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Archiv "Bedeutung der transösophagealen Echokardiographie vor Kardioversion von Vorhofflimmern" (24.03.2000)

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(1)

M E D I Z I N

orhofflimmern ist die häufig- ste supraventrikuläre Tachy- kardie des Erwachsenen (39).

Der Verlust der geordneten atrialen Kontraktion kann unter anderem zu Palpitationen und einer Herzinsuffizi- enz führen. Ferner erhöht sich das Ri- siko thromboembolischer Ereignisse.

Die Kardioversion von Vorhofflim- mern verbessert die Symptomatik und Leistungsfähigkeit der Patienten (31, 33). Die gefährlichste Komplikation einer Kardioversion ist die Throm- boembolie. Ohne Antikoagulation liegt das Risiko einer Embolie bei fünf bis sieben Prozent (1, 2, 21, 32, 42). Im Gegensatz dazu senkt eine effektive Antikoagulation vor Kardioversion das Embolierisiko auf circa 1,2 Pro- zent (2, 15, 21). Aufgrund dieser Da- ten wird bei Patienten mit Vorhofflim- mern von mindestens zwei Tagen eine Antikoagulation von drei Wochen vor und vier Wochen nach Kardioversion empfohlen (14).

Echokardiographie vor Kardioversion

Kürzlich wurde vorgeschlagen die dreiwöchige Antikoagulation vor Kar- dioversion von persistierendem Vor- hofflimmern zu verkürzen (16, 17, 34).

Zu diesem Zweck wird eine transöso- phageale Echokardiographie zum Aus- schluss atrialer Thromben vor Kardio- version durchgeführt. Bei Ausschluss atrialer Thromben wurde bei den Pati- enten der oben genannten Studien eine zweitägige Antikoagulation vorgenom- men und im Anschluss die Kardioversi- on durchgeführt. Bei diesem Vorgehen wurden bei insgesamt 499 Patienten keine Embolien beobachtet.

Der Vorteil dieses Vorgehens ist die Reduktion des Risikos einer Blu- tungskomplikation unter Antikoagula- tion. Als weiterer potenzieller Vorteil wird diskutiert, dass eine rasche Kar- dioversion ein atriales Remodeling verhindern kann und somit die Wahr- scheinlichkeit eines Rezidivs nach Kar- dioversion sinkt (34). Weiter spricht für das oben genannte Vorgehen die Tatsa- che, dass Patienten vor Kardioversion häufig keine ausreichende Antikoagu-

lation erhalten und in vielen Fällen die Effektivität der Antikoagulation nicht ausreichend geprüft wird (5).

Eine wichtige Voraussetzung für die echokardiographisch geführte Kar- dioversion ist eine hohe diagnostische Zuverlässigkeit der transösophagealen Echokardiographie. Mehrere Studien zeigten, dass die transösophageale Echokardiographie im Vergleich zu in- traoperativen Ergebnissen eine nahezu 100-prozentige Sensitivität und Spezi- fität zur Erkennung von Thromben hat (9, 13, 18, 22, 23). Voraussetzung für diese hohe Zuverlässigkeit der trans- ösophagealen Echokardiographie ist eine gründliche Untersuchung sowie die Anwendung einer biplanen oder multiplanen Untersuchungstechnik (9, 18, 30). Trotzdem ist es bei einzelnen Patienten nicht möglich, Thromben si- cher auszuschließen. Die ausgeprägte Trabekularisierung des Vorhofohres erschwert die Identifikation kleiner Thromben (7, 40). Ferner kann ein langsamer Blutfluss im linken Vorhof zu ausgeprägtem spontanen Echokon- trast führen (3). Dieser kann Throm- ben verdecken oder eine Abgrenzung zu frischen Thromben unmöglich ma- KURZBERICHT

Bedeutung der

transösophagealen Echokardiographie vor Kardioversion von Vorhofflimmern

Heyder Omran, Werner Jung, Stefan Illien, Berndt Lüderitz

Der Stellenwert der transösophageal echokardiogra- phisch geleiteten Kardioversion von Vorhofflimmern ist noch nicht abschließend geklärt. Vorläufige Studienergeb- nisse weisen darauf hin, dass dieses Vorgehen das Embo- lierisiko nicht erhöht und das Potenzial bietet, die Dauer der Antikoagulation vor Kardioversion zu verkürzen. Um Embolien nach echokardiographisch geleiteter Kardio-

version zu verhindern, sind aller- dings weiterhin eine effektive periin-

terventionelle Antikoagulation und eine vorherige gründ- liche transösophageale echokardiographische Untersu- chung notwendig.

