8 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 1–2|
7. Januar 2013M E D I Z I N
DISKUSSION
Beseitigung auslösender Noxen
Den Autoren ist für die profunde Darstellung dieses im klinischen Alltag sehr wichtigen Themas zu dan- ken (1). Eine (beginnenden) Demenz ist ein prädis- ponierender Faktor und das Delir bei Demenz häufig (ICD F05.1). Oft wird eine vorher noch unbemerkte Demenz durch ein Delir erst demaskiert. Die Identi- fikation dieser Patienten im Vorfeld mit Hilfe geeig- neter Screeninginstrumente führt zu einer drasti- schen Absenkung der Delirhäufigkeit (2). Wichtig ist der Hinweis, dass bei Patienten mit bekannter De- menz und plausiblen Auslösefaktoren der diagnosti- sche Aufwand mit Augenmaß erfolgen sollte; EEG und Liquordiagnostik gehören zumindest hier nicht zur „Basisdiagnostik“.
Hinsichtlich der Therapie muss unterstrichen wer- den, dass die Beseitigung auslösender Noxen an ers- ter Stelle steht; hierzu gehören zahlreiche Arzneimit- tel – und vor allem die Polypharmazie. Die Bedeu- tung milieutherapeutischer Faktoren (Angst nehmen, Reorientierung ermöglichen) darf nicht unterschätzt werden, führen doch fehlende Orientierung und Angst über entsprechende psychophysiologische Mechanismen zu einer weiteren Eskalation der pa- thophysiologischen Kaskade des Delirs (3). Lang- wirksame Benzodiazepine wie Diazepam sollten in der Delirbehandlung bei älteren Patienten wegen der Gefahr einer schleichenden Intoxikation mit uner- wünschten Folgen bis zur Atemdepression nicht an- gewendet werden.
Delirien dauern meist nur Stunden bis wenige Ta- ge an, sie können jedoch über Wochen fortbestehen, auch postoperativ. Es werden sogar Verläufe von sechs Monaten beobachtet (4). Oft wird der reversi- ble Charakter der Symptomatik dann übersehen, und es kommt zum Beispiel vorschnell von Seiten des Krankenhauses zur Heimeinweisung.
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0008a
LITERATUR
1. Lorenzl S, Füsgen I, Noachtar S: Acute confusional states in the el- derly—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(21):
391–400.
2. Gurlit S, Möllmann M: How to prevent perioperative delirium in the elderly? Z Gerontol Geriatr 2008; 41: 447–52.
3. Oesterreich K: Verwirrtheitszustände. In: v. Kisker KP, Lauter H, Meyer J-E Müller C, Strömgren E. Psychiatrie der Gegenwart. 3. Aufl., Bd. 8:
Alterspsychiatrie. Berlin, Heidelberg: Springer Springer 1989;
201–24.
Echokardiographie keine Basisdiagnostik
Worüber ich als Internist-/Kardiologin etwas gestol- pert bin, ist über die an zweiter Stelle der Basisdia- gnostik genannte Untersuchung: der „Echokardiogra- phie des Herzens“.Leider erschloss sich mir die Indikation auch nach Lektüre des gesamten Artikels nicht. Es wurde mei- nes Erachtens in dem gesamten Artikel keine klinisch relevante Grundlage für deren diagnostische Rele- vanz geliefert.
Diese hätte mich als ausführende Untersucherin jedoch besonders interessiert, da ich bereits TTE- Anforderungen mit eben der Fragestellung „Delir“
in einer kleinen internistischen Abteilung eines psy- chiatrischen Schwerpunktkrankenhauses bearbeiten durfte.
Zur Feststellung eines kardiogenen Schocks gibt es sicherlich sensitivere Parameter wie Blutdruck und Puls. Nicht hinter jedem Infekt verbirgt sich gleich eine Endokarditis. Selbst mit einer guten sys- tolischen Pumpfunktion kann man kardial dekom- pensieren.
Also, inwiefern bringt mich diese diagnostische Maßnahme, die dazu führt, dass der Patient aus sei- nem etwas vertrauteren Patientenzimmer von wieder fremden Personen in einen wiederum neuen Untersu- chungsraum zu einer neuen, ihm wiederum unbe- kannten Untersucherin gebracht wird, in meinen the- rapeutischen Maßnahmen letztlich weiter?
Widerspricht dies nicht der anderen „Kastenemp- fehlung“: eine ruhige und sichere Umgebung zu schaffen?
Meines Erachtens steht der Nutzen in keinem Ver- hältnis zu dem eher schädigen Einfluss. Natürlich kann man sagen: das TTE ist eine „Bedside”-Unter- suchung (wie hier das erwähnte EEG), aber ist das realistisch?
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0008b
LITERATUR
1. Lorenzl S, Füsgen I, Noachtar S: Acute confusional states in the el- derly—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(21):
391–400.
Dr. med. Jutta Welsch, Rottweil juttawelsch@aol.com
zu dem Beitrag
Verwirrtheitszustände im Alter:
Diagnostik und Therapie
von Prof. Dr. med. Dipl. Pall. Med. Stefan Lorenzl, Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, Prof. Dr. med. Soheyl Noachtar in Heft 21/2012
4. Cole MG, Ciampi A, Belzile E, Zhong L: Persistent delirium in older hospital patients: a systematic review of frequency and prognosis.
Age Ageing 2009; 38: 19–26.
Dr. med. Dirk K. Wolter Psykiatrien i Region Syddanmark Gerontopsykiatrisk Afdeling Haderslev Skallebækvej 5
DK-6100 Haderslev
Dirk.Wolter@psyk.regionsyddanmark.dk