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Psychosomatische Aspekte der Prurigo nodularis

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Hautarzt 2014 · 65:704–708 DOI 10.1007/s00105-014-2758-7 Online publiziert: 8. august 2014

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

G. Schneider1 · J. Hockmann2 · A. Stumpf1

1 Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster

2 Oelde

Psychosomatische Aspekte  der Prurigo nodularis

Die meisten Autoren vertreten bezüg- lich der Prurigo nodularis (PN) heute die Ansicht, dass primär ein Pruritus vorliegt und die nodulären Läsionen erst sekundär durch chronisches Krat- zen der Patienten auftreten (s. da- zu auch Raap und Günther in diesem Heft [1]). In Reviews werden immer wieder psychische und psychosomati- sche Faktoren im Zusammenhang mit PN erwähnt [5, 9, 10, 16]. Im Folgen- den wird die empirische Evidenz da- zu dargestellt und ein Vorschlag zur Klassifikation gemacht.

Psychosomatische Aspekte können, bezo- gen auf die PN, auf verschiedenen Ebenen diskutiert werden:

1. in der Ätiologie des chronischen Pruritus,

2. bezüglich des chronischen Kratzens, das die typischen Prurigopapeln erst entstehen lässt und aufrechterhält, 3. in Folge des chronischen Pruritus,

des Kratzverhaltens und der Haut- veränderungen.

Diese Aspekte sind klinisch selbstver- ständlich nicht streng getrennt, sondern können zusammen beim gleichen Patien- ten auftreten und sich auch gegenseitig beeinflussen, werden aber hier aus didak- tischen Gründen getrennt aufgeführt.

Psychosomatische Aspekte in der Ätiologie des chronischen Pruritus der Prurigo nodularis

Wenn überwiegend psychische Ursachen der Entstehung eines körperlichen Sym- ptoms zugrunde liegen und organische Ursachen ausgeschlossen werden können,

spricht man von Somatisierung. Es gibt in der psychosomatischen Medizin mehrere theoretische Modelle, die Somatisierung erklären können und auch auf Pruritus als Symptom anwendbar sind (Vertiefung z. B. bei [4]).

Theoretische Modelle  der Somatisierung

Die psychodynamische Grundvorstellung zur psychogenen Entstehung eines kör- perlichen Symptoms besagt, dass Perso- nen durch biografische Belastungen und/

oder Traumatisierungen unbewusste dys- funktionale („neurotische“) innere Kon- flikte und/oder persönlichkeitsstrukturel- le Vulnerabilitäten entwickeln, weswegen sie bestimmte Lebensereignisse oder Ent- wicklungsaufgaben nicht flexibel bewälti- gen und lösen können und damit über- fordert sind. Die damit verbundenen, für das Individuum unerträglichen Gefüh- le und Konflikte werden abgewehrt, und es kann in dieser Belastungssituation zur Entwicklung einer psychosomatisch be- gründeten, körperlichen oder psychi- schen Symptomatik kommen. Das dabei entstehende Symptom kann eine Kom- promissbildung zwischen den unverein- baren inneren Strebungen darstellen und hat die unbewusste Funktion der Entlas- tung von dem inneren Konflikt, den un- erträglichen Affekten bzw. der anstehen- den Entwicklungsaufgabe.

Wenn z. B. eine junge Frau auf der biografischen Basis des Verlustes beider Eltern als Kleinkind mit Erleben von Ver- lassensein eine unbewusste Angst vor Nä- he und intensiver Verbundenheit entwi- ckelt hat (die neue Person könnte sie ja ebenfalls verlassen, was für sie unerträg-

lich schmerzhaft wäre), sich dann aber verliebt und auf Interesse stößt, könnte ein neu aufgetretener Pruritus und das damit verbundene Kratzen sie für das Gegen- über weniger attraktiv machen, ihr kör- perliche Nähe verunmöglichen und sie auf Abstand gehen lassen. So würde die unbewusst genauso gewünschte wie be- fürchtete Nähe verhindert und damit der innere Konflikt unbewusst, wenn auch dysfunktional „gelöst“.