Schlüsselwörter: Kardioversion, Vorhofflimmern, trans- ösophageale Echokardiographie, Thromboembolie

ZUSAMMENFASSUNG

Atrial Fibrillation: Cardioversion and Transesophageal Echocardiography

The role of transesophageal echocardiography in the guid- ance of cardioversion of atrial fibrillation is not definitively clarified. Preliminary study results show that the thrombo- embolic risk is not increased with this approach and may al- low shortening of the anticoagulation period prior to car-

dioversion. In order to avoid embolism after echocardiographically guided cardioversion, both

an effective periinterventional anticoagulation and proper transesophageal echocardiographic examination are man- datory.

Key words: Cardioversion, atrial fibrillation, transesopha- geal echocardiography, thromboembolism

SUMMARY

V

Medizinische Universitätsklinik und Polikli- nik II (Direktor: Prof. Dr. med. Berndt Lüde- ritz), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Univer- sität Bonn

(2)

chen (Abbildung). Bei diesen Grenzbe- funden sollte auf eine rasche Kardio- version verzichtet und nach entspre- chender Antikoagulation der Befund kontrolliert werden.

Thromboembolien trotz Ausschluss atrialer Thromben

Trotz eines echokardiographi- schen Ausschlusses atrialer Thromben wurden in einzelnen Studien Embolien nach Kardioversion beobachtet (4, 20).

Aufgrund dieser Beobachtungen ist die Sicherheit einer echokardiographisch geleiteten Kardioversion in Zweifel ge- zogen worden. Die Analyse der Patien- ten mit Embolien zeigte allerdings, dass diese Patienten zum Zeitpunkt der Kardioversion nicht durch Antikoagu- lation geschützt waren. Diese Beobach- tung hat zur Diskussion der Mechanis- men embolischer Ereignisse nach Kar- dioversion geführt.

Bislang wurden Embolien nach erfolgreicher Kardioversion auf ausge- schwemmte Thromben zurückgeführt, die während des Vorhofflimmerns ent- standen sind (15). Transösophageale echokardiographische Untersuchun- gen unmittelbar vor und nach elektri- scher Kardioversion von chronischem Vorhofflimmern zeigen allerdings, dass eine erfolgreiche Kardioversion zu einer mechanischen Dysfunktion des linken Vorhofs und Vorhofohres führt (10, 11) und sich diese Dysfunkti- on erst eine Woche nach Kardioversi- on zurückbildet (24, 37). Die mechani- sche Dysfunktion des linken Atriums führt zu reduzierten Flussgeschwindig- keiten im linken Vorhofohr, und ist mit der Bildung von spontanen Echokon- trasten assoziiert und weist auf eine er- höhte Thrombogenizität im linken Vor- hof hin (Grafik) (24). Zur Beschrei- bung dieser Phänomene wurde der Be- griff des atrialen Stunnings vorgeschla- gen. Das thrombogene Milieu nach ei- ner Kardioversion kann zur Neuent- stehung von atrialen Thromben und systemischen Embolien führen (10, 11, 25, 38). Weitere Studien zeigten, dass das atriale Stunning auch bei der Ap- plikation von geringen Energien bei der so genannten internen atrialen Kardioversion (26) und nach erfolgrei- cher pharmakologischer (8) oder spon-

taner Kardioversion auftritt (12). Die- se Daten weisen darauf hin, dass das atriale Stunning durch das Vorhofflim- mern als solches verursacht und nicht durch die Applikation der elektrischen Energie ausgelöst wird. Ferner korre- liert die Dauer des Vorhofflimmerns mit dem Auftreten eines Stunnings.

