DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Aktuelle Medizin
Zur Fortbildung
Die Effektivität der Echokardiographie in der Basisdiagnostik
Benno Schwartz Aus der Abteilung für Innere Medizin (Leiter Professor Dr. med. Martin Grün) des St. Vincenz- und Elisabeth-Hospitals, Mainz
Hundert unselektierte Patienten werden nach allge- mein-internistischer Untersuchung unter dem Ver- dacht einer Herzerkrankung zur weiteren kardiologi- schen Abklärung echokardiographisch untersucht.
Die Hälfte der Verdachtsdiagnosen mußte nach der Echokardiographie revidiert werden. Aufgrund die- ser Befunde wird belegt, daß die Echokardiographie bereits in der Basisdiagnostik eine relevante, den Patienten kaum belastende, kostengünstige Metho- de darstellt. Zusätzlich wird ein Indikationskatalog zur Echokardiographie in der Basisdiagnostik für den allgemein-internistischen Bereich vorgestellt.
n
ie Kardiologie profitierte in V den letzten Jahren erheblich von der Einführung der ein- und zwei-dimensionalen Echokardio- graphie (UKG), was in zahlreichen Lehrbüchern (zum Beispiel 4, 5) und Einzelveröffentlichungen do- kumentiert wurde. Dabei ging es jedoch im wesentlichen um den Einsatz dieser neueren Untersu- chung speziell in der Kardiologie.Thelen und Wolf wiesen erstmals auch auf den hohen Stellenwert dieser nichtinvasiven Methode in der allgemeinen internistischen Diagnostik hin (12). Wenngleich wir eine spezielle kardiologische Ausbildung zur Durchführung der Echokardiographie für erforder- lich halten, erscheint uns der brei- tere Einsatz dieser Methode den- noch äußerst sinnvoll.
Die vorliegende Arbeit soll zeigen, wann im medizinischen Alltagsbe- trieb — also auch in der Basisdia- gnostik — das UKG sinnvoll einge- setzt werden kann.
Fragestellung
Mit welchem Ergebnis wird die Echokardiographie im medizini- schen Alltagsbetrieb einer mittle-
ren Klinik eingesetzt? Ergibt die Methode richtungsweisende neue Erkenntnisse, die dem Patienten und seinem behandelnden Arzt von erkennbarem Nutzen sind?
Material und Methodik
Es wurden 100 aus unserem Kran- kenhaus konsekutiv eingehende UKG-Anmeldungen ausgewertet hinsichtlich ihrer Ursprungsabtei- lung, ihrer Fragestellung bezie- hungsweise Verdachtsdiagnose und ihrer echokardiographischen Diagnose. Dabei wurde im Unter- suchungszeitraum streng darauf geachtet, daß keine der zur Unter- suchung gelangten Patienten pri- mär vom Kardiologen begutachtet wurden, so daß die Verdachtsdia- gnosen ausschließlich von Assi- stenzärzten der Inneren Abteilung sowie der übrigen Abteilungen un- seres Hauses formuliert wurden.
Die fachkardiologische Betreuung setzte dann erst mit der Echokar- diographie ein.
Die hundert ausgewerteten Echo- kardiographien wurden innerhalb von 24 Tagen durchgeführt. Das UKG erfolgte durch zwei Untersu-
cher in zufällig wechselnder Rei- henfolge. Der Untersuchungsgang entspricht den in der Tabelle 1 auf- geführten Punkten, die Auswer- tung richtet sich nach den allge- meinen Empfehlungen (6).
Die untersuchten hundert Patien- ten hatten ein mittleres Alter von 63 Jahren. Die Kranken stammten aus den folgenden Abteilungen unserer Klinik: 77 Prozent aus der Inneren Abteilung, die verbleiben- den 23 Prozent von den übrigen Abteilungen, die die Echokardio- graphie vornehmlich im Rahmen der präoperativen Diagnostik so- wie bei postoperativen Komplika- tionen, aber auch im Rahmen der Abklärung von Begleiterkrankun- gen einsetzten.