Ein weiteres Konstrukt, das in der Dis- kussion um die Ätiologie psychosomati- scher Erkrankungen Beachtung gefunden hat, ist das Alexithymie-Konzept. Alexi- thymie meint die Schwierigkeit, Gefühle wahrzunehmen, zu differenzieren und zu beschreiben. Alexithyme Personen haben ein konkretistisches Denken, ein verarm- tes emotionales Erleben und wenig Fan- tasie. Anstelle der nicht erlebten Gefühle und Konflikte treten körperliche Sympto- me als Affektäquivalente. So könnte Pru- ritus stellvertretend für abgewehrten Är- ger oder nicht erlebte Trauer entstehen.

Aus verhaltenstherapeutischer Sicht spielen Lernvorgänge und Verstärkungs- mechanismen eine Rolle.

D Verstärkte Fokussierung auf den  Pruritus kann dazu führen, dass  dieser verstärkt wahrgenommen  und negativ bewertet wird.

Ein Beispiel für „Lernen am Modell“ wä- re, wenn das Kind beobachtet, wie eine wichtige Bezugsperson in der Primärfa- milie für eine juckende Hauterkrankung Fürsorge und Entlastung erfährt und das Kind später unbewusst in unangeneh- men Situationen/Anforderungen Pruri- tus entwickelt. Positive Verstärkung be- Leitthema

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deutet, dass man durch den Pruritus selbst Zuwendung oder Vorteile erfährt.

Wenn man etwas Unangenehmes/Angst- einflößendes dadurch vermeiden kann, spricht man von negativer Verstärkung, was ebenfalls das Auftreten bzw. die Per- sistenz und Zunahme des Symptoms Pru- ritus begünstigen könnte.

Daran wird schon deutlich, dass es kein allgemeingültiges Modell für psy- chosomatische Pruritusentstehung bzw.

-verstärkung gibt und dass im Einzelfall unterschiedliche Aspekte eine Rolle spie- len, teils auch in Kombination. Deswegen ist eine höchst individualisierte Diagnos- tik erforderlich, um solche Aspekte und ihr Zusammenspiel zu erfassen (möglich z. B. mit der Operationalisierten Psycho- dynamischen Diagnostik OPD-2; [2]).

Untersuchungen mit psychometrischen Instrumenten alleine können dies nicht leisten.

Empirische Befunde

Es gibt nur wenige empirische Untersu- chungen mit größeren Fallzahlen zu psy- chosomatischen Aspekten bei PN. Wir konnten nur 2 Originalarbeiten identifi- zieren [3, 14], die psychometrische Daten bei PN erhoben, und 4 weitere, die psychi- sche/psychiatrische Aspekte in der Ätiolo- gie miterhoben haben [8, 13, 15, 17].

In der frühen Phase der psychosoma- tischen Prurigoforschung wurde auf der Basis von Einzelfallbeschreibungen meis- tens verdrängter bzw. nicht gelebter Wut und Aggression bei altruistischem Verhal- ten eine pathogenetische Bedeutung zuge- sprochen [7, 11, 12].

Ob mangelnde Wahrnehmung oder gehemmter Ausdruck eigener aggressiver Emotionen oder Alexithymie über den Einzelfall hinaus für eine größere Grup- pe oder gar die Mehrzahl von PN-Patien- ten Gültigkeit haben könnte und spezi- fisch für PN ist, untersuchten Schneider et al. 2006 [15] empirisch an 94 Patienten mit PN. Als Kontrollgruppe wurde eine andere chronisch verlaufende, gelegent- lich juckende Dermatose (Psoriasis vul- garis, n=91) gewählt, um dermatologi- sche Patienten mit vergleichbarer Krank- heitsdauer als Vergleichsgruppe heranzie- hen zu können und so zu klären, ob mög- liche psychische Auffälligkeiten mit chro-

nischen Hautkrankheiten allgemein oder spezifisch mit der PN assoziiert sind. Es zeigten sich in den psychometrischen Skalen keine signifikanten Unterschie- de zwischen PN- und Psoriasispatien- ten: d. h., PN-Patienten waren vergleich- bar mit Psoriasispatienten bezüglich Ale- xithymie, Ärgererleben, interpersonellen Beziehungsmustern, Somatisierungssco- res, Hypochondrie, Ängstlichkeit und De- pressivität. Es gab allerdings eine Tendenz zu geringerem Ärgerausdruck und weni- ger dominantem und mehr selbstunsicher unterwürfigem Verhalten bei den PN-Pa- tienten. Die Autoren folgerten daraus, dass sich die in der Literatur formulierten Hypothesen zur spezifischen Genese der PN nicht für die Mehrzahl der Patienten mit PN belegen lassen.