Atriales Stunning wird nicht nach der Kardioversion von akut aufgetrete- nem Vorhofflimmern beobachtet (28).

Zusammenfassend lassen die oben genannten Studien erkennen, dass Thromboembolien nach Kardioversi- on durch eine atriale Dysfunktion nach Kardioversion verursacht werden kön- nen. Daher wird nach transösophagea- lem Ausschluss atrialer Thromben ei- ne 48-stündige Antikoagulation vor Kardioversion empfohlen. Diese sollte

nach der Kardioversion fortgeführt werden, um der periinterventionelle Entstehung von Thromben vorzubeu- gen (19, 34).

Echokardiographie vor Kardioversion bei

Vorhofflimmern unter 48 h

Das Risiko einer Embolie nach Kardioversion bei Patienten mit Vor- hofflimmern unter 48 Stunden wird all- gemein als gering angesehen (15). Da- her wird keine Antikoagulation vor Kardioversion empfohlen (14). In einer kürzlich durchgeführten Studie bei 375 unselektionierten konsekutiven Pati- enten, die bei neu aufgetretenem Vor- hofflimmern zur Kardioversion vorge- stellt wurden, lag die Embo- lierate nach Kardioversion bei Patienten mit Vorhofflim- mern bis zu 48 Stunden bei 0,8 Prozent (41). Eine Antiko- agulation vor Kardioversion führte in dieser Studie nicht zu einer signifikanten Reduk- tion embolischer Ereignisse.

Insgesamt bestätigen die Er- gebnisse der oben genannten Studie, dass eine Antikoagu- lation bei Vorhofflimmern unter 48 Stunden in der Regel nicht indiziert ist.

Eine andere Studie weist allerdings darauf hin, dass bei ausgewählten Patienten mit Vorhofflimmern unter 48 Stunden das Risiko einer Em- bolie dennoch erhöht sein kann (36). Dies trifft auf Pati- enten mit akuter Embolie und Herzinsuffizienz zu. Hier liegen in bis zu 14 Prozent atriale Thromben vor und das Risiko einer Embolie ist nach Kardioversion deutlich er- höht. Es kann daher bei Pati- enten mit Vorhofflimmern bis zu 48 Stunden in den meisten Fällen auf eine transösopha- geale Echokardiographie ver- zichtet werden. Bei Patienten mit unklarer Dauer des Vor- hofflimmerns, Herzinsuffizi- enz, rheumatischem Herz- klappenfehlern oder zurück- liegender Embolie sollte auch bei kurzzeitigem Vorhofflim-

M E D I Z I N KURZBERICHT

Abbildung: Bei der transösophagealen Echokardiographie fallen ausgeprägte Spontanechos im linken Vorhof auf. Die Spitze des Vorhofohres kann daher nicht ausreichend eingesehen werden und ein Thrombus lässt sich nicht sicher ausschließen. LAA, linkes Vorhofohr; SEC, Spontanechos.

1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0

Vorhofohrflussgeschwindigkeiten [m/s]

24 Stunden

vorher 24 Stunden

nachher 7 Tage

nachher p<0,001 p<0,001 Grafik

Verlauf der Vorhofohrflussgeschwindigkeiten (LAAv) nach Kardio- version von chronischem Vorhofflimmern. Unmittelbar nach der Kardioversion kommt es zu einer Einschränkung der Vorhofohr- funktion. Diese erholt sich nach sieben Tagen.

