „Ausbeutung“) ausge- sprochen und Klinikverwaltungen ge- zwungen haben, „humane“ Arbeits- zeiten einzuhalten, zur Abwanderung von Patientenströmen ins Ausland führen werde, ist eine absurde Be- hauptung. In Anbetracht einer solch undifferenzierten oder nur an falscher Stelle differenzierenden Initiative stellt sich laut und offen die Frage

„Cui bono?“. Die eigentliche Lösung, von der alle sprechen, nämlich die Ein- stellung weiterer Ärzte, wird in nur ei- nem kurzen Satz erwähnt, gleichzeitig aber als „unrealistisch“ verworfen – und zwar wegen der Arbeitsmarktsi- tuation, die aber wohl primär durch die in der Vergangenheit entstandenen Ausbeutungsmechanismen beeinflusst worden ist.

Dr. H. Scholz,

Viktoriastraße 7, 44575 Castrop-Rauxel

Gratulation

Als Leiter einer universitären Abtei- lung für Herz-, Thorax-, Gefäßchirurgie in den neuen Bundesländern kann ich den Autoren des Artikels nur herzlich gratulieren, dass sie im Umfeld der zu- nehmenden Diskussion um das Arbeits- zeitgesetz auf ein schwieriges Problem in der universitären Medizin, und zwar insbesondere in den chirurgischen Fä- chern aufmerksam gemacht haben.

Wir unterstützen den aus Hanno- ver gemachten Vorstoß nachhaltig, da nur durch ihn eine Basis geschaffen wird, das Problem ansatzweise zu lö- sen. Sollte der Gesetzgeber keine Sonderregelung im Sinne des vorge- stellten Vorschlages für die Univer- sitätskliniken schaffen, so wird es zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Patientenversorgung kommen, der Qualität in der Forschung als auch der Stellung von Deutschland im Rah- men der Spitzenmedizin, wie der Transplantationschirurgie.

Kein anderes Berufsumfeld, in dem Höchstleistungen erbracht werden, ist derart limitiert, wie es die engagierten jungen Ärzte und Oberärzte in einer Universitätsklinik sind, die in der Grau- zone von inadäquater Bezahlung und Fehlverhalten gemäß den gängigen ge- gebenen gesetzlichen Auflagen arbeiten müssen. Hoch qualifizierte Medizin, so wie sie derzeit an den Universitätsklini- ken erbracht wird, hat ihren Preis, kostet personengebundene Zeit und bedingt einen weiten Hintergrund von Rahmen- bedingungen, wie sie in dem Artikel be- schrieben werden. In diesem Sinne kann man es dem Gesetzgeber nur dringend anraten, dass eine Sonderregelung ge- schaffen wird, oder man verabschiedet sich in der Bundesrepublik von einer hochleistungsfähigen Medizin, so wie sie derzeit unter kaschierten Bedingungen noch aufrechterhalten wird.

Diese Situation ist gerade in den neu- en Bundesländern noch dadurch aggra- viert, dass hier nur 90 % der Westbezah- lung für Ärzte gezahlt wird, obwohl 40 Stunden Basis-Wochenarbeitszeit er- bracht werden müssen. Somit ist die Si- tuation eines Arztes in den neuen Bun- desländern sowohl unter Zeitgesichts- punkten als auch unter finanziellen Ge- sichtspunkten deutlich schlechter. Der Gesundheitsstatus der Patienten ist aber oftmals reduzierter und erfordert hiermit einen deutlich höheren Einsatz der Ärzteschaft, um eine gleichwertige Versorgungssituation zu erzielen.

Dies wird belegt durch Untersuchun- gen von Herrn Dr. Bruckenberger (Konferenz der Leitenden Ministerial- beamten), dass gerade die Situation in den neuen Bundesländern dahinge- hend charakterisiert ist, dass die Patien- tenklientel im Vergleich zu den westli- chen Bundesländern ausgeprägter krank ist. Nachweislich besteht eine höhere Inzidenz von koronarer Herz- krankheit, Myokardinfarkten sowie Nebenerkrankungen, gerade bei den zu operierenden Patienten in der Herz-, Thorax-, Gefäßchirurgie.