Die zweite psychometrische Studie, die wir identifizieren konnten, publizierten Dazzi et al. 2011 [3] mit 20 PN-Patienten.

Im Vergleich zu gesunden Kontrollperso- nen zeigten PN-Patienten signifikant hö- here Werte für Ängstlichkeit als Persön- lichkeitseigenschaft („trait-anxiety“), De- pressivität, Neurotizismus, und geringe- re Werte für Extraversion. Ähnlich wie Schneider et al. diskutieren die Autoren die Ergebnisse ihrer Querschnittstudie als PN-assoziiert, nicht als sicher ursächlich.

Rowland Payne et al. [13] veröffentlich- ten 1985 eine Untersuchung zu 46 Patien- ten mit PN, von denen 33% „relevante“

psychosoziale Störungen hatten, die von den Autoren als ursächlich für die PN dis- kutiert wurden, allerdings ohne nähere Aufschlüsselung in der Publikation.

In ihrem Überblick über Ursachen von PN bei 108 Patienten führten Iking et al.

2013 [8] rein psychische Ursachen bei kei- nem der Patienten auf, bei 64 Patienten gemischte Ätiologie, und bei 14 Patienten konnte keine Ursache gesichert werden.

Von den 64 Patienten gemischter Ätio- logie wurden bei 10 Patienten psychoso- matische Kofaktoren gefunden und bei einem ein Dermatozoenwahn.

In einer Studie zur Komorbidität bei chronischem Pruritus [14] wurde bei fast der Hälfte der Untergruppe mit PN die Diagnose „psychische Faktoren und Ver- haltenseinflüsse bei anderen Orts klassifi- zierten Erkrankungen“ (F54 nach ICD-10) im Sinne einer psychosomatischen Mit-

beeinflussung der dermatologischen Er- krankung gestellt.

Psychosomatische Aspekte bezüglich des Kratzverhaltens

Aufgrund der leichten Zugänglichkeit ihrer Hautmanifestationen können Be- troffene unmittelbar ihre Läsionen errei- chen, sodass Verhaltensaspekte (Kratzen, Scheuern, Übertreiben oder Vernachläs- sigung der erforderlichen Hautpflege) zu neuen Läsionen führen und den Krank- heitsverlauf komplizieren können. Das reaktive Kratzen wird häufig als automa- tisch und unkontrollierbar erlebt. Kurz- fristig kommt es zu einer Linderung des Juckens, langfristig aber über die Haut- schädigung zur Zunahme des Juckens und Verschlechterung des Hautbefun- des. Viele Betroffene fokussieren die Auf- merksamkeit auf den Pruritus, was zu ver- mehrter Wahrnehmung, verstärktem Lei- den und Aufschaukelung des Teufelskrei- ses von Pruritus und Kratzen führt. Dieser

„Pruritus-Kratz-Zirkel“ wird als Kontroll- verlust und Hilflosigkeit erlebt und geht häufig mit Niedergeschlagenheit und aus- geprägten Schuldgefühlen einher. Im Sin- ne einer Konditionierung wird Kratzen durch Nachlassen des Juckens und evtl.

auch durch Reduktion innerer Anspan- nung negativ verstärkt. Unter Umständen erlebt der Patient auch in konflikthaften sozialen Situationen eine Entlastung der Anspannung durch Kratzen, wodurch sol- che Situationen, real oder antizipiert, zum konditionierten Reiz für das Kratzen wer- den können. Da die zunehmenden Haut- läsionen erst verzögert auftreten, werden sie nicht verhaltenswirksam.

»   Der „Pruritus-Kratz-Zirkel“ 

wird als Kontrollverlust  und Hilflosigkeit erlebt

Bei den meisten Patienten ist das Krat- zen eine Reaktion auf den chronischen Pruritus und lässt nach, wenn der Pru- ritus nachlässt. Bei einer Minderheit der Patienten kann sich das Kratzen jedoch vom Pruritus abkoppeln und davon los- gelöst (weiter)bestehen. In der Literatur wird das als „psychogene“ oder „neuro- tische Exkoriation“ beschrieben. Es kann

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das Ausmaß einer Impulskontrollstörung erreichen oder eher zwanghaft auftreten und eine eigene ICD-10-Diagnose recht- fertigen (s. dazu unter „Systematik nach ICD-10“). In einer eigenen Untersuchung [14] wurde die Diagnose einer Impulskon- trollstörung bei 2 von 44 Patienten mit PN gestellt.

