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Archiv "Kardiologie: Studien mit Überraschungseffekt" (26.09.2014)

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A 1648 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 39

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26. September 2014

KARDIOLOGIE

Studien mit Überraschungseffekt

Auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Barcelona nahmen die Themen Myokardrevaskularisation und chronische Herzinsuffizienz einen breiten Raum ein.

D

ie Myokardrevaskularisation – durch perkutane Koronar- intervention (PCI) plus Stentim- plantation oder durch koronare By- passoperation (CABG) – ist eine der wichtigsten Therapieprinzipien in der Kardiologie. Als neuere Stent-Generationen mit dünne- ren Stentstreben, einer Be- schichtung mit biokompati- blen Polymeren und effekti- veren antiproliferativen Me- dikamenten die prozeduralen Ergebnisse kontinuierlich ver- besserten, schien der operati- ve Eingriff allmählich in den Schatten zu rücken. So wurden in Deutschland im vergangenen Jahr rund 300 000 Stents implan- tiert und 54 266 CABG durchge- führt (Quelle: Krankenhausreport 2014 der Barmer-GEK). Selbst bei Mehrgefäßerkrankungen ziehen ei- nige Kardiologen die PCI mittler- weile der aortokoronaren Bypass- operation vor. Die aktualisierte eu- ropäische Leitlinie zur Revaskulari- sation bei Koronarer Herzkrankheit (KHK), die von den Europäischen Gesellschaften für Kardiologie (ESC) und Herzchirurgie (EACTS) auf dem ESC-Kongress in Barcelo- na vorgestellt wurde, tritt diesem Trend nun deutlich entgegen.

Die PCI bleibt für Herzinfarktpa- tienten mit weniger komplexen Ver- engungen von ein oder zwei Koro- nargefäßen zwar immer noch die erste Therapieoption. Liegen jedoch mehrere und/oder komplexe Steno- sen vor, wird nunmehr die koronare Bypass-Operation favorisiert. Die- ses Umdenken basiert auf diversen Studien, die gezeigt haben, dass das chirurgische Vorgehen die bestge - eignete Behandlungsoption ist, wenn alle drei Koronararterien oder der Hauptstamm des linken Herzkranz- gefäßes verengt sind. Letztlich aus- schlaggebend für die Veränderung

waren. Das interventionelle Vorge- hen wird nunmehr als gleichwertig erachtet bei Patienten mit stabiler KHK und Ein- oder Zweigefäßer- krankung mit proximaler LAD-Be- teiligung; ebenso bei Patienten mit

Stenose des Hauptstammes der lin- ken Koronararterie oder Dreige- fäßerkrankung, sofern die ana-

tomische Bewertung mittels SYNTAX-Score ≤ 22 beträgt.

Sowohl CABG und PCI haben in diesen Situationen jetzt eine Klasse-I-Empfehlung.

Besonderen Wert legen die ESC-Leitlinien auf die Doku- mentation der Ischämie mittels Messung der fraktionellen Fluss- reserve (FFR) als Zusatzuntersu- chung während der Angiographie.

Die aktualisierte Version gibt zu- dem deutlicher als bisher vor, dass – nach dem Vorbild der Tumorkon- ferenzen – grundsätzlich jeder Pa- tient mit fortgeschrittener KHK von einem Team aus Herzchirurgen und Kardiologen beraten werden sollte.

Bei 30 bis 40 Prozent der Patien- ten, die wegen eines ST-Hebungs - infarktes (STEMI) eine primäre PCI erhalten, werden angiographisch mehrere Stenosen nachgewiesen.

Die brennende Frage, ob es für die Betroffenen von Vorteil ist, während der Intervention nicht nur das In- farkt auslösende Gefäß, sondern alle höhergradigen Koronarstenosen zu weiten und mit Stent zu versehen, wird unterschiedlich beurteilt. Die gültigen ESC-Leitlinien raten aus verschiedenen Gründen davon ab.

So wird beispielsweise befürchtet, dass die verbesserte Durchblutung in den dilatierten nicht-infarktrele- vanten Koronarien die Blutversor- gung im infarzierten Herzmuskel verschlechtern könnte (steal-Effekt).