Ein weiterer Punkt, der in der Ar- beitszeitdiskussion außer Acht gelassen wird, ist der der patientenbezogenen Verantwortlichkeit, der gerade in der Chirurgie eine besondere Bedeutung hat. Jeder, der schon einmal Patient ge- wesen ist, weiß, dass man in der Situati- T H E M E N D E R Z E I T

A

A2172 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002

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on seiner Krankheit – und gerade auch einer Herzkrankheit – seinen Arzt am Krankenbett haben möchte, so lange, bis man wieder gesund ist. Darüber hinaus möchte man von einem hoch qualifizier- ten Operateur versorgt werden, der die- se Operation mit einem hohen Erfah- rungsrückhalt durchführt. Verkoppelt ist dies mit dem Wunsch, dass die Opera- tionstechnik dem internationalen Stan- dard entspricht und zeitgerecht durch- geführt wird. Die operateursbezogene Verantwortlichkeit, so wie wir sie als chirurgische Lehrer noch erfahren ha- ben, kann und wird es in Zukunft nicht mehr geben. Das Arbeitszeitgesetz kon- terkariert den Ansatz der individuali- sierten Betreuung in allen Aspekten, denn die auch in meiner Abteilung willi- gen und engagierten Ärzte dürfen nicht arbeiten. Außerdem wird ihr Berufsbild durch die limitierte Bezahlung, die gera- de in den östlichen Bundesländern nur durch Überstunden und Dienste finan- ziell gegenkompensiert werden kann, in seiner Perspektive der gesellschaftli- chen Anerkennung relativiert.

Damit sind leistungsbereite Ärzte und Oberärzte gerade an Universitäts- kliniken besonders benachteiligt, und zwar im Vergleich zu engagierten jun- gen Menschen in anderen Berufsfel- dern, in denen ein gesetzlich unlimitier- ter Einsatz möglich ist, wie dem Ma- nagement, der Wirtschaft, Ärzte in der Niederlassung etc.

Zusammenfassend müssen wir als Gesellschaft definieren, ob wir unseren Anspruch an Versorgung durch Univer- sitätskliniken zurücknehmen wollen und ob wir durch die derzeit gegebenen Limitationen in die – international ge- sehen – akademische Mittelmäßigkeit abrutschen wollen oder Sonderregelun- gen schaffen für Ausnahmebereiche, in denen Ausnahmeleistungen erbracht werden.

Prof. Dr. Th. Wahlers,

Klinik für Chirurgie, Klinikum der Friedrich-Schiller-Uni- versität, Bachstraße 18, 07740 Jena

Rückschritt

Ohne Zweifel wird in Universitätsklini- ken unter anderen Bedingungen als in kleineren Häusern gearbeitet, was sich ja auch regelmäßig in überdurchschnitt-

lich guter personeller Besetzung in die- sen Abteilungen widerspiegelt. Bei al- lem Verständnis für die Abhängigkeits- verhältnisse der nach Habilitation stre- benden „akademischen“ Chirurgenkol- legen empfinde ich die Darstellung der Autoren als einen bedauernswerten Rückschritt in die gänzlich falsche Richtung. Endlich findet eine Diskussi- on über adäquate Arbeitsbedingungen für Ärzte statt, endlich hat man zumin- dest ansatzweise das Gefühl einer stei- genden Solidarisierung der jungen Ärz- tegeneration für bessere Arbeitsbedin- gungen, da treten die Universitätskolle- gen an die Öffentlichkeit und fordern wieder längere Arbeitszeiten. Dass nun schon die Ärzteschaft selber faden- scheinige Zusammenhänge zwischen einer Normalisierung der ärztlichen Ar- beitszeiten in den Kliniken und Horror- Szenarien wie verspäteten Krebsopera- tionen und Transplantationswartelisten herstellt, wird Arbeitgeber und Kran- kenkassen in Verzückung versetzen.