Psychische Folgen des chronischen Pruritus, des Kratzverhaltens und der Hautveränderungen

Chronischer Pruritus ist an sich ein be- lastendes Symptom. Er beeinträchtigt ausgeprägt die Lebensqualität. Er kann zu Schlafstörungen, Freud- und Inter- essenverminderung, sozialem Rückzug, Niedergeschlagenheit bis zu ausgepräg- ter Verzweiflung mit lebensmüden Ge- danken führen, also depressive Sympto- me auslösen. Auch die erlebte Hilflosig- keit gegenüber den Kratzimpulsen wirkt depressiogen. Angst, beispielsweise der Pruritus könne nie mehr aufhören, beein- trächtigt die Patienten und kann ein kli- nisch relevantes Ausmaß erreichen.

Hauterkrankungen beeinflussen un- mittelbar die Kommunikation, das Kör- pererleben und die Sexualität. Da die Haut den eigenen Blicken wie auch den Blicken anderer ausgesetzt ist, können die typischen Prurigoknoten und Kratzspu- ren und das sich Kratzen in der Öffent- lichkeit Reaktionen der sozialen Umwelt hervorrufen und das Selbstbewusstsein und die Beziehungen der Patienten beein- flussen, bis hin zu realer oder vermeintli- cher Stigmatisierung.

Auch zur Komorbidität der chroni- schen PN mit psychischen Störungen ist die Datenlage bisher spärlich. Die Unter- suchungen dazu sind alles Querschnitt- untersuchungen, sodass sich nicht be- urteilen lässt, ob die festgestellten komor- biden psychischen Erkrankungen Ursa- che oder Folge der PN sind oder unab- hängig davon bestehen.

Bei über 50% der 46 PN-Patienten in der Untersuchung von Rowland Payne et al. [13] waren anamnestisch behand- lungsbedürftige Depressionen, Angststö- rungen und andere psychische Störungen zu eruieren. Winhoven und Gawkrodger [17] fanden bei ihrer retrospektiven Ana-

lyse von 72 PN-Patienten bei 18 eine do- kumentierte Depression (25%), die bei 13 schon zum Zeitpunkt der Erstvorstellung in der Hautklinik antidepressiv behandelt wurde, ohne jedoch Aussagen zum zeitli- chen Zusammenhang machen zu können.

Schneider et al. [14] berichteten bei 70% der untersuchten 44 dermatologisch

stationären PN-Patienten psychische Ko- morbidität. Bei dieser hohen Komorbi- ditätsrate ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Stichprobe von PN-Patien- ten handelte, die stationär in einer Univer- sitäts-Hautklinik waren, die für ihre Spe- zialisierung auf Pruritus bekannt ist, also vermutlich besonders schwer Betroffene Zusammenfassung · Abstract

Hautarzt 2014 · 65:704–708   DOI 10.1007/s00105-014-2758-7

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 G. Schneider · J. Hockmann · A. Stumpf

Psychosomatische Aspekte der Prurigo nodularis

Zusammenfassung

Hintergrund/Fragestellung.  Der Beitrag  fasst die theoretischen Modellvorstellungen  und die empirischen Befunde zu psychoso- matischen Aspekten der Prurigo nodularis  (PN) zusammen.

Material und Methoden.  Pubmed-Literatur- recherche mit den Stichworten „Prurigo no- dularis“, „nodular prurigo“, „psych*“, deren re- levante Ergebnisse referiert werden; ferner  klinische Erfahrungen und empirische For- schungsergebnisse der Autoren.

Ergebnisse.  Obwohl in Reviews immer wie- der psychosomatische Faktoren der PN er- wähnt werden, ist die empirische Evidenz da- zu deutlich spärlicher als zu Pruritus generell. 

Psychosomatische Aspekte der PN können  auf verschiedenen Ebenen diskutiert werden: 

1) in der Ätiologie des chronischen Pruritus; 

2) bezüglich des chronischen Kratzens, das  die typischen Prurigopapeln erst entstehen  lässt und aufrechterhält. 3) in Folge des chro- nischen Pruritus, des Kratzverhaltens und der  Hautveränderungen, 4) als Komorbidität. Em- pirisch belegt sind höhere psychische Ko-

morbiditäten und höhere psychopathologi- sche Auffälligkeiten (Ängstlichkeit, Depressi- vität) im Vergleich zu gesunden Kontrollen,  aber nicht mehr als bei anderen juckenden  Dermatosen.