Ergebnisse
Es konnte bei 88 Prozent der Pa- tienten eine gute bis ausreichende Bildqualität des UKG erzielt wer- den, was den allgemeinen Erfah- rungen entspricht. Bei weiteren 10 Prozent der Patienten konnten noch grobe Anhaltspunkte für den kardialen Status gewonnen wer- den. Nur bei 2 Prozent der Patien- ten gelang die Untersuchung gar Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 33 vom 13. August 1986 (31) 2221
Herzspitze
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linkes Atrium DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Echokardiographie
Abbildung 1 (links): 4- Kammer- Blick; Gor pulmonale Abbildung 1 (rechts : Erläuterung zum linken Bild nicht, weil sie kein ausreichendes
„Schallfenster" aufwiesen (Tabel- le 2). Zunehmendes Alter der Pa- tienten kann aufgrund des häufi- geren Lungenemphysems die Un- tersuchung erschweren, jedoch kann darauf hingewiesen werden, daß unsere älteste Patientin mit 89 Jahren gut echokardiographiert werden konnte. Im allgemeinen sind sehr adipöse Patienten schlecht oder gar nicht schallbar.
Die Fragen beziehungsweise Ver- dachtsdiagnosen an den echokar- diographierenden Kardiologen waren wie folgt aufzuschlüsseln (siehe Tabelle 3):
In 35 Prozent sollte zur Frage nach einem Klappenvitium Stellung ge- nommen werden. In 25 Prozent der Fälle ging es um den Nachweis oder Ausschluß von segmentalen Wandbewegungsstörungen vor- nehmlich des linken Ventrikels, al- so um die koronare Herzkrankheit.
Auch die allgemeine Überprüfung der linksventrikulären Funktion machte noch einen Anteil von 16 Prozent aus. Wichtige Fragen, wie zum Beispiel die nach einem Peri- karderguß, Anzeichen für eine En- dokarditis sowie für intrakardiale Thromben machten etwa 50 Pro- zent der Verdachtsdiagnosen aus.
Die Untersuchungsergebnisse sind in Tabelle 4 zusammenge- stellt. Dort wird auch die Korrela-
tion zwischen den Verdachtsdia- gnosen und den echokardiogra- phischen Befunden aufgezeigt:
38 Prozent der Verdachtsdiagno- sen wurden echokardiographisch bestätigt, 50 Prozent konnten echokardiographisch nicht bestä- tigt werden (Überschneidungen durch Mehrfachdiagnosen waren möglich). In 10 Prozent mußten die Verdachtsdiagnosen völlig korrigiert werden.
Eine Kontrolle der Echokardiogra- phie-Diagnosen erfolgte durch die kardiologische Synopse der Ge- samtbefunde und nur in Einzelfäl- len durch eine Herzkatheterunter- suchung, da die Krankheitsbilder
im Rahmen der Fragestellung (Ba- sis-Diagnostik, siehe auch Alters- verteilung) naturgemäß keine hin-
Abbildung 2: Röntgenthorax in zwei Ebe- nen zu Abbildung 1; röntgenologische Diagnose: Verdacht auf dekompensiertes Mitralvitium; keine eindeutige Abgren- zung hinsichtlich des „cor bovinum"
reichende Indikation für eine inva- sive Diagnostik als Referenzme- thode lieferten. Aufgrund der nicht invasiven, synoptischen kardiolo- gischen Untersuchung wurden die echokardiographischen Ergebnis- se im wesentlichen bestätigt oder ergaben doch zumindest wertvolle Gesichtspunkte.
Diskussion
Der Einsatz der Echokardiogra- phie in der internistischen Basis- diagnostik erscheint nach den vor- liegenden Ergebnissen von erheb- lichem Nutzen: Immerhin wurden etwa die Hälfte der Verdachtsdia- gnosen korrigiert. Dabei sollte be- achtet werden, daß in unserem Untersuchungsgang die Ver- dachtsdiagnosen durch Nichtkar-
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Echokardiographiediologen erstellt wurden, während die Echokardiographie selbst durch Kardiologen erfolgte.
In diesem Zusammenhang ist von einer breitangelegten Durchfüh- rung der Echokardiographie durch Nichtkardiologen eher ab- zuraten, weil die Gefahr der Fehl- interpretation von UKG-Bildern bei mangelnder Ausbildung und Übung von erheblicher Tragweite ist. Die Differenzierung zum Bei- spiel zwischen einer verdickten
„sklerotischen" Aortenklappe und einer hämodynamisch wirksamen Aortenstenose ist auch für den Fachmann schwer; eine fehlerhaf- te Verharmlosung einer Aortenste- nose kann jedoch für den Patien- ten bekanntermaßen fatale Konse- quenzen herbeiführen. Wenn die Echokardiographie jedoch fach- gerecht, das heißt in der Regel vom Kardiologen durchgeführt wird, kann der Befund dann auch vom Nichtkardiologen mit erhebli- chem Vorteil in der Basisdiagno- stik eingesetzt werden.
