Analysis 1 f¨ ur Lehramt, schriftliche Pr¨ ufung am 30.1.2009, Winkler mit L¨ osungen
1. Formulieren sie das Induktionsprinzip.
L¨osung: Ist T ⊆ N mit 0 ∈ T und ∀n : n ∈ T → n + 1 ∈ T , so folgt T = N.
2. Erkl¨aren Sie, was eine Relation zwischen den Mengen A und B ist, was f : A → B bedeutet, und was man unter einer Folge (a
n)
n∈Nreeller Zah- len versteht.
L¨osung: Relation: Teilmenge von A × B.
f : A → B bedeutet, dass f eine Abbildung von A nach B ist; das ist eine Relation zwischen den Mengen A und B mit folgender zus¨atzlichen Eigenschaft: F¨ ur jedes a ∈ A gibt es genau ein b ∈ B mit (a, b) ∈ f (n¨amlich b = f (a)).
Folge reeller Zahlen: Eine Abbildung f : N → R (¨ ubliche Schreibweise f (n) = a
n).
3. Gibt es eine Folge (a
n)
n∈Nmit a
0= 1 und a
n+1=
a2n? (Explizite Angabe oder Begr¨ undung.)
L¨osung: Ja, a
n= 2
−n.
4. F¨ uhren Sie einen formalen Beweis daf¨ ur, dass je zwei Folgen (a
n)
n∈Nund (b
n)
n∈Nmit a
0= b
0= 1, a
n+1=
a2nund b
n+1=
b2n¨ ubereinstimmen.
L¨osung: Wir zeigen mittels Induktion, dass a
n= b
nf¨ ur alle n ∈ N. In- duktionsanfang (n = 0): a
0= 1 = b
0. Induktionsschritt (n 7→ n + 1): Aus a
n= b
nfolgt a
n+1=
a2n=
b2n= b
n+1.
5. Definieren Sie Grenzwert und Konvergenz von Folgen reeller Zahlen.
L¨osung: x heißt Grenzwert der Folge (a
n)
n∈N, symbolisch lim
n→∞a
n= x oder auch a
n→ x, wenn gilt ∀ε > 0 ∃n
0∈ N ∀n ≥ n
0: |a
n− x| < ε. Eine Folge heißt konvergent, wenn es einen Grenzwert dieser Folge gibt.
6. Gibt es eine Zahl, die Grenzwert aller Folgen wie in 4. ist? (Begr¨ undung direkt mittels 5. Sie d¨ urfen die Ungleichung n < 2
nverwenden.)
L¨osung: Wegen 3. und 4. gibt es genau eine derartige Folge, n¨amlich a
n= 2
−n. F¨ ur beliebig vorgegebenes ε > 0 sei n
0> ε
−1. Dann folgt f¨ ur alle n ≥ n
0: |a
n− 0| = 2
−n< n
−1≤ n
−10< ε. Nach der Definition des Grenzwerts in 5. bedeutet das lim
n→∞a
n= 0.
1
7. Was ist eine Cauchyfolge?
L¨osung: Die Folge (a
n)
n∈Nheißt Cauchyfolge, wenn gilt ∀ε > 0 ∃n
0∈ N ∀n
1, n
2≥ n
0: |a
n1− a
n2| < ε.
8. Geben Sie eine strukturelle Eigenschaft an, hinsichtlich derer sich die ge- ordneten K¨orper ( Q , +, ·, ≤) und ( R , +, ·, ≤) unterscheiden. (Mit struktu- rell ist gemeint, dass Sie nicht schlicht Elemente x ∈ R \ Q angeben.) L¨osung: Die Supremumseigenschaft (jede nichtleere nach oben beschr¨ankte Menge besitzt ein Supremum) gilt in den reellen Zahlen, nicht in den rationalen.
9. Sei A = {a
n: n ∈ N} und x = lim
n→∞a
n. Gilt immer/manchmal/nie x ∈ A?
L¨osung: Manchmal. (Beispiele: Bei konstanten Folgen ist x ∈ A, bei a
n= 2
−nist x = 0 ∈ / A.)
10. Wie 9., jedoch mit x ∈ A statt x ∈ A.
L¨osung: Immer. (In jeder Umgebung des Grenzwertes liegen Folgenglie- der.)
11. Wie 9., jedoch mit x ∈ A
ostatt x ∈ A.
L¨osung: Nie. (A ist abz¨ahlbar, nichtleere offene Mengen in R aber ¨ uber- abz¨ahlbar, also ist A
oleer.)