Diskussion.  Psychopathologische Auffäl- ligkeiten und eine im Vergleich zu Gesun- den höhere psychische Komorbidität wurden  auch bei anderen chronischen Hautkrankhei- ten beschrieben und scheinen somit nicht  spezifisch für PN zu sein. Die vorliegenden  Querschnittuntersuchungen lassen keine si- cheren Aussagen zu, ob diese Ursache oder  Folge der PN sind oder davon unabhängige  Komorbiditäten. Trotzdem sollten klinisch im  Einzelfall psychosomatische Aspekte in Ätio- logie und Verlauf sowie als mögliche Folge  der PN berücksichtigt werden und Eingang  in diagnostische und therapeutische Überle- gungen finden.

Schlüsselwörter

Pruritus · Psychosomatik · Komorbidität ·  Kratzen · Papeln

Psychosomatic aspects of prurigo nodularis

Abstract

Background/objectives.  This article gives an  overview of the theoretical background and  the empirical research concerning psychoso- matic aspects of prurigo nodularis (PN).

Materials and methods.  Literature research  in PubMed with the search terms “prurigo  nodularis”, “nodular prurigo”, “psych*”; clinical  experience and research of the authors.

Results.  Although reviews on PN frequent- ly mention psychosomatic aspects, there is  little empirical research concerning the sub- ject. Psychosomatic aspects of PN may play  a role in (1) the etiology of the chronic pruri- tus; (2) scratching, which leads to the typical  nodules of PN; (3) the consequences of the  chronic pruritus, the scratching and the skin  lesions; (4) comorbidity. There is evidence for  higher psychic comorbidity and higher psy-

chopathology (anxiety, depression) in PN pa- tients than in healthy controls, but PN pa- tients were comparable to patients with oth- er pruritic dermatoses.

Discussion.  Increased levels of psycho- pathological problems and comorbidities al- so have been found in other dermatoses; 

they are not specific for PN. Because all of the  research on this topic is cross-sectional, we  cannot be sure whether these aspects are eti- ological factors or consequences of PN or in- dependent comorbidities. Nevertheless, psy- chosomatic aspects should be considered in  diagnosis and treatment of PN patients.

Keywords

Pruritus · Psychosomatic · Comorbidity ·  Scratch · Papules

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anzieht. Davon wurden bei 19 Patienten (43,2%) psychische Faktoren und Verhal- tenseinflüsse bei andernorts klassifizier- ten Erkrankungen im Sinne psychosoma- tischer Einflussfaktoren auf die PN (wie oben berichtet) diagnostiziert. Bei 7 Pa- tienten (15,9%) wurden Anpassungsstö- rungen, bei 4 Patienten (9,1%) depressi- ve Störungen, bei jeweils 2 (4,5%) Angst- störungen und Impulskontrollstörungen diagnostiziert; 1 Patient hatte eine organi- sche psychische Störung, 3 Patienten hat- ten psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, 1 Patient eine dissoziative, 1 Patient eine somatofor- me Störung, 6 Patienten Persönlichkeits- störungen.

Insgesamt ist damit die Prävalenz psy- chischer Störungen mit 50–70% bei PN höher als in der Normalbevölkerung, wo sie laut epidemiologischen Untersu- chungen bei 25–30% liegt. Allerdings fan- den Schneider et al. [15] für PN-Patien- ten ähnliche psychopathologische Auffäl- ligkeiten wie bei Psoriasispatienten, d. h., es gab keinen Hinweis, dass PN-Patienten mehr psychische Komorbiditäten auf- weisen als Patienten mit anderen Haut- erkrankungen, es handelt sich also nicht um einen für PN spezifischen Befund – dies immer unter dem bereits zuvor er- wähnten Vorbehalt, dass Untersuchun- gen mit psychometrischen Instrumenten im Einzelfall unterschiedliche psychoso- matische Aspekte in der Pruritusentste- hung und -verstärkung nicht hinreichend wiedergeben können.

Systematik nach ICD-10

In einer Systematik, die die Klassifikation der ICD-10 berücksichtigt, könnte die PN, wie im Folgenden aufgeführt, eingeordnet werden.