Gibt es eine kardiale Ursache?
Die Frage nach einer primären kardialen Ursache von wichtigen Krankheitssymptomen wie Dys- pnoe, Belastungseinschränkung oder Thoraxschmerzen kann ohne großen Aufwand häufig richtungs- weisend beantwortet werden.
Hiervon wird die Notfallmedizin (10) ebenso profitieren wie die Abklärung im Rahmen der Diffe- rentialdiagnose Myokarditis (3), der Lungenembolie (11), der In- farktdiagnostik (8) sowie die Abklärung möglicher zerebraler Embolien (1, 9); hier gelten aller- dings gewisse Einschränkungen,
wie sie zum Beispiel Come und Mitarbeiter aufgezeigt haben (2).
Auf die wichtigsten Punkte der Diagnostik erworbener Herzklap- penfehler hat auf breiterer Ebene auch Niehues in seiner Arbeit hin- gewiesen (7).
Die Echokardiographie ermöglicht es, auf breiter Basis und ohne gro- ßen technischen Aufwand — und zudem schmerz- und gefahrlos —
relativ exakte kardiologische Dia- gnosen zu erarbeiten, wobei der Kardiologe ganz gezielt eingesetzt werden kann.
Wie bereits erwähnt, führte in un- serer Untersuchungsreihe die so eingesetzte Echokardiographie in 50 Prozent der Fälle zu mehr oder weniger deutlichen Korrekturen der ursprünglich ausgesproche- nen Verdachtsdiagnose.
Ein Beispiel einer Echokardiogra- phie zeigt die Abbildung 1: Im so- genannten 4-Kammer-Blick wird ein typisches Cor pulmonale abge- bildet. Die dazugehörigen Rönt- genthoraxbilder zeigt die Abbil- dung 2; dabei kann, im Gegensatz zum echokardiographischen Be- fund, nicht eindeutig abgegrenzt werden, welcher Teil des Herzens maßgeblich an dem „cor bovi- num" beteiligt ist.
Die röntgenologische Diagnose hieß: Verdacht auf dekompensier- tes Mitralvitium. Der Auskulta- tionsbefund hingegen deutete auf eine andere Diagnose, nämlich auf einen Ventrikelseptumdefekt. Die Klärung erbrachte, wie oben ge- schildert, die Echokardiographie.
Die allein richtige Diagnose „cor pulmonale" wurde später durch die Obduktion bestätigt.
Tabelle 1: Untersuchungsgang der Echokardiographie
Gerät: EKO 5500 TM der Firma Xonics (jetzt Hewlett Packard), Time-Motion/mechanischer Sektorscan- ner 3,5 MHz, Dokumentation auf hard copy/Video- band
Routine- Patient in Halblinkslage bis Rückenlage
programm: Apikale Schallposition: 4-Kammer-Blick, 2-Kammer- Blick (RAO-Äquivalent)
Parasternale Position: Lange und kurze Achse/TM- Echo mit „sweep", Vermessung von Ventrikel- und Vorhofdurchmesser usw.
Subkostale Position: 4-Kammer-Blick, Vorhofsep- tum, Vena cava inferior, Aorta abdominalis
Zusatz- Suprasternale Schallposition:
programm: Aortenbogen, Arteria pulmonalis, Kontrastechokardiogramm,
Vermessung der Flächen, Berechnung spezieller Parameter; Nitroversuch
Tabelle 2: Aussagefähigkeit der Echokardiogramme
Anzahl
Patienten 100
Gute bis ausreichende Untersuchungsergebnisse
88
Grobe Anhaltspunkte
10
Keine Aussage möglich
2 63 Jahre
mittleres Alter
64 Jahre, min. 20 Jahre max. 89 Jahre
71 Jahre, min. 58 Jahre max. 80 Jahre
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Verdachtsdiagnosen n = 122 Herzklappenfehler? 35
Segmentale Bewegungsstörung 25 (Infarkt, koronare Herzkrankheit)?
16 Linksventrikuläre Funktion (Herzinsuffizienz)?
11 Myokardaneurysma?
Perikarderguß? 8
7 Klappenvegetationen
(Endokarditis)?