Die Vorgabe der Leitlinien wurde erstmals durch die Ergebnisse der PRAMI-Studie (Preventive Angio- der Leitlinie war die 2012 veröf-

fentlichte SYNTAX-Studie (Syner- gy between PCI with taxus and Car- diac Surgery, [N Engl J Med DOI:

10.1056/NEJMoa1110717]).

Bei Mehrgefäßerkrankung zeigt Bypass bessere Ergebnisse

Diese weltweit größte vergleichen- de Studie zwischen beiden Behand- lungsmöglichkeiten hatte ergeben, dass bei Mehrgefäßerkrankung nach fünf Jahren fast 89 Prozent der By- pass-Operierten, aber nur 80,8 Pro- zent Stent-Patienten noch lebten.

Deutliche Unterschiede zeigten sich auch im Hinblick auf die Zahl der späteren Herzinfarkte (Bypass:

3,9 Prozent; Stent: 10,1 Prozent) und der Revisionseingriffe (Bypass:

12,1 Prozent; Stent: 30,9 Prozent).

Andererseits wurde in der neuen Leitlinie die Wertigkeit der PCI ge- steigert bei Indikationen, die vor- mals nur der Operation vorbehalten

Der Kongress der Europäischen Ge- sellschaft für Kardiologie (ESC), der dieses Jahr in Barcelona stattfand, hat mit mehr als 30 000 Besuchern inzwischen die bis- her dominierenden US-Fachkongresse übertrumpft.

M E D I Z I N R E P O R T

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26. September 2014 A 1649 plasty in Myocardial Infarction) in-

frage gestellt. Sie hatte ergeben, dass die sofortige Mitbehandlung anderer Stenosen das Risiko für Komplikationen um etwa zwei Drit- tel reduziert (N Engl J Med 2013;

369: 1115–23). Auch die Ergebnisse einer Meta-Analyse (Am Heart J 2014; 167: 1–14e2) belegen einen Überlebensvorteil, wenn bei In- farkt-Patienten mit Mehrgefäßer- krankung alle Läsionen einzeitig behandelt werden.

Die in Barcelona vorgestellte CvLPRIT-Studie (Complete versus Lesion only PRimary-PCI Trial) mit 296 STEMI-Patienten liefert nun weitere Argumente, dass diese Emp- fehlung überdacht werden sollte.

Nach Angeben von Prof. Dr. Antho- ny H. Gershlick von den University Hospitals of Leicester, Großbritan- nien, hatten die Patienten, bei denen eine komplette Revaskularisierung vorgenommen worden war, nach ei- nem Jahr signifikant weniger klini- sche Komplikationen erlitten. Das Risiko für schwere kardiovaskuläre

Komplikationen (MACE*) sank von 21,2 auf 10 Prozent (HR 0,45), wo- bei die Differenz bereits in den ers- ten 30 Tagen deutlich wurde. Einen Vorteil für den umfassenden Eingriff ergab auch das 1-Jahres-Risiko für Tod, Infarkt oder Herzinsuffizienz (fünf versus 13 Prozent). Die umfas- sendere Behandlung (im Schnitt 55 versus 41 Minuten) hatte eine höhe- re Kontrastmittelmenge (250 versus 190 ml) zurfolge, ohne aber die Rate an Schlaganfällen, Blutungskompli- kationen oder kontrastmittelbeding- ten Nierenschäden zu erhöhen, be- richtete Gershlick.

Die Ergebnisse blieben jedoch nicht unwidersprochen: „Die Studie ist so schwach dimensioniert, dass Unterschiede bei Gesamtsterblich- keit und Myokardinfarktrate nicht nachgewiesen werden können“,

kommentierte Prof. Dr. Shamir R.

Mehta von der McMaster Universi- ty in Hamilton, Kanada. Benötigt würden Daten aus Studien mit deut- lich mehr Teilnehmern, die zurzeit noch laufen.

Hoffnungsträger ist ein orales Kombinationspräparat

Die höchste Aufmerksamkeit aller in Barcelona vorgestellten Studien erzielte jedoch ein neues Prinzip für die Therapie der chronischen Herz- insuffizienz. Hier sind pharmakolo- gische Innovationen seit langer Zeit überfällig, denn die chronische Herzinsuffizienz hat eine schlechte- re 5-Jahres-Überlebensrate als viele Tumorerkrankungen: Etwa 40 Pro- zent der Patienten sterben innerhalb eines Jahres nach ihrer ersten Kran- kenhauseinweisung.