(3)

M E D I Z I N

mern zum Ausschluss atrialer Throm- ben eine transösophageale Echokar- diographie durchgeführt werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Die echokardiographisch geführte Kardioversion bietet das Potenzial die Antikoagulationsdauer vor Kardiover- sion zu verkürzen. Die Sicherheit der echokardiographisch geführten Kar- dioversion gegenüber dem konventio- nellen Schema einer dreiwöchigen An- tikoagulation wird derzeit in der pro- spektiv randomisierten ACUTE-Stu- die getestet. Die vorläufigen Ergebnis- se der ACUTE-Studie zeigen keinen signifikanten Unterschied zwischen konventionellem und transösophageal echokardiographisch geführtem Vor- gehen (16). Entscheidend für eine si- chere Kardioversion nach transöso- phageal-echokardiographischem Aus- schluss atrialer Thromben ist allerdings eine effektive periinterventionelle An- tikoagulation (34). Ferner sollte bei un- klaren echokardiographischen Befun- den auf eine rasche Kardioversion ver- zichtet werden. Der Einsatz biplaner oder multiplaner transösophagealer Sonden erhöht die diagnostische Si- cherheit (6). Ist eine rasche Kardiover- sion wegen einer neu aufgetretenen Herzinsuffizienz geplant oder können Patienten aufgrund von Kontraindika- tionen nur unzureichend antikoaguliert werden, ist eine transösophageale Echokardiographie vor einer Kardio- version in jedem Fall empfehlenswert.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-782–784 [Heft 12]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Heyder Omran Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik II

Rheinische

Friedrich-Wilhelms-Universität Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn

E-Mail: omran@uni-bonn.de

KURZBERICHT/DISKUSSION

Die nach vielen spektakulären Berichten in der Laienpresse von den Autoren nun vorliegende solide Studie und Übersicht ist lediglich um einige wenige Aspekte zu ergänzen. Es kann nicht nachhaltig genug betont werden, dass der Ultra-Kurz-Entzug (UKE) al- lenfalls Entzugssymptome vermindern und abkürzen kann. Da diese von Ab- hängigen als besonders quälend erlebt werden, ist das Narkose-Verfahren un-

ter diesen Patienten recht beliebt. Die zugrunde liegende Sucht oder Abhän- gigkeitserkrankung wird durch den UKE aber nicht behoben; insofern kann das Verfahren lediglich ein erster Schritt dazu sein, wobei die Risiken (immerhin sind in der Literatur minde- stens vier Todesfälle beschrieben [1]) mit den Vorteilen (hohe Akzeptanz und Chance der Beendigung wenig- stens der Entzugsbehandlung) abzu- wägen sind. Auch ist zu bedenken, dass unklar ist, welche Folgen der UKE län- gerfristig für das Schmerzsystem hat – immerhin trifft der UKE auf ein sensi- tisiertes Opiatsystem (wobei aus der Schmerzforschung bekannt ist, wie wichtig eine adäquate Analgesie und Anästhesie ist).

Entsprechend zeigen erste Lang- zeitstudien und auch eigene Erfahrun- gen, dass nach sechs Monaten etwa 80 Prozent der Patienten wieder rückfäl- lig werden (2). Dies unterstreicht, dass in der Suchtforschung und -behand-

lung neben der Behebung der körperli- chen Abhängigkeit (in Form der Ent- zugssymptome) vor allem die Über- windung der psychischen Abhängig- keit (in der Entwöhnung) die eigentli- che Herausforderung darstellt.

Trotzdem sind auch in der Praxis der Entzugsbehandlung der Opiatab- hängigkeit weitere Fortschritte zu er- warten. Alternative Ansätze, wie die Anwendung von Buprenorphin (in Monotherapie oder in Kombination mit Clonidin oder Naltrexon [3]), die schneller, sicherer und angenehmer als die konventionellen Verfahren oder UKE sind, sollten demnächst auch in Deutschland für diese Indikation ent- wickelt werden.

Literatur

1. Brewer C: The case for rapid detoxification under anesthesia (RODA): a reply to Gos- sop and Strang. Br J Intens Care 1997; 7:

137–143.

2. Cucchia AT, Monnat M, Spagnoli J, Ferrero F, Bertschy G: Ultra-rapid opiate detoxifi- cation using deep sedation with oral mida- zolam: short and long-term results. Drug Alc Depend 1998; 52: 243–250.

3. Kosten TR: Ultrarapid opiate detoxifica- tion. Addiction 1998; 93: 1629–1633.

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych.