Auch die Sorge vor einer „Stechuhr- mentalität mit zeitlich begrenzten Zu- ständigkeiten und folgendem Gefühl des Verlassenseins der Patienten“ ist überzogen. Keiner fordert ernsthaft die regelhafte Ablösung von Operateuren während einer Operation. Ob aller- dings „Indikationsstellung, Operation und postoperative Nachsorge“ in der heutigen Zeit durch denselben Arzt er- folgen muss, ist mehr als fragwürdig.

Gerade an Universitätskliniken ist auf- grund der hohen Assistentenzahl und zahlreichen Nebentätigkeiten wie Kongressbesuchen, Forschung, Lehre u. ä. eine kontinuierliche Betreuung durch einen Arzt doch ohnehin die Aus- nahme. Die Forderung nach verbesser- ter Grund- und Überstundenvergütung bei allerdings geregelter Arbeitszeit ist selbstverständlich zu unterstützen und die einzige Möglichkeit, die Attrakti- vität des Arbeitsplatzes Krankenhaus zu steigern.

Auch nach intensiver Auseinander- setzung mit diesem Artikel ist mir wei- terhin nicht klar, was die Kollegen da- mit bewirken wollten. Es bleibt zu hof- fen, dass es sie zumindest bezüglich ih- rer Habilitationsabsichten an der MHH vorangebracht hat.

Dr. med. Tim Hülskamp,

Eimsbütteler Straße 100 b, 22769 Hamburg

Keine Überstunden, sondern mehr Ärzte

Die Missstände im Krankenhaus hin- sichtlich der ärztlichen Arbeitszeit werden vom Verfasser zutreffend be- schrieben, jedoch werden die falschen Konsequenzen gefordert!

Es ist unsinnig und polemisch, den Patienten ein Horrorszenario mit dro- hendem Vorenthalten notwendiger medizinischer Versorgung – den so ge- nannten Tod auf Raten – darzustellen, nein, das Problem muss an der Wurzel angepackt werden. Hierzu gehören nicht längere Arbeitszeiten für über- arbeitete Ärzte, sondern eine Verbes- serung der Arbeits- und Ausbildungs- bedingungen im Krankenhaus! Die so gesteigerte Attraktivität würde wieder mehr Kollegen in die Akutmedizin streben lassen. Wir brauchen keine Überstunden, sondern mehr Ärzte, so- dass endlich wieder mehr Zeit für die notwendige Ausbildung bleibt. Außer- dem ist dringend eine Säuberung des ärztlichen Aufgabenbereiches von nichtärztlichen und bürokratischen Tätigkeiten anzustreben, da ein durch- schnittlicher Assistenzarzt heutzutage fast den größten Teil des Tages mit Verwaltungs- und PC-Arbeit ver- bringt und diese ärztliche Zeit dem Patienten verloren geht! Warum gibt es in Deutschland keine hauptamtli- chen Verschlüssler wie in Australien?

Auch die Ausbildungs- und Organi- sationskompetenz der Chefärzte muss in diesem Zusammenhang kritisch be- leuchtet werden, da das altherge- brachte Chefarztsystem in Anbetracht des Wandels im Gesundheitssystem nicht mehr zeitgemäß ist, weil den Chefärzten häufig die erforderliche Ausbildung und Zeit fehlt.

Dr. med. Christian Weithe, Schwarze Heide 36, 31199 Barienrode T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 33½½½½16. August 2002 AA2173

Internet-Forum „48 + 12“

Der Beitrag „Bedrohliche Konsequenzen in den chirur- gischen Fächern“ von Dr. med. Harald Schrem et al.

hat eine Fülle von Leserbriefen ausgelöst, von denen eine Auswahl in diesem Heft veröffentlicht wird. Um dem Leser einen Überblick über sämtliche Zuschriften zu geben, hat sich die Redaktion entschlossen, ein In- ternet-Forum „48 + 12“ einzurichten. Unter www.

aerzteblatt.de, Rubrik „Foren“ laden wir ein, die Dis- kussion fortzusetzen. Den Autoren werden wir ab- schließend Gelegenheit zu einem Schlusswort geben.

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