Der untersuchte Wirkstoff LCZ696 befindet sich zwar noch in der klinischen Entwicklung, ihm (und dem Hersteller Novartis) wurde in Barcelona jedoch eine glänzende Zukunft prophezeit. Bei dem Hoff-

nungsträger handelt es sich um ein orales Kombinationspräparat aus dem Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker Valsartan plus dem Neprilysin-Hem- mer Sacubitril (kurz: ARNI). Das körpereigene Enzym Neprilysin be- einflusst das Bradykininsystem und führt in Kombination mit Valsartan zu einer Vasodilatation, Hemmung der Renin-Angiotensin-Aldosteron- sowie der Sympathikusaktivität.

Im Rahmen der PARADIGM- HF-Studie wurde LCZ696 mit der derzeitigen Standardtherapie vergli- chen, zu der ein ACE-Hemmer ge- hört. An der Studie nahmen 8 442 Patienten mit Herzinsuffizienz der NYHA-Stadien II bis IV teil (Durchschnittsalter 64 Jahre, Frau- enanteil 20 Prozent). Zentrales Ein- schlusskriterium war ein Abfall der linksventrikulären Auswurffraktion auf unter 40 Prozent. Die Patienten erhielten entweder LCZ696 (2 × 200 mg/Tag) oder Enalapril (2 × 10 mg/Tag) zusätzlich zur derzeit bes-

ten Standardtherapie. Wie Studien- leiter Prof. John McMurray von der Universität Glasgow berichtete, war die zeitgleich zum ESC-Kon- gress veröffentlichte Studie (N Engl J Med 2014; 371: 993–1004) be- reits im Frühjahr wegen einer si - gnifikanten Risiko-Reduktion unter LCZ696 beim primären Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung beendet worden (21,8 Prozent ver- sus 26,5 Prozent im Enalapril-Arm;

HR: 0,80; KI: 0,73 bis 0,87).

Auch in den sekundären End- punkten Gesamtmortalität (17,0 versus 19,8 Prozent, HR: 0,84; KI:

0,76–0,93) und kardiovaskuläre Sterblichkeit (13,3 versus 16,5 Pro- zent) war LCZ696 im Vorteil. „Mit dem Kombi-Präparat wurden somit alle wichtigen Endpunkte erreicht – und das bei guter Verträglichkeit, denn die Rate der Therapieabbrü- che war niedriger als unter Enala- pril“, so McMurray. Auf Basis die- ser überzeugenden Daten wird der Hersteller noch in diesem Jahr in den USA und Anfang 2015 in Europa die Zulassung beantragen.

Co-Autor Prof. Milton Packer, Dallas, ist überzeugt, dass mit die- ser Therapie eine neue Ära der Herzinsuffizienz-Therapie eingelei- tet werden könnte, denn der Unter- schied von LCZ696 zur derzeitigen Standardtherapie sei so groß wie der Unterschied zwischen der Gabe eines ACE-Hemmers oder Placebo.

Doch obgleich die Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit der Prüfsubstanz vorwiegend als über- zeugend angesehen werden, gab es kritische Bemerkungen zum Studi- endesign. Sie betreffen die Wahl des Vergleichspräparates (Enalapril statt Valsartan) und der Dosierung (50 Prozent der Maximaldosis von Ena- lapril versus Maximaldosis von Valsartan plus Neprilysin).

Bedenken zur langfristigen Si- cherheit ergeben sich – theoretisch – aus der Tatsache, dass Neprilysin im Gehirn am Abbau von Beta-Amy- loiden beteiligt ist. Knockout-Mäu- se ohne Neprilysin hatten in einer Studie vermehrte Ablagerungen des Eiweißes und zeigten ein alzheimer- artiges Verhalten.

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

Mit LCZ696 könnte eine neue Ära der Herzinsuffizienz-Therapie eingeleitet werden.

Milton Packer, University of Texas, Southwestern in Dallas

*Als MACE waren die klinischen Ereignisse Gesamtmortalität, erneuter Myokardinfarkt, Herz- insuffizienz und erneute Revaskularisation auf- grund einer Ischämie zusammengefasst worden.

M E D I Z I N R E P O R T

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