Lutz G. Schmidt

Psychiatrische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien

Universität Berlin

Eschenallee 3 · 14050 Berlin

Die Methode wirft einige grund- legende Fragen zu den Mechanismen des Opiatentzugs und ihrer Beeinfluss- barkeit in größerer Schärfe auf. Als Vertreter des Teams im Bezirkskran- kenhaus Haar, das die Methode eben- falls anwendet (nun bereits 150 Pati- enten), möchte ich dazu einige An- merkungen machen und Fragen stel-

Opioidabhängigkeit

Der Ultra-Kurz-Entzug

Stand der Literatur und eigene Untersuchungen

Langzeitergebnisse und Alternativen

Zu dem Beitrag von

Dr. med. Norbert Scherbaum, Prof. Dr. med. Markus Gastpar, Dr. med. Peter Kienbaum, Prof. Dr. med. Jürgen Peters in Heft 31–32/1999

Eigendynamik

des Entzugs

(4)

len. Eine detailliertere Auswertung von 108 Patienten wird Anfang 2000 erhältlich sein (Küfner et al. 1999, Schneider Verl., Hohengehren; För- derung: Bayerisches Gesundheitsmi- nisterium und Bundesgesundheitsmi- nisterium).

Der „Schweregrad“ des Entzugs ist aus Patientensicht differenziert zu sehen, denn er wird (zumindest retro- spektiv) gewissermaßen als Produkt von Dauer mal Intensität erlebt, das heißt milde Entzugssymptome über vier Wochen können erfahrungs- gemäß ebenso leicht zum Therapieab- bruch führen (Spätabbrecher) wie kurze, aber schwere Symptome, wie sie meist die ersten zwei Tage beim UKE auftreten. Hier besteht meines Erachtens noch Präzisierungsbedarf in der Beurteilung des Entzugssyn- droms. Einige unserer Patienten hat- ten keine Entzugssymptome, einige andere brachen wegen schwerer Ent- zugssymptome vorzeitig ab, andere hatten mehrwöchige Entzugssympto- me.

Es ist nicht gut gesichert, dass die Opiatdosis, also beispielsweise die Durchschnittsdosis über die letzten sechs Monate, die Schwere des Ent- zugs wesentlich bestimmt. Wir fanden bisher keinen engen Zusammenhang.

Die Schwere des Entzugs unterliegt offensichtlich einem komplexen Be- dingungsgefüge auch psychosozialer Faktoren.

Die Halbwertszeit scheint als re- levanter Prädiktor des Entzugsver- laufs nicht gut geeignet zu sein. Man nimmt an, dass für alle Opiate beim kalten Entzug (ersatzloses Absetzen der Opiate) die maximale Intensität des Entzugs etwa am dritten Tag gege- ben ist. Stimmt das? Eine grobe Kal- kulation (ohne Berücksichtigung pharmakologischer Details) verdeut- licht das Problem: Beim kalten Ent- zug von Patienten mit 1 g Dihydro- codein Tagesdosierung (HWZ = circa 4 h) sind zu Beginn des dritten Tages noch circa 0,1 mg Opiate im Körper.

Bei Methadon-Patienten mit der wir- kungsäquivalenten Dosierung von 100 mg Methadon Tagesdosierung (HWZ = 24 h) haben – gesetzt den äußerst seltenen Fall, dass sie einen kalten Entzug akzeptieren – am drit- ten Tag noch 20 mg des 10-fach wirk- sameren Methadons im Körper. Erst

am achten bis neunten Tag haben sie etwa 0,2 mg Wirkstoff im Körper. Der Methadonentzug müsste daher, wenn die Zahl der nicht besetzten Rezepto- ren eng mit dem Ausmaß des Entzugs korreliert, deutlich später sein Maxi- mum haben beziehungsweise länger als der Codeinentzug dauern – wofür es kaum belastbare Daten gibt. Es kann daher auch der Fall sein, dass ei- ne einfache Rezeptortheorie des Ent- zugs unzutreffend ist. Dies regt an, von einem Schwellen-Modell auszu- gehen, bei dem es einen point of no re- turn gibt, ab dem der Entzug mit einer beträchtlichen Eigendynamik abläuft, und zwar relativ unabhängig davon, wie groß die Menge wirksamer Opiate im Körper ist. Sowohl eine schnelle kurze Abnahme der Stoffkonzentrati- on, wie eine langsame längerwähren- de Reduktion könnte dieselbe Ent- zugs-Triggerfunktion haben. Aller- dings müsste dann die Latenz des Methadonentzugs halbwertzeitbe- dingt etwa sechsfach größer sein als die Latenz des Morphinentzugs. Nur eine Statistik über (inhumane) kalte Methadonentzüge kann helfen, diese Fragen zu klären.