12. F¨ ur eine Folge reeller Zahlen betrachten wir die beiden Aussagen:
(a) Die Folge konvergiert.
(b) Die Folge ist eine Cauchyfolge.
Gelten die Implikationen (a)→(b) und (b)→(a) f¨ ur alle reellen Folgen?
L¨osung: In den reellen Zahlen gelten beide Implikationen. (In nicht voll- st¨andigen metrischen R¨aumen nur die erste.)
13. Begr¨ unden Sie wenigstens eine Ihrer Antworten aus 12. mittels Beweis oder Gegenbeispiel.
L¨osung (Beweis der ersten Implikation): Ist (a
n)
n∈Nkonvergent gegen x und n
0= n
0(ε/2) im Sinne von 5., so gilt f¨ ur n
1, n
2≥ n
0die Ungleichung
|a
n1−a
n2| = |(a
n1−x) + (x−a
n2)| ≤ |a
n1−x| +|x −a
n2| < ε/2 +ε/2 = ε.
Nach 7. handelt es sich also um eine Cauchyfolge.
2
14. Definieren Sie f¨ ur eine Reihe P
∞n=0
a
n, a
n∈ R, die Begriffe Partialsumme, Konvergenz, Wert der Reihe und absolute Konvergenz.
L¨osung: Partialsumme s
n= P
nk=0
a
k. Die Reihe konvergiert, wenn es die Folge der Partialsummen s
nim Sinne von 5. tut. Der Grenzwert dieser Folge heißt dann Wert der Reihe. Die Reihe heißt absolut konvergent, wenn auch die Reihe P
∞n=0
|a
n| konvergiert.
15. Formulieren Sie das Cauchykriterium f¨ ur Reihen mit reellen Gliedern.
L¨osung: Die Reihe P
∞n=0
a
nkonvergiert genau dann, wenn es zu jedem ε > 0 ein n
0∈ N gibt derart, dass f¨ ur alle n
1, n
2∈ N mit n
0≤ n
1≤ n
2gilt: | P
n2n=n1
a
n| < ε.
16. Wie lautet das Majorantenkriterium f¨ ur konvergente Reihen?
L¨osung: Ist |a
n| ≤ b
nf¨ ur alle n und konvergiert P
∞n=0
b
n, so konvergiert auch P
∞n=0
a
n. 17. Beweisen Sie dieses.
L¨osung: Wegen 15. erf¨ ullen die b
ndas Cauchykriterium f¨ ur Reihen, wegen
P
n2n=n1
a
n≤ P
n2n=n1
|a
n| ≤
P
n2n=n1
b
n, daher auch die a
n, weshalb die von ihnen gebildete Reihe, wieder nach 15., ebenfalls konvergiert.
18. Sei q ∈ R . Beweisen Sie f¨ ur q 6= −1 und s
n= P
nk=0
(−q)
kdie Gleichung s
n=
1−(−q)n+1
1+q
.
L¨osung: Induktion nach n. Induktionsanfang (n = 0): s
0= (−q)
0= 1 =
1+q1+q=
1−(−q)1+q0+1. Induktionsschritt: Die Formel gelte f¨ ur n, so folgt s
n+1= s
n+ (−q)
n+1=
1−(−q)1+qn+1+ (−q)
n+1=
1−(−q)n+1+(1+q)(−q)1+q n+1=
1−(−q)(n+1)+1
1+q
.
19. Geben Sie eine Formel f¨ ur s
naus 18 an, wenn q = −1.
L¨osung: (−(−1))
n= 1, also s
n= 1 + 1 + . . . + 1 = n + 1.
20. Folgern Sie die Formeln P
∞n=0
(−
12)
n=
23und P
∞n=0
(−
23)
n=
35aus 18.
L¨osung: In der Formel ist q =
23bzw. q =
35zu setzen. Da in beiden F¨allen
|q| < 1 gilt, folgt lim
n→∞q
n+1= 0. Somit ergeben sich als Grenzwerte
1
1+12
=
2+12=
23bzw.
1+123
=
3+23=
35.
3
21. Sei P
∞n=0
c
ndas Cauchyprodukt der beiden Reihen in 20. Geben Sie eine Formel f¨ ur die c
nan.
L¨osung: c
n= P
nk=0
(−
12)
k(−
23)
n−k= (−1)
nP
nk=0
2
n−2k3
k−n. 22. Welchen Wert hat die Reihe aus Frage 21? (Begr¨ undung!)
L¨osung: Weil die beiden Reihen aus 18. absolut konvergieren, stimmt der Wert des Cauchyproduktes mit dem Produkt der Werte ¨ uberein, also
2335=
2 5