Pruritus und Kratzverhalten der  Prurigo nodularis als Symptom  psychischer Störungen

Es liegt eine psychische Störung zugrun- de, die sich symptomatisch in Pruritus (und eventuell auch noch zusätzlichen körperlichen Beschwerden) und/oder durch Manipulationen an der Haut ma- nifestiert (A1–A3 in . Tab. 1), ohne dass eine organische Erkrankung den Pruritus verursacht.

Somatoforme Störungen. Diese (. Tab. 1, A1) sind charakterisiert durch wiederholtes Darbieten körperlicher Sym- ptome z. B. des Pruritus in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach me- dizinischen Untersuchungen trotz wie- derholt negativer Ergebnisse und der Ver- sicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind. Gleich- zeitig liegen psychosoziale Belastungen vor, die die Symptomatik bedingen und unterhalten können. Die Störung kann monosymptomatisch (nur Pruritus bzw.

Kratzläsionen im Sinne der PN) sein oder polysymptomatisch (Pruritus begleitet von anderen organisch nicht ausreichend erklärbaren körperlichen Beschwerden).

In der Praxis ist es aber schwierig, die- se Diagnose zu stellen, da das Kriterium,

dass die Symptome nicht körperlich be- gründbar sind, sehr schwer zu beurteilen ist, weil es noch kein erschöpfendes Wis- sen über organische Ursachen des chro- nischen Pruritus gibt und immer wie- der neue medizinische Erkenntnisse dazu auftauchen (s. dazu Raap und Günther in diesem Heft [1]) und es zudem unklar ist, wie die Zusammenhänge zwischen sys- temischen Erkrankungen, z. B. Diabetes und Pruritus, sind: So haben viele schlecht eingestellte Diabetiker keinen Pruritus, aber manche mit guter Blutzuckereinstel- lung: Wie wäre das ätiologisch einzuord- nen? (Dazu: Mettang in diesem Heft).

Schizophrene und wahnhafte Störun- gen. Diese Störungen (. Tab. 1, A2) können sich im dermatologischen Be- reich z. B. durch taktile Halluzinationen als Pruritus oder durch die wahnhafte Überzeugung, an einer Infektion z. B. mit Parasiten (Dermatozoenwahn) und da- durch bedingtem Pruritus zu leiden, ma- nifestieren und zu chronischem Kratzen und zu den typischen Hautveränderungen der PN führen.

Selbst induzierte Kratzartefakte mit oder ohne Pruritus. Bei den artifiziel- len Störungen ist das zentrale Symptom die Vortäuschung, Aggravation und/

oder Erzeugung körperlicher und psy- chischer Krankheitssymptome, die häu- fig medizinische Behandlungen zur Fol- ge haben. Echte Artefaktstörungen, bei denen die Selbstschädigung der Haut be- wusstseinsfern geschieht und in der Re- gel nicht zugegeben wird („Dermatitis ar- tefacta“), sind abzugrenzen von „Para- artefakten“, bei denen den Patienten ihre selbstschädigenden Handlungen bewusst sind und sie diese auch zugeben, jedoch nicht beenden können („Dermatitis para- artefacta“; [6]). Exzessives Kratzen in die- sem Sinne („neurotische Exkoriationen“) oder anderweitige Manipulationen an der Haut („skin picking“) kann man nach der ICD-10 als Impulskontrollstörung klassi- fizieren. Bei schweren Zwangsstörungen, insbesondere Zwangshandlungen mit Waschzwang, können durch Austrock- nen/Schädigung der Haut sowie dadurch bedingte Ekzeme und Superinfektionen ebenfalls Pruritus/Kratzen als Symptome auftreten (. Tab. 1, A3).

Tab. 1  Systematik psychischer Störungen bei Prurigo nodularis

A. Pruritus und Kratzverhalten der Prurigo nodularis als Folge psychischer Störungen A1: Somatoformer Pruritus [ICD-10: F45.0, F45.1, F45.8]

A2: Pruritus bei coenästhetischer Schizophrenie [ICD-10: F 20]

A3: Selbst induzierte Kratzartefakte mit oder ohne Pruritus bei abnormen Gewohnheiten und   Störungen der Impulskontrolle [ICD-10: F63.3], Artefaktstörungen [ICD-10: F68.1], Zwangsstörungen  [F42.1]