Die verbreitete These der Hyper- aktivität des Sympathicus im Opiat- entzug ist, wie man schon bei Kolb und Himmelsbach 1938 sehen konnte, klinisch betrachtet nicht sonderlich relevant und auch nicht ganz konsi- stent: Es gibt zunächst sicher einen Unterschied zwischen den Verhältnis- sen im ZNS (zum Beispiel erhöhte Noradrenalin-Konzentration) und an der Peripherie, also an den Erfolgsor- ganen, wo die Konvergenz von (neu- ronaler) Aktivität erfolgt. Nasenlau- fen ist beispielsweise eher kein nor- adrenerges Symptom. Auch die Tachy- kardie als noradrenerges Symptom ist vergleichsweise zum Alkoholentzug nicht stark ausgeprägt (bei unseren Patienten in der Regel Puls unter 100). Die gastrointestinale Überakti- vität ist leichter als cholinerge Hyper- aktivität zu verstehen oder zumindest als Resultat eines gestörten Wechsel- spiels des cholinergen und noradren- ergen Systems. Auch die Rolle der ge- blockten intestinalen Opiatrezepto- ren wäre zu bedenken, ebenso wie die des Histamins. Wenn man zusätzlich noch berücksichtigt, dass das opioder- ge Subsystem des Gehirns mit dem

GABA-System, dem Dopamin-Sy- stem und anderen neurochemischen Systemen eng gekoppelt ist, dann ist meines Erachtens das adäquate Grundverständnis für die Pathophy- siologie des Entzugssyndroms nur ein Modell passend, das als eine Art

„neurochemisches Mobile“ die multi- modale Störung des neurochemischen Gleichgewichts berücksichtigt.

Dr. med. Felix Tretter Bezirkskrankenhaus Haar Postfach 11 11

85529 Haar

Der Leserbrief von Herrn Prof.

Dr. Schmidt, Berlin, unterstützt we- sentliche Aussagen unserer Publikati- on: Der Ultra-Kurz-Entzug dient vor- nehmlich der Verkürzung der Entzugs- dauer. Letztendlich ist diese Methode nur ein Entzugsverfahren mit dem Ziel, das Suchtmittel vollständig und in für den Abhängigen erträglicher Weise aus dem Körper zu entfernen. Die Ent- wöhnung, also der Aufbau eines dro- genfreien Lebens, ist der dann folgen- de und oftmals schwierigere Thera- pieschritt. Eine Stärke des Ultra-Kurz- Entzuges liegt in der hohen Anzahl er- folgreich abgeschlossener Entzugsbe- handlungen als Voraussetzung für den Einstieg in eine Entwöhnungsbehand- lung. Eine Verbesserung der Absti- nenzrate, beispielsweise sechs Monate nach Entzug, wird sich jedoch nicht al- leine durch eine Modifikation der Ent- zugsbehandlung herbeiführen lassen.