5 Intrakardiale Thromben?
Shuntvitium? 2
Kunstklappenfunktion? 2
Tabelle 3: Echokardiographie-Indikationen
Sonstiges 11
(Cor pulmonale/Hypertrophie/Kardiomyopathie/Aortenaneurysma usw.)?
Tabelle 4: Echokardiographische Ergebnisse
Anzahl Prozent Bestätigung der Verdachtsdiagnose
Keine Bestätigung der Verdachtsdiagnose davon völlig korrigierte Diagnose 10 teil korrigierte Diagnose 51 Keine eindeutige Diagnose
(kein Schallfenster)
40 49
50 61
10 12
n = 122 Gesamtzahl der Verdachtsdiagnosen
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Echokardiographie
Schlußfolgerung
Aufgrund unserer Erfahrungen hat sich gezeigt, daß die Echokardio- graphie im Rahmen der internisti- schen Basisdiagnostik einen ho- hen Stellenwert besitzt. Das ko- stengünstige und den Patienten kaum belastende Verfahren sollte nach folgendem Indikationskata- log in Klinik und Praxis eingesetzt werden:
1. Ausschluß oder Bestätigung ei- nes Vitium cordis, zum Beispiel bei einem auffälligen Auskulta- tionsbefund.
2. Abklärung auffälliger EKG-Be- funde wie Niedervoltage, Hyper- trophiezeichen, Narbenzeichen, ungewöhnliche Lagetypen.
3. Abklärung von Belastungsein- schränkungen, insbesondere Be- lastungsdyspnoe, aber auch akute Dyspnoezustände sowie gegebe- nenfalls Stenokardien.
4. Abklärung auffälliger Röntgen- Thoraxbefunde bezüglich Herz- und Gefäßband.
5. Therapiekontrolle bei der Be- handlung der Myokardinsuffi- zienz.
Nochmals betont werden sollte, daß diese Punkte gleichermaßen auch für den ambulanten Bereich gelten, wo die Echokardiographie ohnehin eine größere Verbreitung finden sollte.
Literatur
(1) Asinger, R. W.; Mikell, F. L.; Sharma, B.;
Hodges, M.: Observations on detecting left ventricular thrombus with two dimensional echocardiography: emphasis on avoidance of false positive diagnosis. Am. J. Cardiol. 47 (1980) 145 — (2) Come, P. C.; Riley, M. F.; Ma- riks, J. E.; Malagold, M.: Limitations of echo- cardiographic techniques in evaluation of left atrial masses. Am. J. Cardiol. 48 (1981) 947 — (3) Bolte, H.-D.; Ludwig, B.: Virusmyokarditis:
Symptomatologie, klinische Diagnostik und Hämodynamik. Internist 25 (1984) 143 — (4) Fei- genbaum, H.: Echokardiographie. perimed- Verlag Erlangen (1979) — (5) JadoniC, B.,1 Wie- ser, H. X.: Ein- und zweidimensionale klinische Echokardiographie. Urban und Schwarzen-
berg München (1983) — (6) Lange, L.: Stan- dardisierungsempfehlungen für M-mode und zweidimensionale Echokardiographie in den USA. Z. Kardiol. 68 (1979) 104 — (7) Niehues, B.:
Die Ultraschalldiagnostik erworbener Herz- klappenfehler. Dt. Arztebl. 81 (1984) 689 — (8) Schart!, M.; Rutsch, W.; Paeprer, H.; Müller, U.:
Stellenwert der zweidimensionalen Echokar- diographie in der Diagnostik akuter transmu- raler Erstinfarkte. Z. Kardiol. 73 (1984) 56 — (9) Schweizer, P.; Erbel, R.; Lambertz, H.: Der Einsatz der Echokardiographie in der kardiolo- gischen Notfallmedizin. Internist 25 (1984) 329
— (10) Schweizer, P.; Bardos, P.; Erbel, R.;
Meyer, J.; Merx, W.; Messmer, B. J.; Eifert, S.:
Detection of left atrial thrombi by echocardio- graphy. Br. Heart J. 45 (1981) 148 — (11) Strau- er, B. E.: Pathophysiologie und Klinik der Lun-
genembolie. Internist 25 (1984) 108— (12) The- len, M.; Wolf, P.: Die orientierende Ultraschall- untersuchung des Herzens. Dt. Ärztebl. 80 (1983) 21
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Benno Schwartz Innere Medizin/Kardiologie St. Vincenz-
und Elisabeth-Hospital An der Goldgrube 11 6500 Mainz 1
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 33 vom 13. August 1986 (35) 2225