B. Multifaktoriell bedingte Prurigo nodularis, deren Auslösung und Verlauf durch psychische  Faktoren entscheidend beeinflusst werden können [ICD-10 F54: Psychologische und Verhaltens- faktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen]

C. Psychische Störungen in Folge der Prurigo nodularis, z. B. Anpassungsstörungen [ICD-10: F43],  depressive Störungen [ICD-10: F32-F33), Angststörungen [ICD-10: F40-F41]

D. Von A–C unabhängige Komorbidität mit prinzipiell jeder psychischen/psychosomatischen  Störung möglich, die ihrerseits das Management der Prurigo nodularis erschweren und den   Krankheitsverlauf beeinflussen kann (z. B. durch Complianceprobleme, bei Persönlichkeits-  störungen, organischen oder schizophrenen Psychosen u. a.)

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Multifaktoriell bedingte Prurigo  nodularis, deren Auslösung  und Verlauf durch psychische  Faktoren entscheidend  beeinflusst werden kann

Die Diagnosekategorie „Psychologische und Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen“ wird ver- geben, um psychische und Verhaltens- einflüsse zu erfassen, die wahrscheinlich eine wesentliche Rolle in der Manifesta- tion körperlicher Krankheiten spielen, die in anderen Kapiteln der ICD-10 klassifi- ziert werden (z. B. bei Prurigo nodularis;

. Tab. 1, B). Die psychischen Belastun- gen sind meist lang anhaltend (wie Sor- gen, emotionale Konflikte, Erwartungs- angst, Stress, Complianceprobleme), ha- ben jedoch nicht die Ausprägung, die eine sonstige psychische Diagnose rechtferti- gen würde. Teilweise können die psychi- schen Einflüsse über psychoneuroimmu- nologische Zusammenhänge vermittelt werden, teilweise über die Verhaltensas- pekte, teils sind sie klinisch beobachtbar, aber die genauen Mechanismen noch un- bekannt.

Psychische Störungen als  Reaktion auf Prurigo nodularis

Die PN führt – wie oben ausgeführt – zu erheblichen psychosozialen Belastun- gen (. Tab. 1, C), die häufig unterschätzt werden, da die Erkrankung nicht lebens- bedrohlich ist. Chronischer Pruritus als psychosozialer Stressor fordert die Be- wältigungsmöglichkeiten des Individu- ums und kann sie auch überfordern. In der Folge können sich klinisch relevan- te Probleme der Krankheitsbewältigung (Anpassungsstörungen), depressive Stö- rungen, Angststörungen, Sexualstörun- gen u. a. entwickeln. Diese sind im Sinne einer Komorbidität sorgfältig zu diagnos- tizieren und ggf. ebenfalls zu behandeln.

Komorbidität mit  psychischen Störungen

Untersuchungen in der Allgemeinbe- völkerung zeigen Prävalenzen von 20–

25% psychischer Störungen. Dies bedeu- tet, dass bei einem Teil der von PN Be- troffenen unabhängig davon gleichzeitig

eine psychische Störung vorliegen kann (. Tab. 1, D), die ihrerseits das Manage- ment der PN erschweren und den Krank- heitsverlauf beeinflussen kann (z. B. durch Complianceprobleme und Probleme der Emotions- und Impulsregulation bei de- pressiven Störungen oder Persönlichkeits- störungen, organischen oder schizophre- nen Psychosen u. a.). Auch hier sollte die komorbide psychische Störung diagnosti- ziert und behandelt werden.

Fazit für die Praxis

F  Psychosomatische Aspekte können  bei PN klinisch relevant sein, in der  Ätiologie des chronischen Pruritus,  bezüglich des chronischen Kratzens,  infolge des chronischen Pruritus, des  Kratzverhaltens und der Hautverän- derungen sowie als Komorbidität.

F  PN-Patienten weisen höhere psy- chische Komorbiditäten und höhe- re psychopathologische Auffälligkei- ten (Angst, Depression) im Vergleich  zu gesunden Kontrollpersonen auf. 

Diese Aspekte sollten in der Diagnos- tik und Behandlung von PN-Patienten  berücksichtigt werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. G. Schneider

Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und   Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster Domagkstr. 22, 48149 Münster

schneig@mednet.uni-muenster.de 

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  G. Schneider, J. Hockmann,  A. Stumpf geben an, dass kein Interessenkonflikt be- steht.  

Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder  Tieren.

Literatur

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