Der Ultra-Kurz-Entzug ist, wie Herr Prof. Schmidt zu Recht anmerkt, kei- neswegs die einzig mögliche Alternati- ve zum herkömmlichen auf Metha- don gestützten Entzug. Unsere For- schungsgruppe befasst sich zum Bei- spiel auch mit der Anwendung von Bu- prenorphin im Opioidentzug und hat dazu erste Ergebnisse vorgelegt (4). In Hinblick auf die von Prof. Schmidt ge- nannten Todesfälle haben wir bei über 40 behandelten Patienten bislang we- der Todesfälle noch therapiebedingte Komplikationen beobachtet. Wir ge- hen davon aus, dass unter qualifizier- ten intensivmedizinischen Bedingun- gen diese Risiken minimal sind. ✁

M E D I Z I N DISKUSSION

Schlusswort

(5)

M E D I Z I N

Herr Dr. Tretter, München-Haar, pflichtet ebenfalls unserer Darstel- lung des Ultra-Kurz-Entzugs bei. Er stellt interessante Grundsatzfragen zur Evaluation von Opioidentzugsbe- handlungen jenseits des spezifischen Problems einer Evaluation des Ultra- Kurz-Entzugs.

Die Intensität des Entzugs wurde in unserer Untersuchung wie auch in analogen Studien anhand der für diesen Zweck weit verbreiteten Short Opiate Withdrawal Scale nach Gos- sop bestimmt (2). Diese Entzugsskala erfasst die Intensität typischer Ent- zugssymptome zu einem gegebenen Zeitpunkt. Die Bewältigung des Ent- zugs im Zeitverlauf ist hiermit, wie von Herrn Tretter angesprochen, nicht ausreichend beschrieben. So trifft man im klinischen Alltag sicher- lich Patienten, die einen kurz dauern- den, intensiven Entzug, der nach ab- ruptem Absetzen des Heroins auch durch Begleitmedikamente nur teil- weise gelindert wird, einem mögli- cherweise milderen, aber länger dau- ernden „warmen“ Entzug durch schrittweises Abdosieren von Metha- don vorziehen. Dies verweist auf die Bedeutung psychischer Faktoren für den Erfolg einer Entzugsbehandlung.

Unsere Studie beschränkte sich auf die Evaluation des Ultra-Kurz-Ent- zugs im Hinblick auf die Dauer und Intensität der Entzugssymptome, die Sicherheit des Verfahrens, die Rate erfolgreich beendeter Entzüge sowie die Rate der Vermittlung der Patien- ten in eine weiterführende Behand- lung. Angesichts der Bedeutung psy- chischer Variablen korreliert in unse- rer Untersuchung zum Ultra-Kurz- Entzug, wie auch bei Evaluationen anderer Entgiftungsstrategien (1), die Höhe der Dosis des konsumierten Opioids nicht mit der Dauer und In- tensität der Entzugssymptome.

Im Gegensatz zu Herrn Tretter, aber in Übereinstimmung mit ande- ren (3), halten wir die Halbwertszeit (HWZ) des konsumierten Opioides für einen relevanten Einflussfaktor für den Zeitverlauf der Entzugssym- ptome. Offensichtlich bestimmt die HWZ des Opioides die Dauer vom Zeitpunkt der letzten Opioideinnah- me bis zum Auftreten von Entzugs- symptomen. Opioide mit kurzer HWZ, wie Heroin, werden daher

mehrmals täglich konsumiert. Metha- don unterdrückt bei einmal täglicher Gabe in der Regel das Auftreten von Entzugssymptomen, bei LAAM (L- Alpha-acetyl-methadol) ist sogar eine Verabreichung jeden zweiten Tag möglich, ohne dass Entzugssymptome auftreten. Studien, in denen die Re- zeptorbindung von Opioiden im Ver- lauf des Entzuges für Opioide mit un- terschiedlicher HWZ geprüft und zur Intensität der Entzugssymptome in Beziehung gesetzt wurden, sind uns nicht bekannt. Angesichts der hetero- genen Symptomatik im Opioidentzug und angesichts der Tatsache, dass durch eine chronische Opioideinnah- me unterschiedliche zerebrale und pe- riphere Rezeptorsysteme direkt und indirekt betroffen sind, erscheint ein Modell des von Herrn Tretter vorge- schlagenen „neurochemischen Mobi- le“ zwar hypothetisch attraktiv, ist je- doch bislang nicht durch Daten ge- stützt. Welche Rolle eine sympathi- sche Aktivierung sowohl im Cere- brum als auch peripher für den Ent- zugsverlauf spielt, ist sicher eine hoch- interessante Frage, die der Klärung bedarf.

Literatur

1. Gossop M, Bradley B, Phillips GT: An inves- tigation of withdrawal symptoms shown by opiate addicts during and subsequent to a 21 day inpatient methadone detoxification procedure. Addict Rehav 1987; 12: 1–6.

2. Gossop M: The development of a short opiate withdrawal scale (SOWS). Addict Behav 1990; 15: 487–490.

3. Kleber HD: Opioids – Detoxification. In:

Galanter M & M Kleber HD (ed) Textbook of Substance Abuse Treatment, 2. Auflage.

Washington, London: American Psychiatric Press 1999; 251–269.

4. Scherbaum N, Kienbaum P, Klein S, Her- inghaus A, Paulus HJ, Gastpar M: Rapid detoxification of methadone substituted opiate addicts using buprenorphine. Con- gress: The future of addiction research and treatment. Mannheim, 1.–2.10.1999.

Dr. med. Norbert Scherbaum, Prof. Dr. med. Markus Gastpar, Dr. med. Peter Kienbaum*, Prof. Dr. med. Jürgen Peters*

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Rheinische Kliniken Essen Universität GH Essen Virchowstraße 174 45147 Essen

* Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universitätskli- nik Essen

DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

Im Gegensatz zu Erwachsenen war bei Kindern mit Aids auch mit bisherigen Kombinationstherapien nur selten eine langfristige Virussup- pression erreichbar. In einer nord- amerikanischen Multicenterstudie wurde nun der Wert einer Dreifach- Kombinationstherapie mit Protease- Inhibitoren, nukleosidischen sowie nichtnukleosidischen Reverse-Tran- skriptase-Inhibitoren untersucht. In die Studie wurden 57 Kinder im Al- ter von 3,8 bis 16,8 Jahren aufgenom- men, die bislang nur mit nukleosidi- schen Reverse-Transkriptase-Inhibi- toren behandelt worden waren. Im Mittel wiesen sie 699 CD4-Zellen und 10 000 HIV-1-RNA-Kopien pro Milliliter Plasma auf. Efavirenz wur- de als Vertreter neuer nichtnukleosi- discher Reverse-Transkriptase-Inhi- bitoren mit Nelfinavir als Protease- Inhibitor und einem älteren nukleo- sidischen Reverse-Transkriptase-In- hibitor kombiniert.

Nach einem Jahr wiesen 76 Pro- zent der Kinder HIV-1-RNA- Kopien unter 400 pro Milliliter auf, bei Ein- satz neuerer supersensitiver Testver- fahren waren sogar bei 63 Prozent der Kinder die Menge der HIV-1-RNA- Kopien unter die detektierbare Nach- weisgrenze von 50 pro Milliliter abge- sunken. Hohe Plasma-Spiegel von HIV-1-RNA zu Therapiebeginn wa- ren prognostisch am ungünstigsten zu werten. Die Autoren sehen in der vorgestellten Dreifachkombination mit Efavirenz, Nelfinavir und einem nukleosidischen Reverse-Transkrip- tase-Inhibitor eine gut verträgliche, potente und langfristig wirksame The- rapieoption für Kinder mit Aids, die bereits mit nukleosidischen Reverse- Transkriptase-Inhibitoren behandelt

worden waren. acc

Starr S et al.: Combination therapy with efavirenz, nelfinavir, and nukleoside reverse-transcriptase inhibitors in chil- dren infected with human immunodefi- ciency virus type 1. N Eng J Med 1999;

341: 1874–81.

Dr. Starr, Division of Immunologic and Infectious Diseases, Children’s Hospital of Philadelphia, 34thStreet And Civic Center Blvd, Philadelphia, PA 19104, USA.

Behandlung von

Kindern mit Aids

Referenzen

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Steinkopff Verlag, Darmstadt, 2004, 88 Seiten, 18 Ab- bildungen, 6 Tabellen, 44,95 A Dem noch unkundigen Leser wird schnell bekannt: Vor- hofflimmern ist eine der häu-

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